Beiträge von Claudia Callista

    Eine Schlacht wird gefochten. Nicht mit den Waffen aus Stahl. Kein Gladius. Kein Pugio. Genauso verheerend ist das Bild in ihrem Zimmer. Verluste darf die Gegenseite vermelden. Ein Toter. Der Sturm brandet. Verfängt sich in ihrem Gemach. Und flaut wieder ab. Als ein Besucher in die Szenerie tritt. Das Drama. Die Tragödie unterbricht. Ohne Chor. Ohne die singenden Stimmen, die vom Lebensleid der Callista berichten. Aber auch ihren schwarzen Charakterzügen erzählt. Callista hebt ihren Blick. Die Stimme. So vertraut. Jetzt? Hier?
    "Oh."
    Ein Hauchen. Es tobt immer noch in Callista. Aber den Gast hätte sie nicht erwartet. Die Berührung holt sie gänzlich zurück. Der rote Schleier vor ihren Augen schwindet. Ihr ist kalt. So schrecklich eisig. Sie lässt sich aufhelfen. Ihre Gewänder rascheln um ihren Körper. Unschuldig weiß ist die Seide. Blaue Blumenmuster an den Rande des Kleides gestickt. Sie mischen sich mit grünen floralen Mustern. Aufgebracht ist Callista immer noch. Die Spuren all der tosenden Gefühle spiegeln sich deutlich und unverfälscht in ihrem Gesicht wieder. Spuren von Tränen. Verzweiflung. Wut. Haß und leidenschaftlicher Zorn. Inbrünstige Ausbrüche. Sie erzittert sanft. Ihre dunklen Wimpern sind von zwei funkelnden Tränen noch benetzt.
    "Caius?"
    Erstaunt ist Callista.
    Welch grausames Spiel.
    Ob die Götter sich daran ergötzen, Callista?
    Es muss so sein.
    Im Angesicht des Trauerspiels, was ihr Leben zeichnet, erscheint es ihr als Hohn. Sie blickt desperat in das Antlitz des schönen Marspriesters. Ihres Mars. Mehr nimmt sie nicht wahr. Blendet alle unwichtigen Details aus. Wie Streifen. Purpurfärbungen. Ein defätistischer Schluchzer löst sich aus ihrer Kehle. Sie wirft sich mit diesem Laut an Aquilius. Schlingt die Arme um seine Schultern.
    "O Caius. Grauslich ist es. Furchtbar. Ich werde verbannt. In die Einöde geschickt. In ein Gefängnis gesperrt. Für immer. In eine grauenvolle Welt. Voller Leiden und Schrecken. Du musst mir helfen, Caius."


    Grimmig ist das Glühen in den Augen der Leibsklavin. Sie steht hinten im Raum. Beobachtet. Verfolgt mit ihren Augen. Ist ihrer Herrin nicht zur Hilfe geeilt. Nun denkt sie darüber nach, den Vater der Callista zu rufen. Denn genau jener Mann ist der Grund von Benohés Verrat. Das zermürbende Gift der Eifersucht hat sich in das Herz der Sklavin geschlichen. So wie nie zuvor. Seit langem plagt es sie.
    Callista merkt es nicht. Aber dafür den Sklavenjungen. Der mit dem gewünschten Stock heran naht. Sie sieht auf das Holzstück und ahnt.
    "Nein. Nicht."
    Sie löst sich wieder aus den Armen von Aquilius.
    "Darum kümmere ich mich selber."
    Mit wütenden Blicken, die sie den Sklaven schenkt, tritt sie zu dem Tisch. Der ihre Schönheit am Tage gewähren soll. Sie beugt sich hinab. Vernimmt das feine Rascheln der trockenen Schuppen auf dem Boden. Callista fürchtet die Schlangen nicht. Sie liebt all die Tiere abgöttisch. Skorpione. Giftspinnen. Schlangen. Ihre Lieblinge sind es. Niemals würde sie zulassen, dass unwürdige Hände sie berühren. Nur wenn sie eine Strafe darstellen sollen. Callista verharrt still. Hebt die Hand als sich jemand ihr nähern will.
    "Nicht. Sie schmeckt. Die Luft um sich herum."
    Callista beißt sich auf die Unterlippe. Dann schnellt ihre Hand nach vorne. Sie zieht die Schlange hervor. Die sich windet und zischt. Klein ist das giftige Wesen. Schwarz in der Gestalt. Rote Muster ziehen über ihren Leib. Um ihr Handgelenk könnte sich das Wesen schlingen. Wie ein filigraner Reif. Callista ergreift das kriechende Tier direkt hinter dem Kopf. Damit sie nicht doch noch gebissen wird. Sie dreht sich um.
    Ihre schwarzen Haare sind eine wilde Mähne. Ihr Kleid noch ein wenig derangiert. Sie wirkt wie eine Zauberin, die aus den Untiefen gekommen ist. Um einen Mann zu verwünschen. Eine Hekate aus der Unterwelt. Sie hebt den Schlangenkopf bis vor ihre Augen.
    "Psst. Meine Kleine. Alles wird gut. Es tut mir so leid. Verzeih mir."
    Ein Hauchen zu dem giftigen Tier. Der tote Sklave kümmert Callista hingegen wenig.

    Illustre Herrschaften. Große Namen. Edle Patrizier. Alles hat der Sklave an der Tür schon gesehen. Wenn auch sein Erfahrungshorizont nicht so weit geht. Wie das der Villa selber. Die noch die Glanzzeiten erlebt hat. Wenn diese auch schon lange zurück liegen. Zu lange für den Geschmack einer Frau zumindest in diesem Haus. Die zu dem Zeitpunkt jedoch ganz andere Sorgen hegt. Der Ianitor wirft einen schnellen Blick über seine Schulter. Als es laut poltert. Er hat keine Weisung bekommen. Keinen Besuch herein zu lassen. Also sind hohe Herrschaften stets willkommen. Außerdem spielt eine kleine Gehässigkeit in der Seele des Mannes mit. Als er den Entschluss fasst, die Tür weit aufzuziehen.
    "Richte Deinem Herren aus, er ist der Herrin hoch willkommen."
    Während der Sklave des Aquilius ihm die Botschaft übermittelt, wendet sich der Ianitor um. Winkt einen Sklavenjungen heran. Der Aquilius zu der Herrin führen soll. Vor dem hohen Patrizier verneigt sich der Ianitor.
    "Herr, wenn ihr dem unwürdigen Jungen folgen würdet."
    Der Junge läuft eilends voraus. Sieht sich immer um. Ob der Flavier auch hinter her kommt. Flink sind die Füße. Als sie über den Stein zu der Tür des Cubiculum führen. Der Junge kichert als er das Chaos im Zimmer bemerkt. Schnell tritt er zur Seite und erstarrt. Callista wird zu Boden geschmettert.
    Schlangen. Er fürchtet sich davor.





    Farbenspiel. Himmelsspiel. Seelenspiel. Traumspiel.


    Manchmal
    landet ein Traum
    auf unserer
    offenen Hand
    verwandelt sich
    in eine Seifenblase
    um mit einem letzten
    einmalig schönen
    Farbenspiel
    zu zerplatzen
    - Traum, Engelberk Schinkel



    Iridisierend strömt leuchtendes Blau über den Himmel. Glühende Wirbelwolken schlängeln sie sich über das nächtliche Firmament. Malen mit unsichtbaren Pinsel Figuren in den Himmel. Grüne Lichter mischen sich unter das blendende Blau. Verweben sich mit rotem Schimmer. Donnergrollen erhebt sich über allem. Ein Baum aus purem Licht fährt vom Himmel hinab. Küsst mit dem Gleißen den schwarzen Boden. Verbrennt die Büsche und Gräser. Ein Krater aus schwarzem Glas bleibt zurück. Das Kleid aus silbernen Ketten wiegt schwer an Callistas Leib. Sie beugt sich neben dem Krater. Ihre Finger gleiten über das schwarze Glatt hinweg. Blass ist ihr Spiegelbild. Ein Schatten fällt über ihr Antlitz. Sie erhebt sich.
    "Die Welt ist im Wandel inbegriffen."
    Purpurlicht ergießt sich über das Land. Hüllt sein Gesicht in einen matten Schein. Schmeichelnd. Schön. Steine poltern in den Krater aus Glas. Murmeln gleichend, die die Götter Kindern ähnlich hinein stoßen. Callista ergreift seine Hand.
    "Der Wandel ist ein Muss."
    Ein hölzerner Wagen poltert über den Boden. Wirbelt Staub auf. Ein alter Mann sitzt auf dem Kutschbock. Zahnlos. Glatzköpfig. Hässlich. Alt. Ein glänzender Rappen ist angespannt. Ebenso ein klappriger alter Wallach. Unbedarft steigt Callista auf den Wagen. Macht Platz für ihn.
    "Das Spektakulum dürfen wir nicht verpassen."
    Rumpelnd fährt der Wagen weiter. Erwartungsvoll lächelt Callista. Ihre Hände sind brav auf dem Schoss gefaltet. Bäume ragen in die schwarze Dunkelheit hinauf. Zweige rascheln. Zwischen ihnen verrenken sich bizarr kuriose Wesen. Dürren Menschen gleichend. Schwarze Insektenköpfe tragen sie. Ein Bienenkopf beugt sich unter einem Heuschreckenkopf hinweg. Seine Bienenzunge entrollt sich und schlingt sich um einen schwarzen Baum. Entzückt klatscht Callista in ihre Hände.
    "Das Leben ist eine Inszenierung. Die Seele ein Spiegel der Welt."
    Die Insektenmenschen verschwinden. Das nächste Bild manifestiert sich zwischen schwarzen Bäumen. Dohlen starren von den Ästen. Krächzen ihren Unmut heraus. Callista steht im goldenen Licht. Callista sitzt jedoch auch auf dem Wagen und sieht sich an. Die goldene Callista. Blass ist sie. Ihre Kleider in Fetzen an ihrem Leib. Ihr Gesicht in die Dunkelheit erhoben.
    "Ihr, die mich liebt,
    warum seid ihr so fern?
    Ihr, die mir lauscht,
    warum hört ihr mich nicht an?"

    Callista singt dies. Die andere Callista rezitiert es. Der Kutscher dreht sich um. Es ist Callista.
    "Ich. Ich. Du. Du. Liebe. Leben. Leid. Lust. Es ist alles kongruent. Wir vergehen in den Gefühlen."
    Der Wagenlenker wendet sich um. Sein Gesicht ist erneut faltig. Die goldene Callista zerfällt zu Staub.
    "Das Theater der Seele. Sei willkommen."
    Der Wagen poltert über den holprigen Weg. Wollüstiges Stöhnen mischt sich mit dem Rattern der Räder. Leiber um Leiber umschlingen den Wagen. Lippen suchen nach Lippen. Körper verzehren einander. In einem Reigen der Begierde. Zwischen all den Leibern wälzt sich eine Callista. Die andere Callista sitzt gesittet neben ihm.
    "Kupido."
    Das Meer von Leibern. Es ist ein Meer. Ein See, ein Fluss. Rote Wassermassen bewegen sich auf den Abgrund zu. Tosend donnern sie hinab in eine endlose Lichtlosigkeit. Auf zwei weißen Steinen stehen sie. Mitten im roten Wasser. Callistas Gewänder schweben über dem roten Nass. Weiß. Strahlend. Leuchtend.
    "Du bist aller Anfang"
    Eine Insel leuchtet in der Schwärze. Callista späht über den Abgrund hinweg. Sie müssen fliegen. Das Unmögliche vollführen. Callista ist sich dessen firm.
    "Wenn nur dich ich könnte in meinem Herzen tragen, mein Herz wollte ich tragen zu dir. Wenn dein Licht würde die Stille erleuchten, Schweigen wollte ich auf immer."
    Bravheit und Traute. Die Worten lassen Callista schweben. Über dem Stein. Über dem Abgrund. Callistas Lippen umspielt ein Lächeln. Sie streckt die Hand nach ihm aus. Umgreift sie.
    "Kalliope"
    Unermesslich ist die Leere unter ihnen. Schwebend schreitet Callista darüber hinweg. Führt ihn über die Dunkelheit und auf das goldene Licht zu. Die Steine zerfallen. Werden von den roten Fluten mit gerissen. Vergehen in dem Abgrund. Lautlos wehen ihre Gewänder. Das Ufer. Es ist erreicht. Strahlend erhebt sich der Altar. Die Ambrosia schwebt über dem Stein. Ein silberner Pavillon beschirmt die göttliche Frucht.
    "Die Ewigkeit. In diesen Gefilden vergeht nichts. Es währt in perpetuum. Lass uns gemeinsam verschmelzen. In der Endlosigkeit. Die den Göttern vorher bestimmt ist."
    Mit den Fingerspitzen bricht Callista von der güldenen Frucht ab. Kostet von der Ambrosia. Ihre Finger legen sich an seine Lippen. Liebkosend. Hingebungsvoll. Mit der Götterspeise auf den Fingern.
    "Äonen."
    Sänftiglich berühren Finger ihre Lippen. Das köstliche Süß gleitet in ihren Mund. Dunkle Augen erwidern ihr Betrachten. Deliziös verschwimmt es auf ihrer Zunge. Süß, fruchtig, implodierend, scharf, erregend, gleichsam mit tausend unterschiedlichen Aromen. Ihre Lippen halten die Finger sanft umfangen. Ehe sie die Nämlichen entlässt.
    "Unwirklich"
    Der göttliche Saft rinnt in ihr Innerstes. Die Farben wirbeln um sie herum. Ziehen sie in einem Strom aus myriaden leuchtender Sterne. Callista fängt. Fliegt. Frohlockt.



    Und erwacht. Dunkelheit empfängt sie. Eine kleine Öllampe flackert neben ihrem Bett. Seufzend sinkt Callista auf das weiche Kissen unter ihrem Haupte.
    "Meine Benohé?"
    Ein Flüstern in der Nacht. Keine Antwort. Callistas Haare streichen über Elfenbein farbene Seide. Keine Benohé liegt in ihrem Bett. Der junge Sklave. Hübsch. Athletisch. Mit melodischer Stimme. Aber langweilig. Gänzlich fade. Die Reminiszenz an ihn lässt Callista erkennen. Mit der Hand stößt sie dem Sklaven grob in die Seite. Der Sklave schreckt auf und sieht sie verwirrt an. Mit seinen Meer grünen Augen.
    "Gehe. Hole meine Leibsklavin. Dann kehre wieder in die Sklavenunterkünfte zurück. Ich brauche Dich nicht mehr."
    Der junge Mann rollt sich aus dem Bett. Keine Fragen stellen. Das hat er bereits gelernt. Wenn auch mit schmerzhaften Lektionen. Die grausamen Spiele der Callista hat er bereits kennen gelernt. Erleichtert ist er darum. Selbst wenn er nun nicht mehr so luxeriös seine Tage verbringen darf.
    Seufzend rollt sich Callista in die warmen Decken. Sie möchte nicht alleine sein. Es macht sie unruhig. Nervös. Doch schon hört sie die Füße ihrer Sklavin. Die federleichten Schritte.
    "Du hast mich alleine gelassen, meine Benohé."
    Vorwurfsvoll ist der Klang von Callistas Stimme. Dabei hat sie Benohé doch selber fort geschickt.
    "Komm zu mir, meine Benohé. Lass mich Deine Wärme spüren."
    Quänglerisch. Infantil ist die helle Stimme.
    "Ich habe geträumt. Höre mir zu."
    Warm umschmiegen sie zwei schlanke Arme. Der Wohlgeruch ihrer Sklavin dringt an Callistas Nase. Sie spürt die Lippen ihrer indischen Unfreien auf ihrer Stirn. Auf ihrem Hals. Entzückt seufzt Callista.
    "Er. Es war wieder er. Wer er wohl sein mag? Immer wieder träume ich von ihm. Ich wünschte, er würde mir begegnen. Er ist alles, was ich mir imaginiere. Alles, was ich mir erwünsche. Ein Mensch, der mich verehrt. Der mich versteht. Der mich vergöttert, ohne jemals zu fordern. Ohne mich besitzen zu wollen. Bedingungslose Liebe. Meinst Du, es gibt ihn, meine Benohé?"
    Dunkelbraune Augen und schwarze Augen sehen einander an. Callista kennt die Antwort. Nein. Es gibt keinen solchen Mann. Kein Geschöpf. Selbst ihre selbstlose Benohé ist nicht altruistisch. Callista kennt sie genau. Weiß um ihre Eifersucht. Aber Callista tut so, als ob sie es nicht ahnt. Ein Spiel. Immerzu währt es. Auch diese Nacht. Callista ist abgelenkt. Aber dennoch unglücklich. Die Leere ihres Lebens zeigt sich nach dem Strahlen des Möglichen umso grausamer.

    Aufruhr herrscht in der Villa Claudia. Die tobende Callista bleibt niemandem in dem Haus verborgen. Es sei denn er hat die Gnade der Arbeit, die ihn für den Tag fern von den patrizischen Gemäuern führt. Doch den Sklaven ist das nicht vergönnt. Schon gar nicht denen, die gerade in die Höhle des Löwens treten. Aber der Ianitor ist davon verschont. Er verharrt wie immer an der Tür. Harrt der Menschen, die sich zu den Ufern der Claudier treiben lassen. Zu der alten und noblen Villa. Das Klopfen hallt hohl in dem Fauces wieder. Der Ianitor hebt den Kopf. Gelangweilt ist er. Jeder Besucher vermag die Ödnis zu durch brechen. So erhebt er sich eilends und tritt auf den Eingang zu. Öffnet die Porta und sieht mit kühler Miene hinaus.
    "Salve."
    Wer etwas wünscht, wird es von sich aus äußern. Diese Erfahrung hat der Ianitor schnell gemacht. Darum wartet er darauf.





    Die Verzweiflung bleibt nicht ungestört. Selbst in ihrem zentrovertierten Leiden darf Callista nicht ergehen. Die Türen öffnen sich. Sklaven treten hinein. Eisig und reserviert ist das Antlitz der Unfreien. Wenn sie auch eine innere Genugtuung verspüren. Callistas Grausamkeit. Ihre Sucht nach dem Leid anderer hat sich in der Villa wie ein Lauffeuer herum gesprochen. Dennoch offerieren die Sklaven wenig von ihrer Verachtung. Eifrig fangen sie an, die Habseligkeiten der Callista zu packen. Callista hebt ihren Kopf an. Die Sklaven verschwimmen in ihren Augen. Werden von dem salzigen Nass verzerrt. Sie schnieft leise. Ihre Sklavin tupft mit einem Tuch die Tränen von ihrer Wange. Lässt Callista in das Tuch schneuzen. Wie bei einem kleinen Kind.
    Erst dann wird Callista gewahr. Was hier vor sich geht. Die Sklaven packen ihre Sachen. Ihre Kleider landen in einer hölzernen Kiste. Seide raschelt über helles Linnen. In dem Augenblick erdreistet sich ein nubischer Sklave mit seinen groben Fingern ihren wunderschönen Schmuck zu packen. Um ihn in eine Kiste zu werfen. Ihre Kostbarkeiten. Ihr ganzer Stolz. Ein gellender Schrei entfleucht Callistas Lippen.
    "Du. Du. Du."
    Zu mehr kommt sie nicht. Aber wie eine wütende Furie. Die die Rache der Götter vollführt. Dergestalt springt Callista auf und den Sklaven von hinten an. Die Schritte, die sich dem Eingang zu ihrem Cubiculum nähern, die vernimmt Callista nicht. Ihre Fingernägel bohren sich in das Gesicht des Mannes. Tief in die Haut hinein. Blut perlen ihre Finger entlang. Ein wütendes Brüllen ist die Antwort von dem Sklaven. Mit einem Arm wirft er Callista von sich. Als ob sie ein tollwütiger Hund wäre. Die andere Hand presst er sich gegen sein schmerzendes Gesicht.
    Hart fällt Callista auf den steinigen Boden. Sie wimmert leise auf. Wie ein getretenes Tier. Kein Mann hat es bisher gewagt, sie zu schlagen.
    Grenzenloser Hass steigt in Callista auf. Sie sieht sich mordlustig nach einer Waffe um. Da. Ihr Korb. Schnell hebt sie den Deckel und greift todesmutig in den Korb hinein. Eine rot schwarz gemusterte Schlange erscheint in ihrer Hand. Mit einem triumphalen Lachen schleudert sie das Tier auf den Sklaven.
    Überheblich ist der Ausdruck auf Callistas Gesicht. Sie erhebt sich. Begleitet von dem markerschütternden Schrei des Sklaven. Die Schlange gleitet über den Boden hinweg und versteckt sich unter dem Frisiertisch. Der Sklave verdreht die Augen. Seine Hand presst sich gegen die winzige Wunde an seinem Hals. Das Gift frisst sich durch seinen Körper hindurch. Er fällt zu Boden und zuckt heftig. Der Agonie und dem Todeskampf sieht Callista mit solenner Würde zu. Genießt es. Fühlt den Triumph in sich, wenigstens etwas ihrem Vater damit zu schaden. Schließlich ist das bestimmt sein Sklave. Soll er doch sehen, wie wütend seine Tochter ist. Eine göttliche Furie gleicht sie in dem Augenblick. Von Gestalt und der Verwegenheit, die sich in ihrem Gesicht wieder spiegelt. Ihre Haare wallen unbändig bis zu ihren Hüften. Ihre Wangen sind gerötet. Ihre Augen blitzen.
    Die anderen Sklaven verharren. Angst spiegelt sich in den Augen von den Unfreien.
    "Haltet sie fest."
    Ein Murren von einem der älteren Männer. Zwei Männer gehen zögernd auf Callista zu. Diese funkelt sie genauso erbarmungslos an. Ein Sklave packt ihren Schmuck und will ihn aus dem Zimmer tragen. Wie bereits andere ihrer Habseligkeiten den Weg hinaus finden.
    "Nein. Wage es nicht."
    In einer flinken Bewegung duckt sie sich unter den zwei Sklaven hinweg, die ihrer nicht habhaft werden können und springt auf den Schmuck stehlenden Servus zu. Sie umschlingt seine Schultern. Er schüttelt sie ab und sie fällt zu Boden. Doch sie krallt ihre Hände um seine Beine. Will nicht ablassen von ihrem wundervollen Geschmeide.
    "Nein."
    Der Sklave zieht sie mit über den Boden. Er wagt es nicht, die Patrizierin zu treten. Um den lästigen Balast los zu werden. Doch zwei Füße machen es ihm leicht. Callista fällt vor diesen herunter. Ermattet in ihrem Zorn. Sie zittert am ganzen Leib.

    Schrill hallt der Schrei in der Villa Claudia wieder. Prallt gegen die Wände. Umschlingt die Säulen im Innenhof. Dringt durch die Fenster. Lässt Sklaven erzittern. Wut schwingt in dem Schrei. Raserei. Furor. Tobsucht. Ein weiteres Mal. Der Schrei stammt aus der Kehle einer Frau. Vasen fallen um. Zerbrechen. Etwas poltert in den Gängen. Schwer auftretende Füße nähern sich dem Cubiculum der Callista. Das disharmonische Gekreische nähert sich mit jedem Schritt. Die Türen werden aufgestoßen. Ein missmutig drein schauender Sklavenriese trägt die kleine Callista über seinen Schultern. Ihre Haare sind aufgelöst und wehen wild um ihr hübsches Haupt. Ihre Wangen sind zornig rot verfärbt. Mit ihren zierlichen Fäusten schlägt sie gegen den Rücken des Sklaven. Wutschreie lösen sich von ihren Lippen. Der Sklave tritt auf das dekadent breite Bett und wirft die Patrizierin recht ungehobelt Weise auf die weiche Unterfläche. Hurtig dreht sich der Sklave um und eilt an der Leibsklavin der Callista vorbei. Die Türen werden verschlossen und mit einem Riegel versperrt. Im Nu ist Callista auf ihren Beinen und greift nach einer Vase mit himmelblauen Blumen. Das makedonische Blumengefäß fliegt durch die Luft und birstet an der Tür. Wasser plätschert an dem Holz hinab. Zerbrochen liegen die schönen Blumen am Boden. Ein schriller Aufschrei dringt aus Callistas Kehle. Sie atmet heftig ein und aus. Die schwarzen Flechten hängen ihr im Gesicht. Missmutig streicht sie sich nach einem Moment des Durchschnaufens die Haare zurück.
    "Ich hasse ihn. Ich hasse. Hasse. Hasse. Hasse ihn."
    Laut hallt der Ruf durch ihr Zimmer. Noch einige Gegenstände werden durch den Raum geworfen. Zerbrechen oder fallen auf den Boden. In ihrer Tobsucht reißt Callista die Vorhänge herunter. Wirbelt die Kissen über den Boden. Zerreist ein Kleid. Zerstört eine Perlenkette. Hunderte samtig schimmernde Kugeln rollen über den Stein. Erst Minuten später kommt Callista zur Ruhe. Erschöpft ist sie auf den Boden gesunken. Ihr Gesicht hat sie in den Händen vergraben. Ihre Schultern zucken. Sie schluchzt hemmungslos.
    Erst justament wagt es die Sklavin sich ihrer Herrin zu nähern. Sie kniet sich neben Callista auf den harten Boden. Sanft streichen ihre Finger die schwarzen Haare zur Seite. Die das Gesicht der Callista verbergen. Ihre Fingerspitzen tasten über die Schläfen und die Hände der Callista.
    Die Nämlichen sinken herab. Tränen benetzt sieht Callista zu ihrer Sklavin.
    "Woher wusste er es?"
    Benohés Miene verzieht sich nicht.
    "Ich weiß es nicht, Herrin."


    Die lautere Wahrheit ist das nicht. Benohé Augen glühen hintergründig. Doch Callista ist zu sehr in ihrem Schmerz gefangen. Sie bemerkt es nicht. Ahnt nicht von dem Verrat ihrer Sklavin. Die am vorigen Tage bereits zu dem Vater der Callista geeilt ist. Sich sein Gehör verschafft hat und ihm alle pikanten Details aus Alexandria berichtete. Von ihm, den sie nie wieder sehen durfte. Ihr Vater hatte es verboten. Vor vielen Jahren. Callista hat sich darüber hin weg gesetzt.
    Sehr zufrieden ist Benohé mit dem Ausgang dieses Verrates. Der von der puren Eifersucht geleitet wird.
    "Ich hasse ihn."
    Erstickt ist die Stimme von Callista.
    "Er meint es nur gut mit Dir, Herrin."
    Zorn brandet in Callistas Augen. Ihre Unterlippe erbebt wütend.
    "Willst Du ihn nachher noch verteidigen? Wem gehörst Du? Mir oder ihm? Wer wird Dich zu den Schlangen stecken, wenn mir danach ist?"
    Benohés Wimpern senken sich.
    "Verzeih, Herrin."
    Abermals vergräbt Callista ihr Gesicht in den zierlichen Händen. Sie weint. Um sich. Immer nur um sich. Selten vergießt sie eine Träne für einen anderen Menschen. Zumeist nur für ihren Bruder. Und auch da bemitleidet Callista im Grunde abermals nur sich selber.

    Irrealitäten verquirlen mit den Bildern der Faktizitäten. Ein glänzendes Schwert trägt der Flavier in seinen Händen. Die Gewänder werden zu einer güldenen Rüstung. Der Weg ist gesäumt von den Gefahren, die hinter den luzide erstrahlenden Bäumen sich tummeln. Das Knurren von Ungetümern dringt an Callistas Ohren. Der markerschütternde Schrei einer Harpyie schallt vom Himmel hinab. Nicht die Schatten der Blätter gleiten über den mit güldenen Gräsern bedeckten Boden hinweg. Es ist die Ombrage der mythischen Gestalten.
    Trunken ist Callista. Vom Weine. Dem Feste. Den schönen Menschen. Der illustren Gesellschaft. Der sie bewohnen darf. Ihre Wangen sind gerötet. Ihre Unterlippe erbebt unbekümmert. Als sie den Worten des charmanten Gracchus lauschen darf.
    Der Wind verfängt sich im Geäst der schlanken Bäume. Spielt mit dem Gold farbenen Laub. Wirbelt es auf. Zupft an dem schwarzen Haar von Callista. Unter ihren Füßen raschelt leise die herbstlichen Alme. Zerbrechen. Erzittern von den Wogen ihres Kleides. Gebannt folgt Callista den Worten. In den finisteren Abgrund könnte Gracchus sie führen. Callista würde froh jauchzen. Bei den aparten Formulierungen. Den stilvollen Bildern, die Gracchus mit dem Prestige seiner Termini hervor zaubert.
    Ein Déjà Vu. Das Erzittern einer Seite ihrer Seele. Ungreifbar. Hauchzart. Es erklingt piano in ihrem Gemüt. Callista vermag es nicht zu benennen. Der Name weckt es jedoch in ihr. Ein unausgesprochenes Rätsel. Eine seltsame Bekanntheit. Vertrautheit. Langsam entweicht der Atem Callistas Lippen. Ein Hauchen über den Erdbeermund. Er malt ein soigniertes Lächeln auf ihrem Gesicht.
    "Faun und Nymphe."
    Eine erheiterte Bestätigung. Callista lässt sich bereitwillig auf jedes Spiel ein. Das ihr Kurzweile und Amüsement bieten kann.
    "Welch' Gefahr vermag mein bebendes Herz nicht zu trotzen,
    eines Unsterblichen und Heroen Spender aus seinen Lenden an der Seite.
    O Du tapferer Streiter gegen Biest und Mensch.
    Dir folge ich in den Tod mit einem Lachen auf den Lippen."

    Ein Drängen in ihr schreit laut.
    Folge ihm. Begleite ihn. Er wird Dich leiten.
    Irritation vermag diese Stimme zu wecken. In Callista. Doch das Vertrauen schwelgt sie in Sekurität. Ihre Gewänder schweben über den Boden entlang. Ein goldener Armreif klimpert hell. Als er auf seine Schwester an ihrem Handgelenk trifft. Callista schreitet ohne Hast auf Gracchus zu. Das Spiel der Worte. Es ist eine unermessliche Freude für Callista. Wenige Menschen können das Nämliche mit ihr bestreiten. Möchten es fechten. Es erleben.
    "Faunus, der du flüchtigen Nymphen nachstellst,
    wandle sanften Schritts durch die Marken meiner
    sonn'gen Flur, scheide von meinen jungen Pfleglingen gnädig."

    Honig fließt durch die Kronen der Bäume. Ergießt sich wie träge Sonnenstrahlen auf dem weichen Boden. Callistas Phantasie schwelgt in unzähligen Bildern. Die nur vor ihrem Augen leben. Sie hebt die Hand. Legt es sich erschrocken vor dem Mund. Entsetzen zeigt sich in ihren dunklen Augen.
    "Sieh' dort."
    Ein konsterniertes Flüstern. Den Augenblick der Ablenkung. Diesen nutzt Callista. Mit einem hellen Lachen. Glockenrein. Mit dem Nämlichen entschwindet sie zwischen den Bäumen. Vorbei an einem hohen Busch mit zarten purpurnen Blüten und hinter eine Hecke aus Lorbeerblättern. Ihre hauchzarten Schritte rascheln einen Moment. Dann kehrt Stille ein. Dort, wo sie eben noch über den Boden entschwebt.

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    Gaudium spiegelt sich in den braunen Augen des Knaben wieder. Als der Zauberer die mit den Lippen geformten Worte in Laute und Töne fasst. Die auch Nero verstehen kann. An seinem Daumen kann er nicht mehr Nuckeln. Er ist aufgeregt wegen all dem, was der Zauberer ihm offenbaren kann. Aber gleichmütig, was die Empörung der jungen Tilla angeht.
    "Doch. Vögel sind Dinge. Weil man sie kaufen kann. Alles, was man kaufen kann, ist so."
    Nero nickt bestimmt.
    "Natürlich sind sie kostbar. Wenn sie teuer sind. Dann macht man sie nicht einfach so kaputt. Tiere sind nicht wie Du und ich. Wir sind Menschen. Die Götter haben uns gemacht als etwas ganz besonderes. Tiere sind nicht so. Ihnen fehlt dieses Dingsbums in sich. Ich weiß nicht mehr wie das heißt. Mein Onkel hat mir das mal erklärt. Aber ich hab es vergessen."
    Etlich entschuldigend wirkt das lieblich süße Gesicht des Knaben. Nicht weil er den Tod der Tiere bedauert. Sondern weil er sich nicht entsinnen kann, was ihm sein Onkel erzählt hat. Dabei versucht er alles zu behalten. Er hört gerne seinem Onkel zu, der so viele kluge Dinge weiß. Den Sinn ihrer weiteren gehauchten Worte kann er nicht enträtseln, da der Zauberer nicht für ihn übersetzt. Stumm betrachtet er ihre Lippen, die Wörter formen. Unverstanden. Unerkannt. Deswegen tut er das, was den Erwachsenen stets gefällt. Er lächelt und guckt sie in extenso unschuldig an. Es hilft. Er wird gleich darauf umarmt. Zufrieden glimmt es in seinen Augen.
    Nero streckt den Kopf aus dem Umhang.
    "Ja. Zeige es uns."


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    Seine Hände, die auch von Narben gezeichnet sind, greifen nach der Kohleschale. Sie stellen sie in die Mitte des Zeltes. Zwischen Nero, Tilla und den Zauberer. Isbu faltet die Hände auf seinem Schoß.
    "Das sein nicht billig. Du können zahlen?"
    Nero zieht die Luft ein und nickt stolz. Endlich jemand, der sein Geld auch für ein Geschäft annimmt. Ihn ernst nimmt.
    "Natürlich."
    Selbstgefällig klingt seine Stimme. Er greift in seine Tasche und holt einen Sack aus Leder hervor.
    "Wie viel kostet es?"
    Isbu sieht auf den Beutel, der prall gefüllt scheint. Seine Unterlippe schiebt sich über die Oberlippe. Er zieht sie zurück.
    "Fünfzig Sesterces."
    Silberne Münzen werden auf den Teppich gelegt. Zehn. Zwanzig. Neros kleine Finger zählen sie sorgfältig ab. Zählen kann er schon lange. Und sogar weit über hundert hinaus. Isbu betrachtet wohlwollend den wachsenden Haufen. Seine dunkle Hand will nach dem Geld greifen. Doch schnell legt Nero die Seinigen darüber.
    "Nein. Erst wenn Du es uns gezeigt hast."
    Streng ist das Antlitz des Jungen. Isbus Lippen umspielt ein ergötztes Lächeln.
    "So sei es."
    Ein Tuch fällt vor den Eingang. Nun wird es vollkommen finister in dem Zelt. Die Kohle wirft ein rotes Licht über die Gesichter der Drei. Isbu greift in einen Sack und wirft ein gelbliches Pulver in die Kohle. Dichter Rauch steigt auf. Intensiv ist sein Odeur. Durchdringend in der Nase. Nero hustet und blinzelt einige Tränen hinfort. Die ihm das Bild des Zauberers verschwimmen lassen. Nebulös ist der Zauberer Isbu hinter all dem Rauch zu sehen.
    Seltsame Worte mischen sich in Tonkunst. Piano, die von einer hellen Flöte stammt. In einer fremden Sprache wispert Isbu. Hebt die Stimme an, senkt sie beschwörend ehe er in das Latein zurück fällt.
    "Dis Pater. Aita. O ihr Unsterblichen der Unterwelt."
    Isbu wechselt in das Demotische. Klangvoll sind die Beschwörungen. Aber unverständlich. Seine Hand schwebt über dem Kohlebecken. Den toten Vogel auf der Innenfläche tragend. Immer mehr von dem gelben Rauch steigt auf. Füllt das Zelt. Lässt den Sinnen seltsame Bilder erscheinen. Nero drückt sich fester an Tilla und haucht leise.
    "Die Götter. Der Unterwelt. Spürst Du sie?"
    Nero erzittert. Eine rote Flamme lodert nach oben. Die Flöte spielt hektischer. Das Gemurmel von Isbu wird drängender. Isbu legt die andere Hand über den Vogel. Erneut flammen die bunten Feuerzungen nach oben. Scheinen nach Isbu zu greifen, doch sie verzehren ihn nicht.
    Ex abrupto öffnet er seine Hand und ein Vogel erhebt sich. Fliegt nach oben. Piepst erschrocken. Prallt gegen die Zeltdecke und flattert wild im Zelt herum. Bis er auf dem Boden landet und ängstlich sich tot stellt. Nur das schnelle Herz sieht man unter dem Gefieder pochen. Rasend. Eilend.
    Nero starrt erstaunt auf den kleinen Singvogel.
    "Wie hat er das gemacht?"
    Ein Hauchen. Nero traut sich nun nicht mehr unter den Umhang zu dem Zauberer zu sehen.





    Inkarnate Sterne gleiten auf Smaragdgrüner Oberfläche entlang, in der sich die Wolken des blauen Himmels wieder spiegeln als ob ein Unsterblicher sie mit einem weichen Pinsel dort hin gezeichnet hat. Callistas Finger gleiten in das kühle Nass. Silberne Fische umspielen ihre Hand. Ein kalter Leib streift ihre Fingerspitzen. Callista ist entzückt. In ihrer Phantasie malt sie es sich aus. Schöne Nymphen sind die silberne Fische. Ein eifersüchtiger Gott hat sie in die schönen Fische verwandelt. Nun schweben sie in dem ätherischen Grün unter den pastellzarten Sternen aus weichen Blütenblättern. Ihre Rufe um Erlösung werden niemals von einem sterblichen Ohr gehört werden. Die Rettung wird nimmer kommen. Der Unsterbliche ergötzt sich an den schönen Leibern und weiß. Sie sind alle Sein. Für immer und ewig. Auch Callista hätte gerne Hunderte von schönen Nymphen als ihr Eigentum. Womit sie spielen kann und deren Schönheit sie genießen darf. Callistas Lippen malen ein entzücktes Lächeln auf ihren Lippen. Verträumt sehen ihre ebenholzfarbenen Augen auf die silbernen Leiber.
    Gestatte mir eine Frage. Callista löst sich von dem Märchenbild. Das es nur in ihrem Geist gibt. Schmeichelnd ist die Klangfarbe seiner Stimme. Elegant der Vorzug, den er manchen Wörtern gibt und die Banalen außen vor lässt. Wassertropfen lösen sich vom Ruder. Leuchtende Diamanten aus weicher Materie vereinen sich mit dem Edelsteinkolorit des Sees. Ringe formen sich aus dem Wasser. Versinken unter der Oberfläche. Erscheinen erst wieder als das Ruder in die Tiefe taucht.
    "Das Nämliche vermag ich Dir nicht zu apostrophieren, mein geschätzter Flavius Gracchus."
    Die temporäre Betastung seiner Hände erfühlt Callista an den Ihrigen immer noch. Wundervoll gepflegt sind die Hände jenes Mannes. Die Berührung verrät ihr eine Pluralität. Nicht zu lasch. Was einen kriecherischen Geist offenbart. Einen Weichling. Aber auch nicht grob. Die Nämliche viele arbeitende Männer auszeichnet. Oder jene mit einem tumben Geist. Wenige Männer achten auf ihre Hände. Callista aber ganz besonders auf die Nämlichen.
    Justament nimmt sie seine gesamte Erscheinung ad notam. Die dunklen Haare, die sein Haupt bekränzen. Die Augen, die von einer klugen Kognition zeugen. Die schön geschwungenen Lippen. Das markante Kinn und die nicht zu weichen Züge seines Gesichtes. Callista ist erfreut. Ein schöner Mann. Sorana beweist evident einen erlesenen Geschmack. Mit der Wahl jenes Gastes.
    "Es ist auch für mich die erste Einladung zu einem Festmahl der Sorana. Ich verweile erst seit einigen Wochen in der Schönsten aller berückenden Städte."
    Sanft gleitet das Boot durch das Wasser. Der Bug pflügt durch die weiche Materie. Die Unterseite stößt gegen weißen Kiesgrund. Mit einem dezenten Ruck landet das Boot an den Gestaden der Traum umfangenen Insel. Langmütig wartet Callista.
    Lässt sich die Hand reichen und balanciert über das Boot. Ihre Gewänder streifen zart über die Wasseroberfläche. Nur die Spitzen saugen sich mit dem Nass auf. Dann spürt sie unter ihren Sandalen die rund geschliffenen Steine. Luzide bescheint die betörende Schönheit des Herbstes die Seele von Callista. Weich schimmert die güldene Sonne auf ihrem schwarzen Haupte. Glänzt auf ihren bronzenen Wangen, die von keiner weißen Schminke verzerrt sind. Ihre langen Wimpern senken sich. Sie betrachtet den Weg, der vor ihren Füßen liegt. Ihre Augen heben sich und sehen zu Gracchus.
    "Obacht müssen wir geben. Auf die Gefahren, die jenseits des Weges lauern. Böse Zauberinnen, die uns in widerliche Kröten verwandeln. Zyklopen mit Furcht erregenden Keulen. Frauen mit Klauen und spitzen Zähnen, die sich mit ihren grauen Flügeln auf uns stürzen."
    Callistas Mundwinkel umspielt der Zug von Schalk. Mit ihrem Kinn deutet sie auf das Ziel ihrer Reise. Ein Pavillon aus weißem Marmor geschlagen. Rot wie Blut windet sich wilder Wein um sein Fundament. Weiße Rosenblüten umschmeicheln den hellen Stein, der mit Gold verziert ist und eine göttliche Freistatt bildet.
    "Wollen wir es wagen? Die Aventüre auf uns zu nehmen?"
    Die Pläsanterie spricht aus Callistas Augen. Ihre Miene ist feierlich grave.

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    Rot glimmend schimmert das Licht der Kohle auf den runden Gesichtskonturen von Isbu. Zeichnen den dunklen Schatten in dem Zelt umso deutlicher in den Tiefen des Gesichtes. Dort, wo die Augen liegen. Die Furchen der Narben. Die Täler der Altersfalten um seinen Mundwinkel. Die sich im Schein des Lichtes heben und senken. Das Tageslicht scheint fern. Die strahlende Sonne dringt nicht durch die dicken Stoffe des Zeltes. Nur kleine Lichtflecken tanzen auf einem entfernten Teppich. Bei den schmalen Lücken des Zelteingangs. Durch die Schnürung verursacht, die den Eingang verschlossen hält.
    "Dein Gefühl nicht trügen, junge Dame. Sterbliche nur wenig sein getrennt von Tod. Selbst im Moment größten Glückes, Tod kann kommen jederzeit. Aber wenige Menschen können mit Mächten des Todes kämpfen."


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    Mit einem lieblich unschuldigen Gesichtsausdruck dreht sich Nero herum. Er sieht aus, als ob er kein Wässerchen trüben kann. Ernste Reinheit ziert seine Miene. Seine braunen Augen sehen Tilla an, ohne ein Funken Bereuen zu offenbaren. Aber auch nicht mit grausamer Kälte. Als er bestätigend den Kopf neigt. Auf die Frage hin, wer die Vögel stets tötet. Einige der singenden Flugtiere hat Nero bereits das Genick gebrochen. Nachdem er lange experimentiert hat, wie man die Tiere am Schnellsten tötet. Mit kindlicher Neugier in den Augen lauscht er Tilla, die durch die dunkle Stimme des Zauberers Gehör finden kann. Selbst wenn sie stumm ist. Nero legt den Kopf zur Seite und zeigt den Hauch von Irritation.
    "Ja."
    Die Antwort offeriert er Tilla.
    "Ich habe den Vogel getötet. Aber er wacht stets aufs Neue wieder auf. Dann flattert er in dem Käfig. Trillert und singt. Nämlich so."
    Er spitzt seine Lippen und versucht zu pfeifen. Es gelingt nicht. Obwohl er seit vielen Tagen übt. Aber dann malt er den Laut des Vogels mit seiner Stimme nach.
    "Zü zi zi zi zi zi zi zi zirrr."
    Nero beißt sich auf der Unterlippe herum. Hebt den Daumen und nuckelt einen Moment daran. Schließlich schüttelt er den Kopf.
    "Sei nicht töricht."
    Das ist etwas, was seine Mutter oft zu ihm sagte. Er weiß nicht genau, was töricht heißt. So etwas wie kindisch.
    "Der Vogel ist ein Ding. Er kann nicht denken. Er kann nicht Glück fühlen. Er weiß nicht, was um ihn herum geschieht. Warum sollte er wissen, wer ich bin und was ich tue? Außerdem stirbt er schnell. Kein Schmerz bereite ich ihm. Sodann kommt er immer zurück."
    Nero nickt. Da ist er sich sicher. Schließlich ist er genau deswegen hier. Um dieses Rätsel zu lösen. Es kam auf, als er das erste Mal mehr aus Zufall den Vogel getötet hat. Er hat sich an dem Tag gelangweilt und mit den Vögeln rauher gespielt. Und da ist es passiert. Am nächsten Tag war der Vogel wieder am Leben. Seitdem ist der Vogel ein Dutzend Mal gestorben.
    "Ich habe ihn nur zehn Mal getötet. Glaube ich. Vögel gibt es sehr viele. Außerdem glaube ich nicht, dass er Geschwister hat. Oder davon weiß. Er ist eben nur ein Ding. Alle Tiere sind Dinger. Aber das Ding dort will nicht kaputt gehen. Das verstehe ich nicht."
    Drängend ist die Stimme von Nero. Er möchte Geheimnisse erkunden. Sie erforschen und aufdecken. Die Neugier und der Wissensdrang ist stark in ihm.


    Der Zauberer wendet sich nach hinten. Sieht zu einem dunklen Augenpaar. Das im Schatten verharrt. Die Gestalt nickt und verschwindet leise. Sie weiß, was Isbu vor hat. Sie wird alles in die Wege leiten. Isbu beugt sich mit einem verhaltenen Lächeln zu seinen beiden Fragestellern vor.
    "Ich kann euch zeigen, warum erwachen der Vogel jedes Mal von Neuem. Ihr das möchten?"





    Eine Krähe hackt der Anderen nicht das Auge aus. Das trifft auf Callista nicht zu. Mit Genuss kann sie über andere Frauen herziehen. Ihre geheimsten Geheimnisse preis geben. Aber sie möchte nicht all ihre Eigenen den Schleier der Mysterien entziehen. Sofern es die Nämlichen gibt. Es nicht gar ein völlig überschätztes Geheimnis ist. Lügen und betrügen Männer nicht genauso? Intrigieren sie nicht auch derart raffiniert? Manche Exemplare des starken Geschlechtes tun das gewiss und mussten nicht hinter den Frauen in ihrer Liga zurück stehen.
    "Gerne sekundiere ich Dir, Caius."
    Callistas Finger gleiten an Aquilius Nacken entlang. Ihre Fingerspitzen ertasten seinen Haaransatz.
    "Farbenfrohes Kolorit zeichnet unsere Welt. Die dunklen Farben lassen die Hellen umso strahlender leuchten. Granatrot erglänzt in einem weichen Moosgrün. Dergleichen ist es mit den Menschen."
    Frauen mit simplen Gemüt langweilen Callista. Frauen mit Abgründen würde Callista stets den Vorzug geben. Es sei denn, sie sind ein Spielzeug, was Callista nach wenigen Tagen wegwerfen würde. Weich umschmiegt der leichte Stoff ihren Körper. Angenehmer als die schweren Stoffe, die sie vorher getragen hat. Ihre Lippen suchen nach denen von Aquilius. Ein Kuss. Ein Spiel ihrer Zunge über seine von dem Kuss feuchten Lippen. Callista löst sich eine Nuance von ihm und belässt ihre Arme um seine Schultern.
    Mit einem Augenmerk nimmt Callista wahr. Der schöne Gürtel, leider hat ihn Benohé an den schönen Marspriester zurück gegeben. Ein Seitenblick erntet die Sklavin dafür. Nur schnell. Doch die Sklavin erahnt, was ihre Herrin wohl gewünscht hätte. Einen Moment zu spät.


    Zu dem Glück der Sklavin wird Callista abgelenkt. Von dem Sujet überhaupt. Der Wunsch in Lachen auszubrechen. Er erstirbt in ihrem Bauch. Die zarten Flügel der Heiterkeit erreichen nicht ihre Lippen. Spielen nicht mit ihrem vollen Erbeermund. Der mittige Teil ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen sinkt eine Nuanze herunter. Ihre Nase kräuselt sich. Ihre schwarzen Augen sehen Aquilius ernst an. Prüfend. Nachforschend.
    Beliebt er zu scherzen?
    Es sieht nicht so aus, Callista.
    Traun. Aber er kennt mich nicht.
    Was wohl besser ist, Callista.
    Er scherzt.
    Die Stimmen in ihr gehen die Worte durch. Versuchen sie zu analysieren. Die Pläsanterie zu enttarnen von dem Deckmäntelchen des ernsten Willens. Aber sie kann ihn nicht finden dahinter. Weder hinter Wort, noch Gestik. Callista merkt nicht, dass sie auf ihre Unterlippe beißt. Fest, so dass sich ein Abdruck bildet. Nachdem sie diese Unsitte sein lässt.
    Callista löst ihre Arme von seinen Schultern. Ihre flachen Hände fahren über seine Brust und verharren über dem Herzen.
    "Wenn es mein Wunsch ist?"
    Sie hebt ihr Kinn an. Stolz und grenzenloses Selbstbewusstsein sprechen aus dieser kleinen Geste. Callista weiß, dass sie alles bekommen kann, wenn sie danach verlangt. Von den Männern, die sie betört. Sie bildet es sich zumindest ein, denn es war bisher stets so.
    "Caius Flavius Aquilius. Mir dünkt, es ist das erste Mal, dass Du einer Frau so etwas an trägst. Aber lass Dir gesagt sein. So hält ein Mann nicht um eine Frau an, wenn es ihm ernst ist. Schon gar nicht um eine Claudia."
    Pikiert wölben sich ihre Lippen. Ihre Augen glänzen verstimmt.
    "Vielleicht verzeihe ich Dir dieses brüske Verhalten."
    Ihre Hände wandern tiefer, sie greift nach seinem Gürtel und löst ihn von seiner Taille.
    "Das behalte ich."
    Sie reicht es an Benohé zurück. Mit ihren schlanken Fingern fährt sie an seiner Brust hoch und legt ihre Fingerspitzen auf seine Gesichtskonturen. Schön ist er und er gefällt Callista gut. Die Leichtigkeit, mit der er ein Abenteuer eingeht. Die Freude an dem Liebesreigen. Die wilde Leidenschaft seiner Lenden. Es ergötzt Callista. Das ist gewiss kein Mann, der ihr so schnell langweilig werden würde. Aber Callista weiß. Wenn sie ihn heiratet, dann würde sie anfangen, ihn zu hassen. Zu verachten. Jeder Mann, der sie in einen Käfig sperrt, tötet ihre Lebenslust ab. Callista lebt zu gerne und mit der Lust an der Aufregung, um sich das gefallen zu lassen. Oder etwa doch nicht?
    Vater wird für mich einen Mann suchen. Warum dann nicht den schönen Marspriester?
    Und was ist mit ihm, Callista? Er wird wütend werden.
    Er hat mich verlassen. In schändlichster Art.
    "Caius. Du weißt sicherlich, wo die Villa Claudia zu finden ist. Nicht die Pflicht der Ehre. Auch nicht der Zwang des Standes bewegt mich. Interessiert mich. Sollten das Gründe sein, warum Du die Villa aufsuchen willst. Dann bleibe fern. Ist es die Freude am Leben. Die Lust zu Genießen. Dann komme in einigen Tagen in meine Gefilde. Wann immer Du möchtest. Nur unterschätzte die Launen der Fortuna nicht. Sie sind nicht minder wankelmütig wie die Meinen."
    Callista lächelt und tritt einen Schritt zurück.
    "Vielleicht sehen wir uns, mein schöner Mars. Ansonsten lebe wohl."
    Ihre Finger lösen sich von seinem Gewand. Schnell dreht sich Callista um. Der Schatten hinter ihr verschluckt nicht nur sie, sondern auch die Sklaven. Die ihr folgen. Der Wind spielt in den Zweigen einer Schirmpinie. Die Nachtigall singt in ungebrochener Schönheit. In einem verborgenen Garten. Der Mond wird von dunklen Wolken umfangen.

    Rot schillert der Stoff im güldenen Sonnenlicht. Prüfend hält ihn Callista vor sich. Im Spiegel betrachtet Callista ihre Erscheinung. Welches Kleid soll sie für den schönen Herbsttag wählen? Für den lieblich reizenden Besuch im Garten. Callista ist sich indes unschlüssig. Eine bekannte Silhouette zeichnet sich hinter der Patrizierin ab und spiegelt sich im dem polierten Silber wieder.
    "Rot oder das unschuldige Weiß?"


    Benohés Miene ist undurchdringlich. Wenn sie auch einen tiefen Triumph verspürt. Aber davon lässt Benohé sich nichts anmerken. Die Quintessenz ihres Tuns muss erst noch zu Tage treten.
    "Weiß, Herrin. Darin siehst Du besonders schön aus."
    Zufrieden greift Callista nach dem weißen Kleid, dessen Saum mit gold blauen Blüten bestickt ist. Mit der Hilfe ihrer Sklavin kleidet sich Callista an. Ohne Hast, denn der Tag ist schön. Im Garten zu warten keine Unannehmlichkeit. Zudem hofft Callista auf ein Kennenlernen von Nero und Sisenna. Womöglich freunden sie sich an. Das zarte Mädchen wird ihrem Sohn gewiss gut tun.
    Karamell gleitet durch Schwarz. Benohé richtet die schwarzen Flechten der Callista. Steckt silberne Granatspangen in die dunkle Flut hinein. Callista betrachtet verträumt ihre Gestalt in dem weißen Gespinnst. Die schweren Schritte, die sich nähern, hört sie erst vor ihrer Tür.
    "Hier ist es, Herr." -
    "So klopfe doch."
    Es wird getan. Wie geheißen. Verwundert dreht sich Callista vor dem Spiegel um. Benohé tritt zur Seite und senkt devot ihr Haupt.
    "Wer ist dort?"
    Die Frage ist an Benohé gerichtet.
    "Ich weiß es nicht, Herrin."
    Ein prüfender Blick. Das Zimmer ist präsentabel.
    "Herein."


    Helle Sklavenhände stoßen die Türe auf. Ein Mann in dunkel blauer Toga betritt den Raum. Gedungen ist seine Gestalt. Nur wenig größer als Callista ist jener Römer. Der eine Halbglatze trägt und einen schmalen Bart um sein Kinn. Goldene Ringe blitzen an seinen weichen Fingern. Grüne Augen betrachten Callista. Verwundert erwidert Callista sein Mustern.
    Was für ein häßlicher Wicht.
    Ein Sklave indes nicht, Callista. Ein vermögender Eques womöglich.
    Traun.
    Den Equesring hat Callista an seiner Hand ausgemacht. Aber es erklärt ihr nicht, warum jener Mann in ihre Gemächer gedrungen ist. Was ihn in die Villa Claudia geführt hat. Callista rafft ihre zierliche Gestalt. Ungnädig. Stolz und eigenwillig ist der Ausdruck in ihrem Gesicht.
    "Wer bist Du? Und was wünschst Du hier?"
    Die Toga raschelt leise als der Mann auf Callista zu tritt. Langsam umrundet er Callista. Betrachtet sie von oben bis unten. Ein ergötztes Lächeln zieren seine schmalen Lippen.
    "Schön bist Du."
    Ein Kompliment wäre Callista sehr gefällig, wenn der passende Moment kommt. Aber hier ist es völlig deplaziert. Ihre Augen umwölken ein zorniger Schatten.
    "Wer bist Du, dass Du es wagst, mir nicht zu antworten? In meinen eigenen Räumlichkeiten?"
    Ein glucksendes Lachen ist die Antwort.
    "Zu stolz womöglich."
    Ihre schmalen Hände ballen sich zu Fäuste. Sprachlosigkeit hält Callista umfangen. Sie zieht den Atem heftig durch ihre Nase ein und will ihm einige zornige Worte entgegen schleudern. Nach Sklaven rufen lassen, die den hässlichen Wicht aus ihren Räumen schleifen soll.
    "Und Temperamentvoll. Hervorragend. Doch, die Wahl ist vorzüglich. Du wirst ihm sicherlich gefallen."
    Der Mann dreht sich um, ehe Callista ihre Pläne vollführen kann. Erstaunlich flink eilt der Mann aus ihrem Zimmer und hinterlässt eine vor Zorn bebende Callista. Ihr Kinn dreht sich zur Seite. Ist da nicht ein seltsames Funkeln in den Augen ihrer Sklavin? Scheint sie etwas zu ahnen? Wissen in sich zu tragen, das Callista verborgen ist. Benohé schlägt die Augen nieder. Callista schüttelt ärgerlich den Kopf. Die Ohrringe klimpern leise.

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    Warm und weich. Sicher und geborgen umfängt der Umhang den Knaben. Der sich bereit willig auf den Schoß von Tilla begibt und sich an sie schmiegt. Ganz als ob er sie schon seit Jahren kennen würde und nicht erst seit weniger als einen halben Tag. Doch haben sie gemeinsam mehr geteilt als so manche Vertraute. Die Sorge um Leib und Leben. Ein solidarisches Echappement. Eine Suche nach dem Gral. Dem Gral, der das Wissen um alle Fragen beinhaltet. Auch wenn Nero jene Sage nicht kennen kann. Nero weiß. Ein Abenteuer ist nicht einfach. Eine Suche mit vielen Prüfungen belegt. Odysseus irrte Jahre auf dem Ozean. Herkules musste zahlreiche Proben bestehen. Nero hofft indes, dass die Götter ein Einsehen mit ihm haben. Schließlich ist er kein Halbgott. Kein Heroe. Noch nicht mal ein erwachsener Mann, sondern ein Knabe von sechs Wintern.
    Fiebrig und gefesselt späht Nero zwischen den Umhang auf den ägyptisch-nubischen Magier und hält den Atem an.


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    Erstaunlich behutsam greifen die dunkle Hände von Isbu nach dem hölzernen Kasten. Er hebt den Deckel an und wirft einen Blick hinein. Was er empfindet, offenbart der Mann aus dem Süden von Ägypten nicht. Erstaunen ist es sicherlich. Auch Belustigung über die Natur der Fragen und den Sinn hinter dem Suchen. Aber Geld ist Geld, ob von einem Knaben und einer jungen Frau oder von einem alten Mann mit seiner Tochter. Isbu ist naturgemäß nicht wählerisch. Der Deckel der Kiste wird geschlossen. Isbu platziert sie sorgfältig vor sich und betrachtet die beiden Kunden prüfend, ob sie genug Geld mit sich bringen würden. Die Kleidung ist nicht abgerissen. Die Stoffe durchaus von sehr guter Qualität. Aber eine junge Frau und ein Knabe? Isbu ist sich ein wenig unschlüssig.
    Seine braunen Augen heften sich auf die Lippen der jungen Frau.
    "Nero. So."
    Der Magier fixiert den Jungen, der zwischen dem Umhang hervor späht. Hastig zurück weicht als er der Aufmerksamkeit des ihn erschreckenden Mannes gewahr wird. Isbu wiegt den Kopf hin und her und zieht eine nachdenkliche Miene.
    "Das Rätsel um Leben und Tod sein nicht leicht zu lüften. Götter lassen nicht gerne sehen in ihre Geheimnisse. Nicht die Götter der Unterwelt. Nicht Osiris. Auch nicht Dis Pater. Ebenso wenig Aita oder Hades. Es sein ein riskantes Unterfangen, was ihr verlangen."
    Er hebt den Deckel des Kastens und hebt mit seinen Händen den Vogelkörper in die Höhe. Der Hals hängt schlaff herab. Ihm wurde der filigrane Nacken gebrochen.
    "Möglich sein es durchaus, Vogel zum Leben zu erwecken. Ja. Aber kein Mensch es wagen würde, die Götter zu fordern. Sich in die Unterwelt begeben für kleines Tier. Nur Tollkühner und Wahnsinniger würde Tun das."
    Isbu sieht in Tillas Gesicht. In seinen Augen spiegeln sich die roten Kohlestücke der Kohlepfanne wieder. Leuchtend rote Punkte auf dunkelbraunem Hintergrund.
    "Manche Menschen es vermögen, Schleier zu der Unterwelt zu durch greifen. Die Toten in Leben zurück zu holen. Doch sie sein rar auf der Welt gesiedelt und sie nicht ihre Künste anwenden ohne weiteres in dieser Welt an. Zu gefährlich es sein."
    Nero schiebt mit seinen Händen den Vorhang zur Seite. Er schaudert wohlig. Als er den toten Vogel in den Händen des Dunkelhäutigen erblickt.
    "Und warum ist der Vogel immer wieder am Leben. Wenn ich ihn den Nacken breche? Am nächsten Tag flattert er wieder im Käfig. Gibt es Wesen, die unsterblich sind? Täuscht er seinen Tod nur vor?"
    Isbu hebt verwundert die Augenbrauen. Inspiziert den Vogel genauer. Dann zucken seine Schultern und ein dunkles Lachen löst sich aus seinem Inneren.
    "Mein Knabe, womöglich stecken ganz irdischer Grund hinter Deinem Rätsel. Dieser Vogel hier sein gewiss nicht unsterblich."
    Isbu kann sich durchaus denken, was des Rätsels Lösung ist. Seine Profession verlangt hin und wieder ähnliche Methoden. Nero indes ist unzufrieden. Seine Stirn fällt in Runzeln. Er kaut auf seiner Unterlippe herum. Er sieht zu Tilla hoch.
    "Was meinst Du? Sollen wir es nicht dennoch versuchen lassen?"



    Schmiegsam ist die Schwärze. Gedankenlos. Ohne Ende. Ohne Anfang. Unbewusst und ohne einen Willen, sie zu durchringen. Langsam erhebt sich der Geist von Callista aus der nicht gespielten Ohnmacht. Spiel und Lug kann entdeckt werden. Die Wahrheit zu mimen und zu erwirken. Das hat sie geübt. Viele Wochen lang bis es zu ihrer Zufriedenheit gelang. Bereits als Aquilius sie hoch hebt, taucht ihr Geist aus den namenlosen Untiefen hervor, die keine Gedanken und Träume zu lassen. Ihr umnebelter Verstand fliegt hoch. Durchquert die schillernden Sphären und ätherischen Bilder.
    Roter Dunst verformt sich. Gesichter sehen sie an. Den empor schwebenden Schmetterling aus güldenem Licht. Die Gestalt eines Mannes webt sich aus dem silbernen Regen, der auf die zarten Flügel herab weht. Schwarz sind die Locken. Grimmig die Augen, die den flatternden Schmetterling mustern. Der Schmetterling, der zu viele Gärten besucht. Zu viele Blumen die Schönheit abgewinnen möchte.
    "Mir dünkt, es war mehr mein Garten, der Dir den Dienst erwiesen hat."
    Ist da nicht ein sublimes Schmunzeln auf den Lippen von Apicius zu sehen? Nein. Es täuscht wohl nur.
    "Es freut mich, dass es sich nicht wiederholen wird. Aber in der Nachtruhe habt ihr mich ohnedem nicht gestört. Ich schlafe selten. Die Zeit entfleucht zu schnell, um nicht jede Hora aus zu kosten."
    Ein Nicken, dann wendet sich der Hausherr von den Beiden ab. Der Gnomensklave wartet, bis Aquilius mitsamt des Gefolge das Haus verlässt. Die schwere Vordertür schließt sich mit einem kräftigem Geräusch und einem vernehmlichen Klacken des Schlosses.


    Gelinde schaukelt sie über purpurne Wogen. Einer grünen Sonne entgegen. Sie schmiegt sich enger in das warme Boot. Sanft zeichnen die Lippen ein Lächeln auf Callistas Antlitz. Die Stimme von Aquilius dringt an ihr Ohr und sie schlägt die Augen auf. Benommenheit verklärt ihre dunklen Augen. Sie hellen einige Atemzüge später auf.
    "Die Arglosigkeit nieder zu ringen ist anzuraten. Welche Frau lernt nicht, das Spiel der Täuschung zu meistern?"
    Ein Hauchen sind die Worte. Callista holt tief Luft und spürt den kalten Hauch der Finistere auf ihrer Haut. Unangenehm. Fröstelnd. Das klamme Kleid lässt sie erbeben. Der warme Körper von Aquilius vermag sie von der Grobheit der Nacht zu verschonen. Eine Nuance jedenfalls. Das Kribbeln entschwindet aus Callistas Fingerspitzen. Den Odeur von Aquilius lässt Callista auf sich wirken. In der Ferne sind indes Schritte zu hören. Ein untröstliches Seufzen entrinnt Callista. Nur ungern verlässt Callista die angenehmen Arme des Aquilius.
    Das nasse Kleid zieht sie von ihrem Körper herb. Ungeniert.
    "Meine Benohé?"
    Die Sklavin steht bereits neben Callista.
    "Dein Kleid."
    Schlanke, Karamell farbene Finger lösen eine goldene Spange. Der feine Stoff des Gewandgespinnst gleitet herab und wird an Callista weiter gereicht. Mesilimisch klingen die Ketten an ihren lang gliedrigen Armen und an ihren schlanken Fußgelenken. Weiblicher ist die Gestalt und die Rundungen der Benohé. Glatt, sehr schlank und daneben athletisch. Geschmeidig.
    Das güldene Hauch eines Kleides zieht Callista über ihren zierlichen Korpus. Das Gewand der Sklavin aus teurem koischen Stoffe schmiegt sich bis zu Callistas Oberschenkel. Für eine Patrizierin zu unzüchtig. Doch Callista ist es justament gleichgültig. Die Wärme ihrer Sklavin greift auf Callista. Das nasse Kleid reicht sie an die Serva weiter. Die es sich anzieht, ohne einen Laut oder Geste des Unwillen zu traktieren.
    Callista überlässt auch die anderen Kleider weiterhin der Benohé, die all die übrig gebliebenen Stücke, mitsamt des Gürtels von Aquilius, aufgesammelt hat. Im Garten noch. Ihrem eiligen Aufbruch wegen.


    Ein ergötztes Lächeln schenkt Callista ihrem nächtlichen Heroen. Belustigt glänzt es in ihren dunklen Augen. Sie tritt näher an ihn heran und schlingt ihre Arme um seine stattlichen Schultern. Ihre Lippen nähern sich den Seinigen. Ein warmer Hauch gleitet über sein Gesicht hinweg. Als Callista leise Worte flüstert.
    "Wann wirst Du meinen Vater fragen?"
    Das Lachen kitzelt in ihrem Bauch. Aber Callista ist erwiesen keine schlechte Mimin. Erwartungsvoll glimmen ihre Augen. Lieblicher Ernst. Treuherzige Freude. Beides ziert ihre Miene. Wenn sich der Schalk auch hinter den Worten verbirgt. Callista offeriert es noch nicht.
    "Mein Verlobter."
    Ein seliges Seufzen entschlüpft ihren Lippen. Euphorisch wartet sie auf die womöglich vorhersehbare Reaktion.

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    Lichtfiguren malen sich an die Wände des Zeltes. Eine Öllampe aus schwarz bemalten Messing formt sie. In das Metall sind Fratzengestalten, lang gliedrigen Figuren und Tier gestaltete Wesen hinein geschnitten. Sie tanzen. Sie reigen. Mit dem Walzen der Flamme in der Lampe, aus dessen Herz sich eine lange Rauchfahne erhebt. Schwebend. Schwankend. Eine Schlange aus Rauch. Die sich nicht aus einem geflochtenen Korb erhebt. Zu der Melodei eines Flötenspielers. Sondern der betörend tiefen Stimme des Magiers aus Ägypten. Der in die alten Künste der ägyptischen Magier eingeweiht ist. Aus den Zeiten der Pharaonen. Die die Zukunft aus den Sternen lesen konnten. Die mächtige Bauten in das Land setzen und mysteriöse Schriftrollen mit ihren Bildern bemalten, die viele Geheimnisse bergen. Aber diese unverraten an die Nachwelt übergaben.
    Einen verborgenen Schatz similär. Derart delikat behandelt Nero seinen Holzkasten, den er aus der Tasche hervor zieht. Im Schutze von Tillas Mantel. Vertrauensvoll sieht er zu Tilla hinauf und hebt den Kasten empor.
    "Das soll er zum Leben erwecken. Bitte."
    Flehentlich ist der Ausdruck und den braunen Kinderaugen. In dem Kasten ruht das Sommergoldhähnchen. Den er schon seit gestern Nachmittag mit sich herum trägt. Es ist nicht, weil Nero den Vogel lebendig haben will. Nein. Er möchte endlich erfahren, wie das von statten geht. Warum erwacht der Vogel stets von Neuem? Wenn er kaputt geht. Das Rätsel ist ungelöst. Keiner hat ihm die Wahrheit offerieren können. Und nun muss es ihm der Magier zeigen. Das Rätsel um Leben und Tod. Was kann von der Unterwelt zurück kehren? Warum? Und wer hat die Macht dazu?
    Nero versteht nicht.
    Was Tilla ihm mit ihren schönen Händen deutet. Entzückt ist er von ihrem Spiel immer noch. Ständig fasziniert. Aber ratlos. Vertrauen flößt es ihm dennoch ein. Er drückt sich enger an Tilla und verhakt seine Finger in ihrem warmen, sicheren Umhang. Die mahnende Stimme seines Großvaters kann Nero auch nicht zu mehr Courage ermuntern.


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    Mit einem Winken seiner breiten Hand deutet Isbu auf den fransigen und ausgeblichenen Teppich.
    "Nehmen Platz, werte Herrschaften."
    Der Akzent ist nicht so ausgeprägt. Wie bei der Frau. Dennoch deutlich. Jedes lateinische Wort gedehnt und mit einem starken Rollen der Zunge begleitet. Erstaunlich geschmeidig nimmt der dunkelhäutige Magier auf dem Boden Platz. Verschränkt die Beine ineinander. Seine Elfenbeinketten klappern leise. Die Stirn fällt in tiefe Furchen. Seine Augen verfolgen die Bewegungen der Frau. Isbu vermag viel zu deuten. Viel zu erkennen. Denn das Geheimnis eines Menschen trägt der Nämliche meist offen auf seiner Fassade. Darum hat Isbu gelernt, all jene kleinen Spiegelungen zu interpretieren. Seine volle Unterlippe wölbt sich nach vorne. Zieht sich in einer schnellen Bewegung zurück und schiebt sich wieder vor. Feine Narben zieren die Wangen des Zauberers. Sie tanzen als ein Lächeln seine Lippen umspielt. Er glaubt zu verstehen.
    "Latein Du verstehen. Sprechen kein Wort. Du stumm."
    Eine Vermutung war es. Aber Isbu darf keine Fragen stellen in solchen Angelegenheiten. Es würde seine Natur profan erscheinen lassen. Der Schein ist alles. Ohne ihn ist er nur ein normaler Sterblicher.
    "Du sprechen mit Lippen ohne Laut. Ich Dich dann verstehen."
    Isbu greift in eine Kupferschale. Eine Handvoll Kräuter wirft er in ein kleines Kohlebecken. Der Geruch nach betörenden Kräutern wird stärker.
    "Ihr wollen wissen, wie Leben und Tod sein getrennt? Und wie man lüften Schleier zwischen Welten? Ihr wollen wirklich wissen?"
    Ernst sind die dunklen Augen des Magiers. Er richtet sie auf Tilla und Nero. Der späht durch eine Spalte im Umhang hervor. Traut sich nicht, sich dem Mann zu offenbaren.
    "Ja."
    , piepst der kleine Nero hoch. Was indes nur Tilla verstehen kann. Der Umhang dämpft die dünne Stimme von Nero.




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    Ein Zü zi zi zi zi zi Zirr mischt sich mit einem Hüid dedede. Munter zwitschern die beiden Vögel in dem Käfig. Nun, wo sie ruhig im Geäst schwingen. Die liebliche Sonne auf ihrem Gefieder spüren und den zarten Wind fühlen, der ihnen den Hauch von Freiheit verspricht. In die Luft würden sich die beiden Vögel schwingen. Wenn ihnen der Käfig geöffnet wird. Die goldenen Stäbe zwischen dem bronzenen Rahmen aufgezogen werden. Trillernd könnten sie sich in den blauen Himmel empor heben und all den Vögeln folgen, die am hohen Gewölbe ihre Bahnen ziehen. Doch so zwitschern sie ihren fliegenden Genossen entgegen. Unbeachtet von diesen Vögeln. Sind es doch viele Amseln, die sich im Geäst des Gartens tummeln und die beiden kleinen Vögel nicht zur Kenntnis nehmen.
    Nero sieht zu ihnen hoch. Mehr, weil er sich langweilt. Er möchte viel lieber sein neues Spiel erproben. Was ihm die Sklavin Benohé vom Markt am Vortag mitgebracht hat. Bunte Steine, aus Glas und Ton gemacht, die es zu setzen gilt auf ein Brett aus Rosenholz gefertigt. Nero hat die Regeln schnell verstanden. Aber seine Mutter möchte es nicht mit ihm spielen. Seine Amme ist zu dumm. Benohé ist der Schatten seiner Mutter.
    Die Beine baumeln in der Luft. Nero seufzt. Spitzt die Lippen. Versucht zu pfeifen. Ein mageres Zischen kommt zwischen den Lippen hervor. Dabei übt er schon seit drei Tagen. Seitdem er den Stallburschen pfeifen gehört hat. Aber es will Nero nicht gelingen. Womöglich könnte er sich mit den Vögeln unterhalten. Sogar ihre Sprache lernen. Wenn er endlich diesen Ton hervor zaubern könnte. Doch dazu soll es heute nicht mehr kommen. Etwas fliegt über ihn hinweg. Kein Täublein. Kein Vogel. Hart landet es in seiner Nähe. Nero erschrickt und springt hastig von der Bank herunter.
    Das kann nur der andere Junge in der Villa sein. Den Nero wohl weißlich ausweicht. Versucht, ihm nicht zu begegnen. Auch wenn sein Großvater in löblichen Tönen von ihm spricht. Aber Nero weiß. Erwachsene kennen nicht die Welt der Kinder. Dort sind die Kinder oft Ungeheuer, die sich auf Nero stürzen wollen.
    Als er sich herum dreht, steht hinter ihm ein Mädchen. Neros Mund bleibt offen. Erschrocken. Verdutzt. Vorsichtig beäugt Nero das Mädchen. Zart ist sie. Aber das heißt nicht, dass sie ihn nicht doch noch verprügeln möchte. Nero kann sich schließlich weder gegen Mädchen, noch gegen einen Jungen gut wehren. Er ist für sein Alter auch reichlich klein gewachsen. Da sie keine Anstalten macht, ihn zu überfallen, bleibt er an Ort und Stelle stehen.
    "Wer bist Du?"
    Ein Salve kommt nicht von Neros Lippen. Er erkennt den Schalk und das Lachen in dem Gesicht und den Augen des Mädchens. Macht sie sich über ihn lustig? Aber sie kennt ihn doch nicht. Nero beißt auf seiner Unterlippe herum. Da fallen ihm die Schnecken auf.
    "Was hast Du da? Warum hast Du die in Deinem Kleid?"
    Die Neugier treibt Nero an. Er tritt argwöhnisch näher. Bis zu der Bank. Die ihn eben noch mühelos getragen hat. Schneckenhäuser. Fühler strecken sich hervor. Ziehen sich schnell zurück. Als sie den Stoff des Kleides erspüren.





    Ein Gnom erscheint zwischen den Zweigen eines Kirschbaumes. Des nämlichen Laubes längst sanft auf den Boden gesegelt ist. Hässlich ist seine Gestalt. Fratzenhaft lang die Rübennase. Ein boshaftes Kichern entrinnt seiner faltigen Kehle. In seinen Händen schwingt er ein loderndes Feuer. Ein Daimon aus der Unterwelt gleicht er. Callista sieht ihn fasziniert und unerschrocken an. Ihre Pupillen weiten sich. Das Delirium gaukelt ihr das scheußlich schöne Tableau vor.
    Der Nachtwind streicht über ihre Haut. Kräuselt die Oberfläche des Wassers. Das Abbild des Mondes verschwimmt. Wird neu geboren als die Wellen sich glätten. Es fröstelt Callista. Simultan ist sie hitzig erregt. Von dem kleinen Spektakel. Dem Abenteuer, das sich erneut zuspitzt. Nicht im Mindesten empfindet Callista Scham. Dem Gaffen auf ihren nackten Korpus wegen. Die Artigkeit und Courtoisie von Aquilius bemerkt Callista. Ihre Lippen formen ein ergötztes Lächeln.
    Faustisch betrachtet Callista den muskulös schönen Rücken von Aquilius. Als dieser seine Stimme anhebt und die Nämliche an den Hausbesitzer richtet.
    Die Vigiles? Bei Isis, nein.
    Was für ein Debakel, Callista.
    Traun.
    Es wäre nicht das erste Mal, dass die Vigiles Callista aufgreifen. Doch es ist bis dato immer nur auf den Märkten geschehen. Diese Angelegenheit würde zu einem voluminösen Klatsch- und Tratschthema ausgebreitet werden. Aber Aquilius sucht danach, dies aufzuhalten.
    Dem Zeugnis der Noblesse und Eleganz des Gartens kann Callista zustimmen. Schmachtend versinkt sie in den Anblick der schönen Venusstatue. Mit meisterlicher Hand aus dem Stein gehauen. Zum Leben erweckt. In den Strahlen der Luna.


    Was sagt er da?
    Die Worte von Aquilius reißen Callista aus der Versunkenheit.
    Seine Verlobte und er. So sprach er, Callista.
    Traun.
    Um Callistas Mundwinkel zuckt es. Welch köstlicher Einfall von Aquilius. Es fördert die Serenität in Callista zu Tage. Sanft kitzelt es in ihrem Bauch. Zarten Schmetterlingen similär. Sie flattern empor und suchen sich ihren Weg. Zu ihren sanft geschwungenen Lippen. Schnell wendet sich Callista ab. Ihre Schultern zucken. Ihre Augen strahlen das Lachen hervor. Was aus ihrem Mund hervor brechen möchte. Ein Glucksen entrinnt ihr. Dann ist der Ausbruch gestoppt und Callista hat sich ad interim unter Kontrolle.
    Ihre dunklen Haare umschmeicheln die Wangen. Als Callista sich umwendet. Als Patrizierin lernt man eine gute Mimin zu werden. Oder man stirbt an Kummer und Gram. Mithin figuriert Callista die Leidtragende. Die Geschädigte. Dazu gehört auch das scheue Wesen zu perludieren. Demgemäß zeigt sich Callista keuscher. Mit ihren Armen sucht sie danach, etwas von ihrer Blöße zu verdecken.


    Das Wasser plätschert um ihre schlanken Waden. Callista tritt aus dem Brunnen heraus. Dunkel färbt sich der Boden durch das kühle Nass. Admirierend wird Callista der gekonnten Rede des Aquilius gewahr. Mit ihrem Zeh hebt sie ihr Untergewand hoch. Klamm ist es immer noch. Aber sie presst es sich nun vor ihren Leib. Der respirierende Laut. Die Töne des Unglaubens. Der Hilfe suchende Blick. Callista sieht in die Augen des Priesters. Ist ratlos, was er möchte.
    Ohnmacht? Tränen? Weglaufen?
    Mime die Mimin, Callista.
    Ah. So ist das.
    Die Ohnmacht ist Callista in dem Moment zu strapaziös. Das Drama ihrem Naturell entsprechender.
    "O werter Herr. Mein Verlobter sprach mit lauterem Herzen. Wahr ist jedes Wort. Freimütig seine Rede."
    Die Unschuld zu spielen. Das sucht Callista. Ihre schwarzen Augen tragen nun den Funken von Lieblichkeit. Nicht mehr das begehrliche Glimmen. Oder das panurgische Leuchten. Kordial ist der Ausdruck ihrer Lippen.
    "Ein Refugium war dieser Garten für uns. Ein Elysium, nachdem wir von wilden Gesellen aus dem Tartaros geplagt wurden. So vornehm dieser Hortus uns erscheint. Nun erkenne ich, er ist im Besitz eines wahrhaft noblen Mannes. Eines altruistischen Römers von hohem Geblüte. Sag, ist die Gefahr darum gebannt für uns? Ich flehe Dich an, werfe uns nicht vor die Fänge der wütenden Meute, die die Männer der Nacht begleiten."
    Callista gefällt sich in der Rolle der Überfallenen. Was für ein ergötzlicher Kitzel, den sie verspürt.
    Apicius Augenbrauen ziehen sich indes zusammen.
    "Nobel? Altruistisch?"
    Der Gnom, er bewegt sich.
    "Soll ich sie durchsuchen, Herr?"
    Sinnig betrachtet Apicius die beiden Einbrecher. Aquilius. Und Callista.
    "Womöglich ist das eine gute Idee."
    Callista reißt die Augen auf. Durchsuchen? Von dem hässlichen kleinen Gnom? Der mit den leuchtenden Augen eines Unterweltgeistes?
    Tu etwas, Callista.
    "Ihr könnt doch nicht!"
    Einige Sekunden würde Callista schon brauchen. Sie fängt an rascher zu atmen.
    "Fang mich bitte auf."
    Ein Flüstern zu Aquilius. Die Luft saugt Callista immer schneller in ihre Lungen. Sie spürt im Nu ein Kribbeln an ihren Fingern und dann ist es soweit. Schnell greift sich Callista an die Stirn. Stöhnt theatralisch. Sie weiß. Das wirkt besonders gut. Sie hat dafür auch lange geübt. Dann sinkt sie in Ohnmacht zusammen.


    Erstaunt erstarrt der Sklave, der kein Gnom ist. Mehr ein unscheinbar schlanker Mann. Apicius seufzt leise. Von seinen Schriften ist er gestört worden. Und er möchte eigentlich lieber dorthin zurück kehren.
    "Halt ein, Sanius."
    Apicius schüttelt resigniert den Kopf. Er versteht die jungen Menschen von heute nicht mehr. War er jemals in seiner Jugend so gewesen? Eine dünne Stimme flüstert etwas von seinen Eskapaden. Aber Apicius will nicht darauf hören.
    "Zieh Dich an. Nimm Deine Verlobte mit und folge mir."
    Der Hausherr wendet sich an einen anderen Sklaven.
    "Laufe und sage den Wachen, dass sie sich nicht mehr bemühen müssen."
    Nun ist nur noch der Lichthalter neben seinem Herrn. Sanius. Den Callista für einen Gnom gehalten hat. Apicius wartet geduldig. Einen Moment. Ehe er sich umwendet und durch den Garten zu einer Terrasse voran schreitet. Durch ein vornehmes Haus führt er. Kunstwerke zieren die Gänge. Leuchtende und stilvolle Fresken die Wände. Im Atrium steht eine imposante Statue. Die von dem Gott Mars. Dort angekommen bleibt Apicius stehen. Prüfend mustert er die ägyptischen Leibwächter. Ebenso die Sklavin Benohé. Die sehr nahe bei ihrer Herrin bleibt. Apicius wendet sich an Aquilius.
    "Da ihr durchaus eine bewaffnete Leibwache bei euch führt, nehme ich an, ihr benötigt keine mehr. Eure Geschichte mag zwar poetisch klingen. Ich halte sie gerade darum für ein Lügenmär."
    Sein Sklave öffnet die Tür. Kalte Nachtluft läßt die Lichter im Atrium tanzen.

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    Der kleine Rosenkopf fällt mit einem melodischen Geräusch in die Schale des Bettlers. Verwundert sieht der Mann auf das, was luzid keine Münze sein kann. Seine schmutzigen Hände greifen nach dem kleinen Rosentalisman. Ein breites Lächeln zeichnet sich auf dem zerfurchten Gesicht des herunter gekommenen Prachers ab. Im Lichte der strahlenden Sonnenscheibe betrachtete der Mann ausgiebig das kleine hölzerne Schmuckwerk.
    "Danke."
    Ein Ruf hinter Tilla. Der Bettler steckt das Rosenstück gleich in die Tiefen seiner schmutzigen Kleidung, die mehr einem Konglomerat aus dreckig verschieden farbigen Stofffetzen besteht. Von den Jahren zu einem Sammelsurium aus braunen Farben verblichen.
    Während Nero hinter Tilla her läuft. An ihrer Hand versteht sich, betrachtet der junge Patrizier neugierig den Bettler.
    "Ob er ein Soldat war? Dem das Bein abgehackt wurde? Von einem nordischen König?"
    Nero hätte sich gerne noch mit dem Mann unterhalten. Ihm viele Fragen gestellt. Aber Erwachsene mögen das zweifelsohne nicht.
    "Ein entflohener Sklave. Er könnte über den Nil auf einem einzelnen Baumstamm entfleucht sein. Dabei hat ihm ein Krokodil das Bein abgebissen."
    Phantasie. Die besitzt Nero. Reichlich und im Übermaß. Aber in seinem Zuhause kann er das nur im Geheimen ausleben.
    "Oder er ist ein Jägersmann. Der rote Löwe von Meroë hat seiner Leidenschaft ein Ende bereitet. Ein Prankenhieb."
    Neros Augen glänzen. Dann ist der Bettler schon aus seiner Sicht verschwunden. Nero stolpert über einige der großen Wegsteine, kann sich jedoch an Tillas Hand fest halten.


    Den changeanten Gebilden nachsehend kaut Nero auf seiner Unterlippe herum. Es besteht kein Zweifel. Hier müssen echte Zauberer leben.
    Vor einem kleinen Zelt aus gelben und roten Planen gebunden steht eine dunkelhäutige Frau. Um ihren Hals herum trägt sie zahlreiche Elfenbeinringe. Giraffen artig wirkt dadurch ihr schlanker Hals. Länger als bei einem normalen Sterblichen. An ihren Händen klimpern Messingringe. Ihre übervollen Lippen teilen sich. Weiße Zähne blitzen zwischen der dunklen Haut hervor.
    "Willkommen. Du suchen Zauberrrmittel? Sicht in Zukunft? Einen Fluch Deinen Feind fürrr?"
    Wenn Nero nicht seine Tasche fest an sich halten müsste, dann würde er nun den Daumen in seinen Mund stecken. Doch das ist ihm verwehrt. Aber das Staunen nicht.
    Er schüttelt den Kopf.
    "Nein. Wir suchen einen Magier. Der das Rätsel von dem Leben und Tod kennt."
    Durch die Unterlippe ist ein elfenbeinernes Schmuckstück gestochen. Es bewegt sich auf und ab beim Sprechen der Frau.
    "O. Du sein richtig. Du finden größten Zauberer von Roma hier. Er kommen aus Ägypten. Wo er lernen bei den alten Künsten seine Macht."
    Ihre langen Finger öffnen den Zelteingang. Auch dahinter ist es schummrig.
    "Tretet ein. Ich rufen großen Zauberer."
    Mit den Hüften schwingend entschwindet die Frau. Nero sieht zu Tilla hinauf und lächelt glücklich.
    "Wir werden heute ein großes Geheimnis erfahren. Wenn das kein Scharlatan ist."


    Nero klopft sich auf seine Tasche und strebt in das Zelt hinein. Streng ist der Geruch nach verbranntem Opium und anderen Rauschmitteln. Die sofort in die Nase steigen. Nero hustet heftig und bleibt auf dem fransigen Teppich in der Mitte stehen. Die Zeltwand schließt sich hinter den Beiden. Nero fröstelt, obwohl es miefig und recht warm in dem Zelt ist. Öllampen werfen elbische Lichter an die Wände. Tanzend, verzerrt, groteske Figuren bilden sie. Unsicher wird Nero. Ob das Ganze eine gute Idee ist? Zögerlich stellt er sich näher an Tilla heran.
    "Vielleicht gehen wir lieber wieder?"
    Noch mehr Rauch steigt auf und aus dem grauen Dunst tritt ein dunkelhäutiger Mann hervor. Breitschultrig. Großgewachsen. Mit Anhängern, Amuletten und Ketten in Hülle und Fülle. Sein muskulöser Leib wird von einem Leopardenfell umhüllt.


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    "Ihr suchen nach Wissen? Um Leben und Tod?"
    Seine dunkelbraunen Augen richten sich auf Tilla und Nero. Nero scheint sich unter Tillas Umhang verstecken zu wollen. Leise piepst er nach oben zu Tilla.
    "Fragst Du ihn? Ich traue mich nicht. Ob er Tiere zum Leben erwecken kann?"




    Der Garten ist erfüllt mit dem starken Geruch von Rosen. Den herbstlich blühenden Schönheiten. Die mit den strahlenden Farben der Gewänder wett streiten. Kein Stoff und kein Geschmeide erreicht jemals die Leuchtkraft einer frisch erblühten Rose. Explodierend in ihrem Strahlen. Exquisit in dem Duft. Der zarte Odeur mischt sich mit den erlesenen Speisen. Gefüllte Rosenblätter wandern in Münder. Vermischen sich mit dem Arom eines köstlichen Weines. Gewürzt. Gesüßt. Manche ihrer Natur nach belassen. Allem haben sie gemeinsam. Wenig verdünnt sind sie. Den Geist aus den Zwängen der Generalität soll das kostbare Nass sie befreien. Die Zungen beflügeln zu Scherzen, Schabernacks und Fazetien. Die Weinkaraffen kreisen. Die edlen Tropfen munden. Auch bei Callista wirkt der vergorene Traubensaft. Ein zarter Roséton erhitzt ihre Wangen. Geschürt durch ihr euphonisches Lachen. Das von ihren Lippen blitzt und aus ihren Augen strahlt.
    "Kapriolen hin oder her. Einen Mörder haben wir in unserer Runde, meine Lieben. Justitia ruht nicht. Bis der Schuldige gefunden ist. Oder es ist unser aller Ende."
    Theatralisch bewegen sich die Finger der schönen Fausta. Affektiert ist ihre Pose. Dramatisch der Klang ihrer Stimme.
    "Wo ist die Jurisdiktion? Hernieder geht es mit der Existentia."
    Die Hand an der Stirn. Fausta atmet schwer und sieht bedeutungsvoll in den blauen Himmel hinauf.
    "Wahrheit? Gerichtbarkeit? Seit wann interessierst Du Dich dafür, Fausta? O Du strahlende Heldin aller Lügenmärchen."
    Fenestellas Stimme klingt belustigt.


    Ehe Fausta den hübschen Erdbeermund öffnen kann ergreift Sorana das Wort.
    "Wo lauter gesprochen wurde, dort sollen wir nicht zweifeln. Die Wahrheit muss im Lichte des Tages enthüllt werden. Zaudert nicht lange. Die Sonne neigt sich bereits dem Horizont entgegen."
    Mit den rot geschwungenen Lippen umgreift Dasia eine Traube. Lässt den Saft auf ihrer Zunge zerrinnen und spricht.
    "Mein lieber Calvaster. Ich entsinne mich an einen Vorfall vor einem Jahr. Betraf es nicht unseren schönen Spinther hier? Und Dich? Ich hörte, Marmilius spielte dort eine unrühmliche Rolle. Hat Nemesis nachher ihren Einfluss gewirkt? In dieser schrecklichen Nacht?"
    Blass wird Spinther. Einen ärgerlichen Blick schenkt er der Frau in den violett gefärbten Kleidern. Die schwelgerisch den Ärger mit dem Schelm in den eigenen Augen erwidert. Calvaster sieht erstaunt zu Spinther. Marmilius indes wirkt ratlos.
    "Ich? Gänzlich unschuldig bin ich..."
    Indigniert bringt Sorana den Ermordeten mit einer eleganten Geste ihre weißen Hände zum Schweigen.
    "O Bürger Roms, der Verruchte muss gefunden werden. Wer vermag es zu sein?"
    Dasias grüne Augen glimmen perikulös. Sie fixiert Calvaster. Unruhig sind seine Bewegungen. Hernach wendet sich Dasia Spinther zu.
    "Er ist meine Wahl."


    Beleidigt verzeiht Spinther die vollen Lippen. Jung ist er an Jahren, ungeachtet steht er schon lange erfahren im Leben. Zwei Kinder nennt er sein Eigen, aber auch zahlreiche Geschichten ranken sich um den schönen Mann. Prikärer Natur.
    "Ich beharre. Auch eine Frau ist in der Lage dazu. Fausta sieht zierlich aus. Aber ihr müsst nur ihren Griff spüren..."-
    "Denn Du wohl allzu gut kennst, Spinther."-
    Marmilius sieht Spinther entgeistert an. Fenestella und Vala fallen in ein gackerndes und infantiles Lachen ein. Wie vor den Kopf gestoßen wandern die Augen des Poeten von Spinther zu der nymphenhaften Fausta.
    "Du?"
    Spinther beachtet Marmilius nicht.
    "Sie?"
    Seine Worte gehen in dem Gelächter unter. Ein weiterer Scherz auf Kosten von Spinther wird gesprochen.
    "Dann sollen sich Fausta und Spinther verteidigen. Meine Lieben, lauscht ihnen. Bekanntermaßen liegt ihr Leben in euren Händen."-
    "Du?"-


    "O Quirites, was vertue ich eure Zeit damit, meine Person zu verteidigen. Viel mehr möchte ich euch offenbaren, dass niemals ein Mord statt gefunden hat."-
    "Niemals? Oh. Ha. Willst Du unsere Augen Lügner schelten? Sehen wir nicht den Toten vor uns?"-
    "Sie?"-
    "Gewiss. Ohne Frage. Tot ist er freilich. Aber nicht gemordet wurde er. Nein. Ein Mord ist eine schändliche Tat. Da stimmt ihr mir doch zu?"-
    , fragend sieht Spinther in die erlauchte Runde.
    "Wandelst Du auf den Wegen des Sokrates? Nun gut. Ich will Dir gefällig sein. Sicherlich."-
    "Aber was ist, wenn der Welt eine Dienstbarkeit getan wurde. Mit dem Tod dieses Mannes."-
    Boshaft leuchtet es vom Gesicht des Spinther.
    "Sei vorsichtig, Spinther. Du begibst Dich auf dünnes Eis."
    Spinther lacht und winkt ab. Bemerkt den haßerfüllten Blick von Marmilius nicht.
    "Einen Cicero zu morden ist eine Schande. Einen Horaz zu erdrosseln eine Tragödie. Aber einen schlechten Poeten..."-
    "Sie? Du Lumpenhund."-


    Mit einem wütenden Schrei stürzt sich Marmilius auf Spinther. Überrascht reißt dieser die Arme nach oben, um sich zu schützen. Teller werden vom Tisch gefegt. Frauen kreischen auf. Ein Messer blitzt in der Nachmittagssonne. Roter Wein ergiesst sich über ein grünes Kleid. Erzürnt sieht Sorana auf ihr ruiniertes Kleid.
    "Ich bring Dich um."
    Kreischend schlägt Marmilius auf Spinther ein. Calvaster will Spinther zu Hilfe eilen. Doch Fausta ist ihm im Weg. Die eine ähnliche Intention hat. Der Kampf tobt. Ein Handwinken. Zwei Sklaven ziehen den rasenden Marmilius von Spinther herunter. Im rechten Augenblick. Denn das Messer will sich schon in den Hals von Spinther bohren.
    "Das reicht."
    Scharf und schneidend ist die Stimme von Sorana.
    "Bringt ihn hinfort."


    Marmilius ist jählings überhapps schlaff geworden. Er wird von den Sklaven weg getragen. Fausta sieht unglücklich auf den sich absentierenden Poeten. Hastig erhebt sich die durchscheinende Grazie und rauscht hinter her. Hustend greift sich Spinther an den Hals. Rauh keuchend kommt Spinther auf seine Beine.
    "Wenn ihr mich einen Moment entschuldigen würdet?"
    Ein Krächzen ist seine Stimme. Taumelnd entschwindet Spinther in dem prachtvollen Anwesen. Calvaster folgt dem Vorbild der Fausta. Bei Spinther. Erst jetzt wird deutlich. Vala ist in Ohnmacht gefallen.
    Callista betrachtet all das ergötzt. Ein Theaterstück spielt sich vor ihren Augen ab. Eine moderne Tragödie. Vielmehr eine tragische Komödie. Oder doch mehr eine aristophanische Tragödie. Callista kann sich noch nicht entscheiden. Mild ist das Lächeln auf ihren Lippen. Sie sieht sich nicht bemüßigt. Einen der Gäste zu helfen. Sie wendet ihr Kinn zu der Seite und betrachtet das Profil von Flavius Gracchus.
    "Die Ambrosia wartet auf der Insel der Unsterblichen. Ein Wagemutiger vermag es, sie zu erringen. Möchtest Du mit mir die Suche va banque spielen?"
    Ihre schwarzen Augen offerieren ihr Anliegen. Sie sieht auf das Boot am See.

    Ein feines Kitzeln rieselt über Callistas Rücken. Die freudige Erregung des Spiels hält sie umfangen. Ihre Züge hat sie gemacht. Und Vinicius Hungaricus hat sie erwidert. In erquicklicher Art und Manier. Ihre Lippen malen ein delektiertes Lächeln auf ihrem Gesicht. Das Essen ist ein Zeugnis der Lethe. Unwichtig geworden.
    Die Beiläufigkeit entgeht Callista nicht. Die Natur der Blicke von Hungaricus. Es bestärkt Callista in dem Eindruck. Dass er verheiratet ist. Oder ihren Ruf wahren möchte. Letzteres gefällt Callista ungemein. Die Vorstellung davon.
    Das Leben. Schöpfe es. Koste es. Jeden Moment, der einem Menschen vergönnt ist. Dies lebt Callista. So es ihr möglich ist. Und sie gedenkt nicht, eine derartige Okkasion verstreichen zu lassen.
    Perikulös glimmt es bis anhin in ihren dunklen Augen.
    "Dann werter Vinicius Hungaricus vermag ich Dir vielleicht eine Freude bereiten. Ein Stimme flüsterte es mir in mein Ohr."
    Callista ergreift eine Olive und isst sie genüsslich. Wartet einen Moment ab. Ehe sie fortsetzt zu sprechen.
    "Ein Nachtigall im Garten. Mit ihren schwarzen Augen hat es eine Beute für Dich entdeckt. Vielleicht vermag sie dich realiter zu enthusiasmieren."
    Panurgisch ist das Lächeln von Callista. Scheinbar satt schiebt sie den edlen Teller von sich. Geschmeidig erhebt sie ihre schlanke und zierliche Gestalt. In der Bewegung streift ihre Hand über den Tisch. Sie schenkt Hungaricus noch einen längeren Blick ehe sie davon schreitet. Zurück bleibt einer der goldenen Brachialia von Callista. Der Löffel der Aurelier indes ist hinfort.


    Als ob Callista sich anderen Gesprächen zuwenden möchte, schwebt sie durch den Raum hindurch. Den Aufbruch einiger Gäste nutzt Callista hinwieder. Sie verlässt das Tablinum. Ihre Sklavin als Gefolge. Lange suchen muss Callista nicht. Der Garten ist schnell ausgemacht. Unter ihren Füßen raschelt leise das Gras. Angenehm erfrischend spielt der Wind in den Zweigen der Bäume. In der Ferne vernimmt Callista das Plätschern von Wasser und das Singen einer Nachtigall. Es ergötzt Callista umso mehr. Da es ihre Anspielung unterstreicht. Verträumt ist ihr Blick. Der über den mondlosen Sternenhimmel hinweg wandert. Über den schönen Garten der Aurelier. Exotische Pflanzungen scheinen die Aurelier zu mögen. Callistas Finger streichen über schön geschwungene Blütenblätter hinweg. Die sich für die Nacht geschlossen haben. Unter einer Laube bleibt Callista stehen. Sie seufzt leise.
    "Ob er kommt?"
    Benohé löst sich aus dem Schatten eines Baumes.
    "Gewiss, Herrin."
    Callista lächelt. Die Zuversicht ihrer Sklavin steckt Callista an. Wenn es auch von Benohé geheuchelt ist. Denn Benohé wünscht sich nichts mehr als eine Verweigerung von Hungaricus auf das Spiel der Callista. Doch Callista fiebert ihm entgegen. Die Eifersucht der Benohé ist hinter ihrer devoten Mimik verborgen. Glänzt hinwieder in ihren braunen Augen.
    "Bin ich schön genug?"
    Benohé rollt mit den Augen. Callista kann es nicht sehen.
    "Wundervoll, Herrin. Die Schönste auf dem ganzen Fest."
    Callista ist zufrieden. Sie spielt mit ihren goldenen Armreifen. Dabei entdeckt sie den goldenen Löffel in ihren Gewändern. Ungnädig seufzt Callista.
    "Schaffe das weg, meine Benohé. Ich will es nicht wieder sehen."
    Gefügig neigt Benohé das Haupt. Nimmt den Löffel und verschwindet im Garten.