Beiträge von Caius Aelius Archias

    Caius lag auf dem Bett zig Räume weiter und dachte an Axilla. Wie sie früher gewesen war, in Alexandrien. So leicht und fröhlich, immer zu einem Scherz aufgelegt. Und je länger sie sich jetzt kannten, desto mehr verlor sie das, zumindest bei ihm. Wie sie bei anderen war, wusste er nicht. Vielleicht hatte er sich zu sehr darauf konzentriert, bei der Arbeit alles gut zu machen. Vielleicht lag das auch an Leander und dem Kind, die sie verloren hatte. Vielleicht an dem Germanen, vielleicht auch an seiner Reaktion auf ihn. Vielleicht daran, dass er sie beschützt wissen wollte oder daran, dass für sie der Palast ein Käfig war. Da waren einfach zu viele Vielleichts, und eigentlich konnte er nur raten, was los war. Vielleicht (schon wieder eins!) war es auch alles zusammen, irgendwie. Dabei wollte er nichts mehr als sie glücklich machen, auch wenn das schrecklich schnuffelig klang und die meisten anderen Kerle wohl darüber gelacht hätten.


    Caius lag gefühlte Jahrzehnte lang auf seinem Bett und starrte Löcher in die Dunkeheit. Er war echt müde, aber er konnte nicht schlafen. Er stellte sich vor, wie Axilla in seinem alten Zimmer lag und schlief. Bestimmt schlief sie da besser als hier in dem Zimmer, von dem sich seine Mutter diese Zusatzinformation echt hätte schenken können. Jetzt dachte Caius wirklich an Seiana, aber nur kurz. Das Treffen damals war besser verlaufen und er hatte sich besser gefühlt. Aber er wollte gar nicht näher darüber nachdenken. Er war jetzt mit Axilla verheiratet, und das wollte er einfach nicht vergleichen mit dem, was gewesen war. Außerdem konnte man Seiana und Axilla gar nicht vergleichen. Caius ärgerte sich darüber, dass er nun doch darüber nachdachte. Er wälzte sich nach rechts. Irgendwann später nach links. Und dann lag er wieder auf dem Rücken. Axilla ging ihm nicht aus dem Kopf. Immerhin redete sie wieder mit ihm. Naja, nicht wirklich. Mit Levi redete sie mehr. Und persönlicher. Caius seufzte. Er wusste doch auch nicht, was er machen sollte! Eigentlich wollte er sich Axilla einfach nur schnappen und festhalten. Und irgendwie rausfinden, was sie so beschäftigte, dass sie ihm das nicht sagen konnte. Nur würde sie das wieder abblocken und....argggh! Ein Hadeskreis.


    Irgendwann (nach einer Ewigkeit) saß Caius auf dem Bett, die Füße auf dem Vorleger und die Hände grüblerisch an der Stirn. Dann stand er auf und tappte barfuß zur Tür. Er war hundemüde, aber hellwach. Caius tappte durch das Haus. Überall war es still. Kein Wunder, es war sicher mitten in der Nacht. Er brauchte die Augen gar nicht richtig aufmachen, den Weg kannte er ziemlich genau. Trotzdem hätte er sich fast einen Zeh angehauen an einer Ecke, von der er hätte schwören können, dass sie nie da gewesen war. Bei seinem alten Zimmer blieb er stehen. Vielleicht sollte er besser wieder rumdrehen und bis zum Morgen warten...


    Nein. Caius machte die Tür auf und schlüpfte ins Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen. Acht Kinderfußschritte nach vorn und dann vier nach links, dann würde er vor dem Bett stehen. Also vier Schritte und zwei. Er war ja kein Kind mehr. Er tastete und fand den Bettpfosten, dann machte er noch einen Schritt. Axillas Atem ging noch ganz ruhig. Caius stellte sich vor, wie sie da lag und schlief. Mit einem ganz friedlichen Gesichtsausdruck. Er sah ja nichts. Vorsichtig setzte er sich auf den Rand und tastete nach ihr. Sie lag auf der Seite. Dann legte er die Beine hoch. Ganz langsam drehte er sich auch auf die Seite, um sie nicht zu wecken. Irgendwie klopfte ihm das Herz bis zum Hals dabei. Mann, das war irrational! Er hatte Sehnsucht nach Axilla, obwohl sie keine Amweite von ihm entfernt lag. Caius rutschte ein Stückchen näher. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Schulter, den anderen Arm hatte er unter seinem Kopf. Axillas Haar duftete gut, und Caius seufzte tief.
    »Ich vermisse dich«, flüsterte er.

    Caius stand kurz nach Axilla auf und streckte sich kurz. Irgendwo knackte es leise, und Caius seufzte tief. Er hatte nicht so viel gegessen, aber jetzt trotzdem fast wirklich Bauchschmerzen. Er folgte Axillas Geste mit dem Blick und nickte dann.
    »Ja, genau«, sagte Caius. Er überlegte, ob er anbieten sollte, sie ins Bett zu bringen. Oder zumindest zum Zimmer. Oder ob das wieder falsch wäre, weil es bedeutete, dass er ihr nicht zutraute den Weg zu finden?
    »Hast du denn alles was du brauchst?« fragte er. Eigentlich war das überflüssig, denn wozu waren die Sklaven sonst da wenn nicht dafür, alles vorzubereiten? Aber Caius wollte auf Nummer sicher gehen. Und außerdem wollte er Axilla nicht jetzt schon wieder allein lassen. Levi schlief bei Katander und den übrigen Sklaven.

    Caius hatte sich selten unwichtiger gefühlt als in diesem Moment. Levi und Axilla waren so vertraut miteinander, wie er das lange nicht mehr mit Axilla gehabt hatte. Er vermisste das so. Es machte ihn traurig, zumal er Axillas Verhalten auch einfach nicht verstand. Abwesend stand er vor seinem alten Regal und sah sich die staubfreien Spielzeuge an, mit denen er früher gespielt hatte. Er beachtete Levi gar nicht wirklich, bis Axilla eine Frage stellte, die an ich gerichtet war. Da drehte er sich wieder rum und sah die beiden an.


    »Ich glaube schon«, sagte er, weil er es nicht genau wusste. Allerdings konnte er sich nicht wirklich vorstellen, dass seine Mutter die cena ausfallen lassen würde, weil sie Axilla nicht mochte. Oder dass Axilla nicht hingehen würde, obwohl sie eigentlich gar nicht wollte. Sie aß in letzter Zeit eh wie ein Spatz, fand Caius. Levi trollte sich dann wieder und ließ sie allein. Bestimmt war es absolut der falsche Zeitpunkt dafür, aber Caius erinnerte sich jetzt wieder an das Gespräch mit Perisander über die Hilfe. Er wollte Axilla ja nur helfen mit dem Vorschlag. Sie fühlte sich ja eh schon schlecht wegen Seiana, immer noch, das wusste er auch. Und wenn sie da dann noch in dem Zimmer schlafen sollte, in dem Seiana als seine Verlobte geschlafen hatte... Da würde sie doch kein Auge zumachen. Ein Scherz nach dem Motto »Da wär ich mir nicht so sicher« wär auch vollkommen falsch gewesen.


    »Ich möchte lieber in dem anderen schlafen«, formulierte er vorsichtig. Er wollte ja nicht, dass sie dachte, er wäre patzig oder bestimmend. Er wollte ihr nur eine schlaflose Nacht ersparen, weil sie vielleicht ständig an Seiana denken musste.
    »Ich hab ein wenig Bauchschmerzen, und das liegt näher an der Latrine. Wenn das für dich in Ordnung ist?« fügte er noch hinzu.


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    Die cena an sich war...anstrengend. Calvaster schien gut gelaunt und erzählte einiges, Caenis war schweigsam, aber höflich, entwickelte sogar etwas wie Interesse an Axillas Aufenthalt in Alexandrien. Caius schob das dem Umstand zu, dass sie da nie gewesen war. Trotzdem entschuldigte sie sich früh und ließ Axilla und Caius mit Calvaster allein, der allerdings auch nur nicht mehr lange blieb und seiner Frau bald nachfolgte.


    »Dann gehen wir auch schlafen, hm?« fragte Caius seine Frau und trank den letzten Rest Wein im Becher aus. Mit einem Klack stellte er ihn auf den Tisch und lächelte ehrlich, aber unsicher. Er war müde, aber er konnte bestimmt eh wieder nicht gut schlafen.

    Axilla wirkte verlegen und verletzlich, und Caius kam nicht darauf, dass er dadran schuld war, weil er sie dauernd anschaute. Jetzt hier im Zimmer war das anders, da warf er ihr keine Seitenblicke mehr zu, sondern sah sie generell an. Draußen war es noch hell, später Nachmittag inzwischen. Die Sonne stand tief, Staub tanzte in der Luft. Es war eigentlich ganz angenehm hier drin. Irgendwelche Blumen (von denen er keine Ahnung hatte, wie sie hießen), dufteten ganz dezent nach Sommer. Caius sah zu dem Regal hin, in dem seine alten Spielsachen lagen. Er war so oft mit Piso hier gewesen. Manchmal hatten sie gar nicht gewusst, was sie spielen sollten, so viel Auswahl war da gewesen. Und jetzt lagen hier nur noch seine Lieblingsspielsachen.


    Axilla relativierte gerade die Worte seiner Mutter, und sie erntete dafür einen missmutigen Blick, der aber nicht ihr galt, sondern eben den Worten, die sie gesagt hatte.
    »Und du nicht?« fragte er eigentlich, ohne eine Antwort haben zu wollen. Caius schüttelte den Kopf und seufzte. Axilla wusste ja, dass ihm das eigentlich egal war, wer woher stammte. Seinen Eltern war das nicht egal, aber die Iunier waren ja nu nicht eben eine unbedeutende Familie. Als sie dann seinen Schreibtisch betrachtete, wurden Caius' Ohren noch röter. Irgendwie war ihm das peinlich, dass sie das sah, aber er sagte nichts. Und sie sah ihn irgendwie entsetzt an, nachdem sie erstmal das Bett in Augenschein genommen hatte.
    »Ich geh in...das andere Zimmer«, sagte er und gab sich Mühe, nicht zu stocken. Das war schon nicht einfach, denn Caius hatte kombiniert, dass Axilla regelrecht Angst hatte, mit ihm zusammen in einem Bett schlafen zu wollen, obwohl er das ja gar nicht vorgeschlagen hatte. Oder überhaupt selber daran gedacht hatte. Wieder fragte er sich, was er ihr denn getan hatte. Ob das nur wegen der Sache mit der Rüstung war oder doch noch an was anderem lag. Caius räusperte sich leise und ging dann auf Axilla zu, aber nur zwei Schritte. Dann klopfte es nämlich und Levi steckte seinen Kopf rein, um zu fragen, ob Axilla ihn gerade brauchte.

    Sie sprach mit ihm und ignorierte ihn nicht. Sogar ganze Sätze. Irgendwie war er gleich erleichtert, absolut. So sehr, dass er um ein Haar geseufzt hätte. Aber er sah Axilla nur an und lächelte ein wenig.
    »Immerhin hat er dich gerettet«, erwiderte Caius und spielte damit auf seine Mutter an, deren Verhalten unter aller Kanone gewesen war.
    »Auch wenn du dafür seine Holzsammlung bewundern musstest.« Er hob eine Schulter und ließ sie wieder fallen.
    »Ich hoffe, er hat zwischendurch auch mal Luft geholt. Wenn er erstmal anfängt...« Caius machte eine entsprechende Grimasse, die verdeutlichen sollte, dass es dann so schnell nicht mehr zu Ende ging mit dem gequassel. Da musste man nur das richtige Thema anstoßen und Calvaster war in seinem Element.


    Caius bedachte Axilla nur kurz mit einem ratlosn Blick und deutete dann entschlosen den Flur runter, immerhin standen sie hier in einer Sackgasse.
    »Ich zeig dir mein Zimmer«, kündigte er an. Natürlich wollte er ihr das zeigen, auch wenn das sicher erstmal ein komisches Gefühl sein würde, weil er ja zuletzt mit Seiana da drin gewesen war. Aber Caius hatte sich dazu eh schon was gedacht.
    »Levi? Öh, ich glaub schon. Katander ist dabei, der kennt sich hier aus«, sagte er noch. So genau wusste er das gar nicht, aber die zwei würden sie schon finden, da war er sich sicher. Ob Axilla fragte, weil sie sich mit ihm alleine unwohl fühlte? Besser nicht dran denken. Caius machte einen Schritt und ging damit vor, auch wenn er dann auf Axilla wartete, dass sie fast nebeneinander gingen. Hin und wieder warf er ihr einen Blick zu, wie um sich zu vergewissern, dass sie immer noch da und nicht einfach irgendwie verpufft war.


    »Das war echt daneben, vorhin«, bemerkte er auf dem Weg, als sie um eine Ecke bogen.
    »Dass sie das gesagt hat, mein ich«, spezifizierte er nochmal genauer und blieb dann vor einer Tür stehen, die er dann aufmachte und Axilla vorgehen ließ. Es war alles wie beim letzten Mal. Der kleine Schreibtisch aus Olivenholz mit den Ferkeleien und Kritzeleien darauf, die Spielsachen, ein alter Ball, kleine Soldaten und ein Feldherr mit beweglichen Armen, ein sauber gemachtes Bett und ein großer Kreisel. Jemand hatte frische Blumen hergestellt. Caius machte die Tür zu und blieb da stehen wo er war.
    »Du kannst hier schlafen.« Eine kurze Pause, in der Caius Axilla musterte. Dea Dia, gleich wurde er noch sentimental hier.... Dann...
    »Wenn du magst.«

    Calvaster grinste nur und scheuchte die Caius und Axilla mit einer wedelnden Geste aus dem raum.
    »Na dann raus mit euch, zack zack«, forderte er sie gut gelaunt auf.
    »Und macht bitte die Tür zu, ja?«
    »Alles klar, Paps. Viel Spaß noch...« Calvaster saß schon wieder und winkte nur ab, als Caius Axilla ganz schmetterlingszart die Hand auf den Rücken legte und sie raus führte. Er machte die Tür hinter ihnen beiden zu und sah Axilla dann an. Das war der erste Moment, dass sie hier im Haus quasi alleine waren, und Caius hatte wirklich Schiss, dass sie sich überhaupt gar nicht wohl fühlte und einfach nur wieder weg wollte. Er sah sie zerknirscht an.
    »Ähm. Tut mir leid«, begann er verlegen und bekam gleich einen Hauch Rot über den Ohren. Wie ein ertappter Schuljunge kratzte er sich kurz am Hinterkopf.
    »Also...ich denk, er mag dich. Normalerweise zeigt er das nicht gleich jedem«, fuhr Caius leise fort und nickte zu der Tür hin, vor der sie noch standen. Das fiel ihm dann auch gleich auf. War also vielleicht nicht der beste Ort, um sich zu unterhalten.
    »Hm...möchtest du den Rest denn sehen? Wir müssen nicht...ich mein, ich kann dir auch einfach nur mein Zimmer zeigen erstmal.« Caius kam sich vor, als hätte man ihn gefesselt, geknebelt, ihm die Augen verbunden und dann morgens vor den Senat geschoben, wo er eine Rede halten sollte: Er hatte keine Ahnung. Er war nervös. Er war unsicher. Und er sah Axilla ein bisschen hilflos an.

    Calvaster sah wieder auf und schwieg einen Augenblick. Offenbar wollte die junge Dame nicht malen, und Calvaster vermutete, dass sie fürchtete, sich zu vermalen. Auf die Idee mit dem bekleckerten Kleid kam er gar nicht erst. Jedenfalls machte er kurz ein trauriges Gesicht und legte Schnitzwerkzeug und Holz dann beiseite. Sonst kommentierte er das nicht weiter.


    »Nichts?« fragte Calvaster überrascht nach.
    »Langweilst du dich da nicht?« Sogar Caenis langweilte sich manchmal, wenn im Garten alles erledigt, das Haus saisonal dekoriert worden war und sie genügend Kaffeekränzchen mit ihren Freundinnen abgehalten hatte, aber eben erst dann. Und nicht vorher, denn da hatte sie ja was zu tun. Und Axilla hatte ja dann nicht mal sowas? Es wäre ihm ziemlich ungehobelt vorgekommen, sie zu fragen, ob sie denn keine Freunde hatte in Rom. Also fragte er stattdessen was anderes.
    »Was hast du denn in Alexandrien dann so angestellt?«


    Axilla befand sich gerade mitten in der potentiellen Antwort, als die Tür aufging und Calvasters Kopf regelrecht herumflog.
    »Vorsicht!! Die..« Caius stoppte die Tür gerade noch rechtzeitig und sah erschrocken auf eine hölzerne Pferdeherde runter. Calvaster ließ sich entkräftet auf den Sessel zurücksinken, von dem er alarmiert aufgesprungen war.
    »...Pferde...« murmelte er matt.
    »Sohn, du bescherst mir irgendwann noch mal einen Herzkasper.«
    »'tschuldigung, Paps. Oh, Mann, ist ja richtig viel geworden«, bemerkte Caius anerkennend. Nach einem kurzen Bick über die Miniaturwelt blieb er an Axilla hängen und lächelte sie ein wenig zaghaft an.
    »Hat er dich als Geisel genommen?« fragte er in einem milden Scherz und lehnte sich dann in den Türrahmen.
    »Ich würde dir gern meine Sabinerin klauen«, sagte Caius und sah danach zu seinem Vater. Der stand auf und machte eine untermalende Geste mit der Hand.
    »Nur zu. Du kannst ihr noch den Rest zeigen, wir waren bisher erst im Garten und hier«, erwiderte Calvaster, und Caius sah Axilla kurz grinsend und bedauernd an.
    »Du Ärmste«, bemerkte er. Irgendwie fühlte sich das alles ein bisschen falsch an, wie ei Theaterstück. Aber Caius gab sich wirklich Mühe.

    »Nichts«, sagte Calvaster und ließ sein Schnitzhandwerk sinken.
    »Ich schnitze sie und male sie an, und dann stehen sie hier und erfreuen mich«, erklärte er Axilla geduldig und lächelte.
    »Es muss ja nicht immer einen Sinn hinter dem geben, was Spaß macht. Und ich schnitze gern.«


    Axilla erschien ihm jetzt deutich verwirrt. Calvaster sah sie prüfend an, wandte sich dann aber wieder seinem Messer und dem halbfertigen Holztier zu.
    »Sicher. Setz dich nur, du könntest die Affen dort bemalen. Oder den Feldherren dort.« Calvaster deutete auf eine kleine Gruppe von drei Affen, von denen einer nichts sah, der andere nichts hörte und der dritte nichts sagte. Und danach auf den Feldherren mit ausgestreckt von sich weisendem Arm, der gerade Befehle erteilte. Seine Legion stand schon auf dem Terrain, umfasste aber nur zwanzig Mann. Genug für diesen Raum, fand Calvaster allerdings.


    »Was tust du denn in deiner Freizeit, Axilla?« erkundigte sich Calvaster und sah dabei nur kurz von seiner Arbeit auf.


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    Im atrium tauchte derweil Caius auf, der sich geschniegelt und gestriegelt gleich viel besser fühlte. Er suchte Axilla, fand aber nur seine Mutter, die mit einer Sklavin vor einemBlumentopf stand und irgendwelche Dinge besprach. Er hielt sich gar nicht lange hier auf, sondern marschierte gleich weiter (und den Blick seiner Mutter ignorierte er einfach). Caius graste das tablinum ab, das Esszimmer, den Säulengang und den Garten. Nichts. Vielleicht war Axilla ja schon in ihrem Zimmer? Caius bekam ein ungutes Gefühl. Aber sie war weder im Gäste- noch in seinem Zimmer....und dann fiel es ihm siedend heiß ein. Sie war ja mit Calvaster unterwegs gewesen... Caius beschleunigte seine Schritte und machte sich auf den Weg, um Axilla vor Calvasters kleiner Freizeitbeschäftigung zu retten.

    Hui ui, gut dass Calvaster keine Gedanken lesen konnte! Er interpretierte Axillas zögerliches Auftreten als vornehme Zurückhaltung. Immerhin kannte sie ihn ja auch gar nicht, bis auf ein paar wenige Sätze, da war das schon verständlich! Und sie taute ja auch gleich auf, als sie die vielen Holztiere auf dem Boden sah. Mit einem kindlichen Anflug von Stolz nickte er, als sie fragte, ob das alles selbstgemacht war. Er war ja auch schon eine halbe Ewigkeit mit Caenis verheiratet, da kam eben viel zusammen.


    »Genau genommen gar keins«, erwiderte Calvaster auf Axillas Worte und nach einem kurzen Lachen. Er schloss die Tür hinter ihnen und ging dann auf seinen Sessel zu. Er ließ sich ächzend fallen und seufzte dann erleichtert (die Knochen machten eben in einem gewissen Alter nicht mehr so mit).
    »Gefallen sie dir?« fragte er lächelnd. Er hatte sich damit eine kleine, aber feine Welt aufgebaut. Seine Rückzugsmöglichkeit.
    »So sehr ich deine Schwiegermutter liebe, so sehr geht sie mir manchmal auf den Senkel«, sagte Calvaster eben gut gelaunt.
    »Da braucht man Ablenkung, und die habe ich hier.« Calvaster betrachtete Axilla eine Weile wohlwollend und deutete dann auf einen Holzscheit ihm gegenüber. Halbfertige und fertige, aber unbemalte Objekte und Tiere lagen und standen hier herum.
    »Wo du schon da bist, könntest du mir eigentlich helfen«, bemerkte er. Irgendwoher hatte er plötzlich ein Messer in der einen und ein Holzstück in der anderen Hand. Damit deutete er erst auf den Holzscheit und dann auf kleine verkorkte Tonbehälter, die unterschiedliche Farben enthielten.

    »Ach, Blumen sind bei zarten Frauenhänden am besten aufgehoben. Ich glaube nicht, dass du da was kaputt machen würdest. Darf ich?« Meinte der alte Aelius und schnappte sich kurzerhand Axillas Hand, um sie zu betrachten. Nur flüchtig, nicht allzu eingehend. Dann ließ er sie mit einem Lächeln wieder los und nickte bestimmt.
    »Schaut gut aus. Ich denke, du kannst mir helfen. Komm nur!« Calvaster rutschte von dem Brunnen, legte die Arme auf den Rücken und machte sich schlendernder Weise zurück durch den Garten und auf das Haus zu, das er an einer anderen Stelle wieder betreten wollte als sie es verlassen hatten.


    »Jeder Mensch braucht etwas zu tun, das ihn entspannt«, erzählte er Axilla und warf ihr einen bedeutenden Seitenblick zu.
    »Ganz besonders in der Ehe«, bemerkte er mit einem Zwinkern. Es ging vorbei an einem duftenden Jasmin und einigen wilden Kornblumen und betrat vor Axilla das Haus in einen Seitenflügel. Von hier aus ging es bis zum Ende des Flures und dann standen sie vor einer normalen Holztür. Calvaster nahm ein Band von seinem Hals, präsentierte Axilla grinsend den kleinen Schlüssel daran und schloss die Tür dann auf.
    »Willkommen in meinem kleinen Reich«, sagte er und stieß die Tür vor Axilla auf, die kurz darauf sehen konnte, was Calvaster in seiner Freizeit so anstellte.


    Da gab es allerlei aus Holz. Kleine Elefanten, Giraffen, Pferde, Bäume, Menschen, eine angefangene und halb bemalte Legion, Gebäude und was man sich sonst noch alles erdenken konnte. Hier und dort waren Dinge direkt auf den Boden gemalt, ein Fluss beispielsweise, und Straßen. An der Längsseite stand ein einfacher, hochlehniger Sessel und jede Menge Holz in Scheiten, Ästen und Spänen. Calvaster grinste Axilla mit unverhohlenem Stolz an.
    »Na?«

    Dass die zwei sich schon zwei Jahre lang kannten, wunderte Calvaster zwar etwas (ausgedrückt durch hochgezogene Augenbrauen), aber er sagte dazu nichts. Sein aelischer Geist kombinierte aber geschickt, dass Caius Seiana da schon gekannt hatte. Er schmunzelte.
    »Beim Essen, na das sieht ihm ähnlich!« sagte Calvaster grinsend und schüttelte den Kopf. Dann betrachtete er Axilla. Die Sonne schimmerte auf ihrem frisch gewaschenen Haar und spiegelte sich in den kleinen Wellen des Brunnens. Sicherlich gab es hübschere Frauen, es gab aber auch hässlichere. Axilla war anders als Seiana, sie hatte auch nicht diesen bestimmten Ausdruck auf den Zügen, aber sie hatte was für sich. Calvaster war doch irgendwie stolz auf seinen Sohn, auch wenn Seiana vielleicht in Caenis' Augen die bessere Wahl gewesen wäre. Den Schatten, der über ihr Gesicht huschte, bemerkte er, konnte sich darauf aber keinen Reim machen und tat deswegen so, als hätte er nichts gesehen.


    »Eine so reizende Dame sollte auf jeden Fall jemanden dabei haben«, erwiderte Calvaster halb im Scherz ermahnend, halb ernst. Diese Urgulania kombinierte er richtig als eine Verwandte zusammen.
    »Stell dir nur vor, was passieren könnte. Caius würde es sich nie verzeihen, wenn dir was passiert.« Ganz zu schweigen davon, dass er sich erpressbar machen würde. Calvaster hatte keine Ahnung, wie nahe er da der Wahrheit gekommen war. Er lächelte, als er das sagte. Irgendwie hatte er Axilla gern.


    »Hmh? Oh, ja... Das ist Caenis' Welt, nicht meine. Ich hab einen anderen Sockenschuss«, lachte er über sich selbst und beugte sich dann verschwörerisch zu Axilla hin.
    »Ich zeig ihn dir, wenn du willst.«

    Caius wirkte ein kleines bisschen irritiert, und dementsprechend fiel auch sein Lächeln aus (das übrigens das einzige war, was er auf Pisos Rückfrage mit der Kunst erwiderte, auch wenn das etwas aussah, als hätte er Zahnschmerzen, denn Caius erinnerte sic noch sehr gut daran, wie selbst die Krähen reißaus genommen hatten, wenn Piso seine Klampfe gezückt hatte). War ja auch nur so eine Redewendung, das mit der Kunst. Glücklicherweise lenkte Piso gleich drauf selber ab und sprach von Prisca. Caius grinste, wei Piso sich so seltsam verhielt.


    »Oh Mann, Pi... Und ihr geht zusammen ins Theater? Von dem Stück bekommste doch eh nix mit, wie das aussieht.« Caius grinste in seinen Weinbecher. Was ihn allerdings wunderte war, dass Nigrina das eingefädelt hatte. Schien ja doch nicht mehr so ein kaltherziges Ekelpaket zu sein wie früher. Zumindest was Piso anging. Aber Caius hatte mit Pisos Schwestern sowieso noch nie so besonders gut was anfangen können (zumindest nicht mehr als sie zu ärgern).


    »Quästor, echt! Jetzt bei der kommenden Wahl?« Caius riss erstaunt die Augen hoch. Irgendwie schien jeder die Karriereleiter hochzufallen, nur er nicht. Ein bisschen betrübte das ja schon. Vielleicht sollte er sich endlich mal einen Patron suchen. Grüblerisch sah er Piso an. Piso, der bald Senator wurde...
    »Äh was? Achso, ja, total klasse. Aber Senator Piso hört sich viel schärfer an!« Caius grinste ein wenig halbherzig zurück und machte dann ein betroffenes Gesicht, als sein Freund von Vera sprach.
    »Oh. Schon wieder? Aber doch bestimmt nichts Ernstes, oder?« fragte er nach. Piso wäre allerdings wohl nicht so betrübt, wenn es nur eine kleine Erkältung wäre.

    »Ahso«, machte Caius leicht verwirrt und sah ein wenig zweifelnd aus, besonders als Perisander meinte, er würde seine Frau natürlich kennen.
    »Weißt du, ich bi mir da gerade gar nicht so sicher, das ist ja das Problem. Manchmal glaub ich, ich kenn sie gar nicht. Oder ich erkenn sie nicht wieder. Sie ist so unglücklich.« Caius quälte sich dabei, das auszusprechen, und zuckte mit den Schultern im Anschluss. Dass Perisander ein Sklave war, hatte er im Gespräch fast vergessen.


    »Das war alles anders, bevor wir geheiratet haben. Und bevor Leander gestorben ist.« Und bevor gewisse andere Dinge so passiert sind. Caius rieb sich über die Stirn.
    »Gut also...« Er seufzte.
    »Falls wir nochmal drüber reden, werd ich ihr sagen, dass ich sie unterstütze, wenn sie das möchte. Vielleicht ist das eine bessere Formulierung als wenn ich sag, dass ich ihr helfen will«, resümierte er.

    Calvaster warf einen kurzen Seitenblick zu Axilla. Seine Augen umrahmten viele kleine Lächfältchen, als er grinste, und Axilla erkannte darin bestimmt Caius' Grinsen wieder, das hatte er nämlich von seinem Vater geerbt. Bis auf die vielen Fältchen bisher zumindest.
    »Wenn dir das gefällt«, sagte Calvaster sehr freundlich und ohne eine Wertung abzugeben. Seiner Meinung nach blieb eben etwas Farbe nicht aus, wenn man im Süden lebte oder auf dem Land wie sie hier. Caenis war da allerdings auch recht eigen, und Calvaster machte sich immer über die komischen Sonnenschirmchen lustig, die seine Frau manchmal für sich herumtragen ließ, wenn sie spazieren gingen. Für sein Alter jedenfalls war Calvaster noch recht gut auf Zack.
    »Dann hast du Caius bestimmt in Alexandrien kennengelernt, was?« fragte er beiläufig.
    »Ist eine schöne Stadt, nur etwas zu warm für meinen Geschmack. Ich hatte damals das Gefühl, dass die Luft getanden hat um die Mittagszeit. Hier geht immerhin ein laues Lüftchen.« Calvaster lächelte vor sich hin und bog dann mit Axilla vom Weg ab. An einem üppigen Rhododendron vorbei ging es auf das Plätschern zu, das sich nach wenigen Schritten als kleiner Wandbrunnen entpuppte, gesäumt von einem breiten Sitzrand und gefüllt mit klarem, kühlen Wasser. Kleine, (zum Teil fehlende) Mosaiksteinchen in vielen Blautönen schmückten den Brunnen. Calvaster seufzte zufrieden.


    Auf den Iunier ging er gar nicht weiter ein, Axilla kannte ihn ja nicht, also machte es keinen Sinn, da weiter nachzuhaken. Außerdem war man wohl eh nicht mehr befreundet nach einem halben Leben ohne Kontakt. Da änderten sich viele Menschen.
    »Ja, das ist es. Du hättest den Stall früher sehen sollen, die Kinder waren abends kaum da raus zu bekommen. Standen ein paar hübsche Pferde drin.« Calvaster ließ Axilla los und setzte sich auf den Brunnenrand und besah sich sein Land.
    »Rom wäre mir zu stickig und zu eng. Ich bin froh, dass ich Caenis dazu bewegen konnte, hierher zu ziehen. Die Stadt ist nichts für mich«, gab er preis und sah Axilla großväterlich an.
    »Wie ist das mit dir, hat dir Alexandrien gefallen?«

    Calvaster führte Axilla ohne weitere Umschweife aus dem atrium und zum Peristyl. Dort angekommen, nahm er seine rechte Hand und tätschelte ganz kurz Axillas Arm, den sie in seinen eingehakt hatte. Über die Vorkommnisse im Haus verlor er aber sonst kein einziges Wort.


    »Ist lange her, dass ich eine so hübsche junge Dame am Arm hatte«, bemerkte er mit einem amüsierten Seitenblick und zwinkerte dann.
    »Du kommst nicht aus Rom, oder? Hast viel zu viel Farbe dafür. Griechenland? Oder Spanien?« vermutete Calvaster und führte Axilla auf einem kiesbestreuten Weg in den Garten. Hier gab es rechts und links des Weges blühende Mohnblumen und kleine Rosenstämmchen, die bald blühen würden. Irgendwo plätscherte Wasser, aber das konnte man noch nicht sehen. Dafür konnte man von hier aus schon die Felder und Wiesen sehen, denn das Gelände fiel ein bisschen ab, das Haus war wie ein U gebaut und man konnte bequem über die halbhohe Umfriedungsmauer in die Ferne schauen. Vereinzelt standen Bäume und Zypressen an den Wegen, die von hier aussahen wie kleine Schlangen, und rechts gab es ein kleines Wäldchen, in dem ein See verborgen lag.


    »Ich kannte mal einen Iunius Gracchus«, sagte Calvaster grad. Mit dem hatte er zusammen gearbeitet, vor Jahrzehnten. Er fragte sich, ob Axilla näher mit ihm verwandt war.
    »War ein ganz netter Bursche. Wir haben oft zusammen gefeiert. Und dann hat er seine Tertia kennengelernt und ich hab Caenis geheiratet, und irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren«, erzählte der alte Aelius bereitwillig und sah selber in die Ferne.

    Na toll. Erst ließ Caius die Fetzen fliegen und dann herrschte Funkstille. Caius hielt seinen leeren Becher einem Sklaven hin, rammte ihm den regelrecht entgegen. Ihm wurde aufgefüllt. Caenis sah sich konzentriert die Wandmalereien an. Sie hatte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst und sagte gar nichts. Calvaster fühlte sich sichtlich unangenehm. Er hatte für sich beschlossen, sich da rauszuhalten, zumal er fand, dass Caius seine Frau aussuchen musste und nicht Caenis. Aber er wollte auch keinen Streit, und deswegen sagte er nichts. Caenis hatte er schließlich deutlich länger um sich als seine Kinder. Also schwiegen sie sich an. Das konnte Caius ja inzwischen ziemlich gut, er hatte ja auf dem Hinweg mit Axilla geübt, dachte er sarkastisch. Außerdem fand er, dass seine Mutter dran war. Er hatte schließlich klipp und klar gesagt, was Sache war. Aber die zog es ja vor, die Klappe zu halten!


    Irgendwann schlich sich Levi durch das atrium, etwas Grünes in der Hand. Kurz darauf schlich er damit zurück. Als er mit etwas Blauem wieder kam und sich größtmögliche Mühe gab, wie Luft auszusehen, wandte Caenis schließlich den Kopf und sah ihren Sohn mit einer Mischung aus Vorwurf und Enttäuschung an. Allein deswegen war er gleich wieder auf dreihundertsechzig, obwohl sie nicht mal was sagte. Er hätte sie fragen können, was sie denn bitte so schaute, aber er presste nur die Zähne aufeinander und starrte angesäuert zurück. Das wollte er nämlich gar nicht hören.


    Als Axilla dann wieder kam und alle Augenpaare sich auf sie richteten, blieb sie erstmal verunsichert stehen. Caius hatte nicht gewollt, dass sie sich noch schlechter als eh schon fühlte. Er überlegte, ob er aufstehen und zu ihr gehen sollte. Allerdings war er noch dreckig und musste sich eigentlich waschen. Nur wollte er Axilla jetzt auf keinen Fall allein mit seiner Mutter lassen. Was also tun? Dreckig bleiben und sich zu viert anschweigen? Sich waschen gehen und Axilla dem Feind ausliefern? Caius hatte keine Ahnung.


    »Wisst ihr was?« ließ Calvaster in diesem Moment verlauten und stand schwungvoll auf.
    »Ich zeige dieser hübschen Dame jetzt den Rest des Hauses. Entschuldigt uns«, verkündete er, warf ein Lächeln in die Runde und fing einen unendlich dankbaren Blick von Caius auf bevor er auf Axilla zu ging und sie abholen wollte. Mit einem spitzbübischen Grinsen bot er ihr seinen Arm an.
    »Also, was möchtest du zuerst sehen. Den Garten vielleicht?« erkundigte er sich gut gelaunt bei Axilla.


    Caius entspannte sich langsam. Seinem Vater vertraute er. Niemand kannte Caenis besser als er.
    »Ich geh mich waschen«, sagte er aufgeräumt zu seiner Mutter, leerte den dritten Becher und stand auf. Er warf Axilla noch einen Blick zu, der vieles bedeutete: Eine Entschuldigung, Scham wegen seiner Mutter und Aufmunterung. Vielleicht bemerkte sie ihn ja. Und dann ging er ins balneum und ließ die verdrießliche Caenis allein im atrium hocken.

    Caius hörte Perisander zu. Das klang alles ganz logisch, was der so sagte dazu. Es gabnur ein Problem...
    »Das hab ich ja versucht. Aber sie versteht mich immer falsch. Ich will ihr ja gar nichts wegnehmen oder...für sie machen.« Da kam nun wieder die Frustration durch, die er bei dem gestrigen Treffen gehabt hatte. Caius seufzte tief.
    »Wie würdest du das formulieren? Und was meinst du mit dem Unterschied zwischen uns?« Natürlich gab es da den naheliegendsten, nämlich dass Caius ein Mann und Axilla eine Frau war und deswegen die Dinge sich schon unterschiedlich gestalteten, aber Caius hakte da lieber noch mal nach, ehe er es sich mit Axilla mit einem entsprechenden Verweis darauf, dass sie eben anders war, ganz und gar verscherzte...

    Caius sah Axilla einen Moment hinterher. Sie hatte sich echt Mühe gegeben, und der Kommentar seiner Mutter war, gelinde gesagt, unter aller Sau gewesen. Caius schämte sich regelrecht für die Reaktion von ihr. Als Axilla im Haus verschwand, legte sein Vater ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn kurz.
    »Komm, Junge. Setzen wir uns.« Ganz offensichtlich war es Calvaster genauso egal wie Caius, wenn der alles einstaubte. Aber sie blieben ja auch im atrium da war das noch zu verschmerzen. Caius lümmelte sich auf eine Liege, und ein Sklave drückte ihm etwas zu trinken in die Hand. Er hatte von der Reise einen leichten Sonnenbrand im Gesicht.


    »Deine Mutter ist glaube nicht begeistert«, bemerkte Calvaster.
    »Denk ich auch.« Sie musterten einander.
    »Die fängt sich bestimmt bald wieder.«
    »Lieber früher als später.« Calvaster schmunzelte und trank einen Schluck.


    »Und Seiana?« fragte Calvaster dann. Caius runzelte die Stirn und stellte seinen Becher mit einem lauten Klonken zurück auf das Tablett.
    »Paps, muss das sein?« beschwerte er sich. Calvaster sah ihn abschätzend an und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, muss nicht sein. Hast bestimmt deine Gründe gehabt. Aber sagen können hättest du wirklich was.« Aus seinem Mund hörte sich das nur bedauernd an, aber nicht zutiefst enttäuscht und dramatisch, wie es bei Caenis geklungen hatte. Caius seufzte und rieb sich über das Gesicht. Danach hatte er staubigen Schweiß an der Hand, den er einfach an der Tunika abwischte.
    »Bona Dea, als ob Mutter es zugelassen hätte, dass wir da heiraten, wo wir wollten und so, wie wir es getan haben«, moserte Caius brummig rum.
    »Erzähl mal.« Caius sah auf, sein Vater wirkte interessiert.
    »Die Kurzfassung?«
    »Die reicht mir.«
    »Na gut. Seiana und ich haben uns entlobt und Axilla und ich haben uns verlobt. Und dann waren die Rennen zu den Megalesia, und da hab ich sie dann geheiratet. Im circus. Das ist eigentlich auch schon alles. Wir haben nicht gefeiert, nur hinterher ein kleines Gastmahl für Freunde gegeben.« Caius fand, dass es gar nicht nötig war, die ganzen anderen Dinge zu erzählen. Dass Axilla eine schwere Zeit hinter sich hatte mit Leander und dem Kind und Urgulania und überhaupt, dass er Seiana hintergangen hatte und so weiter. Calvaster hatte zugehört und nickte jetzt.
    »Verstehe. Wär mir damals auch lieber gewesen.« Er lächelte seinen Sohn schelmisch an.
    »Nur hat deine Mutter immer schon auf Feste gestanden. Da kann man nichts machen. Aber bei den Rennen! Junge, Junge... Wie ist sie denn so? Deine Axilla?«


    In dem Moment kam Caenis wieder ins atrium, und gleich ruhte ihr Bick auf Caius, der zumindest mal augenblicklich die Füße von der Liege nahm und sich hinsetzte. Wortlos setzte sie sich in einen Sessel und ließ sich Wein reichen. Caius sah sie nachdenlich an, bis er den fragenden Bick seines Vaters auf sich ruhen spürte und sich ihm wieder zuwandte. Eigentlich hatte er gar keine Lust, jetzt weiterzureden, wo Caenis wieder da war und eh alles zerpflücken würde, was ihr nicht passte.
    »Sie ist...« Stolz und stur und stumm, zumindest gerade.
    »...liebevoll. Und gescheit und ehrgeizig«, sagte Caius, und Schweigen breitete sich aus. Caenis sah ein wenig missmutig drein, Calvaster lächelte versonnen und Caius wartete auf einen Kommentar. Und der ließ auch nicht lange auf sich warten.
    »Ist sie denn auch eine gute Ehefrau, Caius? Ich meine, warum hast du ihr den Vorzug gegenüber Seiana gegeben, sie macht doch kaum was her!«
    »Caenis...«
    »Mutter, du kennst sie doch gar nicht, was soll denn das?« Caius unterbrach seinen Vater, der wohl die gleiche Absicht gehabt hatte wie er jetzt. Und Caius wurde laut.
    »Ich mein, schön, ich hätte vielleicht was sagen sollen vor der Hochzeit oder halt spätestens nachher. Mein Fehler. Aber ich will nicht, dass du sie so...so behandelst wie vorhin. Oder dass du so über sie sprichst! Du denkst vielleicht, dass sie nichts Besonderes ist, aber für mich ist sie das, ob dir das passt oder nicht, und für mich macht sie definitiv etwas her


    Caenis blinzelte nur irritiert. Sie kannte ihren Sohn so nicht, und Calvaster hatte auch selten Widerworte gegen irgendwas (was daran lag, dass er sich seinen Teil meistens dachte, statt laut zu sagen, und dadurch seine Ruhe hatte). Sie reckte ein bisschen das Kinn vor.
    »Ich habe nie...« begann sie, aber Caius überfuhr sie im Ansatz.
    »Ma, bitte, das vorhin war wirklich unfreundlich. Du hast sie ja nicht mal richtig begrüßt! Und das mit Seiana, musste das denn sein?« Caius schüttelte den Kopf.
    »Ich will einfach, dass ihr sie kennenlernt, ist das falsch? Nur weil dir Seiana vielleicht besser gefallen hat, musst du noch lange nicht so eklig zu ihr sein!« Caenis sah inzwischen recht unglücklich aus, Calvaster leicht belustigt, dass Caius seiner Mutter Konter gab. Verstohlen grinste er.
    »Ich hab nichts gesagt, gut, das war blöd. Aber ich hab echt mit sowas gerechnet. Mir ist schon diese Feier hier beim letzten Mal auf die Nerven gegangen. Ich wollt das halt einfach selber machen, so wie ich das wollte und so wie Axilla das wollte. Und ein riesiges Fest wär einfach...das hätte einfach nicht gepasst.« Caius zuckte mit den Schultern und schnitt eine Grimasse. Caenis schwieg einen Moment, und Calvaster hielt sich ganz raus.


    Schließlich räusperte sich Caenis.
    »Caius«, appellierte sie an seinen Verstand.
    »Wir wollen doch nur das Beste für dich. Du gehörst zur Kaiserfamilie!«
    »NA UND?« motzte Caius lautstark und so unvermittelt zurück, dass irgendwo jemand etwas fallen ließ und es leise auf dem Boden zerschellte.
    »Ich hab da nicht drum gebeten! Ich hab da nie Wert drauf gelegt! Und wenn ich jetzt die Frau heiraten will, die ich liebe, dann mach ich das halt! Das ist mir dann absolut egal, ob meine Mutter vielleicht Bedenken hat, weil sie aus der falschen Familie kommt oder ihr zu dünn oder zu...wasweiß ich ist!«
    »Caius, ich denke, wir sollten...« begann Calvaster in diesem heiklen Moment den Versuch, die Wogen glätten zu wollen, und machte eine beruhigende Geste mit seiner Hand, aber Caius würgte auch ihn ab.
    »Nein Paps, ich lass mir da nicht reinreden. Wenn ihr meint, ihr kommt mit ihr wegen irgendeiner Kleinigkeit nicht aus, über die ihr nicht wegsehen könnt, dann ist das so. Aber dann war das hier mein letzter Besuch und wir reisen morgen früh wieder ab. Ich hab keine Lust, mir ständig sagen zu lassen, was besser wäre und was ich anders machen soll, nur weil wir irgendwie mit Valerianus verwandt sind oder weil Mutter irgendwas nicht passt. Das ist unsere Entscheidung, und nicht ihre.« Caius schnappte sich seinen Weinbecher und stürzte den Rest darin runter, während Caenis nur dasaß und blinzelte und Calvaster ihn mit einem erstaunten Blick bedachte. Dass Axilla längst fertig sein konnte mit ihrem Bad, daran hatte Caius keine Sekunde nachgedacht. Er war auch gerade echt sauer auf seine Mutter. Und er fühlte sich ein bisschen komisch, weil er Axilla so in Schutz nahm, obwohl sie gerade Probleme hatten, die ihm fast unlösbar vorkamen.

    Auswendiglernen, das konnte Caius. Einigermaßen zumindest. Er nickte nur, das andere war schließlich viel schwieriger. Eine Rede schreiben und dann halten konnte Caius nicht. Die Leute würden sich wohl schieflachen, wenn er das versuchte. Er hatte ja damals schon bei den Flaviern fast alles versaut. Nee, daran dachte er besser nicht zurück.


    Zu der Hilfesache seufzte Caius tief. Klar, dass er dabei an Axilla gedacht hatte.
    »Es geht um Axilla, weißt du. Ich mein, ich bin ihr Mann, aber sie will nicht, dass ich ihr bei irgendwas helfe. Ich weiß nicht wieso, aber sie will immer alles alleine schaffen. Ich denk, sie will sich beweisen, dass sie das kann. Ist ja auch verständlich. Nur ist das erst so, seitdem wir verheiratet sind, weißt du? Vorher war das anders.« Zumindest hatte Caius das anders empfunden... Er zuckte mit den Schultern.
    »Jedenfalls.... Ach ich weiß auch nicht.« Noch ein Seufzer.
    »Ich will einfach nur, dass sie weiß, dass sie mich immer fragen kann. Dass ich ihr immer helfen würde, egal bei was. Und dass das kein Beinbruch ist, wenn sie's überhaupr fragt, verstehst du?«

    Caenis drehte sich direkt rum und schritt würdevoll auf das Haus zu. Axillas Frage kommentierte sie zuerst mal mit einem prüfenden Seitenblick (Caius und sie folgten ihr). Caius' Mutter war gern in Gesellschaft, sie mochte Feiern und Gastmahle und wusste, wie man sich entsprechend verhielt, auch wenn man was ganz anderes dachte. Caenis schürzte nur ganz kurz die Lippen, bevor sie Axilla antwortete, und Caius hielt sich da erstmal ganz raus.


    »Aber du hast ja kaum etwas gesehen bisher, Kind«, waren dann die Worte, die sie erwiderte. Caenis lupfte die Augenbrauen dabei ein wenig, so dass das belehrend wirkte und nicht geschmeichelt, auch wenn das Axilla vielleicht gar nicht auffallen würde. Caius jedenfalls hatte seine Mutter verstohlen beobachtet, und ihm war das aufgefallen. Ihn ärgerte das sehr, zumal er nicht wusste, ob diese kleinen Seitenhiebe alles sein würde, was da kam, oder ob das noch direkter kommen würde. Und wenn das der Fall war, konnte er falsch oder falsch entscheiden, das ging ihm jetzt überhaupt erst auf. Er konnte sich auf Axillas Seite stellen und sie verteidigen (und damit komplett falsch liegen!) oder er konnte sich raushalten und sie machen lassen (und damit auch komplett falsch liegen).


    »Ja, das glaube ich auch«, erwiderte seine Mutter gerade wieder auf Axilla. Was hatte sie gesagt? Caius hatte das gar nicht mitbekommen.
    »Es wäre wirklich nett gewesen, wenn ihr vorher bescheid gesagt hättet. Jetzt muss ich erst noch die Zimmer herrichten lassen.« Caenis klang doch ein wenig beleidigt, überhaupt wirkte sie nicht wirklich in einer guten Stimmung, wie Caius fand. Er seufzte deswegen tief, aber Caenis fasste den Seufzer anders auf und bezog ihn auf ihre Worte, und bevor Caius etwas sagen konnte, griff sie schon wieder das Wort auf und schoss dabei einen scharfen Blick in seine Richtung ab.
    »Da brauchst du gar nicht seufzen, ihr schlaft selbstverständlich getrennt. Sie bekommt das Zimmer, das deine Seiena bekommen hat.« Caius schoss einen genauso scharfen Blick zurück.
    »Mutter, bitte«, sagte er genervt und rollte mit den Augen. Sowas musste ja wohl nicht sein. Zumindest hätte sie das nicht sagen können. Caenis aber erreichte in diesem Moment die Türschwelle, sah Caius und danach Axilla noch einmal kurz an und machte eine letzte, angemessen höfliche Bemerkung, bevor sie an Calvaster vorbei im Haus verschwand.
    »Nicodemus wird dir gleich das Bad zeigen.« Dann war sie weg und Caius und Axilla standen vor seinem Vater, der Axilla begrüßte, während Caius noch missmutig hinter seiner Mutter her starrte.


    »Axilla, hm?« sagte er, und wieder schmunzelte Calvaster. Dann machte er einen Schritt nach vorne und umarmte mit dem einen Arm seinen Sohn und mit dem anderen dessen Frau.
    »Salve Paps«, nuschelte Caius und drückte zurück.
    »Tja, da seid ihr selbst schuld. Du weißt doch, wie gern sie die Hochzeit planen wollte, Junge«, bemerkte Calvaster anschließend mit einem Zwinkern in Caius' Richtung, der nur nochmal mit den Augen rollte. Calvaster grinste, dann lächelte er Axilla an.
    »Ich bin Decimus Calvaster, aber du kannst ruhig Decimus sagen. Gehörst ja jetzt zur Familie. Das eben war Caenis, meine Frau. Hat dir Caius bestimmt schon erzählt. Jedenfalls, willkommen in Ravenna. So, jetzt schnell rein mit euch und ab ins Bad, sonst garantiere ich für nichts!« Calvaster winkte die zwei grinsend an sich vorbei und schloss dann die Tür. Der Sklave Nicodemus hatte einen Becher Wasser für Axilla in der Hand und wartete schon, um ihr das Bad zu zeigen. Ein Zimmer für sie wurde schließich grad noch fertig gemacht. Außerdem hatte Caenis entschieden, dass die Waschschüssel für den vielen Reiseschmutz nicht reichte. Caius ließ Axilla los und schickte ihr noch ein aufmunterndes Lächeln hinterher.