Then took the other, as just as fair,
And having perhaps the better claim,
Because it was grassy and wanted wear;
Though as for that the passing there
Had worn them really about the same
Sie war durch das Tor hindurch. Hindurch… und draußen, auf der Straße, die wegführte von der Stadt und von den Römern. Siv wurde für einen winzigen Moment beinahe schwarz vor Augen, als die Aufregung im Nachhinein erst wirklich zuschlug. Das letzte Hindernis, das sie von ihrer Freiheit trennte, lag hinter ihr… und der Wald vor ihr. Und doch blieb ihr Schritt verhalten, nicht etwa um weiterhin nicht aufzufallen, weil sie noch zu nahe am Tor war, sondern weil sie… etwas zurückhielt. Der Wald lockte, rief nach ihr, und inzwischen waren auch Bilder ihrer Familie vor ihrem inneren Auge aufgetaucht, ihr Vater, ihre Brüder, die nach so langer Zeit endlich wieder in greifbare Nähe gerückt waren, die sie wiedersehen konnte, wenn sie die Gelegenheit ergriff, die sich ihr bot. Und doch… mit ihnen waren andere Bilder aufgetaucht, von Menschen, die ihr inzwischen auch etwas bedeuteten, vor allem aber eines, eines, das klarer war als die der anderen, klarer als die ihrer Familie, und sie zurückdrängte. Was war sie im Begriff zu tun? Bevor ihre Gedanken aber weiter in diese Richtung gehen konnten, spürte sie auf einmal eine Hand auf ihrer Schulter. Die Germanin erstarrte. Quo vadis… Sie wollte sich nicht umdrehen, wollte nicht sehen, wer sie da aufhielt, denn solange sie es nicht sah, konnte sie sich einreden, es wäre nur irgendein Händler… Aber dann sah sie eine Bewegung aus ihrem linken Augenwinkel und sah unwillkürlich hinüber, und ihre Befürchtung bewahrheitete sich. Die Wachen. Die Soldaten… Wieder begannen ihre Gedanken zu rasen und überschlugen sich diesmal regelrecht, als Erinnerungen auf sie einschossen, Blitzlichter, Fetzen ihrer Vergangenheit, wie sie gefangen genommen worden war, wie sie nach Rom transportiert wurde, wie die Soldaten sie behandelt hatten. Sie hatte ihren Hass gegenüber Römern inzwischen weitestgehend abgelegt, aber nicht ihren Hass gegenüber Soldaten – genauso wenig wie ihre Angst vor ihnen. Zu schlecht waren die Erfahrungen, die sie gemacht hatte, die zumal die einzigen Erfahrungen gewesen waren, die sie mit römischen Soldaten je gemacht hatte.
Sivs Mund war auf einmal staubtrocken. Noch immer schien sie nicht klar denken zu können, aber eines war ihr bewusst: dass sie in Schwierigkeiten steckte. Nur wie sie am besten heraus kam, wollte ihr nicht einfallen. Stattdessen begann sich langsam, aber sicher ein Gefühl der Panik in ihr auszubreiten. In die Hände von römischen Soldaten zu fallen, war immer schlecht, hämmerte es in ihrem Kopf, es konnte gar nicht gut gehen, ihr Leben lang hatte sie gelernt, Römer und vor allem Soldaten zu fürchten, und diese Furcht hatte sich bei ihr auch begründet gezeigt. Immer noch tobte es in ihr, und gleichzeitig war ihr Kopf paradoxerweise wie leergefegt. Wenn sie sich aus dieser Situation überhaupt noch hätte retten wollen, dann nur mit kühlem Verstand, indem sie den Wachen etwas vorspielte, vorgab Händlerin zu sein, auf dem Weg nach Hause, oder auf einem Botengang… irgendetwas. Aber soweit dachte Siv gar nicht. Sie spürte die Hand auf ihrer Schulter, sah den Soldaten neben sich, und wollte nur eines: weg. Sie hatte sich halb umgedreht, sah den Soldaten von der Seite an, der sie angesprochen hatte, antwortete aber nicht auf seine Worte. Einen Moment starrte sie ihn nur fassungslos an, dann reagierte sie – wie ein Tier, das seinem Fluchtinstinkt folgte. Sie duckte sich, tauchte unter seiner Hand weg, wich dem anderen aus und war mit ein paar Sätzen in den Menschen verschwunden, die sie umgaben. Sie schlängelte sich durch die Menge, gehetzt, aber ohne sich umzublicken, und sie verlangsamte ihr Tempo erst, als sie zwischen mehreren Karren angekommen und dem Blickfeld der Soldaten völlig entzogen war. Siv schloss die Augen und holte tief Luft, und bereits zum wiederholten Mal innerhalb kurzer Zeit hatte sie das Gefühl, dass in ihrem Kopf alles verrückt spielte und sich erst langsam wieder so etwas wie Ordnung herstellte. Das alles, der Satz, der sie von den Soldaten weggebracht hatte, das Hetzen durch die Menge und jetzt das Durchatmen, schienen für Siv eine Ewigkeit zu sein – und doch war es innerhalb weniger Herzschläge geschehen.
Als die Germanin die Augen wieder öffnete, stellte sie fest, dass sie gemustert wurde. Aus dem Wagen, der direkt vor ihr war, sah ihr ein Gesicht entgegen, dass einer Frau, etwa zwanzig Jahre älter als sie, schätzte Siv. Und als sich ihre Blicke begegneten, streckte sie die Hand aus und winkte ihr. "Komm! Na komm schon, im Moment sehen sie dich nicht! Wenn du reinkletterst, hast du eine Chance!" Siv starrte sie für einen Moment nur an, während sie versuchte zu begreifen, was die Frau gerade angeboten hatte. Aber sie brauchte nicht lange – noch befand sie sich zwischen mehreren Karren, vor allem hinter waren genug, so dass sie abgeschirmt war von Blicken vom Tor. Sie hatte keine Ahnung, wo die Soldaten gerade waren und was sie taten, aber dass sie ihr auf den Fersen waren, war ihr klar. Wenn sie jetzt in den Wagen kletterte, und dieser dann schneller wurde… wer sollte sie denn aufhalten? Und Siv brauchte dieses Versteck nicht lange, nur bis sie die Biegung erreicht hatten, dort wo der Wald begann… Bis die Soldaten sich Pferde organisiert hatten, könnte sie verschwunden sein… Mit einem Schritt war sie am Wagen, aber die hilfreich entgegengestreckte Hand nahm sie dann doch nicht an. Wieder drängten sich Bilder in ihr Bewusstsein, Bilder von dem, was sie erlebt hatte – aber weder von ihrer Heimat noch von ihrer Verschleppung. Es waren Bilder von Rom, von den Menschen dort. Cadhla war da, und ihr Gespräch im Garten, während sie die Blätter eingesammelt hatten… Tilla, die immer noch nicht ganz gesund gewesen war, als sie abgereist waren… Hektor, der immer fröhlich zu sein schien und stets da war, wenn man ihn brauchte, und Merit, die so trotzig sein konnte wie sie selbst, so aufsässig, und dann doch wieder so zerbrechlich zu sein schien… Und Corvinus. Sie sah ihn so deutlich, als ob er vor ihr stünde, sah die Augen, in denen gutmütiger Spott funkelte, der Mund, zu einem leichten Schmunzeln verzogen, meinte seine Haare unter ihren Fingern zu spüren und die Bartstoppeln unter ihren Lippen. Unbewusst hob sie die Hand und fuhr mit den Fingerspitzen sachte über den silbernen Anhänger an ihrem Hals. Ich vertraue dir. Siv schloss die Augen, die kurz zuvor noch ins Leere gestarrt hatten. Ich vertraue dir…
"Na was ist nun, was hast du?" Vertrautes Germanisch drang an ihre Ohren, aber die Worte, die in ihrer Erinnerung klangen, zerstoben nicht, genauso wenig wie die Bilder. Siv öffnete die Augen und sah die Hand vor sich, die ungeduldig winkte, und obwohl sie etwas damit anfangen konnte, obwohl sie wusste, dass sie sie ergreifen sollte, musste, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollte zu entkommen, starrte sie sie nur an und rührte sich nicht. Erst jetzt realisierte sie wirklich, was eine Flucht bedeutete, was für eine Entscheidung es tatsächlich war, die sie da treffen musste – sie hatte die Gelegenheit zu fliehen, frei zu sein, vielleicht – vielleicht! – nach Hause zu kommen und ihre Familie wiederzutreffen, sofern sie noch da und wohlauf waren. Aber gleichzeitig bedeutete das, die Menschen aufzugeben und nie wiederzusehen, die ihr in den letzten Monaten ans Herz gewachsen waren. Und nicht nur sie aufzugeben, sondern auch sie zu enttäuschen, vor allem einen. Siv war ein Mensch, der mit entgegengebrachtem Vertrauen behutsam umging, weil es kostbar war. Sie war kein Mensch, der es sich erschlich und dann ausnutzte. Sie war ehrlich, und sie stand zu ihrem Wort, egal was das für sie nach sich ziehen mochte, und zu realisieren, dass sie im Begriff war ihrem Wesen zuwider zu handeln, dass sie im Begriff war jemanden zu verraten, sein Vertrauen auszunutzen… noch dazu jemanden, der ihr viel bedeutete, so viel, dass sie es im Moment gar nicht ermessen konnte, mehr als ihr bewusst war. Siv stand da, sah die Frau in dem Wagen vor sich an und konnte es nicht, konnte diese Entscheidung nicht treffen, wollte sie nicht treffen und musste es doch. Ein paar schnelle Schritte brachten sie vorwärts, näher zu dem Wagen heran, der bereits ein Stück vorgerollt war, aber immer noch griff sie nicht nach der Hand, immer noch zögerte sie, zögerte sie, den endgültigen Schritt zu tun. Sklavin zu sein war nie etwas, was sie gewollt hatte – aber sie wollte auch nicht ihre Freiheit zurückbekommen, wenn der Preis dafür war, dass sie Vertrauen missbrauchte, und, weit wichtiger noch: sie wollte nicht das zurücklassen, was sie in den letzten Monaten gefunden hatte, wollte nicht manche Menschen – ihn – nie wieder sehen, sprechen, spüren können. Und noch während sie dastand und leise Worte hörte, sanfte Berührungen spürte, Augen auf sich gerichtet sah, die sie manches Mal verständnislos, aber immer ehrlich angesehen hatten, verschoben sich die Wagen um sie herum. Die einen waren schneller, die anderen langsamer, und die Konstellation, die ihr Sichtschutz bot, löste sich nach und nach auf, unendlich langsam in ihrer subjektiven Zeitwahrnehmung, in der Realität aber nach nur wenigen Momenten. Und als der Blick zwischen die Wagen wieder frei war, war Siv immer noch da, scheinbar planlos, während die Frau wieder in dem Wagen verschwunden war und es keinerlei Anzeichen für das Hilfsangebot gab, das diese gegeben hatte.
And both that morning equally lay
In leaves no step had trodden black.
Oh, I kept the first for another day!
Yet knowing how way leads on to way,
I doubted if I should ever come back.