Er hielt sie einfach fest, als sie sich wieder an ihn schmiegte, und Siv genoss den Moment einfach. Mehr wollte sie nicht. Nur das. Nur das… Sie atmete tief ein und rührte sich nicht, und erst, als Corvinus sie wieder von sich schob, hob sie den Kopf und sah ihn an. Und spürte schon wieder diese Traurigkeit, gepaart mit Verzweiflung. Er war hier, bei ihr, er war gekommen, und doch schien er es jetzt nicht einmal zu schaffen, ihr in die Augen zu sehen. Nach all den Erfahrungen, die sie in den letzten Wochen, Monaten gemacht hatte, schien es ihr nun selbstverständlich zu sein, dass er sich jetzt verabschieden würde. Dass er sie wieder verlassen würde. Umso überraschter war sie, was sie dann zu hören bekam von ihm. Komm nach Hause. Nach Hause. Zurück. Nach Hause. Siv starrte ihn an, so intensiv, dass er offenbar schon wieder ihrem Blick nicht standhalten konnte – sie ahnte nicht, dass er in ausgerechnet diesem Augenblick an die Flavia gedacht hatte. Und wenn sie es geahnt, gewusst hätte, hätte sie vermutlich nicht die geringste Ahnung gehabt, wie sie hätte reagieren sollen. Sie wollte es ihm nicht noch schwerer machen, als es war. Sie wollte… kein Problem für ihn sein. Aber zugleich sehnte sie sich danach, einmal wieder seine volle Aufmerksamkeit zu haben, ohne dass er an sie dachte, die Flavia, oder an all die anderen Schwierigkeiten, die er sah. Und schon gar nicht daran, dass es richtig wäre, sie, Siv, zu vergessen.
In jedem Fall schloss er nun die Augen, während sie ihn immer noch ansah, überrascht und sprachlos über das, was er gesagt hatte. Sie stellte gar nicht in Frage, was er mit nach Hause gemeint haben könnte. Es war für sie so klar wie ein Herbsttag, wenn der Morgennebel verschwunden war und man meinte, der Blick würde in die Unendlichkeit reichen, so rein schien die Luft zu sein. Ihr Zuhause war bei ihm. Und er sah das doch genauso, sonst wäre er doch kaum hier… sonst hätte er nicht noch ein komm zurück angefügt. Und doch… Er hatte immer Zweifel gehabt. Was war jetzt anders? Und er konnte ihr schon wieder nicht in die Augen sehen. "Du… du… wirklich?" In dieser Frage, diesem einen Wort lag alles, was Siv nicht zu formulieren vermochte, was sie in diesem Augenblick noch nicht einmal tatsächlich denken konnte, verletzt, aufgewühlt und empfindsam wie sie gerade war. Wie es funktionieren sollte, in Zukunft. Ob sich etwas ändern würde – nicht viel, aber wenigstens etwas, wenigstens das, dass er sich keine Vorwürfe mehr machte, sondern einfach akzeptierte, was war. Dass sie ihn nicht nur flüchtig zu Gesicht bekam, und dass er wenigstens dann ihr gehörte, wenn sie beide allein waren. Dass sie ihm nicht aus dem Weg gehen musste. Und vor allem anderen, ob er wirklich wollte, dass sie zurückkam. Aber eines wusste sie mit Sicherheit: sie wollte zurück zu ihm. Alles andere… würde sich klären. Warum sonst war er denn dann hier, wenn er nicht wenigstens diese eine Entscheidung getroffen hatte? Dass er sie wollte. Komm nach Hause. "Ja", wisperte sie, das Chaos in ihr ebenso ignorierend wie die leise Furcht, erneut verletzt zu werden. Stattdessen hob sie eine Hand und legte sie ihm auf die Brust. "Ja."