Jetzt. Doch nicht jetzt. Erst später. Seiana nickte und lächelte schwach auf seinen Kommentar hin. „Dann bis gleich“, erwiderte sie und erhob sich, als er es tat und den Raum verließ. Blieb dann erst mal unschlüssig stehen, für einen Moment. Sie hatte sich ja schon zum Schlafen gehen zurück gezogen, es gab im Grunde wenig, was sie noch zu tun hätte... außer vielleicht die Schriftrolle wegräumen, in der sie gelesen hatte, als ihr Mann gekommen war. Aber nachdem der ja selbst angekündigt hatte, dass er noch etwas brauchen würde... Seiana setzte sich also wieder hin und versuchte weiter zu lesen, während sie darauf wartete, dass er zurückkam.
Beiträge von Decima Seiana
-
-
„Du meinst... jetzt?“ fragte Seiana verblüfft nach – sie hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ihr Mann quasi gleich zur Tat schreiten wollte. Es überrumpelte sie... und nur einen Augenblick später verwünschte sie sich deswegen. Sie hatte das Thema ja immerhin zur Sprache gebracht, sie hätte auch damit rechnen können, dass darauf so etwas kam. Zumal es ja auch schon Abend war, und sie in bequemen Sesseln saßen, dazu einen Wein in der Hand, da hätte ihre erste Reaktion doch wirklich adäquater ausfallen können als ein überraschtes jetzt? Seiana wich seinem Blick aus und rieb sich in einer verlegenen Geste kurz über die Stirn. „Verzeih, ich...“ Sie sah ihn wieder an, und es gelang ihr sogar ein Lächeln, auch wenn das ebenfalls verlegen war. Eine ganze Zeitlang schon verheiratet... aber wenn er so ankam, fühlte sie sich immer noch, als würden sie sich kaum kennen. Als würden sie nicht unter demselben Dach leben, als Ehepaar... das sich zwar selten sah, aber eben doch genau das war: ein Ehepaar. „Ja“, antwortete sie dann schlicht und räusperte sich kurz. Lächelte erneut. „Und es ist Abend, die meisten Sklaven schon im Bett... beste Voraussetzungen.“
-
Seiana schloss erneut kurz die Augen bei seiner letzten Berührung. Was er brauchte... sie hob eine Hand und legte sie auf seine, um sie noch einen winzigen Moment länger an ihrer Wange zu halten. Für ihn da sein. Wirklich für ihn da sein, wann immer er sie brauchte. Und wie sie es gesagt hatte: egal für was. Aber so sehr sie das wollte, sie konnte es nicht, und das wusste sie so gut wie er, der es aussprach. Ihr war nur nicht ganz klar, warum sie das überhaupt gesagt hatte, wo sie doch wusste dass es nicht ging... sie wollte einfach nur... sie wollte dass er wusste, dass sie für ihn da war. Oder es zumindest gern wäre.
Sie sagte allerdings nichts mehr dazu, hauchte nur einen Kuss auf seine Handinnenfläche, ließ seine Finger dann los und erwiderte sein Lächeln – auch wenn ihres traurig war. „Ja“, antwortete sie auf seine Aufforderung und setzte sich in Bewegung, begann den Weg zurück zu dem Haus, in dem sie diese Nacht schlafen würden, und wünschte sich, sie wären allein, nur sie, abgesehen von den Sklaven – keine Familie, keine Prätorianer, niemand, der Fragen stellen würde. Wie in den Albaner Bergen. Seiana verdrängte den Gedanken. „Was ist eigentlich vorhin im Theater genau passiert?“ Sie wusste nicht, wen sie sonst fragen sollte – sie wollte ganz sicher nicht, dass jetzt im Nachhinein noch jemandem auffiel, wie wenig sie geistig anwesend gewesen war. Zudem hatte Seneca ja danach noch mit den Schauspielern gesprochen... und es würde wohl auch besser wirken, wenn sie nicht schweigend und mit Trauermienen zurück zur Casa kamen. Es wäre lächerlich so zu tun, als würden sie sich kaum kennen, wo doch zumindest ihr Bruder wusste, dass er ihr in den Albaner Bergen einen Besuch abgestattet hatte – und es wäre auch lächerlich so zu tun, als würden sie sich nicht miteinander unterhalten. Seneca war ja kein Leibwächter, kein Sklave, sondern ein Civis genau wie sie.Sim-Off: Wegen mir gern
-
Seiana musste nun umgekehrt lächeln, als sie seine Antwort hörte. „Das hast du schon.“ Es dauerte allerdings nicht lang, bis sie wieder ernst wurde. Zusammen zu sein. Es ging einfach nicht. Sie sah keinen Weg... und trotzdem war sie hier, mit ihm. Für einen flüchtigen Moment fragte sie sich, ob es nicht besser gewesen wäre nicht die Aussprache mit ihm zu suchen. Ob es nicht besser gewesen wäre weiter zu glauben, dass er sie hintergangen hatte... Um ihn dann, nach einer Zeit, vergessen zu können. Stattdessen hatte sie ihm nicht nur die Gelegenheit gegeben, ein Missverständnis aus der Welt zu räumen, nein, sie war in seinen Armen, sie wollte nicht weg von ihm, sie sehnte sich danach, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Aber so falsch das war: sie schaffte es auch nicht das zu beenden. Sie schaffte es noch nicht einmal, es wirklich zu bereuen. Zu groß war das Gefühl der Geborgenheit, das sie im Augenblick spürte, selbst jetzt, wo die Realität endgültig wieder hereinbrach, nach ein paar gestohlenen Momenten. Sie schloss wieder die Augen, ganz kurz diesmal. „Wird er. Wenn ihm auffällt, dass ich weg bin.“ Und sie ging davon aus, dass es Faustus auffallen würde. Sie trafen sich ohnehin recht selten, sie konnte sich kaum vorstellen, dass er nicht bei ihr vorbei sehen würde, wenn er ebenfalls aus Ostia angekommen war. Außerdem war da auch noch der Rest ihrer Familie. Und ein Spaziergang mochte eine gute Begründung sein für ihre Abwesenheit über einen gewissen Zeitraum... aber eben nicht für sonderlich lange.
Sie überschlug im Kopf, wie viel Zeit vergangen war. Sie war ein ganzes Stück gelaufen, bevor sie innegehalten hatte, und hier hatten sie sich ja auch ein wenig unterhalten... Seiana presste die Lippen aufeinander und hätte am liebsten verdrängt, was da als einziger Schluss blieb, aber es half nichts. Sie mussten bald zurück, wenn sie wollte dass sie nicht auffällig lange spazieren war. Sie atmete tief ein und löste sich von ihm, zunächst nur ein kleines Stück, so, dass sie noch nahe bei ihm blieb, strich ihm sacht mit einer Hand über die Wange und gab ihm noch einen Kuss. „Wenn du etwas brauchst, wenn etwas ist, egal was... ich bin da“, wisperte sie an seinem Gesicht. Dann trat sie endgültig einen Schritt zurück. „Wir sollten zurück gehen.“ -
Als der Vorhang wieder aufging und die unerwartete Unterbrechung vorbei war, fiel sogar Seiana auf, dass die Iuppiterstatue verschwunden war. Und einmal darauf aufmerksam geworden, dachte auch sie daran, dass die Statue... nun ja. Sehr beleibt gewesen war. Und damit gewisse Ähnlichkeiten aufwies. Was für ein Stück wurde gespielt? Sie wusste es gar nicht so genau, aber vermutlich war es irgendeines, in dem Iuppiter nicht ganz so gut wegkam... dann wiederum war es verständlich, dass ihr Bruder so reagiert hatte. Hatte reagieren müssen, als Prätorianer...
Nach der Unterbrechung verfolgte Seiana zunächst das Stück ein wenig aufmerksamer, aber schon bald war es erneut dahin damit, und sie saß die Zeit im Grunde nur noch ab, bis es vorbei war. Höflich applaudierte auch sie – sowohl zum Schluss des Stückes als auch nach dem anschließenden kurzen Vortrag zu Ehren des Vescularius. Und begann sich gleich darauf absurderweise zu wünschen, das Stück wäre noch nicht zu Ende... immerhin hatte es doch etwas Ablenkung bedeutet, die jetzt wieder dahin war, und mehr als zuvor meinte sie wieder zur spüren, dass Seneca da war. Und sie wusste, dass er sie begleiten würde, dass er in ihrer Nähe bleiben würde.
Faustus allerdings wurde zu ihrem Retter, ohne das selbst überhaupt zu ahnen. Als er Seneca fortschickte, um sich um die Schauspieler zu kümmern, hätte Seiana am liebsten erleichtert aufgeatmet. Sie lächelte Faustus flüchtig zu und erhob sich. „Dann sehen wir uns später“, erwiderte sie und wandte sich an ihren Gastgeber: „Iulius, hab Dank für deine Einladung. Die Aufführung war...“ Ja, was war sie eigentlich gewesen? Seiana hatte im Grunde keine Ahnung, außer dass es zu diesem einen Zwischenfall gekommen war. „... amüsant“, entschied sie sich und zeigte dabei ein feines Lächeln, das ebenso schwer zu deuten sein würde wie ihr Tonfall. Am ehesten war darin wohl noch leise Ironie zu hören. „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Und halte meinen Bruder nicht zu lange auf. Aurelia, Germanicus – es war mir eine Freude. Valete“, verabschiedete sie sich von den anderen Gästen und schickte sich dazu an, gemeinsam mit ihren Verwandten, sobald diese sich ebenfalls verabschiedet hatten, das Theater zu verlassen. -
Seiana nickte leicht, schwieg aber. Es gab nichts mehr, was sie dazu noch hätte sagen können – nichts jedenfalls, was noch einen Sinn gemacht hätte. Alles, was ihr noch auf den Lippen lag, waren im Grunde nur Dinge, die sie ihm nicht sagen konnte, nicht guten Gewissens jedenfalls. Sie wollte ihn nicht gegen Axilla aufwiegeln, weil die Iunia ihm offenbar viel bedeutete, und sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass es ihm schlecht ging, weil er mit ihr stritt, mit Axilla, der einzigen, die er noch hatte... sie wusste selbst nur zu gut wie das war, hatten Faustus und sie doch schon ein paar Mal richtig Streit gehabt. Und sie wollte auch nicht, dass die Iunia dann tatsächlich einen Grund hatte, ihr Vorwürfe zu machen... weswegen sie einfach den Mund hielt, weder etwas Abfälliges über Axilla sagte noch etwas Genaueres von ihrem Gespräch erzählte. Zumal ihr das ja noch nicht mal wichtig war. Sie fand Axillas Verhalten unmöglich, aber das war nun nichts, was ihr den Schlaf geraubt hätte. Wichtig war ihr Seneca.
Sie erwiderte sein Lächeln kurz und kam ihm dann wieder näher, als sie seine Hände auf ihrer Taille spürte, lehnte sich wieder an ihn und schloss die Augen. „Vielleicht hast du ein Händchen dafür, Decimer zu beeindrucken“, murmelte sie. Außerdem wusste Ihr Bruder sicher, dass ihr Mann Seneca geschickt hatte, um nach ihr zu sehen, als es in Rom so unsicher gewesen war. Und bei ihrer Hochzeit war Seneca ebenfalls da gewesen... Vielleicht hatte Faustus ihn deswegen auch hierfür als Eskorte ausgewählt. „Ich wünschte wir hätten mehr Zeit.“ Sie hob ihren Kopf, als sie seinen Kuss auf ihrer Stirn spürte, weiter, so dass seine Lippen an ihrem Gesicht nach unten glitten, bis die ihren seine fanden, und küsste ihn. -
Ion nickte in aller Seelenruhe. „Sehr wohl.“ Er verschwand, nur um kurze Zeit später wieder aufzutauchen und den Gast hereinzubitten: „Wenn du mir folgen würdest? Ich bringe dich zur Auctrix.“ Er führte ihn hinein, durch einen schmalen Gang, den Redaktionsraum, in den hinteren Bereich des Hauses zum Büro der Auctrix, wo er ihm die Tür aufhielt.
Seiana sah von ihrem Schreibtisch auf, als die Tür erneut aufging. „Salve, Varenus“, grüßte sie ihn mit freundlicher Höflichkeit, bot ihm mit einer kurzen Geste den Platz vor ihrem Schreibtisch an. „Etwas zu trinken?“ fragte sie und fügte, nachdem sie ihm eingeschenkt hatte was er wollte – falls er etwas wollte – an: „Was führt dich zu mir?“
-
Zitat
Original von Aulus Iunius Seneca
Ihre Lippen an seinen, er liebte es, und auch wenn man es kaum einen Kuss nennen konnte so schloss der Iunier trotzdem kurz die Augen. Kurz darauf erwähnte Seiana dann seine Cousine, und Seneca musste sich beherrschen nicht seine Wut auf Axilla, welche er in diesen Momenten empfand, zu offenkundig werden lassen und sich wieder gänzlich auf Seiana zu konzentrieren, ihre Augen, ihr fein gezeichnetes Gesicht, doch so völlig konnte er sich gedanklich nicht vor dem bevorstehenden Familiendisput lösen. Er hatte nie so ganz verstanden was zwischen den Beiden vorgefallen war, er wusste dass es um den Kerl ging der sich kurz nach dem erreichen Senecas in Rom von der Klippe gestürzt hat, aber Axilla redete nicht so gerne darüber und Seiana hatte er nie gefragt, warum sollte er sie auch nach einem "Verflossenen" fragen, er bemühte sich ja auch so selten wie möglich ihren Mann zu bemühen, wahrscheinlich mehr für sein eigenes Gewissen als für alles andere.
"Nein, nein das vergesse ich nicht.", sagte Seneca und hoffte nicht allzu zerknirscht zu klingen, noch immer konnte er nicht glauben dass Axilla ihn verpfiffen hatte, aber zum Glück war es nur bei Seiana selbst, so hoffte er, und ein kleiner Teil in ihm, der nicht zu seinem Herzen gehörte welches sich nach Seiana sehnte, konnte es kaum erwarten seiner Cousine in Rom die Leviten zu lesen..
"Ich will dass du mir vertraust, es ist wichtig für mich. Ich weiß du willst nicht dass ich nochmal mit ihr rede, aber sie wird es mir erzählen, und ich bin enttäuscht von ihr, was soll ich tun?", fragte er Seiana, denn er wusste wirklich nicht was er machen sollte. Einerseits konnte er es nicht einfach übergehen, viel zu tief lag seine Wut, seine Enttäuschung, auf der anderen Seite wollte Seiana nicht dass er nochmal mit ihr redet, das Thema nicht noch einmal aufwärmt, und doch konnte er es wohl nicht einfach übergehen. Seneca blickte Seiana an, sie war einfach wunderschön, und wäre die Situation eine andere gewesen hätte er es ihr gesagt, aber er hatte eine doch nicht ganz unwichtige Frage gestellt, und hielt sich deshalb zurück, auch wenn er immer wieder aufs neue in ihren Bann gezogen wurde, egal was seine Cousine in Seiana sah, er sah sie anders, und er hatte das Gefühl sie besser zu kennen als viele Andere..Seiana atmete tief ein, als sie Senecas nächste Worte hörte. Dass er nun noch mal mit Axilla reden wollte, war nicht überraschend. Und sie teilte auch seine Vermutung, dass die Iunia vielleicht sogar von selbst auf ihn zukommen würde, und wenn es nur war um ihm zu erzählen, wie schrecklich Seiana doch war. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie wohl alles erzählen würde. Ob sie Seneca auch erzählen würde, was sie ihr an den Kopf geworfen hatte. Oder dass sie sie geschlagen hatte. Flüchtig strich sie sich über ihr Gesicht, berührte sie ihren Wangenknochen, dort, wo Axillas Faust sie getroffen hatte, so heftig, dass sie sich ein paar Tage lang einen blauen Fleck hatte wegschminken lassen müssen.
Aber das spielte im Augenblick kaum eine Rolle. Seneca fragte sie, was er tun sollte, und das war es, was Seiana wirklich ins Grübeln brachte. Sie hatte doch keine Ahnung. Oh, natürlich – ihr wäre am liebsten, er würde gar nicht mehr Axilla reden. Ihr wäre am liebsten, er würde sie einfach schneiden, oder ihr zumindest erzählen, dass sich das Thema ein für alle Mal erledigt hatte und es beendet war, oder vielleicht sogar, dass er ihr nur etwas vorgemacht hatte. Um sie reinzulegen. Oder ihre Loyalität zu ihm zu prüfen. Aber das konnte sie nicht von ihm verlangen. Sie konnte ihn noch nicht mal darum bitten. Seneca war nicht so... in dieser Hinsicht war er ihrem Bruder verblüffend ähnlich. Er war nicht so. Seiana bezweifelte sogar, ob er das überhaupt konnte, so etwas durchziehen, gegenüber jemandem, den er mochte. Davon aber ganz abgesehen: es würde ihm nicht gut tun, es würde ihn verletzen, und das wollte sie nicht. Sie konnte ihm einfach nicht das raten, was sie wohl getan hätte in der Situation – zu lügen.
Aber sie wusste auch nicht, was er sonst tun sollte. Sie wusste nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn es die Alternative zu lügen und sich zu vergraben nicht gab. Sie konnte ihm nicht sagen, was zu tun war... und doch hatte er genau danach gefragt, und sie hatte das Gefühl, ihn nicht enttäuschen zu dürfen, hatte das Gefühl, ihm wenigstens irgendetwas sagen zu müssen. Sie legte ihre Hände an seine Brust. Merkwürdig, wie sehr sie es liebte ihn zu berühren, von ihm zu berührt zu werden, wie sehr sie sich nach seiner Nähe sehnte, wo sie doch sonst körperliche Nähe nicht sonderlich mochte, sah man einmal von ihrem Bruder ab. „Und du willst noch mal mit ihr reden.“ Vielleicht sollte auch sie selbst noch einmal mit Axilla reden. Einmal. Vernünftig, jetzt wo sie wusste, dass Seneca nicht geredet hatte um sie zu hintergehen. Ehrlich, so weit ihr das möglich war, nachdem die Iunia nun so oder so Bescheid wusste. Aber diese Gedanken behielt sie für sich. „So wie wir auseinander gegangen sind, ist es vielleicht auch ganz gut, wenn du noch mal mit ihr redest. Ich möchte einfach nur... sicher sein können, dass sie den Mund hält. Wir haben beide zu viel zu verlieren. Und sie...“ Seiana zögerte kurz. Es war furchtbar, so nach Worten suchen zu müssen, wenn sie keine zu finden schien. Sie schüttelte leicht den Kopf und ließ den Satz unvollendet. „Ich vertraue dir.“ -
Niemals hintergehen, klang es in ihren Ohren nach. Niemals. Seiana konnte gar nicht anders, als ihm das zu glauben. Sie wollte ihn glauben, sie sehnte sich danach, und so hoch die Zweifel auch geschlagen hatten in den vergangenen Tagen, jetzt, hier, in seiner Gegenwart, in seinen Armen... glaubte sie ihm. Da war immer noch die Angst da, aber dennoch... glaubte sie ihm. Sie meinte zu spüren, dass er es ehrlich meinte, vielleicht auch, weil sie wollte dass es so war, aber er war ja auch immer aufrichtig gewesen ihr gegenüber. Hier. In den Albaner Bergen. Damals in Rom, als sie getroffen hatten. Und sie wünschte sich, er könnte ständig bei ihr sein, einfach nur um seine Ruhe zu spüren, eine Ruhe, die ihre Zweifel linderte und die sie selbst zur Ruhe kommen ließ. Diese Ausstrahlung war es, die sie von Anfang an an ihm fasziniert hatte.
Und doch hatte er mit Axilla gesprochen. Sie glaubte ihm auch das, dass es keine böse Absicht gewesen war, dass er das Bedürfnis gehabt hatte mit jemandem zu reden – und sie nahm hin, dass er der Iunia offenbar vertraute, auch wenn Seiana sich nur schwerlich vorstellen konnte, wie man dieser Frau Vertrauen schenken konnte. Trotzdem... trotzdem war sie die falsche Person, gleich wie sehr Seneca ihr vertraute. Axilla war so sehr die falsche Person wie ihr Bruder es war. Aber auch darüber wollte sie nicht so recht sprechen, weder darüber, was passiert war, noch darüber, wie er sich wohl fühlen würde, wenn er von ihrem Bruder plötzlich angegangen werden würde. Axilla wusste Bescheid, daran würde Seiana nichts mehr ändern können... und sie würde wohl oder übel auch daran glauben müssen, dass Seneca mit seinem Vertrauen in seine Cousine nicht falsch lag. Dass diese nichts tun würde, was ihm schaden könnte. Sie nickte, ihr Kopf an seinem, rutschte dann ein wenig vor, ließ ihre Lippen über seine Wange gleiten und legte ihre Hände schließlich in seinen Nacken. „Vergiss einfach nicht, dass wir eine Vergangenheit haben, sie und ich.“ Seiana veränderte ihre Haltung nicht, blieb bei ihm, und sie bemühte sich, den kühlen Unterton aus ihrer Stimme zu verbannen, der sich hinein schleichen wollte, kaum dass sie über Axilla sprach. Die Frau hatte sie nicht nur beleidigt und ihr gedroht, sie hatte sie geschlagen. Aber sie konnte auch nicht vergessen, was Seneca vorhin über sie gesagt hatte. Dass sie das für ihn war, was Faustus ihr bedeutete. Der einzige Mensch, den er noch hatte. Der einzige, dem er wirklich noch vertraute. Sie konnte ihm das nicht wegnehmen, nur weil sie selbst ein Problem mit Axilla hatte. Sie konnte nur hoffen, dass die Iunia sich künftig wieder zusammenreißen würde mit ihrem offenkundigen Hass, den sie ihr gegenüber empfand. -
Seiana schloss die Augen. „Natürlich brauche ich dich“, antwortete sie leise. Genau das war ja das Problem, dass es zu spät war... zu spät, um daran noch etwas zu ändern. „Ich bin nicht stark, Seneca. Ich versuche es zu sein... und ich versuche noch mehr so zu wirken. Aber ich bin es nicht. Die letzten Tage, als... als ich dachte, du... du hättest mir nur was vorgemacht...“ Aus welchen Gründen auch immer. Obwohl sie natürlich darüber nachgedacht hatte, warum, hatte es doch nicht wirklich eine Rolle gespielt. Egal warum... allein der Gedanke daran, dass es nicht echt gewesen war – oder falls doch, dann so rasch vorbei –, hatte sie auf eine Art geschmerzt, die sie eigentlich nie hatte erfahren wollen. Davor hatte sie Angst. Und es gab nichts, was Seneca tun könnte, wie er ihr dabei helfen könnte, oder zumindest nichts, was sie sich vorstellen konnte. Sie war sich nicht einmal so sicher, ob er überhaupt begriff, wirklich begriff, worum es ging. Aber so gut sie sonst auch mit Worten umgehen konnte, hier fehlten sie ihr... vielleicht auch, weil sie gar nicht wollte, dass er erfuhr wie kaputt sie sich im Grunde fühlte. Es reichte doch, dass er da war... es reichte, dass sie in seiner Gegenwart das Gefühl hatte, nicht mehr ganz so kaputt zu sein. Er musste nicht erfahren, wie viel Angst sie davor hatte irgendwann doch noch zu zerbrechen. Wie viel Angst sie davor hatte, dass er nun der Auslöser dafür sein könnte, nachdem sie sich nach Jahren des Einmauerns für ihn geöffnet hatte. Mit einem traurigen Lächeln löste sie sich ein wenig von ihm, nur gerade weit genug, dass sie ihn nun doch ansehen konnte, dass sie eine Hand heben und an seine Wange legen konnte. Und schloss dann doch wieder die Augen, zog diesmal allerdings seinen Kopf zu ihrem, so dass sie ihre Stirn an seine Wange legen konnte. „Ich brauche dich.“ Das war so ziemlich das einzige, was sie im Augenblick mit Sicherheit zu sagen wusste. Sie wusste genauso wenig wie er, was die Zukunft bringen mochte, und es machte sie hilflos, dass sie keine Lösung hatte, keinen Plan, nicht einmal eine Ahnung. Dass sie nicht wusste, wie es weiter gehen sollte. Aber was hätte es schon gebracht, diese Frage laut zu stellen? Er wusste das doch genauso wenig wie sie. Er konnte genauso wenig etwas sagen dazu. Es war unfair, ihn mit solchen Fragen zu konfrontieren, auf die keiner von ihnen eine Antwort wusste. Und es war sinnlos.
-
Hilflos stand sie da, hilflos sah sie ihn an. Sah, wie er langsam auf sie zukam, immer näher, bis sie schließlich für einen Moment die Augen schloss, unschlüssig, und so furchtbar hin und her gerissen, zwischen ihrer Angst, ihrem Gewissen, ihrer Sehnsucht. Sie öffnete die Augen wieder, nur um zu sehen, dass er noch näher gekommen war, und dass er weiter auf sie zukam. „Seneca...“ kam erneut sein Name über ihre Lippen, aber da war er schon heran, war bei ihr, und bevor sie richtig begriff was er vorhatte oder was geschah, küsste er sie schon. Für einen winzigen Moment war sie zu perplex, um irgendwie zu reagieren. Dann ließ sie los. Schloss ihre Augen ein weiteres Mal und erwiderte seinen Kuss, hob eine Hand und legte sie leicht an seine Brust. Wie schon auf dem Landgut wusste sie, dass sie das nicht tun sollte. Das Problem war nur: sie wollte es. Sie wollte es viel zu sehr, als dass sie es geschafft hätte nun das zu tun, was richtig gewesen wäre.
Sie wollte es... und doch war es diesmal anders als den Albaner Bergen. Sie konnte die Welt nicht verdrängen, da war alles noch da – ihre Familie, ihr Mann, die Umstände... und die letzten Tage. Die Enttäuschung und der damit verbundene Schmerz. Auch wenn sie nun tatsächlich zu glauben begann, dass das grundlos gewesen war, änderte es doch nichts daran, dass sie so gefühlt hatte... und dass die Gefahr stets da war. Irgendwann löste sie also ihre Lippen von seinen, trat aber nicht zurück, sondern lehnte sich an ihn, barg ihren Kopf an seiner Brust. Himmel, wie sehr sie seine Nähe genoss, wie sehr sie das Gefühl hatte, sie zu brauchen. Wie schwer es ihr jetzt schon wieder fiel sich vorzustellen, alleine zu sein. Ihre Augen schwammen mittlerweile in Tränen, aber sie versuchte sich zu beherrschen, hielt sie zurück. „Ich hab Angst davor“, murmelte sie, nach wie vor an seiner Brust, und der einzige Grund, warum sie es überhaupt schaffte das einzugestehen, war der, dass sie ihn nicht ansah dabei. „Ich hab Angst, dass es zu... viel ist. Zu stark. Ich hab Angst dich zu brauchen. Ich kann... nicht... ich hab immer versucht das zu verhindern...“ -
Seiana schloss die Augen, als er die Worte wiederholte. „Seneca.“ Ihre Stimme klang gequält, sogar in ihren eigenen Ohren, und zitterte zugleich von diesem Funken Hoffnung, der nun endgültig aufflammte und sie mit Wärme durchströmte, und der darauf bestand, dass sie sich darauf einlassen konnte, sollte, musste. „Das...“ geht nicht. „Wie...“ kannst du nur. „Du...“ kennst mich kaum. Seiana würgte beinahe an den Worten, brachte es aber nicht fertig, auch nur einen dieser Sätze zu vollenden. Es war ja nicht einmal, dass es sie wirklich überraschte, was Seneca da sagte. Sie hatte unendlich Angst davor verletzt zu werden, und doch war da auch dieser Teil in ihr, der ihr zuflüsterte, dass er ihr nichts vormachte, weder jetzt mit seiner Begründung, warum er Axilla eingeweiht hatte, noch auf dem Landgut in den Albaner Bergen. Trotzdem war es noch einmal etwas anderes, diese Worte zu hören... und sie zu glauben. Noch dazu in ihrem aufgewühlten Zustand. Sie hob erneut ihre Hände, diesmal allerdings nur leicht, in einer hilflosen Geste, die Handflächen nach oben. Und ließ sie wieder fallen. „Ich liebe dich“, wisperte sie schließlich beinahe tonlos. Und rieb sich erneut – diesmal nur mit einer Hand – über die Stirn, presste den Ballen darauf, als könne sie so Ordnung in ihre Gedanken und ihre Gefühle bringen. „Götter... Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich weiß es einfach nicht.“
-
Seiana starrte ihn an, während sie sprach, aber sie war zu aufgebracht, zu aufgewühlt, um wirklich zu sehen was in ihm wohl vorgehen mochte, selbst wenn es da Anzeichen gab. Sie bemerkte nur, dass er irgendwann wegsah, dass er es nicht fertig brachte ihr in die Augen zu sehen, und wusste nicht so recht, was sie davon nun halten sollte. Allerdings war es insofern gut, als dass sie sich in diesem Moment einen Augenblick der Schwäche erlauben konnte, einen Augenblick, in dem sie sich mit beiden Händen über das Gesicht fuhr, über ihre Augen, ihre Stirn, und schließlich kurz die Handballen auf ihre Schläfen presste. Nur um ihre Hände gleich darauf fassungslos sinken zu lassen. „Du...“ wisperte sie, verstummte allerdings sofort wieder, als Seneca weiter sprach. Hörte ihm weiter zu, und versuchte diesmal wirklich zuzuhören, nicht nur was er sagte, sondern was er meinte. Er wiederholte die Worte nicht... trotzdem schien alles, was er danach sagte, es nur zu unterstreichen. Und Seiana... hatte das Gefühl als ob es sie nur umso mehr zerriss. Ihr wurde irgendwie schwindelig, als ein merkwürdiges Glücksgefühl sie durchströmte, und zugleich war da dieser Schmerz, darüber, dass es nichts brachte, darüber, dass sie keine Chance hatten, darüber, dass es alles nur noch schlimmer machte. Und da war immer noch dieser Teil, der nach Vorsicht regelrecht brüllte, der ihr zuschrie, sich nicht darauf einzulassen, nicht weil es riskant war, nicht weil es kompliziert war, sondern weil es sie schwach und verletzlich machte. Es erschütterte sie, wie warm ihr plötzlich wurde, und wie kalt sie sich zugleich immer noch fühlte. Sie sah ihn auch noch an, als er sich wieder ihr zuwandte, erwiderte seinen Blick, und mittlerweile konnte sie nicht mehr verbergen, wie sehr ihre Gefühle in ihr stritten. „Sag das noch mal“, flüsterte sie, und bei allem was er gesagt hatte, gab es doch nur eines, was sie meinte.
-
Das Stück zog an ihr vorbei, ohne dass Seiana wirklich etwas davon mitbekam. Entsprechend war sie ein wenig verblüfft, als Faustus neben ihr plötzlich zu wispern anfing. Sie verstand nicht jedes Wort, das er zu ihrem Gastgeber sagte, aber sie verstand sehr wohl seinen Tonfall... und sie konnte sich nicht so recht daran erinnern, wann sie ihn das letzte Mal so eisig gehört hatte. Irgendwas war da los – das Problem war nur: sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was. Der Iulius hätte schon irgendetwas sehr dreistes sagen müssen, damit Faustus so reagierte, das schied also aus... und die paar Worte, die sie hörte, ließen auf das Stück schließen. Das Stück. Seiana warf einen flüchtigen Blick auf die Bühne hinunter und rätselte, was sie verpasst haben mochte.
Sie sah Faustus kurz von der Seite an, ihre Miene so ruhig wie eh, ihr Blick allerdings leicht fragend – sparte es sich aber, etwas laut zu sagen. Schlimm genug, dass sie nichts mitbekommen hatte. Das musste nicht auch noch jemand merken.Als es dann plötzlich, kaum dass ihr Gastgeber in Richtung Bühne verschwunden war, eine Pause angekündigt wurde, lehnte Seiana sich zurück und spielte in Gedanken noch einmal das Stück durch. Nicht, weil es etwas gebracht hätte – sie hatte einfach überhaupt nicht aufgepasst, hatte nichts mitbekommen von dem, was gesagt worden war, was gespielt wurde, weswegen sie sich auch an nichts erinnern konnte –, sondern weil es sie ablenkte. Von Seneca, der immer noch da war. Erneut sah sie kurz zu ihrem Bruder, sagte aber nichts, sondern griff nach einem gerösteten Brot und biss ein kleines Stück ab. Sie hätte ja durchaus gefragt... sie wusste nur nicht, was sie fragen sollte. Wie sie fragen sollte, damit nicht offensichtlich wurde, dass sie keine Ahnung hatte was da gerade los war. Also hielt sie lieber den Mund.
-
Nur Axilla, sagte er. Seiana schloss die Augen und wankte innerlich, unschlüssig, ob sie ihm glauben sollte, ob sie sich erlauben durfte wenigstens darüber erleichtert zu sein, dass er es nur seiner Verwandten erzählt hatte und nicht sonst noch jemandem. Sie wollte ihm glauben. Sie wollte auch glauben, dass das Stottern etwas zu bedeuten hatte, und dass da wirklich dieser merkwürdige Tonfall in seiner Stimme war, ein bisschen schockiert, ein bisschen... verletzt, ein Tonfall der zu sagen schien, dass nichts von dem stimmte, was ihr alles eingefallen war als Begründung dafür, warum er geredet hatte. Und sie wollte glauben, was er weiter sagte. Und gleichzeitig wollte sie es nicht. Wollte nicht nachgeben, wollte nicht, dass er noch mehr Gelegenheiten bekam sie zu verletzen, ganz gleich ob das nun absichtlich gewesen war oder nicht – es hatte ja immerhin einen Grund, dass sie über Jahre so daran gearbeitet hatte, sich eine unnahbare Fassade zu geben.
Ich habe sonst niemanden. Seiana unterdrückte ein Schaudern, weil sie das hörte, diese Wendung, die schon wieder ausdrückte, wie viel sie gemein hatten, er und sie. Es zerriss sie beinahe, diese Sehnsucht danach glauben zu können, dass er die Wahrheit sagte, und die grell leuchtende Warnung in ihren Gedanken davor, genau das zu tun. Der Widerstreit in ihr wurde ihr langsam, aber sicher zu viel, zu viel um ihn weiterhin so stoisch zu ertragen. Es war ein Fehler gewesen, ihn zur Rede zu stellen, sie hätte ihn einfach ignorieren sollen und versuchen, auf ihre Weise damit fertig zu werden. Aber dafür war es nun zu spät, und so fuhr Seiana nun plötzlich herum, als sie es nicht mehr ertrug. „DU kannst es nicht fassen?“ fuhr sie ihn an, immer noch leise, aber um nichts weniger heftig. „Da geht es dir wie mir! Ich habe dir vertraut! Ich dachte...“ Das war vielleicht das Problem gewesen. Sie hatte an alles mögliche gedacht, daran, was das für Konsequenzen haben könnte, und sie hatte sich bewusst entschieden – sie hatte nur nicht daran gedacht, dass sie ihm womöglich doch nicht vertrauen könnte. Und sie hatte erst recht nicht daran gedacht, mit ihm darüber zu reden, hatte es nicht für nötig gehalten, weder auf dem Landgut noch später. Sie konnte ein Zittern nicht unterdrücken und versuchte sich an Wut, an verletzten Stolz zu klammern, um wenigstens annähernd so etwas wie Selbstbeherrschung zu wahren. „Warum? Warum das alles? Um mich reinzulegen?“ -
Er bot sich selbst an, sie zu begleiten. Entweder ahnte er also von nichts, oder er hatte wenigstens den Anstand, ihr Rede und Antwort zu stehen. Sie deutete ein Nicken an auf seine Worte hin, gab der Bewegung eine leicht hoheitsvolle Note – und musste gleich darauf Irritation verbergen. Er lächelte, kaum dass seine Männer wegsahen. Lächelte. Warum lächelte er? Für einen Moment blieb ihr Blick an seinem hängen, brachte sie es nicht fertig, wegzusehen, erwiderte allerdings sein Lächeln nicht, sondern blieb neutral... kühl. Dann zwang sie sich wegzusehen und ging voraus, verließ das Haus. Kurz überlegte sie, ob sie nicht doch das Boot nehmen sollte, sich von ihm ein wenig über die Gewässer rudern lassen sollte, aber sie wollte sich nicht auf einen so engen Raum mit ihm begeben. Sie wollte sich die Möglichkeit vorbehalten einfach wegzugehen, wenn es ihr zu viel wurde, zu verschwinden... zu fliehen, wenn man so wollte. Also ging sie einfach los, entfernte sich vom Haus, ohne großartig auf den Weg zu achten, und bewegte sich schon bald auf irgendwelchen Trampelpfaden, die sich weniger zum Spazierengehen eigneten. Aber das war ihr geringste Sorge im Moment.
Irgendwann wurde sie langsamer, hielt inne, als sie endlich das Gefühl hatte, weit genug weg vom Haus zu sein, außer Sichtweite, außer Hörweite von jedem. Sie befanden sich in der Nähe eines kleinen Teichs, Schilfgras wuchs um sie herum, leichtes Gebüsch, das auf diesem Boden gedieh, das kaum jemandem wirklich Blickschutz bot. Seiana blieb schließlich ganz stehen, drehte sich aber nicht um zu ihm. Sie verschränkte nur die Arme, schlang sie beinahe um ihren Oberkörper, fast als müsse sie sich selbst festhalten, und starrte auf die Wasseroberfläche. Sie fühlte sich ruhig, unnatürlich ruhig, innerlich. „Ich habe nur zwei Fragen. Wem hast du noch alles davon erzählt? Und warum ausgerechnet Axilla?“
-
Es war irgendwann nach dem Abendessen. Seiana hatte sich zurückgezogen, unter einem Vorwand, hatte vorgegeben noch arbeiten zu müssen – und tatsächlich hatte sie sogar etwas mitgenommen. Allerdings konnte sie sich kaum darauf konzentrieren. Nein... sie konnte sich gar nicht darauf konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten nach wie vor um Seneca. Und langsam, aber sicher drohte das zu einem Problem zu werden. Weil es sie zu sehr ablenkte von dem, was um sie herum vorging. Sie hatte das bei der Aufführung bemerkt – sie hatte kaum etwas mitbekommen von dem Geschehen auf der Bühne, und sie fürchtete, dass das irgendwann auch zu merken gewesen war. Und während sie nun allein in dem Zimmer war, das für sie hergerichtet worden war, wurde ihr nach und nach klar, dass sie etwas tun musste. Wenn sie das so sehr beeinflusste, dass sie nicht mehr in der Lage war sich nichts anmerken zu lassen davon, ging es einfach zu weit.
Und davon abgesehen: so sehr sie den Moment auch fürchtete, wollte sie doch auch mit Seneca reden. Wollte aus seinem eigenen Mund hören, warum er erzählt hatte, was zwischen ihnen passiert war. Wollte von ihm hören, was er sich dabei gedacht hatte... und was ihm das überhaupt bedeutet hatte. Auch wenn sie befürchtete zu wissen, was er sagen würde, dass es für ihn entweder nur Zeitvertreib gewesen war oder er tatsächlich versucht hatte einen Vorteil für sich und seine Familie zu bekommen oder es gar irgendein Plan gewesen war, um sie danach erpressen zu können – was es nun genau war, machte zumindest für sie persönlich keinen wirklichen Unterschied, es verletzte sie so oder so. Aber sie wollte es von ihm hören.Vielleicht sollte sie also fast dankbar dafür sein, dass er mit dabei war. Dass sie so die Gelegenheit hatte, mit ihm zu reden, ohne sich erst großartig etwas überlegen zu müssen, wie sie ein Treffen arrangieren konnte. Für einen Augenblick zögerte sie noch, dann griff sie nach einem Tuch, das sie sich um die Schultern schlang, und verließ ihr Zimmer, um zum Eingangsbereich des Hauses zu gehen, wo die Prätorianer waren, und von wo aus sie offenbar für die Bewachung des Hauses sorgten. Seiana ging zu ihnen hin und wandte sich an Seneca. „Optio, ich möchte gerne noch einen Spaziergang machen. Stell mir bitte einen Begleitschutz dafür ab“, sagte sie, und es gelang ihr, neutral dabei zu sein, sowohl was ihre Stimme als auch ihren Gesichtsausdruck betraf. Sie sparte es sich zu sagen, dass sie von ihm persönlich begleitet werden wollte. Er war intelligent genug zu wissen, dass sie das wollen würde... und wenn er ihr trotzdem einen Miles mitgab, nun, dann war das wohl auch deutlich genug. Während sie auf eine Antwort wartete, streifte ihr kühler Blick flüchtig die übrigen Milites, die da waren, und für einen winzigen Moment fragte sie sich, ob er seinen Kameraden auch davon erzählt hatte... ob er damit geprahlt hatte. Vielleicht war das ja schon das ganze Geheimnis dahinter...
-
Die nächsten Tage kann ich eher unregelmäßig online sein und schreiben.
-
„Natürlich würdest du das“, murmelte Seiana und strich Faustus kurz durch die Haare. Und konnte dann nicht anders als zu lächeln, als er danach vor Dankbarkeit beinahe überzusprudeln schien. Sie erwiderte die Umarmung und grinste sogar ein wenig... auch wenn sie sich dann doch für einen Moment fragte, wie wichtig Massa für ihn war, wenn ihm das offenbar so viel bedeutete, dass sie ihm schrieb, obwohl er – zumindest wenn sie seinen Worten glauben konnte, was sie ja tat – behauptete, dass sie im Recht gewesen war. Dass es eigentlich nichts gab, wofür sie sich entschuldigen müsste. Trotzdem wollte er lieber das, anstatt Massa zu sagen, dass er sich nicht so anstellen sollte... Und als er dann noch erzählte, dass er Massa zur Garde holen würde, wurde die Frage noch ein klein wenig intensiver. Und... nun... ein klein wenig Eifersucht mischte sich auch hinein. Die beiden hatten lange zusammen gedient, in Aegyptus, in der Wüste, auf diesem Feldzug... und Massa hatte ihrem Bruder das Leben gerettet. Und jetzt holte er ihn nach Rom, was an und für sich ja kein Thema war, aber wie er über ihn sprach, wie sehr er sich darauf freute ihn in seiner Nähe zu haben...
Sie wusste, dass sie so wohl kaum denken sollte, aber trotzdem konnte sie nicht anders als sich für einen Moment zu fragen, ob Massa ihm wichtiger war als sie. Diese Bindung, die sie zu Faustus hatte, war eines der wenigen Dinge, wenn nicht das einzige, worauf sie sich immer hatte verlassen können... und worauf sie sich auch heute noch felsenfest verließ. Wenn das wegbrach... sie verscheuchte den Gedanken. Es war Unsinn. Einfach nur Unsinn. Und undenkbar. Es würde nicht wegbrechen. Und selbst wenn er ihr wichtiger war als umgekehrt... war das doch nichts, was sonderlich überraschend war. Sie gab sich so viel Mühe, stark zu wirken, stark zu sein, aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er stärker war als sie. Dass sie ihn weit mehr brauchte als er sie.„Das ist doch großartig“, lächelte sie also nur zurück. „Dann sollte ich ihm vielleicht gar nicht schreiben, sondern mit ihm persönlich reden, wenn er hier ist...“ überlegte sie laut, um davon abzulenken, dass sie bei weitem nicht so euphorisch von der Nachricht war wie er, und nickte schließlich. „Ja, lass uns reingehen.“ Sie hakte sich bei ihm unter und verließ gemeinsam mit ihm den Garten.
-
Zitat
Original von Decima Messalina
Seiana lächelte Messalina flüchtig zu und nutzte die Zeit, bis die Parade auf dem Marsfeld eintreffen würde, für eine kleine Unterhaltung. „Wie gefällt es dir im Atrium Vestae? Was macht deine Ausbildung?“