Beiträge von Amneris

    Amneris war seit jeher für ihren ausgesprochen kurzen Geduldsfaden bekannt. Manch unvorsichtiger Beobachter hatte sie gar als jähzornig oder aufbrausend bezeichnet. Vermutlich war dies eine Art Ausgleich für all die Stunden, die sie nahezu reglos verbrachte, wenn sie des nächtens in einer Ecke lauerte, um die Gewohnheiten eines Wachmanns, die Ausgehgewohnheiten eines Magistraten oder die Besucher eines reichen Freigelassenen beobachtete.
    Die letzten Tage jedenfalls war die Nubierin immer ausgesprochen still und ruhig gewesen. Eingesperrt in ihrem Käfig hatte die Raubkatze gelauert, mit scharfem Blick und eingefahrenen Krallen. Doch nun war es genug. Sie hatte die Nase voll. Voll von diesem Wirrwar an Gängen und Räumen. Voll von extravaganten Sklaven und ihren Besitzern. Voll vor allem jedoch von Sethon und seinem Auftraggeber. Mochte Sachmet sie alle holen! Und nun auch noch dieser komische Kauz... nein, sie war nicht gewillt sich hier nun in ein Gespräch verwickeln und am Ende noch schnappen zu lassen. Ihren Dolch seit geraumer Zeit in der rechten Hand haltend, gab sie mit der linken dem erbeutete "Kunstobjekt" ebenso wie ihre keltische Freundin einen Stoß nach vorne und bedeutete Celeste ebenfalls ihren Weg fortzusetzen.
    Eine Erklärung befand sie nicht für nötig. Celeste, eindeutig geduldiger als sie selbst, stritt erklärungsgewohnt alles ab und sie selbst hätte nichts als wilde Verwünschungen für den sonderbaren Mann sowie einige andere Personen übrig gehabt. Sie hielt ein Auge auf ihn, jederzeit bereit falls nötig sich und die kleine Keltin zu verteidigen, doch ging sie, im stillen vor sich hinbrodelnd, weiter. Das alles war ihr nicht mehr geheuer, also besser jetzt abbrechen, anstatt noch irgendwelche verfluchten Bilder, Statuen oder andere Kinkerlitzchen zu stehlen.
    Unbeirrt setzten die drei also ihren Weg fort, strebten dem rettenden Ausgang zu, durch welchen sie kurze Zeit später auch schlüpften, um sich zu den unzähligen Schatten der Metropole zu gesellen.

    Innerlich plusterte Amneris sich bereits immer weiter auf, in Vorbereitung einer entsprechend hochnäsigen Entgegnung für Sethon. Als sie jedoch gerade Luft holen wollte, um etwas zu erwidern stockte sie kurz. Jede 250? Hm, das rückte das Ganze wiederum in ein etwas anderes Licht. Allerdings konnte sie nun selbstredend nicht mehr offenbaren, dass sie den komischen Kerl falsch verstanden hatte. So zuckte sie leichtfertig mit den Schultern, lächelte Celeste unschuldig an und richtete sich letztlich wieder mit ebensolcher Miene an Sethon.
    "Sehe ich aus wie ein Centurio?", fragte sie und blickte prüfend an sich hinab. "Ich glaube nicht. Schließlich sitze ich nicht den halben Tag faul in der Sonne und warte darauf, dass mein Herrchen mir einen Befehl gibt, während ich die andere Hälfte damit verbringe Besucher und Untergeben zu schikanieren. Nein, mein Lieber, ich riskiere Freiheit und Leben indem ich nur hier stehe und mit dir rede, von einem Einbruch gar nicht zu sprechen."
    Beim Reden bemerkte sie, wie sauer sie noch immer auf jene elendigen Soldaten war, die sie vorm Castellum hatten brüten lassen. So zügelte sie sich nun und breitete in versöhnlicher Geste die Hände aus.
    "Aber schön, garantiere mir, dass wir nach getaner Arbeit endlich über diese Spielereien hinaus sind, dann sollen mir auch je 250 Sesterzen genug sein. Hälfte vorab."

    Mehr als einmal ertappte Amneris sich bei der Überlegung, wie es wohl wäre diesen Sethon einfach mal beim Hals zu packen und zu würgen. Er ging ihr auf die Nerven. Sein Grinsen ging ihr auf die Nerven. Und seine Art zu reden ging ihr auf die Nerven. Vermutlich unter anderem bedingt durch Celestes vorige Erzählungen. So wechselte sie einen leicht entnervten Blick mit ihrer Freundin, ehe sie sich wieder an ihren Auftraggeber wandte.
    "Eigentlich?", wiederholte sie skeptisch. "Eigentlich ein Klaks und dennoch scheint das Ganze schwierig genug zu sein, um als Testauftrag für uns herhalten zu können. Du wirst verstehen, dass ich nun ein wenig verwirrt bin. Wo ist also der Haken?"
    Sie legte eine kurze Pause ein und schürzte nachdenklich die Lippen, ehe sie ein wölfisches Grinsen aufsetzte.
    "Abgesehen davon, dass 250 Sesterzen mir ein bisschen... wenig erscheinen. Wenn diese Bilder so wertvoll sind sollte es doch mehr wert sein, diese Bilder auch tatsächlich zu euch zu bringen. Wir können schließlich davon ausgehen, dass wir, sollten wir wider Erwarten erwischt werden, auf ewig in den Kerkern verschwinden werden. Politiker sind was ihren Besitz angeht erfahrungsgemäß sehr engstirnig und nachtragend."

    Direkt nach Celeste war auch Amneris in die schäbige Hütte geschlüpft und sah sich um. Sie hoffte sehr, dass das Sprichwort "Das Äußere kann täuschen" hier zutraf, denn umgehend bereute sie, ihrer Freundin eben jenen Mann empfohlen zu haben, dessentwegen sie nun in diesem Loch standen. Seinen Mittelsmann hätte sie sicherlich nicht weniger skeptisch beäugt, wenn sie nicht schon ein wenig von der kleinen Keltin vorab erfahren hätte. Nichtsdestotrotz hatte die Nubierin geglaubt, Celeste hätte enorm übertrieben. Nun, hatte sie offenbar nicht.
    Glücklicherweise ergriff Celeste schnell das Wort und schenkte Sethos abschließend ein Lächeln. Ausnahmsweise brodelte nicht umgehend die Eifersucht in Amneris auf, konnte sie sich doch nicht vorstellen, dass die Blondine etwas an diesem Subjekt finden konnte. So blickte sie stumm zurück, zuckte als Zustimmung lediglich kurz mit den Mundwinkeln nach oben und richtete ihre Aufmerksamkeit schließlich auf Sethos.
    Seine Worte schließlich ließen sie eine Augenbrauen in die Höhe ziehen. Eine Aufgabe, bei der sie ihre Fähigkeiten besser unter Beweis stellen konnten? Was er hierbei als geeignetere Prüfung ansah wollte sie lieber gar nicht erst wissen. Sie unterdrückte jedoch den bereits aufkommenden Zorn über die schwebende Unterstellung von Unfähigkeit und überließ es Celeste zu berichten. Sie selbst hatte ja als angebliche Sklavin vorm Tor des Castellums verharren müssen, während ihre Freundin den Möchtegernverlobten ausgequetscht hatte.

    In Erwartung des Donnerwetters ihres Lebens spannten sich die trägen Muskeln in Amneris Körper an, bereit, zumindest halbherzig jede Verbalattacke abzuwehren. Dass Celeste darüber nachdachte gar handgreiflich zu werden war ihr glücklicherweise nicht bewusst, doch viel mehr bewegt hätte sie sich vermutlich auch dann nicht.
    Gerade als sie sich weiter rechtfertigen wollte, plumpste die kleine Keltin schon wieder neben sie, offenbar auch zu müde, um zu streiten. Erleichtert seufzte Amneris, schloss abermals die Arme um ihre Freundin und verbrachte die nächsten Minuten im Halbschlaf damit sämtlichen ihr bekannten Göttern Dankesgebete zuzuschicken, dass sie so glimpflich davongekommen war. Hoffentlich hatte sie es morgen vergessen... im Moment jedoch sackte die Einbrecherin wieder in die sonderbare Dschungelwelt, mit seltsamen Tieren und Pflanzen...

    "Du bist kalt.", beschwerte sich die Nubierin, als die kleine Keltin zu ihr unter die Decke krabbelte. Nichtsdestotrotz ließ sie es sich nicht nehmen, die Arme um ihre Freundin zu schließen und leise zu Grinsen.
    Was sie jetzt tun würde, wäre Celeste umgebracht worden? Wäre sie gänzlich wach gewesen, hätte sie auch nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nachgedacht, ihre Antwort wäre sicherlich anders ausgefallen. Doch Amneris dachte nicht nach, sie war zu müde. Und so schoss reflexartig "Schlafen." aus ihrem Mund. Ebenso schnell, wie ihr jene Antwort eingefallen war, bereute sie nun auch schon, sie gegeben zu haben. Als sie sich der Tatsache bewusst wurde, dass Celeste vermutlich alles andere als begeistert über diese Aussage war, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar erneut ein Krach bevorstand, bemühte sich die nun plötzlich sehr wache Einbrecherin um Schadensbegrenzung. "Äh... ich meine... weil du dann jetzt nicht hier... aber sobald ich das erfahren würde... also... dem Kerl würde ich... der würde... das würde er bereuen. Ohja. Ich würde ihn langsam zu Tode... nein, erst seine Familie, seine Freunde und dann ihn umbringen. Vor seinen Augen. Genau. Langsam... er sollte leiden."
    Jedesmal wenn sie in Schwierigkeiten war, begann sie zu reden und zu reden und zu reden. Hier und heute war also keine Ausnahme. Und meist war alles, nachdem ihre Quasselei ein Ende gefunden hatte, alles nur schlimmer als zuvor.

    Es war sonderbar... ihre Haut war gänzlich blau, ihre Augen groß und gelb, von den spitzen Ohren ganz zu schweigen. Sie kauerte hinter einem Busch, einen Speer in der Hand, jeder Muskel bis zum Zerreissen gespannt. Keine Sekunde ließ sie ihn aus den Augen, jenen Menschen, der sich durchs üppige Dickicht kämpfte. Doch plötzlich zerrte etwas an ihr, noch jemand war da. Sie winkte ab, zischte kurz und leise, um zu bedeuten der andere solle sich gedulden. Doch das Rütteln hörte nicht auf, wurde vielmehr stärker. Um den Mann im Dschungel nun endgültig zu warnen erhob sich eine Stimme, hell und vertraut, setzte sich ab von den exotischen Geräuschen um sie herum. Amneris wollte seufzen, wollte die Augen verdrehen ob der Offenbarung ihrer Anwesenheit, doch es wollte ihr nur ein müdes Brummen gelingen. Die Stimme störte sich nicht daran, plapperte und redete munter weiter, während um sie herum die Welt auf einmal verschwamm. Aus grünen Ranken und großen Blättern wurde langsam ein Laken, aus einer grünen Dschungelwelt ein abgedunkelter Raum. Was...?


    Verschlafen blinzelten braune Augen in die Dunkelheit, bemüht zu erkennen wo sie nun waren. Celestes Stimme ließ Amneris schließlich den Kopf drehen und die Freundin ansehen. Stirnrunzelnd versuchte sie der Keltin zu folgen, noch immer zwischen ihrer Traumwelt und dem Hier und Jetzt gefangen. Schwerfällig setzte sie sich auf, rieb sich übers Gesicht und versuchte krampfhaft wach zu werden. Als Celeste in ihrer Erzählung schließlich bei der Lehmhütte angekommen war schien auch die Nubierin endlich aufmerksam genug, um die Worte in Gedanken sortieren zu können. Irgendetwas mit Aufgabe, einem sonderbaren Auftraggeber, der eigentlich nur der Zwischenmann war und Einiges, das sie wohl nur verstanden hätte, hätte sie den Anfang von Celestes Geschichte mitbekommen.
    "Wie...", murmelte sie mit schwerer Zunge und rieb sich abermals die Augen. "...du meinst."
    Ob die Blondine nun bemerkte, dass Amneris keine Ahnung hatte? Im Zweifelsfall war sie mit der Zustimmdevise immer ganz gut gefahren, zumindest bei Celeste. Mit demonstrativem Stöhnen ließ sich die nubische Einbrecherin wieder auf ihr Laken fallen. "Da er dich nicht umgebracht hat", meldete sich die nun erwachende Logik, "können wir es ja zumindest mal mit ihm versuchen." Ein Gähnen unterbrach kurz ihre Ausführung. "Wenn es sich nicht lohnt können wir den Kerl immer noch absägen und ich gehe selbst schauen, ob sich noch einige alte... Freunde in Alexandria aufhalten."

    Es war wohl einem besonders gnädigen Gott welcher Religion auch immer zu verdanken, dass die nubische "Sklavin" Amneris ihren Mund hielt. Noch auf dem Weg zum Castellum hatte sie es sich nicht nehmen lassen erneut darauf hinzuweisen, wie unnötig es doch eigentlich war, dass Celeste die Farce dieses Römers mitspielte, dass sie es zudem nicht nötig hatte auch noch als seine Scriba zu arbeiten, dass es ihnen auch ohne den Kerl hervorragend ging. Doch wie stets wusste sie im Grunde genommen, dass all dies nichts als verschwendete Atemluft war. In Sichtweite des römischen Lagers fand sie sich schließlich mit ihrer Rolle ab und bemühte sich die wohlerzogene Sklavin zu sein, für die man sie halten sollte.
    Als nun jedoch am Tor ein solcher Aufhebens gemacht wurde und sich herauskristallisierte, dass sie selbst sich wohl hier in der Sonne Ägyptens die Beine in den Bauch stehen und brav auf ihre "Herrin" warten durfte verfinsterte sich ihre Miene zusehends. Immer weiter zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, bis sie sich fast über der Nase vereinten. Einige Flüche, die wohl den zartbesaiteteren der anwesenden Legionäre die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätten lagen ihr auf der Zunge, es juckte und zuckte in ihren Fingern, ihre Kiefer pressten sich aufeinander... doch sie blieb stumm, brodelte nur innerlich, wohl wissend, dass sie hier auf keinen Fall ihr großes Mundwerk aufmachen durfte. Den Kerker wollte sie jedenfalls nicht von innen besichtigen, da hatte sie doch gänzlich andere Interessen.


    Achja, natürlich, der dicke Centurio wollte höchstpersönlich Hand anlegen... pff. Der sollte bloß aufpassen. Da allerdings Celeste nicht aussah, als ginge er zu weit, beließ Amneris es bei geschürzten Lippen und enormem Frust. Leise grummelnd verschränkte sie die Arme. Was nun? Einfach zurückgehen und warten, bis ihre Freundin nach Hause kam? Nein. Hier warten, bis der Römer geruhte Celeste wieder aus seinen Fängen zu entlassen? Auch alles andere als verlockend. Sich ihrer unfreien Rolle entsinnend seufzte sie resignierend. Warten war also die Devise.

    Amneris als wütend zu bezeichnen wäre in jenem Moment etwa dem Vergleich eines ausgehungerten Löwen mit einem Schmusekätzchen gleich gekommen. Blitze schossen aus ihren Augen, die Fingernägel bohrten sich in die zur Faust geballte Hand, alles um sie herum schien zu verschwimmen und nur der Decimus mit Celeste wurden von der Nubierin wahrgenommen. Stocksteif vor Zorn ließ sie das Theater über sich zu ergehen ohne auch nur einen weiteren Mucks von sich zu geben.
    Die Vorstellung der beiden Kontrahenten, das Tuch, SEIN Tuch, das sich nun an Celestes helle Haut schmiegte, die bemüht beruhigende Art ihrer Freundin, die schließlich doch an die Seite des Römers trat... kein Zweifel, es war besser für alle Beteiligten, dass die beiden Akteure nun die insula verließen. Doch moment - hatte es dieser Emporkömmling tatsächlich gewagt sie zusätzlich zu reizen? Der Ton, der Blick, kein Zweifel, er schien es wahrhaft auf Krieg anzulegen. Nun gut, den konnte er gerne haben.
    Die Wohnungstür war längst hinter Serapio und Celeste zugefallen, als sich Amneris endlich aus ihrer Starre löste. Tief und bedrohlich entwich nun endlich das Knurren ihrer Kehle, begleitet von einem raubtierhaften Zähneblecken. Außer sich griff sie sich den erstbesten Gegenstand in ihrer Nähe - eine eigentlich recht hübsche, bunt bemalte Vase - und warf sie mit aller Gewalt gegen die nächste Wand. Klirrend sprang sie auseinander und verstreute ihre Einzelteile über den halben Raum. Eine Scherbe kehrte gar zur Werferin zurück, ritzte eine kleine Wunde in ihr Schienbein. "Grrrrr..." Seine Schuld. Seineschuldseineschuldseineschuld...
    Er würde büßen, würde jenen Tag verfluchen, an welchem er sich Celeste als Alibifreundin ausgesucht hatte, das schwor die Peregrina sich. Sie wusste noch nicht wie, sie wusste noch nicht wann, doch das "ob" stand außer Frage.

    Die Arroganz, die Affektiertheit, der Hochmut troff diesem Römer geradezu aus jeder Pore. Allein wie er sie begrüßte… es war erstaunlich, dass die Nubierin als Reaktion nicht die Zähne bleckte. Glücklicherweise fiel es ihr selbst leicht, im Gegenzug auf Serapio herab zu blicken, überragte sie ihn doch ein gutes Stück. Ein Umstand, der ihr ein diebisches Vergnügen bereitete. Während der Kosmos sich für wenige Augenblicke nur um Amneris und Serapio zu drehen schien, schwebte Celeste wie ein Wesen aus einer anderen Welt in den Raum, zog sofort alle Aufmerksamkeit an sich und schaffte es tatsächlich, dass der Wildkatze für einen Moment die Worte fehlten. Wann, bei Isis und Osiris, hatte sich die kleine Keltin denn zum letzten Mal für sie so schick gemacht? Vermutlich war es gar nicht so lange her, doch in jenem Augenblick schien es der Nubierin eine Ewigkeit zu sein. Der Stachel der Eifersucht steckte tief in ihrem Fleisch und die Tatsache, dass ihre Freundin die angebliche Farce so überaus überzeugend zu gestalten gedachte bohrte ihn nur umso tiefer hinein.
    Die Worte Celestes taten schließlich das Ihrige dazu, ließen Amneris fest die Kiefer aufeinander pressen und die Hände zu Fäusten ballen, um dem auflodernden Zorn nicht sofort durch einen Meuchelmord Luft zu machen. Ungläubig starrte sie die kleine Blondine an, regungslos wie eine Statue. Allein ihre Nasenflügel bebten in stiller Verdrossenheit.


    Ob der Römer nun versuchte besonders witzig zu sein oder bewusst mit dem Feuer spielte – seine Bitte um Vorstellung führte dazu, dass der erboste Blick Amneris‘ wieder auf ihm und nicht länger auf Celeste ruhte. Die beiden spielten ihr Spielchen mit ihr, fanden offenbar Gefallen daran sie zu ärgern, ihr diese Liebelei auch noch durch aufgesetzte Freundlichkeit unter die Nase zu reiben und sie somit als völlige Närrin dastehen zu lassen. Nein… nein, diesen Gefallen wollte sie dem Lackaffen nicht tun… so weit zumindest ihr Plan. Als Serapio Celeste jedoch einen Kuss auf die Wange gab zuckten ganz automatisch die Muskeln der Nubierin in gierigier Vorfreude darauf, den Kerl in Stücke zu reissen. Allein einem sehr dominanten Rest Selbstbeherrschung war es wohl zu verdanken, dass sie sich nicht auf ihn stürzte, sondern stattdessen ihre Fingernägel in die eigenen Handflächen grub.
    In Gedanken hatte sie dem Decimus sein affiges Grinsen bereits tausend Mal aus dem Gesicht geprügelt, im Hier und Jetzt begnügte sie sich mit einem drohend-bohrenden Blick. Die Nachricht war eindeutig: Das wirst du bereuen. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber solltest du eines Morgens mit einem Messer im Rücken aufwachen, dann war ich das.
    Jene Vorstellung war es, die das kochende nubische Blut zumindest ein wenig beruhigen konnte. Trotzdem vermochte sie nicht mit ruhiger Stimme etwas auf seine Unverschämtheit zu antworten und so beließ sie es vorerst beim Schweigen.

    An manchen Tagen, so lautete die alte Weisheit eines namenlosen Philosophen, war man der Baum und an anderen der Hund. Serapio war heute wohl der Baum, denn es war nicht die kleine blonde Celeste, die schwungvoll die Tür aufzog und ihn aus ihren schönen grauen Augen ablickte. Im Gegenteil.


    Das Klopfen an der Tür ließ Amneris mitten im Schritt inne halten, befand sie sich doch gerade auf dem Weg, die Aussicht auf jenem wunderbaren Balkon zu genießen. Kurz überlegte sie wer sich wohl angeschickt hatte sie zu besuchen, hatte jedoch bereits vollkommen verdrängt, dass jener unsägliche Decimus ihre Freundin an jenem Tag zu entführen gedachte. Mit wenigen großen Schritten war sie also schließlich an der Türe, öffnete sie mit einem schmalen Lächeln.. und erstarrte. Reflexartig straffte sich ihr Körper, verengten sich ihren Augen und spannte sich ihre Hand um das raue Holz, das Serapio vor wenigen Sekunden noch von ihr getrennt hatte. Sie widerstand erfolgreich dem Drang zu Zischen und sofort den unliebsamen Eindringling wieder fort zu schicken.
    Sie hätte später nicht genau bestimmen können, wie lange sie so da stand und den Römer fixierte, wohl nur wenige Sekunden, doch als sie sich dessen bewusst wurde, bemühte sie sich, ihren Gesichtsausdruck sofort ein wenig zu neutralisieren. „Freundlich“ konnte man ihn wohl dennoch nicht nennen. „Tribun.“, war die karge Begrüßung, die dem Decimer zuteil wurde. Zumindest waschen hätte er sich können, fand zumindest die Nubierin. Gehüllt in eine dünne Staubschicht stand er da.. ein klägliches Abbild eines Soldaten. Allerdings hätte Serapio wohl selbst in Gestalt des Mars persönlich erscheinen können und nicht mehr als ein abschätziges Schulterzucken geerntet. Amneris‘ musternder Blick, der geradezu vorwurfsvoll am Decimus hinabwanderte, blieb an den Blumen hängen und ließ sie wenig beeindruckt die Lippen schürzen. Pah, was glaubte der denn, wer er war? Mit solchem Gestrüpp hier zu erscheinen.. und ihrer Freundin zu schenken. Schein-Freundin hin oder her..
    „Du suchst Celeste, nehme ich an?“, trällerte sie schließlich zuckersüß und falsch wie ein feilschender Händler in ihrer melodisch tiefen Stimme. „Komm doch herein.“ Das freundliche Lächeln, das einladend wirken sollte, mutete vermutlich eher unheilvoll an, doch dessen war Amneris sich nicht bewusst. Nicht vollkommen.
    Mit weit ausladender Geste wies sie ins Innere der Wohnung und machte den Türrahmen frei. Ein misstrauischer Mensch hätte durchaus den Vergleich mit einer Spinne ziehen können, die ein ahnungsloses Opfer in ihr Netz lockte..
    „Celeste!“, rief sie jedoch über die Schulter. Dein Besuch ist da!“
    Währenddessen blieben ihre braunen Augen wachsam auf dem Besucher liegen, nicht gewillt ihn auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen. Oh Isis, was würde er nur mit ihrer armen Celeste auf jenem Ausflug anstellen?

    Selbstredend war auch Amneris als Nubierin das Tanz-Gen in die Wiege gelegt worden. Sie zuckte, sie sprang, sie schlängelte sich rythmisch mal in die eine, mal die andere Richtung, berauscht von der Kombination aus Wein und Musik. Vermutlich tat auch die Liebesgöttin an ihrer Seite das Ihrige dazu und so entließ Sachmet Aphrodite nur unwillig aus dem allzu intimen Kuss. Nicht jedoch aus ihren Armen und so folgte sie kurz deren angestrengten Blick. Sie selbst jedoch erkannte nichts und niemanden, war auch nicht gewillt über eventuelle Zusammenhänge nachzudenken und wandte sich bald wieder anderen Dingen zu.


    In jenem Moment also, in dem Amneris den Kopf ihrer Begleiterin sanft wieder zu sich schieben wollte, legte sich etwas Schweres um ihre Schultern. Einer von Tiberinus' Armen, wie sich nach kurzer Überprüfung feststellen ließ. Kurz wankte sie unter dem unerwarteten Gewicht, trat halb einen Schritt nach hinten und zerrte so die arme Aphrodite ein Stück mit sich. Das Dreiergrüppchen fand jedoch schnell wieder zum Stillstand, sodass sich die Frage des Gottes auf den langen Weg durch allerlei Weinnebel und Glückseligkeit hin zum Sprachverarbeitungszentrum der Nubierin machen konnte. Es dauerte eine Weile - wesentlich länger als in nüchternem Zustand - bis sie verstand, was er meinte, ja gar was er überhaupt gesagt hatte. Zu Überlegen, was Sachmet, ihre Rolle, in einem solchen Fall getan hätte, hatte Amneris längst aufgegeben und auch ihre normale Reaktion wäre wohl weitaus anders ausgefallen, als sie es nun tat - schließlich wäre Tiberinus selbst als Frau nicht ihr Typ gewesen. Doch so blitzte eine Reihe heller Zähne in dem dunklen Gesicht auf, als sich ein erstes Lächeln in ihr Gesicht stahl.
    "Ist Tr... Tiberinus dieser Herausforderung... denn gewachsen?", fragte sie, keineswegs so herausfordernd, wie sie es vorgehabt hatte. Ihr Körper indes begann einen neuen Tanz zu tanzen, schmiegte sich an den des 'Saufkumpanen', während ihr Blick bestätigungsheischend zu Celeste glitt.

    Folgsam wie ein Hund und nicht stur wie eine Katze folgte Sachmet der sie begleitenden Göttin auf die Nachbarkline und bemerkte erstmals an diesem Abend, dass die Sklavin ihre Aufgabe äußerst gewissenhaft erfüllte. Denn als sie sich erhob tanzten für einen Moment lustige kleine Punkte vor ihren Augen, eindeutiges Zeichen, dass sie dem Alkohole bislang herzlich zugetan war. Doch die Göttin des Krieges ließ sich davon nicht beirren, blinzelte nur kurz und ließ sich wieder nieder, den nun umrahmten Mann studierend. Wie aufs Stichwort bleckte sie ihre Zähne, als jener vorschlug sie betrunken zu machen, um sie ruhig zu stellen. Ganz in ihrer Rolle entkam auch ein leises Knurren ihrer Kehle, während die braunen Augen den Flußgott anfunkelten.


    "Um mich zu besänftigen, Tiberinus, bedarf es heute anderer Dinge als Alkohol."


    Ihr Blick wanderte hierbei kurz zu Celeste, alias Aphrodite, und augenblicklich zuckte ein kurzes Lächeln um ihre Lippen. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und mit weniger Promille im Blut wäre die Nubierin vermutlich nun ernstlich beleidigt nach jener Aussage, doch hier und heute gehörte alles zum Spiel und machte sogar irgendwie Spaß.
    Das Schlürfen des Austern indes betrachtete Amneris mit wissenschaftlichem Interesse, hatte sie doch bis eben noch gerätselt, wie dieses schlabberige Zeug eigentlich gegessen wurde. Allzu appetitlich sah es ja eigentlich nicht aus. Nachdenklich und mit schiefgelegtem Kopf visierte sie schließlich jene Meeresfrucht an, entschied sich aber gegen die Auster und für einen Schluck Wein.
    Isis zog schließlich ihre Aufmerksamkeit auf sich. Lobesreden auf Dionysos... das versprach lustig zu werden. Wenngleich sie selbst sich niemals erheben würde, um mit Worten zu jonglieren. Dazu fehlten ihr zum einen die Bildung, zum anderen das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, war sie es doch in den letzten Jahren gewohnt sich stets im Verborgenen zu halten.


    "Wie steht's, Herr des Flusses?", wandte sie sich schmunzelnd an Durus. "Ein Kuss der Isis für einige Worte?"
    Da ergriff auch schon Serapio das Wort... Serapio.. den Amneris derzeit glücklicherweise nicht erkannte...

    "Botendienst?", echote Amneris überrascht, beide Augenbrauen in die Höhe ziehend. Schlimm genug, dass Celeste bei diesem Decimer, diesem Urbaner, einer ehrlichen Nebentätigkeit nachging, musste sie sich denn nun schon zu solch niederen Diensten herablassen? Die Nubierin schürzte die Lippen. Doch die kleine Keltin sah heute derart müde und abgekämpft aus, dass sie sich eine abermalige Grundsatzdiskussion über ihren Lebenswandel verkniff. Stattdessen strich sie sacht mit einer Hand die Schulter der Blondine entlang, fuhr kurz den Oberarm hinab, ehe Amneris ihre Sitzgelegenheit umrundete und sich daneben niederließ.
    "Mein Tag?", fragte sie schließlich mit einem Schmunzeln im Gesicht. "Vom Tag habe ich heute noch nicht viel gesehen. Und die Nacht war ausgesprochen öde und langweilig ohne dich, muss ich sagen."
    Neckisch zwinkerte sie ihrer Freundin zu, noch nicht ahnend, was nun wohl auf sie zukommen würde.

    Ihrer Maske hatte die Katzengöttin sich mittlerweile wieder entledigt, störte das goldene Ding doch ungemein beim Essen. Ohnehin hatte es zu sehr den Blick eingeschränkt.
    Mehr und mehr genoss sie schließlich die Feier, denn allein der Umstand, dass sie hier in aller Öffentlichkeit ihre Zuneigung zu Celeste ausleben konnte, war ein enormer Pluspunkt. Es wurden flüchtige Liebkosungen ausgetauscht, sich gegenseitig mit würzigen Leckereien gefüttert und, mit zunehmendem Weinkonsum, kichernde Bemerkungen ausgetauscht. Der Wein... Amneris war, wie ihre göttliche Begleiterin, nicht sonderlich trinkfest. Alkohol pflegte sie selten zu sich zu nehmen, schlicht weil sie zum einen kaum Gelegenheit dazu hatte und zum anderen in ihrem Metier stets ein wacher Geist gefragt war. Jenen verlor Amneris, alias Sachmet, hier allerdings zunehmend, denn auch ihre Sklavin trug Sorge dafür, dass ihr Weinbecher niemals leer wurde. Und dies auf eine so selbstverständliche und unsichtbare Art und Weise, dass die Nubierin dies nicht einmal bemerkte. Allerdings gab es auch wahrlich genug Ablenkung.
    Der "Einritt" des Gastgebers entlockte der um Grimmigkeit bemühten Sachmet ein Grinsen und so stimmte auch sie ins "Novum vetus vinum bibo, novo veteri morbo medeor" mit ein. Allerdings wurde ihre Aufmerksamkeit schnell von den unzähligen Leckereien in Beschlag genommen. Unmöglich alle Gerichte beim Namen zu nennen, ja sie war sich nicht einmal sicher, alle Zutaten schon einmal gesehen zu haben. Experimentierfreudig wie Amneris jedoch war, entschied sie sich von allem ein wenig zu probieren. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie sich herausstellte, war doch schlicht zu viel vorhanden, um es an einem Abend allein zu essen. So lehnte sie sich nach einer Weile mit einem Seufzer der Zufriedenheit zurück und hoffte vor dem nächsten Gang wieder ein wenig Platz in ihrem Magen zu haben.


    Es war kein Platz. Aber das machte nichts, Sachmet gedachte nicht die Hauptspeisen auszulassen und so wurde abermals probiert und probiert, bis tatsächlich nichts mehr hinein passte. Um den scharfen Geschmack loszuwerden wurde mit reichlich Wein nachgespült, was die sonst so beherrschte Amneris immer unbedarfter werden ließ. Nicht einmal Celestes 'Flirtereien' entlockten ihr mehr böse Blicke, nein, es war ein wundervoller Abend, warum sollten sie nicht ihren Spaß haben. So sah auch Sachmet sich wohlwollend um, machte keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau, Sklave und Senator, sondern betrachtete allein mit dem Blick einer Raubkatze die Herdentiere, die nur auf einen Jäger warteten, der sie erlegte. Natürlich, sie schaute nur. Nach etwas anderem stand ihr derzeit noch nicht der Sinn - wie auch, lag doch die fleischgewordene Aphrodite neben ihr.

    Aus dem Nebenraum streckte Amneris den Kopf herein, als sie hörte, dass Celeste - zumindest vermutete sie, dass es Celeste war - nach Hause gekommen war. Ein kurzes Umschauen und die Nubierin runzelte die Stirn. Hatte sie sich verhört? Wo zum... ah! Ihr Blick blieb auf der kleinen, offenbar recht erschöpften Frau hängen, die sich hin gesetzt hatte. Schmunzelnd kam sie herein, blieb erst hinter Celestes Sessel stehen und hauchte dieser einen Kuss auf die Stirn.
    "Ein langer Tag?", fragte sie, ihren Kopf weiterhin über der Keltin lassend.
    Sie selbst hatte die Nacht damit verbracht, eingemummt in einen dicken Umhang vor einem Anwesen zu kauern, das ihre... Interessensgemeinschaft demnächst zu besuchen gedachte. Es war eine ausgesprochen ereignislose Nacht gewesen und so war sie am frühen Morgen mit einem Seufzer ins Bett gefallen. Vor wenigen Minuten erst war sie wieder aufgewacht, was die noch leicht zerzausten Haare verrieten.

    Angestrengt presste Amneris die Kiefer aufeinander, als sie die spärlich verhüllte Rückseite Celestes vor sich herschreiten sah. Das, so viel stand fest, würde ein laaaaaanger Abend werden. So schlich die Nubierin weiter hinter ihrer persönlichen Aphrodite her, hatte kaum einen Blick für den Gastgeber, der sie begrüßte als seien sie tatsächlich soeben vom Olymp oder wo auch immer herabgestiegen. Ein Umstand, der ihre Stirnfalten bereits wieder zu glätten vermochte. Meist ging man schließlich aufgrund ihrer Hautfarbe davon aus, dass sie eine exotische Sklavin war, nicht eine freie Peregrina.
    Suavis ließen sie jedoch schnell hinter sich, kamen stattdessen zu einem menschlichen Buffet, an welchem sie sich frei bedienen konnten. Der Gedanke, dass während der gesamten Feier ein anderes weibliches Wesen stets um Celeste sein würde, ein Wesen, dass vermutlich auf die Kunst der Verführung spezialisiert war, behagte der Löwengöttin nicht. Nein, absolut nicht. Beruhigt registrierte sie jedoch, dass die Keltin, die heute Abend Griechin sein würde, sich einen männlichen Sklaven wählte. Augenblicklich ergriff allerdings der Zweifel Besitz von Amneris. Früher, das wusste sie, war Celeste Männern nicht abgeneigt gewesen. Nicht bis sie in ihr Leben getreten war. Was, wenn sie das vermisste? Was, wenn sie sich nach etwas sehnte, dass die Nubierin ihr unmöglich geben konnte? Sie schloss für einen Moment die Augen. Na schön, wenn es denn so sein sollte... bewusst wandte sie den Blick von den muskulösen und durchaus wohlgeformten Körpern der Männer ab, hin zu den grazileren Figuren der Sklavinnen. Kurz umspielte ein feines Lächeln, ein Grinsen fast, ihre Lippen, ehe sie eine brünette Sklavin auswählte, die der großgewachsenen Amneris an Höhe in nichts nachstand. Warum sollte nur sie eifersüchtig sein? Wenngleich sie natürlich nicht beabsichtigte, tatsächlich mehr mit jener Sklavin zu tun, als ihren Anblick zu genießen.


    Den Festsaal erreichend kam Sachmet, alias Amneris, abermals nicht umhin, beeindruckt zu sein. Es schien wie ein Traum, unwirklich und unmöglich, alles absolut perfekt auf das Thema des Abends abgestimmt. "Weißt du", sagte sie auf dem Weg zu einem Sitzplatz zu ihrer göttlichen Begleiterin, "Ich wusste ja, dass die reichen Römer verrückt sind... aber so verrückt, dass sie ihren Göttersitz nachbauen... erstaunlich."
    Schelmisch grinste sie, als sie sich schließlich wieder ihre Katzenmaske vors Gesicht zog und sich neben Celeste ausbreitete. Voll Neugier hatte sie die anderen Gäste gemustert, war gespannt gewesen, ob sie vielleicht ein bekanntes Gesicht, Senatoren, Schauspieler oder Gladiatoren entdeckte, doch schnell fand ihr Blick zurück zu Aphrodite. Jede Sekunde, die ihre Augen nicht jenes vollkommene Wesen betrachteten, waren im Grunde genommen bereits verloren. Sich langsam in ihre Rolle einfindend, rollte ein leises Schnurren aus Sachmets Kehle. "Ich sage es nicht gern, aber du wirst Aphrodite wirklich mehr als gerecht."

    Noch immer schwirrte Amneris ein wenig der Kopf. Wie, wie bei allen Göttern, hatte Celeste es nur geschafft, sie hierzu zu überreden? Es war ihr schleierhaft. Und es wurde immer schleierhafter, je mehr sie nun darüber nachdachte. Nachdem die Nubierin jedoch abermals einen Blick auf die Kostümierung ihrer Freundin geworfen hatte, entschied sie einmal mehr an diesem Tage, dass es definitiv besser war, wenn sie ein Auge auf diese werfen konnte. Atemlos hatte sie die kleine Keltin angestarrt, als diese ihr ihre Kleidung - sofern man dies noch "Kleidung" nennen konnte - vorgeführt hatte. Natürlich war ein Diskussion ausgebrochen, da Amneris jene Stofffetzen, die Celeste für ein Kostüm hielt, für viel zu knapp bemessen und obendrein zu durchsichtig hielt. Doch die Blondine war nicht zu überzeugen gewesen und so fügte sich auch die Nubierin in ihr Schicksal. Alle Blicke würde die kleine Frau auf sich ziehen, während sie selbst vermutlich stets hinter ihr stehen und mit einem Knurren jeden, der ihr zu Nahe kam, zu verscheuchen suchen würde.
    Eher widerwillig trottete sie der göttlichen Erscheinung Celestes hinterher und fühlte sich so Fehl am Platz wie selten. Dem Ianitor, der die beiden Frauen einließ, schenkte sie keine weitere Beachtung, im inneren des Hauses angekommen schob sie jedoch endlich ihre goldfarbene Maske vom Gesicht, um sich mit hochgezogenen Augenbrauen umzublicken. Ein Paradies. Ein Paradies für Einbrecher. "Oh...", hauchte sie und schloss, nachdem sie bemerkte, dass selbiger offen stand, ihren Mund. Die Perlen und Goldklammern in ihren Haaren klimperten leise aneinander und untermalten die Bewegung ihres Kopfes somit akustisch, als sie sich umblickte. Nein, rief sie sich ins Gedächtnis, nicht heute Abend. Jedes Möbelstück, jede Verzierung, jeder Teller und Becher würde an Ort und Stelle bleiben, schließlich war sie hier Gast und nicht beruflich hier. Dennoch machte sich die Nubierin eine geistige Notiz und konnte, trotz anderweitigem Vorsatz, nicht verhindern, dass ein leises Lächeln in ihr Gesicht trat. Mit einem Mal fühlte sie sich in ihrer Verkleidung auch nicht mehr ganz so fürchterlich, gab bereitwillig ihren Umhang an einen wartenden Sklaven und sah an sich hinab, um zu prüfen, ob nach wie vor alles an seinem Platz war. Sie hatte sich eine Göttin aus ihrer alten Heimat zum Vorbild genommen: Sachmet, die Göttin mit Löwenkopf und dunkle Seite der Katzengöttin Bastet. Irgendwie passte es, fand sie. Von der goldenen Löwenmaske, die derzeit auf ihrem Kopf ruhte, bis hin zum engen, in braun- und gelbgoldtönen gehaltenen Kleid sowie den ägyptischen Sandalen und dem gewählten Schmuck, welcher sich hell von ihrer dunklen Haut abhob, sah sie den Statuen der Göttin recht ähnlich. An beiden Oberarmen prangte ein schmaler Reif mit einem Falken darauf, während sich an ihrem rechten Bein eine Goldkette emporrankte, deren Ende - ein Schlangenkopf - am unteren Ende des knielangen Kleides befestigt war. Um den Hals hing an einer weiteren Kette ein kleines Ankh-Symbol. Hinzu kam natürlich ihr ohnehin stets katzenhafter Gang, den sie berufsbedingt nie so recht ablegen konnte.
    Die Aufmerksamkeit der Nubierin richtete sich auf ihre Begleiterin. Der Unterschied zwischen den beiden hätte, wie stets, nicht größer sein können. Amneris als die ägyptische Göttin des Krieges, der Krankheit und zugleich der Heilung, während Celeste sich als Aphrodite, Göttin der Liebe, verkleidet hatte. Somit gesellte sich zum optischen Unterschied an diesem Tage auch ein thematischer. Dergestalt ging ihrer beider Weg weiter, hinein ins Haus, den Eingangsbereich langsam hinter sich lassend.




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    Sogar Amneris hatte sich hinreissen lassen und etwas gewettet. Sie glaubte nicht an Glück und Zufall, für sie war jeder selbst für sein Schicksal verantwortlich. Und doch, als sie einen der Favoriten gesehen hatte, schien es ihr wie ein göttliches Zeichen. Eine Katze. Unweigerlich hatte sie grinsen müssen. So hatten einige Sesterzen vorläufig den Besitzer gewechselt, ehe die Nubierin sich einmal mehr umgesehen hatte. Wo konnte Celeste nur sein?
    Mit einem Mal schien es einen Magnet für alles Gesocks und jedes auch nur annähernd menschliche Wesen im Umkreis von Meilen zu geben, strömte doch alles in Richtung der Arena, um nur ja nichts zu verpassen. Wunderbar, dachte Amneris, so finde ich sie niemals. Gewiss war die Keltin inmitten all des Trubels, gut versteckt und unmöglich zu entdecken, perfekt getarnt für Freund und Feind. Frustriert senkte Amneris den Blick, verlor für einen Moment die so oft einstudierten Bewegungen und schlurfte wie ein waidwundes Tier an den Rand der Menge.
    Ob es nun Zufall, Schicksal oder eine Kombination aus beidem war, die große Frau hob ihren Kopf und blickte direkt auf jene Lumpengestalt, die in einem anderen Leben ihre Freundin war. Sie stand außerhalb der Masse an Leibern und wäre Celeste aufgrund ihrer Figur und Größe der Nubierin nicht wohlbekannt, vielleicht hätte sie jene vorgebliche Bettlerin nicht mehr Beachtung geschenkt als der schmutzigen Straße zu ihren Füßen. Die schmale Gestalt jedoch, die so ungestört und scheinbar ohne Ziel umherging, sie hielt ihre Aufmerksamkeit gefangen. Noch immer konnte sie das Gesicht nicht erkennen, musste also näher heran, um sicher zu gehen.
    Die eigene Kapuze tiefer ins Gesicht ziehend wandte sie sich ab, umrundete die Arena einmal, ohne jedoch ihre Bettlerin aus den Augen zu lassen.
    Als sie noch einige Schritte entfernt war glaubte sie endlich blonde Haare zu erkennen. Dreckig, schmierig, ein Schatten ihres selbst, aber dennoch, es wäre möglich. Um nicht zu sehr aufzufallen und alles zu ruinieren wandte Amneris sich wieder ab, sah hin zur Arena, wo ohrenbetäubendes Gejohle ausbrach. Augenscheinlich war noch ein weiterer Favorit angekommen. Die dunklen Augen der Nubierin wanderten indes wieder zur Seite, wo sie ein paar grauer Augen in einem verschmutzten Gesicht sah. Celeste.Es brach Amneris das Herz, sie so zu sehen.
    Die Kiefer aufeinanderpressend strebte sie zurück zur Arena. So gerne sie Celeste gepackt und fortgezerrt hätte, fort von all dem Elend und dem Dreck, sie war aus einem bestimmten Grund hier. Und sofern die Keltin sie nicht entdeckte würde sie hier bleiben, bis sie Serapio gesehen hatte.

    Schon vor einigen Tagen hatte Celeste von ihrem neuen Auftrag für diesen... diesen Decimer gesprochen. In die Subura sollte sie gehen. Sie! Ihre Celeste! Als ob sie nichts Besseres verdient hätte, als ob sie, nur weil sie eine Diebin war, automatisch zu den Untersten der Unteren gehörte und darob nicht auffallen würde. Ha!
    Doch Amneris hatte nichts gesagt, hatte nur genickt und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Während die Keltin also die letzte Zeit damit verbracht hatte, sich möglichst gut an diese Umgebung anzupassen, hatte die Nubierin, wie versprochen, angefangen, Celestes "Arbeitgeber" hinterher zu schnüffeln. Dass der Kerl Dreck am Stecken hatte war klar, doch noch hatte sie ihrer Freundin von nichts berichtet. Zuerst wollte sie ein Vorhaben in die Tat umsetzen, das ihr im Kopf herumspukte, seit sie von dem Urbaner gehört hatte. Nur einmal ein Auge auf ihn werfen. Sehen, ob er der Vorstellung vom grobschlächtigen, ungepflegten Soldaten entsprach, die Amneris sich so mühevoll aufgebaut hatte und die eine lupa jüngst ins Wanken gebracht hatte.


    So war auch die Nubierin in der heutigen Nacht zur Subura aufgebrochen, um sich davon zu überzeugen, dass es absolut keinen Grund zur Eifersucht gab. Verborgen in abgerissener Kleidung, die dunkle Haut verhüllt mit einem fleckigen Umhang, hatte sie ihre insula verlassen und sich ins Getümmel gestürzt.
    Natürlich hatte sie Celeste nichts gesagt. Bei allen Göttern, diese Diskussion wollte sie sich ersparen. Und so kam es, dass sich zwischen all den düsteren Gestalten, gehüllt in Lumpen und Mäntel, Hauben und Umhänge, eine weitere Gestalt umhertrieb, die aufgrund der natürlichen Gegebenheiten ihrer Geburt die Düsterste von allen war. Sie stach nicht heraus aus der Menge, trotz ihrer Größe, war nicht mehr als eine weitere graue Gestalt inmitten des Moloch Subura, in dem sie einst selbst gelebt hatte. Noch immer schmeckte die Luft nach Mensch und Tier, nach Abfall, nach Dreck.. nach Leben. Sie hasste und liebte diesen Geruch, schnalzte anerkennend mit der Zunge, als er sie umfing. Wieder zu Hause. Gefangen im Trubel, umringt von Geschwätz und Gezank, Bettler und Räuberkönig, tierischer und menschlicher Ratte.
    Sie hatte keine Angst. Ihre Größe, ihr Beruf und ihre Kenntnis um dieses Schattenreich schützten sie, hatten es stets getan und würden es auch heute, so die Götter ihr gewogen waren, tun. Und natürlich war auch sie nicht ohne metallenen Beistand gekommen. Unschuldig und doch allzeit bereit wartete ihr Dolch in seiner Scheide auf den Einsatz. Wie die Raubkatze, die sie war, schlich sie durch die Menge ohne wirklich zu schleichen, immer mit offenen Augen, immer wachsam und angespannt. Der Blick war scheinbar auf das hölzerne Rund gerichtet, in welchem sich heute das große Spektakel abspielen würde. Nur nicht für Amneris. Sie besah sich die Zuschauer, arbeitete Gesicht um Gesicht ab, um zu Finden, was ihr unruhige Nächte bereitete. So abwechslungsreich wie Rom selbst waren die versammelten Schaulustigen, was ihre Suche nicht gerade vereinfachte. Natürlich, Celeste war nicht dumm. Ihr auffälligstes Merkmal, die weichen, blonden Haare, würde sie zu verbergen wissen, ebenso wie ihr schönes Gesicht.


    Irgendwann beendete sie ihre Runde. Sie wusste, Celeste war hier und sie wusste, ER war ebenfalls hier. Und früher oder später würde sie sie sehen, sie musste nur geduldig sein. Und hoffen, dass ihre Freundin sie nicht erkannte.