Beiträge von Amneris

    Es war anders eine Frau zu küssen, als einen Mann, wie Amneris jedes Mal wieder feststellen musste. Frauen rochen anders, Frauen waren weicher, angenehmer zu berühren, ganz abgesehen davon, dass sie durch die fehlenden Bartstoppeln natürlich nicht unangenehm kratzten.
    Nichtsdestotrotz war Amneris recht überrascht, dass Celeste sie nicht von sich stieß, nicht empört hinausstürmte oder etwas in der Art. Nein, eher im Gegenteil. Jene Reaktion der kleinen Keltin tat das ihrige zum Glücksgefühl der großen Nubierin. Hatte sie sie vorab falsch eingeschätzt? War sie, wie sie selbst, dem eigenen Geschlecht gar nicht so abgeneigt? Oder war sie nur zu betrunken und überrumpelt, um zu etwas anderem als blinder Erwiederung fähig zu sein? Doch diese Gedanken würde Amneris sich später machen, im Moment fühlte sie nur, wie sich Celeste nach, ihrer Ansicht nach, viel zu kurzer Zeit von ihr löste. Sie ließ locker, zog sie nicht wieder an sich, um jenes Gefühl noch ein wenig länger genießen zu können. Nein, sie wollte nichts kaputt machen. Nicht mehr, als sie es vielleicht schon getan hatte.
    Den verwirrten Blick erwiderte sie mit einem Lächeln. Nicht bewusst, es hatte sich einfach in ihr Gesicht gegraben, ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können. Vermutlich hätte sie etwas sagen sollen, etwas, um all das zu erklären, doch ihr Kopf war leer, schwirrte nur von Empfindungen und Hoffnungen, die Kontrolle über die Situation hatte sie verloren.
    „Ich…“, setzte sie schließlich zu einem Versuch an, ließ das Wort jedoch einsam im Raume stehen, da sie nicht wusste, was sie hätte hinzufügen können. Doch je länger sie hier stand, unfähig etwas zu sagen oder zu tun, desto mehr hatte sie den Drang, das Zimmer zu verlassen, wollte nur noch weg, um nicht zu hören, was vielleicht folgen mochte, wenn Celeste die erste Überraschung überwunden hatte.
    Sie holte tief Luft. Raus hier. Sofort. Die Blicke nach rechts und links verrieten, dass der einzige Weg nach draußen tatsächlich nur an Celeste vorbei führten. Unverbraucht entwich die Luft wieder nach draußen. Nur wie?
    „Ich muss gehen.“, vollendete sie endlich den Satz, den sie zuvor begonnen hatte, zwang ihre Muskeln, ihr wieder zu gehorchen und drückte sich an ihrem Hindernis vorbei. Celestes noch anhaltende Starre nutzend, schlüpfte sie hinaus, verließ die Wohnung als seien die Furien hinter ihr her.

    Aufmerksam folgte sie seiner Erzählung – vielleicht konnte man das schließlich irgendwann noch einmal brauchen ;)
    Er schien weit herumgekommen zu sein. Dass er jedoch schon so lange Zeit Sklave war, überraschte die Nubierin. Sie selbst könnte sich ein Leben in Gefangenschaft kaum vorstellen, war der Drang in ihr, selbst zu bestimmen wohin sie ging und was sie tat doch recht ausgeprägt. Was allerdings zum Teil auch an ihrer Herkunft liegen mochte, zeigte ihr doch vor allem ihre Mutter immer wieder, wie schön die wilde und freie Natur in Nubien war.
    „10 Jahre. Eine lange Zeit. Vermisst du dein altes Leben denn nicht?“
    Kaum hatte sie diese Frage gestellt, fiel ihr auf, dass dies auch kaum das richtige Thema für eine lockere Unterhaltung war. Nunja, gesagt war gesagt und Amneris war ebenfalls alles andere als geübt in unverfänglicher Konversation.
    „Trinken? Saft. Granatapfelsaft, nach Möglichkeit.“
    Davon, Wein zu bestellen sah sie ab, wollte die Einbrecherin doch einen klaren Kopf bewahren.

    Nur zu bereitwillig betrat Amneris die Taverne. Auch sie hatte nach jener Tour de Rome einigen Durst bekommen.
    Kaum hatten sie Platz genommen, wurde die Nubierin daran erinnert, dass sie auch schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen hatte.
    „Oh, etwas essen wäre denke ich nicht schlecht.“, erwiderte sie daher mit einem Nicken. Schon nahte auch der Wirt, welchem Amneris sich nach einem kurzen Blick auf Celeste zuwandte.
    „Salve. Kirschsaft und einmal Hühnchen á la Fronto für mich.“
    Damit war ihr Teil der Bestellung erledigt. Der Wirt kritzelte etwas auf sein Wachstäfelchen und wandte seine Aufmerksamkeit anschließend der Keltin zu.

    In ihren Augen flackerte es undeutbar. Er hatte also ihre Kollegen gesehen. Was bedeutete, er hatte ihr hinterher gesehen. Der leicht säuerliche Gesichtsausdruck wich einem Versöhnlicheren. Der Ärger darüber, auf eine Art bespitzelt zu werden verschwand. Schließlich war auch Amneris nur ein Mensch und als solcher empfänglich für Komplimente jedweder Art. Einen Blick auf sich zu ziehen war in gewisser Weise ein Kompliment.
    "Custos Corporis bist du also. Hmhm. Bist du schon lange Sklave?"
    Die Antwort auf eine Frage, die man nicht beantworten wollte, war meist eine Gegenfrage. So hielt es auch die Nubierin in diesem Fall. Ihre Erklärung waren Blumen- und Wortreich ausgefallen, da sie wusste, ihre Komplizen verloren bei längeren Ansprachen schnell das Interesse. Von dem Treffen heute hatte sie zumindest nichts gesagt.
    "Ärger? Nein. Wir kennen uns lange genug, um zu wissen, dass keiner den anderen betrügt. Die Sache ist erledigt, die Casa Duccia von unserer Liste gestrichen."
    Ihre Lippen zuckten kurz nach oben, ehe sie sich schließlich zurücklehnte.
    "Aber du willst doch den Rest des Mittags nicht über... Geschäftliches sprechen, nehme ich an?"
    Zumal sie das Gefühl, verhört zu werden nicht recht mochte. Je weniger Fragen er ihr stellte, desto besser erschien es Amneris.

    Eine vertrackte Situation, in die sie sich da manövriert hatten. Und auch für Amneris neu. Sie wusste, was zu tun war, wenn man in einem fremden Haus erwischt wurde. Das Haus war nicht das ihre, allerdings war sie eher diejenige, die Celeste ertappt hatte, nicht umgekehrt.
    Zumindest stur schien die kleine Frau zu sein, keinen digitus wich sie zurück, starrte ebenso unnachgiebig Amneris an, wie diese es mit Celeste tat.
    "Tja, hier stehen wir nun. Und ich komme nicht hinaus.", fasste die Nubierin die Situation kurz und knapp zusammen. Allerdings schien ihr all dies keineswegs unangenehm. Es gab nun also zwei Optionen. Entweder sie wartete, bis Celeste entschieden hatte, ob sie nun aus dem Weg ging oder nicht - im letzteren Fall wäre es derzeit wohl auch kein allzu großes Problem trotzdem hinaus zu kommen. Oder sie tat, was sie schon die ganze Zeit tun wollte. Und während sie so überlegte und die Position für die Größere der beiden Frauen langsam unbequem wurde, fiel die Entscheidung wie von selbst. Wenn nicht jetzt, wann dann?
    Den letzten Abstand, der sie noch von Celeste trennte, hatte Amneris schnell überwunden. In einer fließenden Bewegung war sie näher herangetreten, hatte ihre Hände gehoben, um Celestes Gesicht zu umfassen und schloss schließlich die Augen.
    Vorsichtig, fast, als hätte sie Angst, die Keltin zu zerbrechen, verschlossen Amneris Lippen die ihres Gegenübers. Schmetterlinge begannen einen lustigen Reigen in ihrem Magen zu tanzen, sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen und für einen Moment war alles um sie herum vergessen.

    Fast enttäuschte es Amneris, dass Celeste schließlich ihre Waffe fallen ließ, bedeutete es doch, dass sie keine allzu große Gefahr mehr darstellte und sie sie loslassen konnte. Für einige Sekunden verharrte sie jedoch in dieser Position, starrte in jene Augen, die so anders waren als ihre eigenen und gab sich der Vorstellung hin, wie es wäre, wenn...
    Schnell streifte sie den Gedanken ab, verbannte ihn mit einem Kopfschütteln in die hinteren Teile ihres Kopfes. Das war hier wahrlich nicht der richtige Zeitpunkt für dergleichen Dinge. Langsam lockerte sie ihren Griff um Celestes Handgelenke und ließ ihre Arme sinken.
    "Dokumente, soso."
    Ihr Gesicht war nach wie vor dicht vor dem ihres Gegenübers, sie war, obwohl sie sie losgelassen hatte, nicht zurückgewichen, um ihr mehr Raum zu geben. Zumal kurz hinter ihr ohnehin die Wand den Weg blockierte.
    "Ich muss gestehen, ich war recht wütend, als ich gesehen habe, dass jemand in meinem... sagen wir, Revier wildert. Aber ganz das Gleiche scheinen wir beide doch nicht zu machen. Du stiehlst im Auftrag, ich nehme alles, was von Wert ist. Auf dem Markt von wert, meine ich. Deine Dokumente interessieren mich also nicht, sei unbesorgt."

    Er war kaum zu übersehen. Kaum hatte der Nubier die Tür geöffnet, hatte Amneris den Kopf gedreht. Augenscheinlich war er allein. Doch hatte sie tatsächlich etwas anderes erwartet?
    Ihr war noch immer nicht eingefallen, wo sie seinen Namen bereits gehört hatte. Etwas, das sie ungemein ärgerte, glaubte sie doch, ein recht gutes Gedächtnis zu haben. Aber vielleicht ergab sich ja heute eine Gelegenheit, ihn darüber zu befragen.


    Das Lächeln, das er ihr schenkte, wich schnell einigen grimmigen Blicken in die Runde. Sie kam nicht umhin zu schmunzeln. Der Wachhund verteidigte seinen Knochen, so schien es ihr. Nun gut, sie war Schlimmeres gewohnt.
    Den Kopf in die Schräglage bringend, sah sie zu ihm auf.
    "Nun, meine Profession hält mich nicht davon ab, gegebene Versprechen auch zu halten.", erwiderte sie. "Ich nehme an, da du gesund und munter hier bist, hatte mein... Besuch keine weiteren Folgen?"
    Indes bedeutete sie Silko, sich zu setzen.

    Ehe sie auch nur irgendetwas erwidern konnte, holte Celeste bereits zum Schlag aus. Bereits darauf gefasst, über irgendwelche Möbelstücke und Hindernisse zur Seite zu springen, kam alles anders als erwartet. Die Keltin strauchelte, aus welchen Gründen auch immer, nach vorne, direkt auf Amneris zu. Einem Reflex folgend, verwarf sie den Plan zur Seite zu springen, ging stattdessen nach vorne, packte den Arm, der die Keule hielt mit der einen und den zweiten Arm mit der anderen Hand - die zuvor noch den Dolch in die nächste Ecke geschleudert hatte. Erneut erwies sich hier Amneris' Größe verglichen mit Celestes als äußerst praktisch.
    Dicht an dicht, praktisch Nase an Nase, standen sich die beiden Frauen nun gegenüber. Und endlich wurde auch Amneris klar, warum Celeste ein wenig zu schwanken schien, stieg ihr doch der Weingeruch in die Nase. Ein schmales Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. Wohl aus mehr als einem Grund, schließlich war es nicht allein das Adrenalin, welches das Herz der Nubierin nun heftig schlagen ließ.
    "Ich will dir nichts Böses, Celeste. Aber im Moment scheine ich eindeutig die besseren Karten zu haben. Du bist angetrunken, ich nicht. Lass das Ding los."
    Ihr Kopf ruckte in Richtung Holzkeule.

    Beschwichtigend hob Amneris die freie Hand.
    "Versuch nicht, es zu leugnen, ich habe dich gesehen Celeste. Du bist eingebrochen. Du bist eine Einbrecherin und eine Diebin, genau wie ich."
    Es war sonderbar, das nun auszusprechen. Allerdings kannte Amneris Celeste nun wahrlich noch nicht gut genug, um einschätzen zu können, wie sie jetzt reagieren würde.
    "Und ich habe dich beobachtet, weil du in genau das Haus eingebrochen bist, das ich mir für heute Nacht ausgesucht hatte."
    Der Prügel in Celestes Hand machte sie nach wie vor ein wenig nervös. Doch irgendwie schien die Keltin anders, als die Male zuvor. Dies mochte an der Überraschung liegen, doch es war eine Unsicherheit in ihren Bewegungen, die die Nubierin nicht so recht deuten konnte.

    Sie konnte es nicht fassen. Das war Celeste. Nun, da sie etwas sagte, war jeder Zweifel ausgeräumt. Nein, das bildete sie sich nicht ein. Das war ein Mensch aus Fleisch und Blut, der ihr da gegenüberstand.
    "Ich? Was tust du denn... warum bist du in dieses Haus eingebrochen?"
    Amneris war immer weiter rückwärts gegangen, bis sie schließlich an die Wand stieß. Die Gelegenheit dankbar nutzend, lehnte sie sich an selbige, gab es ihr doch wenigstens ein bisschen Halt in dieser verworrenen Situation.
    Den Arm, der den Dolch hielt, ließ sie schließlich gänzlich sinken, zum einen weil sie hoffte, ihn nicht mehr zu brauchen, zum anderen weil sie sich ohnehin nicht sicher war, ob sie die Waffe gegen Celeste hätte richten können.
    "Du bist eine Diebin?!"
    Es war halb Frage, halb Feststellung. Die Nubierin hatte dem Alkohol zwar überhaupt nicht zugesprochen, doch ging es ihr im Moment nicht viel anders als der beschwipsten Keltin. Alles schien wie in dichtem Nebel zu liegen.

    Die absolute Stille, die im anderen Raum nun zu herrschen schien, machte Amneris, die Katze, nun doch stutzig. Wäre nun jemand dort im Raum, hätte doch etwas zu hören sein müssen? Zumindest irgendeine Reaktion?
    Langsam ihre Deckung verlassend schlich sie wieder näher, bis sie erneut den Türrahmen erreichte. Hier hielt sie wieder inne, lauschte, wartete, doch es war nichts zu hören. Nun gut.
    Den Dolch noch einmal fester umgreifend sprang sie in den Raum, sah sich blitzschnell nach allen Seiten um und entdeckte schließlich den blonden Haarschopf an ihrer linken Seite. Ihre Waffe bereits in die entsprechende Richtung gereckt, hielt sie urplötzlich inne. Das war doch... unmöglich. Celeste? War sie das etwa tatsächlich? Doch wie bei allen Göttern...
    "Du?", keuchte sie, ließ den Dolch halb sinken und wich zurück, an die der Keltin gegenüberliegende Wand.
    Keine Sekunde ließ sie Celeste aus den Augen, konnte und wollte nicht so recht glauben, was sie da sah. Die unschuldige kleine Celeste sollte eine hartgesottene Diebin sein? Nein, das passte einfach so gar nicht in das Bild, das Amneris sich von ihr gemacht hatte.

    Die zwei Tage waren wie im Fluge vorbei gegangen, seit Amneris von einem ihrer Landsmänner auf einer nächtlichen Tour durch ein fremdes Haus geschnappt worden war. Wie versprochen, fand sie sich nun hier ein, in der kleinen Taverne, in der sie schon zuvor mit Celeste gewesen war. Ein sonderbares Gefühl.
    Langsam betrat sie den Schankraum und sah sich um. Offenbar war Silko noch nicht hier, sonderlich lange brauchte sie sich da gar nicht vergewissern, würde er doch allein ob seiner Hautfarbe aus der grauen Masse herausstechen. Dank ihrer Größe machte sie recht schnell einen freien Platz aus und steuerte zielstrebig auf diesen zu. Kaum Platz genommen wurde sie sich des ein oder anderen neugierigen Blicks gewahr, schenkte dem jedoch keine weitere Beachtung. Sie war daran gewöhnt. Den es gab zwar zahlreiche nubische Sklaven in Rom, doch waren diese meist eher männlich und trugen Sänften. In Tavernen traf man sie äußerst selten an.
    Einer Gewohnheit folgend hatte sie sich so hingesetzt, dass sie jederzeit die Türe im Blick hatte. So würde sie einerseits Silko schnell ausmachen können und andererseits eventuell auftauchende Gesetzeshüter, obwohl sie nicht glaubte, dass er welche mitbrachte.



    Sim-Off:

    Reserviert ;)

    „Das ein oder andere, ja.“
    Seine Aufforderung ihm zu folgen ließ sie sich natürlich nicht zweimal sagen. Es war zwar nicht wie bei einem Verhör in der Castra Praetoria, doch die Situation war auch alles andere als ein gemütliches Beisammensitzen gewesen. So trottete sie brav ihrem Landesgenossen hinterher. Natürlich nicht ohne hier und da noch einen Blick auf die Zimmer und deren Inhalt zu werfen. Wirklich ein Jammer, alles umsonst. Ein leises Seufzen entfleuchte ihrer Kehle, als sie auch schon an der massiven Porta angekommen waren.
    „Danke. Für alles.“, erwiderte sie auf seine guten Wünsche und ergriff seine Hand. „Mögen sie dir immer so gnädig sein, wie sie es mir heute waren.“
    Ein letztes Mal zwinkerte sie ihm zu – vielleicht unnötigerweise, wusste sie doch nicht, ob man dies im Dunkeln überhaupt noch sehen konnte – und schlüpfte schnell zur Türe hinaus.
    Doch erst, als sie einige Schritte die Straße hinab gegangen war, erlaubte sie sich ein erleichtertes Ausatmen. Gerade noch mal Glück gehabt.
    „Was war das denn?“, hörte sie den Bariton aus einer düsteren Ecke rechts von sich. Crinix. Den Göttern sei dank waren die nicht schon vor der Tür gestanden und hatten gewartet.
    „Frag nicht.“, brummte Amneris. „Alles schief gelaufen.“
    „Und wie kommt es, dass du dann jetzt hier vor uns stehst?“
    „Lange Geschichte. Los, gehen wir lieber. Ich erkläre es euch später.“
    Damit war diese Sache für die Nubierin vorerst erledigt. Erklärungen würden später folgen, doch im Moment wollte sie nur so schnell wie möglich weg, ehe Silko es sich doch noch anders überlegte. Die beiden Einbrecherkollegen tauschten einen stummen Blick, zuckten schließlich mit den Schultern und folgten Amneris in die Finsternis der römischen Gassen.

    Sie nickte, auf seinen Vorschlag hin sich in einer Taverne zu treffen. Ein öffentlicher Ort, viele Menschen, neutrales Gebiet also. In Gedanken folgte sie seiner Wegbeschreibung, fragte hier und dort noch einmal genauer nach, um schließlich festzustellen, dass sie die Gaststätte, die er wohl meinte, ohnehin schon kannte. Ja, damit war sie absolut einverstanden.
    „In zwei Tagen. In Ordnung. Ich werde dort sein.“, versprach sie also und hatte auch vor, jenes Versprechen zu halten.
    Seine letzte Frage ließ sie schließlich Schmunzeln. „Du wirst einer Frau doch ihre kleinen Geheimnisse gönnen?“
    Da sie jedoch nicht davon ausging, dass er es in diesem Fall tat, deutete sie schlicht mit dem Zeigefinger nach oben.
    „Die römische Bauart ist für Leute meines Berufs alles andere als ideal, indem sie an den Außenwänden die Fenster weglässt. Doch überall wo die Götter ein Fenster schließen, öffnen sie ein Dach.“
    Sie verriet damit wahrlich kein Geheimnis, war das Problem des römischen Atriums doch weithin bekannt und so zögerte sie nicht lange, mit der Sprache herauszurücken. Es gab zwar die ein oder andere Möglichkeit, schon beim Bau des Hauses die Einbruchsgefahr zu verringern, doch war letztlich alles nur ein Hindernis, das es zu überwinden galt und keine Unmöglichkeit, die den Durchschnittseinbrecher zur Verzweiflung trieb.
    Nun, da sie die Tür nach draußen fast schon in Reichweite hatte, fiel auch langsam die Anspannung von ihr ab. Solange hier nicht noch ein Sklave oder ein Duccius mit Schlafproblemen herumwanderte, war alles recht glimpflich verlaufen.

    Ihre Lippen zuckten kurz. Wo er sie finden konnte? Nein, das würde sie nicht verraten. Es war nur eine ihrer ungeschriebenen Regeln, doch zu Nahe an ihre Wohnung kam niemand, der sie kannte. Es musste sich also etwas anderes finden. Am besten noch etwas, das keine Rückschlüsse auf ihren Zufluchtsort zuließ.
    Was er über sein Sklavendasein erzählte konnte nun stimmen oder nicht. Die Nubierin war zumindest nach wie vor misstrauisch, doch war dies einfach etwas, das ihr Beruf so mit sich brachte. Hätte er ihr gesagt, Gras sei grün, sie hätte sicherheitshalber erst einmal nachgesehen.
    „Nunja, das ist das erste Mal, dass ich mich nach… hm… getaner Arbeit noch mit dem Kunden verabrede, wenn du verstehst, was ich meine. Ich weiß nicht recht, wo wir uns treffen könnten. Eine Taverne, ein Gladiatorenkampf, ein Theater, was auch immer dir beliebt.“
    Da er ihr nun seinen Namen verriet, geriet Amneris in Zugzwang. Sollte sie ihm ihren richtigen Namen nennen, oder einen erfinden? Es kannte sie ohnehin halb Rom unter falschem Namen, herauszufinden, dass sie anders hieß dürfte sich also eher als schwierig gestalten.
    „Amneris.“, entschied sie sich schließlich doch für ihren wahren Namen, sagte jedoch nichts weiter über ihre Herkunft. Diese Information war bereits mehr als genug.
    Forschend blickte sie in seine Augen, suchte etwas in seinem Gesicht, das ihr half, sich zu erinnern, denn irgendwo im hinteren Bereich ihres Kopfes, schwirrte sein Name noch eine Weile herum, suchte nach einer Erinnerung, die so unbewusst war, dass sie gänzlich in den Tiefen von Amneris’ Gedächtnis vergraben schien. Sie kannte den Namen, doch eine Information konnte sie im Moment nicht damit verbinden. Vielleicht würde es ihr einmal wieder einfallen.
    „Bedingung ist Bedingung.“
    Diesen Satz ließ sie, ohne weiter darauf einzugehen, einfach so im Raume stehen. Es war wohl das Mindeste, das sie tun konnte, verglichen mit der Tatsache, welchen Ärger er bekommen würde, sollte diese ganze Geschichte doch noch ans Tageslicht geraten. Ganz abgesehen davon, dass ein Teil in ihr wohl auch die Vertrautheit der alten Heimat in den Menschen, die sie umgaben vermisste. Irgendwie würde all das schon gut gehen, sagte sie sich in Gedanken.
    Nichtsdestotrotz wurde sie mit jeder Sekunde, die nun verstrich unruhiger. Zum Einen konnte jederzeit ein Hausbewohner hereinplatzen und alles zunichte machen, zum Anderen würden ihre Freunde, sofern man sie Freunde nennen konnte, sich sicher fragen, wo sie so lange blieb.
    „Also?“, fragte sie und erhob sich langsam. „Wann? Wo?“

    Ebenso, wie Silko Amneris beobachtete, ließ auch Amneris den Nubier keine Sekunde aus den Augen. Er schien gelassen, doch das konnte täuschen, sie selbst zeigte derzeit ja auch nicht unbedingt, was in ihrem Inneren vorging. Andererseits hatte er ja du unleugbar bessere Position für eine solche Art von Gespräch. Schließlich nahm er Platz.
    Es war ein sonderbares Gefühl, jene Sprache wieder zu hören, die sie zum letzten Mal vor Jahren in ihrer Heimat gesprochen hatte. Seither hatte Amneris, aus Lerngründen, nur noch Latein gesprochen, bis sie dies schließlich akzentfrei schaffte. Unbewusst schlich sich sogar ein Lächeln in ihre Züge, war es doch ein Stück Heimat, das ihr da gegenüber saß. Es war ungewohnt und so brauchte sie einige wenige Worte, bis sie verstand, was er sagte.
    „In der Tat, es kann mir egal sein.“, stimmte sie beschwichtigend, ebenfalls in jener Sprache, die sie so lange gemieden hatte, zu. „Aber, wenn ich das sagen darf, es ist schön, wenn es denn schon sein muss, von jemandem meines eigenen Volkes geschnappt zu werden.“
    Auch sie hatte ihre Stimme gesenkt und beugte sich ein wenig nach vorne, um besser die leisen Worte hören zu können. Es war wie in einem Theaterstück. Rom war so groß und voller Menschen. Und ausgerechnet hier und heute hatten sich zwei Nubier wieder gefunden. Das Schicksal spielte bisweilen sonderbare Spielchen. Eine Erklärung für sein Tun brauchte sie nicht und doch, es wäre interessant gewesen.
    Als die Sprache auf eventuelle Bewaffnung kam, runzelte Amneris die Stirn. Er musste den Dolch gesehen haben. Er war zwar klein, aber so klein…
    „Verlaufen. Ja.“
    Und aufs Dach geklettert, um den Weg wiederzufinden. Nunja, sie hatte nicht vor, jemandem hiervon zu erzählen, also war es gleich, welche Erklärung er sich hierfür zurechtlegte. Vermutlich würde er sie ja ohnehin niemals benötigen.
    Nachdem sie seine erste Bedingung erfahren hatte, breitete sie beide Hände aus und nickte.
    „Natürlich. Das versteht sich von selbst. Die Casa Duccia wird mich nie wieder sehen.“
    Wie beiläufig wanderte ihr Blick durchs Zimmer. Ein Jammer. Das ein oder andere hätte auf dem Schwarzmarkt sicher einen ordentlichen Preis erzielt. Aber vielleicht hatten ja die anderen drei mehr Glück. Die aufkommende Nervosität in seiner Stimme war es, die Amneris’ Blick wieder zu ihrem Gegenüber lenkte. Für einen unendlich langen Moment sagte sie gar nichts. Keinen Muskel rührte sie, keine Miene verzog sie. Sie glaubte, sich verhört zu haben. Wiedersehen?
    Hatte die Nubierin ihren Landsmann bis eben nur ungläubig angestarrt, löste ein kurzes Blinzeln die Starre, in die sie gefallen war. Nun, zumindest erklärte das so Manches.
    „Ich denke“, begann sie zögerlich, „auch das lässt sich einrichten.“
    Etwas in ihr widerstrebte jene Vereinbarung. Je öfter sie diesen Mensch sah, umso größer würde die Gefahr werden, dass man sie doch noch ins Gefängnis steckte. Ganz abgesehen davon, dass er augenscheinlich ein Sklave war. Wenn seine Herren ihm solcherlei Dinge nicht gestatteten, würde man sie letztendlich auch noch wegen Diebstahls eines Sklaven oder etwas in der Art verhaften. Wobei ihr auffiel, dass Sklaven bislang so ziemlich das einzige waren, das sie noch nicht aus einem Haus hatte mitgehen lassen.
    Doch anders würde sie kaum aus dieser Misere herauskommen.
    „Und… äh… wie hast du dir das vorgestellt?“

    Die Reaktion des Mannes überraschte Amneris ein wenig. Für gewöhnlich gab es keine Diskussion, sondern in günstigen Fällen nur ein Seil um die Hände und anschließend ein Treffen mit den Herrn der CU. Vielleicht ließ er sich mit Geld rumkriegen? Vielleicht war es ohnehin das, worauf er nun spekulierte. Falls er ein Sklave war, konnte er sich damit schließlich freikaufen… Diese Hoffnung war es, die Amneris gehorchen ließ. Vorsichtig ging sie rückwärts, spürte schließlich einen Widerstand und setzte sich mehr oder minder verkrampft auf den Sessel.
    Ob er sie tatsächlich kannte? Nunja, sie war alles andere als unauffällig bei Tage, also konnte er sie durchaus einmal gesehen haben. Die Prätorianersache hielt sie für einen Bluff, bewegte sich allerdings dennoch nicht vom Fleck. Stattdessen ließ sie erneut ihren Blick durch den Raum schweifen. Irgendwie musste man doch hier herauskommen.
    Ein Trost blieb ihr: Hätte er sie töten wollen, er hätte es bereits getan. Also gab es durchaus noch die Möglichkeit, heil aus dieser Sache herauszukommen. So zwang sie sich zur Ruhe, wenn sie nun den Kopf verlor war niemandem geholfen, am allerwenigsten ihr selbst. Die Nubierin rutschte auf ihrem Sitzplatz nach hinten, lehnte sich sogar mit dem Rücken an und machte nach Außen hin den Anschein, als wäre dies die normalste Sache der Welt.
    Das auftauchende Licht ließ sie den Kopf wenden und nun konnte sie endlich auch das Gesicht desjenigen sehen, der ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Der Mann, der sie beim Puppenspiel angesehen hatte! Kurzes Erinnern flackerte in ihren Augen auf. Kein Zweifel, der würde sie wieder erkennen.
    „Tja.“, ergriff sie irgendwann das Wort. „Du hast mich also. Die Frage ist, was willst du, damit ich möglichst ohne Begleitung durch die Wachen diese Casa verlassen kann?“

    Beim Hades, heute schien nicht ihr Tag zu sein. Noch während sie sich das schmerzende Knie rieb, wurde sie einer Bewegung gewahr, doch es war bereits zu spät. Kühl drückte sich etwas Metallisches an ihren Hals, gefolgt von einer tiefen Stimme.
    Ihr Herz begann zu heftig zu pochen, im Bruchteil einer Sekunde rasten die Gedanken durch ihren Kopf. Mit einem Mal verkrampften sich erneut sämtliche Muskeln in ihrem Körper.
    Sie war mitnichten unbewaffnet, doch war es in einer solchen Situation unmöglich, ihren kurzen Dolch aus dem Gürtel zu nesteln. Amneris’ Augen flogen hin und her, suchten verzweifelt nach einem Ausweg, doch sie wusste bereits, dass es dafür nun zu spät war. Sie musste auf einen Fehler ihres Ertappers hoffen. Bis dahin versuchte sie möglichst ruhig zu stehen, um nicht durch eine unbedachte Bewegung den Mann zu provozieren.
    „Niemand.“, gab sie schließlich mit möglichst ruhiger Stimme zur Antwort. „Niemand außer mir.“
    Dies war nicht einmal gelogen, warteten ihre Kumpane schließlich vor dem Haus und nicht im Haus.
    Innerlich verdammte sie ihre Unaufmerksamkeit. Sie hätte den Kerl bemerken müssen. Wäre sie nur nicht gegen diesen vermaledeiten Tisch gerumpelt. Doch für Bedauern hatte sie nun keine Zeit, es musste eine Lösung gefunden werden.
    „Ich bin sicher, wir können uns irgendwie einigen…“

    Nur für einen Augenblick linste Amneris durch den Spalt, der den Blick ins nebengelegene Zimmer frei gab. Es war niemand zu sehen. Allerdings war ihr Blickwinkel auch äußerst eingeschränkt. So atmete sie die Luft, die sie bis zu jenem Moment angehalten hatte aus, machte eine halbe Drehung und lehnte sich an die Wand. Was nun? Es war wie ein Katz und Maus Spiel, bei dem unklar war, wer die Katze und wer die Maus war. Nun, Amneris hatte vor, die Katze zu sein, so zog sie mit einem schnellen Ruck die Tür auf, stellte sich jedoch nicht mitten in den Türrahmen, sondern verharrte weiter, eng an die Wand gedrückt, seitlich davon.
    Ein schneller Blick verriet, dass der Raum leer zu sein schien. Die Stirn in Falten legend, zweifelte die Nubierin einen Moment an ihren Sinnen. Sie hatte etwas gehört, dessen war sie sich sicher. Dann gab es nur eine weitere Möglichkeit. Die Maus stand also an genau der gleichen Stelle im anderen Zimmer wie sie. Im toten Winkel. Ausgerechnet.
    Sie wich einige Schritte zurück, schließlich konnte jederzeit die andere Frau durch die Tür herauspreschen, ihre Schrecksekunde nutzen und kurzen Prozess machen…

    Gleich zwei Häuser hatten sich Amneris und ihre Kollegen heute ausgesucht, um sie um einige Wertsachen zu erleichtern. Zum einen die Casa von Menarius Castus, einem alten Geizhals wenige Straßen weiter, zum anderen die Casa Duccia. Da keine Zeit dafür war, die Häuser nacheinander abzuklappern, hatte man sich entschlossen sich aufzuteilen. Drei waren zur Casa Menaria gegangen, Amneris, Crinix und Polybos hatten sich hierher aufgemacht.
    Still und leise lag das Haus vor ihnen in der Dunkelheit der Nacht. Aufgrund der Bauweise konnte man von Außen nicht durch Fenster oder dergleichen einsteigen, auch die Tür aufzubrechen schien in diesem Fall unratsam. Also blieb nur die Variante, über die Dachöffnung im Atrium einzusteigen, um schließlich die Tür von innen zu öffnen. Da die Nubierin die leichteste und wendigste der drei war, fiel diese Aufgabe ihr zu.
    Sich vergewissernd, dass sie vor neugierigen Augen - die es um diese Uhrzeit natürlich nicht mehr im Überfluss gab - geschützt waren, hatten sie an einer Mauer der Casa Aufstellung genommen. Amneris streckte noch einmal ihre Glieder, um schließlich Crinix zuzunicken. Dieser ging in die Knie und ermöglichte es seiner Kumpanin damit, auf seine Schultern zu klettern. Mit Unterstützung des Dritten im Bunde tat Amneris dies und zog sich schließlich weiter nach oben. Die Aussicht war nicht zu verachten, doch hatte sie derzeit anderes im Sinn. Geduckt schlich sie auf Zehenspitzen, um möglichst wenig Geräusche zu verursachen, weiter, bis sie den Abgrund im Dach ausmachen konnte.
    Zielstrebig hielt sie darauf zu und blieb schließlich am Rand stehen. Zu hoch, um einfach hinunter zu springen, wie meistens. Das machte die ganze Sache natürlich schwieriger, aber eben auch erheblich interessanter. Um mehr erkennen zu können, kniete sie sich nieder und legte sich schließlich flach auf den Bauch. Lediglich der Kopf ragte noch über die Öffnung hinaus.
    An den vier Ecken fanden sich Säulen, die die Konstruktion stabil halten sollten. Perfekt. Amneris drehte sich um, schwang erst die Beine und schließlich ihren Körper ins Nichts. Mit angestrengtem Keuchen ließ sie sich, so weit ihre Arme reichten nach unten. So hing sie nun, wie der Selbstmörder an der Brücke, die Füße in der Luft und versuchte, mit den Beinen die Säule zu erreichen, die sie als Sicherung auserkoren hatte. Bereits in dergleichen Dingen geübt, dauerte es nicht allzu lange, bis beide Beine einen einigermaßen festen Halt gefunden hatten und die Nubierin es wagte erst die eine und schließlich die andere Hand zu lockern. Tastend suchten sich die Hände ihren Weg nach unten, um eine Verzierung oder einen Vorsprung zu ertasten, an dem sie sich wieder festhalten konnte. Es fand sich einige Sekunden lang nichts, Sekunden, die Amneris jedoch unendlich lange schienen, zumal ihre Muskeln vor Anstrengung langsam zu zittern begannen. Ein Sturz war an dieser Stelle noch alles andere als ratsam, so beschleunigte sie ihre Tastbewegungen, suchte - und fand schließlich eine schmale Einkerbung, gerade groß genug für ihre Finger. Ein leises Lächeln auf den Lippen ließ sie sich weiter hinab, bis ihr die Höhe schließlich als ausreichend für einen Sprung schien.
    Mit einem dumpfen Geräusch kam sie auf dem Boden an, gab ein kurzes Keuchen von sich und verharrte zunächst kurz so, um sicher zu gehen, dass man sie nicht bereits gehört hatte.
    Da von nirgends Geraschel oder gar Rufe zu hören waren, richtete sie sich wieder auf und blickte sich um. Der anstrengende Teil lag damit hinter ihr - so glaubte sie zumindest. Noch immer aufmerksam, aber bereits wesentlich lockerer, ging sie leise in den ersten angrenzenden Raum, wo sie zunächst stehen blieb. Es war recht düster, da hier nicht allzu viel Licht hereindrang und so wartete Amneris, bis ihre Augen sich einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie wartete offensichtlich nicht lange genug, denn bereits nachdem sie wenige Schritte weiter gegangen war, stieß sie an einen massiven Tisch, was ihr einen leisen Fluch entlockte...