Beiträge von Amneris

    Gemütlich, mit wiegendem Schritt, bahnte sich Amneris einen Weg durch die Menschenmassen, welche zum Markt hin strömten, während sie selbst und ihre Begleitung in die entgegengesetzte Richtung wollten. Ein verschmitztes Lächeln im Gesicht ging ihrer Antwort an Celeste voraus.
    "Nun, man könnte sagen, es gibt hier die ein oder andere lukrative Ecke. Aber im Grunde genommen sind meine Kunden über die ganze Stadt verteilt. Ich bin da sehr flexibel. Und du? In welchem Stadtteil gehst du denn deinen Geschäften nach?"
    Sogleich die Antwortlast wieder von sich geschoben, fühlte sich die Nubierin wieder besser. Dass Celeste ebenfalls kein Interesse daran haben könnte, ausgefragt zu werden, war ihr in jenem Moment allerdings noch unklar. Währenddessen ließ sie scheinbar beiläufig ihren Blick hin und her schweifen. Vielleicht tat sich heute ja sogar noch ein neues "Geschäftsfeld" auf. Doch war die Nubierin ohnehin der Meinung, der Tag könne fast nicht besser werden.

    Es war schon ein sonderbares Paar, das hier durch die Straßen Roms zog. Kaum mehr Gegensätze hätten sich finden können, als in der blonden Keltin und der dunklen Nubierin. Und dennoch hatten sie mehr gemeinsam, als beide ahnten.
    Solche Gedanken beschäftigten Amneris jedoch weniger, als sie, treu wie ein junger Hund, Celeste zunächst aus der Taverne und schließlich über den Marktplatz folgte. Doch ihre Schritte stoppten, die Richtung war noch unklar.
    „Hm.“
    Die großgewachsene Frau sah sich einmal nach allen Seiten um, wie eine Löwin, die in Ruhe ihr Jagdrevier überblickte. Nun, genau genommen war es wohl auch ihr Revier.
    „Ich denke, dort entlang. Vermutlich tun sich dort mehr potentielle Kunden auf.“
    Ein unschuldiges Lächeln, das von einer Vestalin hätte stammen können, komplettierte die, natürlich völlig Hintergedankenfreie, Entscheidung. Mit einer Geste bedeutete sie Celeste vorzugehen. Auch dies freilich nicht ohne Hintergedanken, war dies doch die einfachste Methode zu sehen, was sie sehen wollte.

    Entweder sie verstand nicht, oder sie war es gewohnt, von Frauen Komplimente zu bekommen. Angesichts der leichten Röte, die nun Celestes Wangen überzog, vermutete Amneris eher Ersteres und schmunzelte leicht. Um das Ganze in die richtige Richtung zu schubbsen, winkte Amneris ab.
    "Ach, Männer. Wenn du mich fragst, ein Mann wird in Sachen Schönheit niemals einer Frau das Wasser reichen können."
    Das Zwinkern mit einem ebensolchen erwidernd, versteckte sie ihren schelmischen Gesichtsausdruck hinter ihrem Saftbecher.


    Die Einladung, gemeinsam durch die Straßen zu ziehen, freute sie indes sehr, hatte sie doch genau auf so etwas gehofft, wenngleich sie keine Ahnung hatte, wie sie es hätte anstellen sollen. Celeste war da aber glücklicherweise kreativer.
    "Mit dem größten Vergnügen.", erwiderte sie daher lächelnd. "Vielleicht tun sich auf diese Art ja gleich ein paar neue.. Geschäftsfelder auf. Denn ich bin sicher, jede von uns beiden kennt sich in einer anderen Ecke Roms hervorragend aus. Kann nur von Vorteil sein."
    Hintergründig lächelnd, war Amneris sich sicher, dass jene unschuldig wirkende junge Frau natürlich keinesfalls im gleichen Gewerbe tätig sein konnte wie sie selbst.

    "Nun, wenn alle Frauen im Norden auch nur halb so hübsch sind wie du, werde ich wohl doch einmal einen Ausflug dorthin unternehmen müssen."
    Gleich einer Schlange, die eine unglückliche Maus als ihr Opfer auserkoren hat, beobachtete Amneris die nun folgende Reaktion. Sie konnte nicht verhehlen, dass ihr jenes Katz und Maus Spiel ein gewisses Vergnügen bereitete - sei es nun von Erfolg gekrönt oder nicht. So kräuselte ein feines Lächeln ihre Lippen, als sie erneut zu Trinken ansetzte.
    "Auf uns beide.", stimmte sie zuvor noch in den Tost mit ein.
    Sie fiel in der Tat auf. Vor allem, weil man sie meist für eine Sklavin hielt, wurden doch viele ihrer Landsmänner vor allem als Sänftenträger 'importiert'. Die Männer, natürlich. Für Frauen fanden sich stets andere Verwendungsmöglichkeiten. Stets suchte der Mensch das exotische für seine Phantasien. Sie selbst war da nicht anders. Nur dass 'exotisch' für sie eher helle Haut und Haare waren.
    "Was ich heute noch mache?", wiederholte sie Celestes Frage und begann zu grübeln. 'Da ist diese insula, drüben in der subura...', lag ihr auf der Zunge, dies laut zu äußern verbat sie sich jedoch aus naheliegenden Gründen.
    "Oh, ich weiß noch nicht. Ich werde mich wohl auch ein wenig durch das römische Gewühl treiben lassen und sehen, was sich ergibt."

    Es war heller Tag, als Amneris eine der unzähligen Straßen Roms entlang schlenderte, scheinbar ziellos, hin und wieder vor den Auslagen eines Ladens stehen blieb, um schließlich weiterzugehen. Zumindest tagsüber konnte man sich in diesem Stadtteil, der subura allein einigermaßen ungefährdet bewegen. Nachts wäre die Nubierin dieses Risiko wohl nicht eingegangen. Zwar gehörte sie ebenfalls zum lichtscheuen Gesindel, doch bewahrte diese Tatsache keineswegs vor Raub oder Mord, wie sie nur zu gut wusste.
    Vor einer fünfstöckigen insula blieb sie schließlich stehen. Ihr Blick wanderte einmal das Haus empor.
    „Na hoffentlich hält die Bruchbude das aus.“, murmelte sie und schickte sich an, die Treppen zum dritten Stock zu erklimmen. Drei Wohnungen gab es hier und sie entschied sich für jene, die zum rechten Nachbarhaus hin lag. Die Tür war unverschlossen und so schob sie sie auf.
    „Du kommst spät.“, wurde sie von einer rauen Männerstimme begrüßt.
    „Hatte noch was zu tun.“
    „Wichtigeres als das?“
    „Wird sich zeigen.“
    Der Mann verdrehte die Augen, was Amneris zu einem Grinsen verleitete. Sie schloss die Tür hinter sich wieder und musterte die Anwesenden.
    An die Wand gelehnt oder auf dem Boden sitzend, war die gesamte Gruppe versammelt. Insgesamt nur fünf Menschen, doch in den meisten Fällen genügte dies. An der gegenüberliegenden Wand lag ein Holzstamm, welcher bereits in der Nacht hereingeschafft worden war.
    „Und wir sind sicher, dass er nicht da ist?“
    „Hör schon auf zu unken, Gaeta.“, brummte Crinix, der mit verschränkten Armen auf dem Holzstamm saß.
    „Mein ja nur…“
    „Was ist eigentlich, wenn uns jemand hört?“, wandte nun Polybos ein.
    „Wir sind in der subura.“
    „Ja, aber“
    „Wir sind in der subura.“
    „Und wenn“
    „Wir sind in der subura.“
    Damit schien jene Frage geklärt zu sein. Wie das Quintett wusste, kümmerte sich hier kaum ein Nachbar darum, was mit dem anderen war. Geradezu geschaffen also, für ein Vorhaben wie das ihrige.
    „Aber warum ausgerechnet am Tag?“
    „Weil es nachts zu ruhig ist für so was?“
    „Aber“
    „Nachts wundert man sich sicher mehr über solch einen Lärm, als tagsüber.“
    „Könnten wir dann? Ich muss meinen Sohn noch vom Paedagogus abholen.“
    „Macht das nicht deine Frau?“
    „Ihre Mutter ist zu Besuch.“
    „Hähähä.“
    „Schön, dass dich das so freut.“
    „Eure Zuneigung könnt ihr nacher noch bekunden, fangen wir lieber an.“
    Gesagt, getan. Die vier Männer griffen sich den Holzstamm und nahmen Aufstellung. Amneris hielt sich vornehm zurück und betrachtete das Ganze aus sicherer Entfernung.
    „Und haaaaau-ruck.“
    Die Wand erzitterte, als das Holz auf den Verputz der Mauer traf. Es bröckelte und einzelne Teile landeten bereits auf dem Boden, doch es war noch kein Durchbruch zu sehen.
    „Nochmal.“, ordnete Crinix an.
    Erneut erklang ein dumpfer Laut, der dieses Mal sogar den Boden erzittern ließ. Die Nubierin wanderte zu einem kleinen Fenster, das zur Straße hinaus zeigte. Niemand schien sich daran zu stören.
    „Ha!“, triumphierte Polybos. Amneris wandte sich um und tatsächlich: In der Wand war ein Loch, das den Weg zu einem anderen Raum freigab. Genauer gesagt, zur Wohnung im Nachbargebäude.
    „Gepriesen seien die insulae und ihre Erbauer.“
    Es war in der Tat äußerst praktisch, dass viele Häuser derart eng aneinander gebaut wurden.
    Ein Poltern vom oberen Stockwerk ließ alle plötzlich zusammenzucken.
    „Ruhe da unten!“, quäkte eine Frauenstimme.
    „Schuldigung.“, blökte Hermes zurück.
    „Ob die die Wachen ruft?“
    „Stell dich nicht so an.“
    „Ich halte besser Wache.“
    „Wenn du dich dann besser fühlst…“
    Einer nach dem anderen schlüpfte schließlich durch die schmale Öffnung und sah sich um.
    „Für einen so bekannten Einbrecher, wohnt der Kerl aber recht ärmlich.“
    „Scheinbar macht er etwas falsch.“
    „Weil du in einem Palast wohnst, nicht wahr?“
    „Pff.“
    „Haltet die Klappe und sucht lieber.“
    Viel zu erkunden gab es glücklicherweise nicht, lediglich aus zwei Räumen bestand die karg eingerichtete Wohnung, in der sich jedoch allerlei Kostbarkeiten befanden.
    „Ui, schaut mal, ein goldener Falke.“
    „Lass ihn stehen, du Torfnase, dafür werden wir nicht bezahlt.“
    „Stört doch auch keinen, wenn ich ihn mitnehme.“
    „Mich stört es.“
    „Hab ihn!“
    Mit siegessicherem Lächeln auf den Lippen, reckte Hermes nach einiger Zeit eine silberne Kette samt Anhänger empor.
    „Wo war sie?“, fragte Amneris.
    „Im Nachttopf.“
    „Du bist dir auch für nichts zu schade, wie?“
    „He, wenn du“
    „Prügelt euch nacher. Jetzt sollten wir lieber verschwinden.“
    Das leuchtete allen ein, denn obwohl keiner wirklich glaubte, dass jemand die Cohortes verständigt hatte, war es doch immer noch möglich, dass ihr ‚Kollege’ frühzeitig zurückkehrte. Sie hatten zwar sichergestellt, dass Vorinia, die letzte im Bunde, ihn nicht aus den Augen ließ, aber wirklich wohl fühlte sich keiner in dieser Wohnung.
    „Sollen wir den nicht mitnehmen?“, wandte Polybos ein, als die ersten beiden bereits die Wohnung verlassen hatten.
    „Genau, wir nehmen den Holzprügel mit und schleifen ihn quer durch Rom. Schwachkopf.“
    Der Stamm blieb an Ort und Stelle und die Fünf verließen die insula als sei nie etwas geschehen…


    to be continued… ;)



    Sim-Off:

    Ja, diese Methode wurde in der Antike tatsächlich angewandt ;)

    Prüfend bohrte sich Amneris Blick zunächst in Celestes Gesicht, um schließlich einmal die junge Frau auf- und wieder abzuwandern. Ein Spielchen, das ihr nur zu gut gefiel, wie das leichte Lächeln auf ihren Lippen verriet.
    "Nun, du bist nicht so groß, nicht so behaart und nicht so grimmig, wie die Germanen, von denen man hört. Also fürchte ich, dich enttäuschen zu müssen. Obwohl... "
    Scheinbar nachdenklich legte sie ihr Kinn in eine Hand und hielt den Kopf schräg.
    "Naja, Augen- und Haarfarbe stimmen zumindest."
    Auch sie begann schließlich zu Grinsen.


    "Nunja, dort unten sind fast alle mit dunkler Haut und dunklem Haar gesegnet. Jemand wie du fällt da zwangsläufig auf."
    Ebenso wie sie selbst in Italien, wenngleich sie glücklicherweise einen recht hellen Teint für eine Nubierin hatte. Nichtsdestotrotz erleichterte es ihre Arbeit oft nicht gerade.
    "Noch Saft? Gerne. Aber diese 'Runde' übernehme dann ich."
    Spitzbübisch zwinkerte sie ihrem Gegenüber zu und winkte den Wirt heran, bei dem sie die gleiche Bestellung wie zuvor aufgab. Jener zuckte unverständig mit den Schultern und trollte sich wieder.

    Sim-Off:

    Wieder da :)


    "Meinst du? Schade, solche Tiere hätte ich zu gerne einmal gesehen."
    Ihr Lächeln zuckte nach oben, zumindest schienen einige andere Dinge, die sie gehört hatte, wahr zu sein.
    "Von wem auch immer du abstammen magst, für seine Herkunft kann doch niemand etwas. Ich erkenne zumindest nichts barbarisches an dir, also scheint so etwas nicht erblich zu sein."


    "Oh, mein Land ist auch interessant. Und du würdest überall herausstechen, denn auch mein Land ist dunkel. Wenn auch auf eine andere Art, als dein Germania.", prophezeite Amneris mit einem Schmunzeln. "Doch ob es interessanter ist als deine Heimat ... ich glaube, das kann man nicht vergleichen. Es ist eben anders.
    Kälte mag ich allerdings nicht. Mag daran liegen, dass ich früher nicht einmal Winter kannte. Ich friere ja hier oft schon, wenn sich die Sonne für kurze Zeit versteckt."

    Angesichts ihres Berufs war dies natürlich besonders ungünstig.
    Kurz trafen sich dann ihre Blicke, doch schnell wandte Celeste ihre Aufmerksamkeit der Tür zu. Wie ein gehetztes Tier auf der Flucht wirkte sie in diesem Moment auf die Nubierin. Immer alles im Blick, immer auf der Hut. Sonderbar.

    Als würde die Welt um sie herum langsamer ablaufen, als betrachte sie die Menschen in Zeitlupe, so stellte sich in diesem Moment die Zeit für Amneris dar. Die blitzenden, grauen Augen von Celeste, wie ihr die störrische Haarsträhne ins Gesicht fiel, nichts entging ihr. Nur um ihre Frage zu verstehen brauchte sie nicht allzu lange.
    "Über den Norden weiß ich auch kaum etwas.", gestand sie. "Ich habe gehört, die Menschen dort hüllen sich in Felle von Tieren ein, die größer als Elefanten sind."
    Die Afrikanerin, die selbstverständlich bereits diese Tiere gesehen hatte, sprach ehrfurchtsvoll. Ein Elefant war riesig. Wie groß mussten die Tiere in Germanien und den vielen uneroberten Ländern dahinter sein?
    "Schnee? Nein, Schnee gibt es in Nubien nicht. Dort ist es das ganze Jahr über warm. Zu warm für Menschen, die es nicht gewohnt sind."
    Das zurückhaltende Lächeln verbarg sie, indem sie erneut einen Schluck trank.
    "Nubien liegt direkt neben Ägypten. Oder eher darunter, im Süden. Man kann im Nildelta ein Schiff besteigen und direkt in meine Heimat segeln. Man sieht direkt, wo Nubien beginnt, denn der Nil wird dunkler und die Sonne brennt nicht mehr so stark auf die Erde. Es ist wie ... ich weiß nicht recht, wie ich es beschreiben soll. Für jemanden, der es nicht kennt, ist es denke ich schwierig zu verstehen."

    "Ein schönes Land?"
    Ein melodisches Lachen drang aus Amneris' Kehle.
    "Gewiss, das schönste der Welt.", beteuerte sie. "Doch vermutlich sagt das jeder von seiner Heimat."
    Ihr Vorhaben, nicht mehr zu viel preis zu geben und nun erst einmal weiter Celeste ausfragen wollte, schien nicht recht zu klappen.
    "Ja, ich war schon einmal dort. Ich wurde dort geboren. Bis ich Dreizehn war lebte ich in Nubien. Dann zog meine Familie erst nach Ägypten und von dort aus weiter nach Ostia. Ich bin dann irgendwann nach Rom gekommen ... schien mir lukrativer."
    Wieder schlich sich ein undeutbares Lächeln in ihr Gesicht. Zumindest wusste sie nun, dass ihr Gegenüber wohl doch von hier stammte.
    "Das ist schade.", meinte sie mit einem Nicken. "Es muss doch furchtbar sein, seine Wurzeln nicht zu kennen. Aber ... anhand deiner Haarfarbe denke ich, dass deine Familie einmal aus dem Norden kam, nicht?"

    Das Lächeln in Amneris Gesicht wuchs ein wenig in die Breite. Finanzbranche. Einträglich. Ein ganz dicker Fisch am Ende. Celeste sah zwar nicht aus wie eine Millionärin, doch der ein oder andere Aureus ließe sich da am Ende noch organisieren. So hob auch sie ihren Becher, um einen Schluck zu trinken.
    "Zu mir, ja.", erwiderte sie kryptisch, um ein wenig Zeit zu schinden. "Meine Familie kam aus Nubien hierher. Ich weiß nicht, ob du es kennst? Liegt in Africa."
    Eine andere Art Lächeln zeigte sich in ihren Zügen, als sie über ihre Heimat sprach.
    "Wäre ich nicht hier, würde ich wohl durch das Land reisen. Dorthin, wo jede Sehnsucht schweigt. Wo über Palmenhainen Vögel kreisen und Schönheit sich in wilder Freiheit zeigt. Immer den Nil aufwärts ... "
    Als sie bemerkte, dass sie mehr von sich preis gab, als sie eigentlich vorhatte, verstummte sie verlegen.

    Widerstandslos war Amneris ihrer neuen Bekanntschaft gefolgt, bis sie schließlich in der taverna Apicia angekommen waren. Nachdem Celeste einen Platz gewählt hatte, setzte sich auch die Nubierin hin, um umgehend zu stutzen. Man kann alles einsehen?
    Sie runzelte die Stirn. Eine sonderbare Äußerung. Ob der Rempler auf dem mercatus doch kein Versehen, sondern die kalkulierte Handlung einer Taschendiebin war? Unauffällig glitt ihre Hand zu einem kleinen Beutel, in welchem sie einige Sesterzen verwahrte. Alles noch da. Auch der Armreif war an Ort und Stelle. Nein, gewiss irrte sie sich und es war Zufall.
    "Ich bin in der Immobilienbranche.", antwortete sie, nach ihrer Tätigkeit gefragt. Nicht wirklich gelogen, bedachte man, dass es ohne diese Immobilien sicher schwierig wäre, irgendwo einzubrechen.
    Schon ist sie versucht, auch gleich die zweite Frage zu beantworten, doch würde sie selbst auf diese Art nichts über die Blonde erfahren.
    "Bevor ich zu meiner Heimat komme - Was tust du denn?"

    Fast war sie versucht zu sagen, dass keine Entschuldigung notwendig war, dass sie froh war, angerempelt worden zu sein, doch wäre dies wohl zu viel des Guten gewesen und so ließ sie es bleiben.
    "Celeste.", wiederholte die Nubierin leise.
    "Ich? Neu in der Stadt?"
    Die Lippen öffneten sich zu einem Grinsen und entblößten somit eine Reihe heller Zähne, die aufgrund der dunklen Hautfarbe nur umso mehr herausstachen. "Nein, ich lebe schon viele Jahre hier, mein halbes Leben schon hält mich diese Stadt gefangen."
    Wo sollte sie sonst hin? Nirgendwo im Imperium gab es eine derartige Auswahl an potentiellen Opfern wie in der ewigen Stadt. Für nichts in der Welt würde sie Rom verlassen.
    Eine Einladung auch noch - Wahrlich, es musste ihr Glückstag sein. Dennoch hob sie den Blick, sah sich um, als hätte sie eigentlich noch eine wichtige Aufgabe, eine Angelegenheit, die keinen Aufschub duldete. Schließlich wog sie den Kopf hin und her, um dann wieder nach unten zu sehen.
    "Gut, ich nehme deine Einladung gerne an. Nachdem du mich beinahe von den Beinen geholt hast, kann es nicht schaden, sich ein wenig hin zu setzen."
    Ein schelmisches Augenzwinkern verriet, dass Amneris keineswegs ernste Vorwürfe vorbrachte, während in sich ihrem Kopf die Frage nach der Herkunft ihres Gegenübers formte. Kelten und Germanen waren blond. Oder am Ende doch eine Römerin mit gefärbten Haaren?

    Eine kurze Unaufmerksamkeit und schon war die Blonde wieder verschwunden. Doch schon wenige Sekunden später war sie Amneris näher, als diese erwartet hatte. Ein innerer Instikt ließ sie immer verkrampfen, wenn sie angerempelt wurde, wusste sie doch nur zu gut um das blühende Taschendiebgeschäft in Rom. Doch nein, Celeste wirkte zu unschuldig, um im selben Sumpf zu stecken wie sie selbst.
    "Macht nichts.", erwiderte sie also mit der tiefen, melodischer Stimme, die ihrem Volk zu eigen war. "Das Gedränge ist hier wirklich furchtbar."
    Reflexartig hatte sie das Objekt, das gegen sie gestoßen war, in diesem Fall also Celeste, am Arm gepackt. Den festen Griff lockerte sie nun und deutete mit der be-armreiften Hand auf sich selbst.
    "Amneris."
    Wie Tag und Nacht standen sie sich gegenüber. Amneris, die Nacht. Dunkles Haar, dunkle Augen, dunkle Haut, groß gewachsen. Celeste, der Tag. Blond, Graue Augen, klein und eher zierlich gebaut.
    Die Erkenntnis ließ sie schmunzeln.

    Von ihrer Verfolgerin bemerkte Amneris nichts - vorerst zumindest. Sorglos, fast unbeschwert schlenderte sie von diesem zu jenem Stand, ließ ihre geschickten Finger über die ein oder andere Auslage schweben, steckte jedoch nichts ein.
    Erst an einem Obststand angelangt entdeckte sie die junge Frau, die unweit von ihr selbst die Waren eines Händlers besah.
    Ihr Mund formte ein genießerisches Lächeln, welches jedoch so schnell wieder verschwand, wie es gekommen war. Nicht, weil ihr plötzlich die Erkenntnis gekommen war, dass sie als potentielles Opfer auserkoren wurde hob ihre Stimmung. Vielmehr die Gegenwart der Frau selbst war es. Wie eine brave römische Matrone sah sie nicht aus, vielleicht - kopfschüttelnd verwarf sie den Gedanken sofort.
    Dem Obsthändler schnippte sie eine Münze zu, suchte sich einen rotbackigen Apfel aus, um zum nächsten Stand zu schlendern. Wieder schweifte ihr Blick zurück, wieder fand sie die junge Frau. Warum eigentlich nicht?
    Mit dem abwartenden, fast gelangweilt wirkenden Blick eines Stubentigers auf der Jagd fixierte die Nubierin Celeste.

    Es war eine erfolgreiche Nacht gewesen. Das Lächeln im Gesicht der Nubierin bezeugte dies. Stolz, hoch erhobenen Hauptes, schritt die großgewachsene Frau über den Mercatus, mit sich selbst höchst zufrieden. Wochen der Planung hatten sich endlich ausgezahlt, denn in der vorigen Nacht hatte Amneris einen Bürger Roms um zahlreiche kleinere Kostbarkeiten erleichtert. Nicht auf der Straße, nein, in seinem Haus war es geschehen, während er, sich in Sicherheit wiegend, nur wenige Räume weiter geschlafen hatte.
    Sie war froh, an diesem Tag nun einmal wieder Zeit für andere Dinge zu haben, als Gewohnheiten auszuspionieren, Sklaven zu bestechen und die gestohlene Ware an einen der einschlägigen Händler zu verschachern. Doch vor allem froh darüber, zum ersten Mal seit Tagen nicht mit ihren Kollegen zusammen zu kleben.
    Ihre dunklen Augen glitten an ihrem Arm entlang und blieben schließlich auf einem goldenen Armband ruhen. Dieses eine Stück wollte sie für sich behalten.