Beiträge von Manius Aurelius Orestes

    Natürlich musste sich der Augur Manius Aurelius Orestes strenggenommen nicht an der Porta Regiae melden, doch war es ein guter Treffpunkt. So hatte er seiner Verlobten genau diesen Punkt genannt, damit sie zusammen hinein gehen konnten, um ihre Sponsalia eintragen zu lassen. Das war zwar nicht unbedingt nötig, aber es sollte alles seinen geordneten Gang gehen.


    Also stand er an der Porta Regiae und wartete.

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Die Freude auf den Gesichtern der Beschenkten zu sehen, war für Ursus der schönste Lohn. Hatte er also bei der Wahl der Geschenke nicht allzu falsch gelegen. Die kleine Marei entdeckte recht schnell das Geschenk von Cimon und es machte Ursus auch Spaß, dabei zuzusehen, wie sie ihrer kindlichen Freude freien Lauf ließ und ihrem großen Freund um den Hals fiel.


    Orestes war zunächst mehr als überrascht, aber seine leuchtenden Augen verrieten trotz der Stille, die er von sich gab, dass es ein gutes Geschenk war. So still strahlend ging er zu Ursus: "Titus, das wäre doch nicht nötig gewesen. Danke!"


    Gedanken, die ihn lange nicht mehr überkamen, überkamen ihn jetzt. Er dachte an seine Familie zurück, die ihn - wie er wusste - bald einholen würde. Das Gefühlsmix, das ihn diesbezüglich bewegte, legte er beiseite.

    Natürlich war es Teil der Familienehre, dass Orestes heute zur Sitzung erschien. Dass ein kleines Bankett für nach der Sitzung angekündigt war, hatte ihn zusätzlich erfreut, andere schien es geradezu ermuntert zu haben zu kommen, denn die palatinischen Salier waren in guter Zahl zur heutigen Sitzung erschienen.


    Orestes schaute sich um, eine gute Anzahl Aurelier saß inzwischen hier, auch ein Zeichen für den erstarkenden Einfluss seiner Gens. Die Wahlen für den CH, die kurz bevorstanden würden das - hoffentlich unterstreichen. Auch Publius Imbrex stand dort zur Wahl, die Aufnahme in die Reihen der Salier war Teil seiner Kampagne. Also hörte Orest ihm zu.

    Gut, was hätten die beiden auch antworten sollen als das, was sie geantwortet, dass sie sich freuen würden, sie kennenzulernen. Kennenlernen. Kennen lernen. Diese Aufgabe stand auch den drei gerade versammelten Aureliern noch bevor. Das würde zwar seine Zeit brauchen, sie müssten allerdings eigentlich sofort damit beginnen. Dennoch fuhr Orest erst einmal mit den begonnenen Gesprächsfäden fort. "Dann laden wir sie am besten bald einmal ein. Wie wir das dann genau machen können wir uns ja noch überlegen." Und das sollte man auch gut tun. Schließlich würde das eine noch viel mehr zu peinlichen Szenen einladende Situation werden, als die, die sie gerade erlebten, obwohl sie sich ganz gut herumschifften - um die Klippen fettnapfähnlicher Peinlichkeiten.


    "Die Wahl ist in ziemlich genau einer Woche. Aber die wichtigsten Vorbereitungen sind schon getroffen. Ein paar Dinge müssen im Endspurt noch erledigt werden, aber es sieht - glaube ich ganz gut aus." Dies sagte er aus dem hohlen Bauch heraus. Für einen kurzen Moment spukten ein Wörter durch seinen Kopf - Meinungsumfrage, Prognose, Hoch.. - doch dann war dieser merkwürdige Gedankenblitz auch wieder beendet. Er nahm noch einen Schluck Wein, um diesen Moment zu überspielen.


    Dann überlegte er einen Moment, was er am besten fragen könnte, um seine kleinen Schwestern ein bisschen kennenzulernen. Was ihm auch im Hinblick auf mögliche Zukunftspläne wichtig war, ihn aber hauptsächlich als großen Bruder interessierte. "Wisst Ihr es ist doch irgendwie ungewöhnlich, wir kennen uns eigentlich gar nicht. Daraus ergeben sich gewisse Probleme, möchte ich sagen. Wenn Euer großer Bruder Euch zum Beispiel zufällig mal eine Freude machen wollen würde... wie könnte er das tun?", formulierte er zuerst merkwürdig formal und auch am Ende durchaus kompliziert, aber er trug die Kompliziertheit etwas dicker auf als normal, so dass die Zwillinge - wenn sie mit Sprachspielhaftigkeit und Feinsinn ausgestattet waren, wovon er ausging - bemerken sollten, dass er den abgeklärten Denker mimt, der weit weg von der Situation ist, in Wirklichkeit aber ein großes persönliches Interesse hat, seine Schwestern kennenzulernen.

    Die Zwillinge waren überrascht. Nun das hatte Orestes erwartet. Nicht weil er ihre Mutter nicht informiert hatte, denn dies hatte er im Antwortbrief auf die Ankündigung des Kommens der beiden getan, nein er hatte schlichtweg angenommen, dass die Lucilla die beiden losgeschickt hatte, noch bevor sie überhaupt eine Antwort ihres Sohnes erhielt, so wie der Brief streng genommen ja auch keine Frage, sondern eine Anweisung enthalten hatte. Deswegen zog Orestes, als er die Überraschung der beiden bemerkte, die linke Augenbraue kurz hoch, ließ sie aber sogleich wiederfallen, wie auch den Gedanken das ganze jetzt zu erwähnen oder auch nur darauf anzuspielen. Dazu kannte er - realistisch gesagt - seine Schwestern nicht gut genug, weil er es sich gewiss nicht mit ihnen verderben wollte.


    "Sie ist eine Tiberierin, ich fände es großartig, wenn Ihr Euch gut mit Ihr versteht, am besten werde ich sie Euch bald einmal vorstellen. Die Hochzeit planen wir während meiner Amtszeit als Quästor zu machen." Das war insofern wichtig, weil ein solcher Termin sicherstellen würde, dass er nach seiner Amtszeit über den entsprechenden Census verfügte, um in den Senat einzuziehen. "Das ganze ist etwas ungewöhnlich, weil es sich in bestimmter Hinsicht nicht nur, um eine politische Verbindung handelt. Will sagen, wir mögen uns tatsächlich. Politisch hingegen war es zeitweise etwas heikel, deswegen habe ich es Mutter auch erst in dem Brief geschrieben, in dem ich ihr sagte, dass ich mich auf Eure Ankunft freue." Wenn nämlich irgendwann dieser Vitamalacus aufgetaucht wäre, hätte alles auch noch anders laufen können, oder wenn der Tiberier am Ende gesagt hätte, man müsse doch bis zur Aufnahme in den Senat warten oder die Mitgiftverhandlungen danebengegangen wären.


    Inzwischen war der Würzwein auf eine angenehme Temperatur abgekühlt, so dass Orestes einen Schluck nahm. "Ihr müsst hier natürlich erstmal in Ruhe ankommen, aber irgendwann in der nächsten Zeit müssten wir auch mal über Eure Pläne und Möglichkeiten hier in Roma nachdenken, aber das hat schon auch noch ein wenig Zeit.", sagte er um das Thema wieder in andere Gefilde zu locken.

    "Ich habe Dir zu danken, werter Prätor und Senator Purgitius, für Deine Fragen.", dann schaute er sich wieder um, ob jemand, vielleicht der Germanicer, der ja schon begonnen hatte, oder ein anderer Senator die Befragung fortsetzen wollte. Dabei schaute der Aurelier freundlich und fast aufmunternd. Er hatte nämlich langsam die Nervosität abgelegt, die einer schon fast Freude an diesem Frage-Antwort-Spiel gewichen war.

    Dem Purgitier schien das kleine Gespräch zu gefallen, dass sich zwischen ihnen beiden hier in den Hallen des Senates entwickelte, so dass er mit einem weiteren zweifelsohne wichtigen Aspekt weitermachte: das weite Feld zwischen Lobbyismus, Einflussnahme, Bestechung und "Objektivität". Orestes überlegte einen kurzen Moment bevor er antwortete: "Objektivität ist ein hohes Ziel, subjektive Einschätzungen können wertvoll sein oder auch daneben liegen, können das eigene Wohl in den Mittelpunkt stellen, oder das des Reiches. Ein schwierige Unterscheidung, gewiss, die immer wieder zu machen ist.


    Ich bin mir ihrer bewusst und schrecke nicht vor ihr zurück, auch wenn ich durchaus Respekt empfinde. Sicherlich werden bei diesem oder jenem Vorgang bestimmte Leute mir, sagen wir mal höflich einen guten Ratschlag geben wollen, dass dieser oder jener Aspekt, vielleicht stärker zu gewichten, oder eben zu verschweigen sei. Das ist an und für sich nicht schlecht und gehört zur politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung dazu. Den Menschen, die zum Beispiel von den Auswirkungen einer Entscheidung betroffen sind zu zu hören und ihre sachlichen Argumente abzuwägen - ihnen vielleicht sogar ein angemessenes Gewicht zu verleihen, halte ich nicht für falsch, von ihnen aber über die sachlichen hinaus, silberne oder goldene Argumente anzunehmen, kann der Sache und damit dem Imperium nicht dienen. Glücklicherweise habe ich einen Lebensstand, der mir mehr als das bloße Auskommen ermöglicht, so dass ich dieser Art Argumente auch in keiner Weise zugetan bin, noch sie nötig hätte.


    Einen guten Rat aber, sollte man aber nicht abschlagen. Davon bin ich überzeugt. Daher könnte man meine Auffassung zu dem von Dir beschriebenen Sachverhalt wohl so zusammenfassen: Zuhören, Argumente bedenken, unbotmäßige Einflussnahme zurückweisen, pekuniäre und ähnliche Wohltaten ablehnen."

    Die Standpauke blieb dieses Mal aus. Vielleicht sollt er das noch irgendwie erwähnen, oder aber irgendwann mit dieser Lysandra ein ernstes Wort sprechen. Aber für diese Maßnahmen war an einem anderen Tag - am besten einem der folgenden - noch genügend Zeit. Damit wollte er es heute bewenden lassen. Er war jetzt wirklich guter Laune, schließlich hatte er ja sogar die Namen richtig zugeordnet, beziehungsweise erraten. Über weitere winzige Unterschiede nachzusinnen hatte jetzt noch keinen Zweck. Er würde sie besser kennenlernen müssen und er würde oft genug fehl gehen in seinem Raten.


    Gerade wollte er ansetzen von sich zu erzählen, da brachte Narcissa noch eine Frage vor unterbrach sich selbst: "Kein Problem, Narcissa, Eure Pferde sind gut angekommen, sie stehen in unserem Equile, bei den anderen. Euer Onkel Ursus ist auch ein begeisterter Reiter, und auch andere Familienmitglieder, mich eingeschlossen bewegen uns manchmal zu Pferde. Sie werden hier also gut versorgt. Bene."


    Er nahm auch einen Schluck Wein, der auch ihm noch etwas zu heiß war. Auch wenn er sich nicht verbrannte, nahm er doch nur einen kleinen Schluck. "Wenn ich kurz die wichtigsten Dinge aus den letzten... - wann hatte er seine Schwestern zu letzt gesehen. Er wusste es gar nicht so genau - Jahren, also seit ich von den Studien in Alexandrien zurück bin, erzählen soll: Ich habe mich hier zuerst dem Cultus unserer Götter zugewandt. War schnell Sacerdos, habe mein Vigintivirat abgelegt, bin dann Augur geworden. War kurze Zeit auf unseren Landgütern in Sardinien, bin in der Endphase meiner Kandidatur für die Quästur, was ihr vielleicht auch noch nicht wisst - ich habe mich verlobt!"


    Die Verlobung hatte er bewusst ans Ende gestellt, da er auf die Reaktion seiner Schwestern in diesem Punkt besonders gespannt war. Zumal sie sich - wenn sie klever waren, wovon er ausging - denken konnten, dass die Auserwählte ungefähr ihr Alter sein würde.

    Bene, dachte sich der große Bruder, wenigstens im Naturell kann man sie unterscheiden. Die eine - er wusste noch nicht, dass es Flora war stürmisch-impulsiv - er hatte ihre Umarmung zwar vielleicht etwas steif aber doch herzlich beantwortet -, die andere - Narcissa - eher ruhig und wahrscheinlich sensibel. Das war schon mal ein erster Anhaltspunkt. Er würde noch überlegen müssen, wie er wenigstens für jetzt herausfand, wer hier wer war. Er konnte sich nicht mehr an die Sache mit den Armbändern erinnern, und selbst wenn: da er sie in genau hätte anschauen müssen, um die Namen zu lesen, wäre das wohl zu auffällig, da wäre einfach fragen besser.


    "Bene, dann werde ich uns erst einmal etwas Conditum besorgen lassen. Setzt Euch doch." Auch im Tablinum minor gab es eine kleine Sitzecke, auf die Orestes deutete. Er selbst schaute kurz auf den Gang heraus, ob er einen Sklaven vorbeiflitzen sah, dem er, eine Kanne Conditum und drei Becher zu bringen, auftragen hätte können. An der Ecke sah er eines der Sklavenkinder, dem er diesen Auftrag schnell zurief. Dann wandte er sich wieder seinen Schwester zu, indem er sich auf einen der Korbsessel setzte. Die augenrollende fast schon gouvernantenhaft wirkende Sklavin bemerkte er erst jetzt und beschloss erst auf sie einzugehen, wenn der Wein kommen würde, indem er sie dann weg schickte, um nach den Zimmern der Blümchen zu schauen.


    "Holprig? Ist der Weg von Ostia so schlecht, oder seid Ihr etwas den ganzen Weg über Land gereist?" - bemerkte er noch zur Reise - "Aber zur Entshädigung habt Ihr Euch schon etwas von Rom zeigen lassen - ähm von wem eigentlich und warum habt Ihr nicht, na egal. Hauptsache Ihr seid jetzt da. Unsere Mutter wird Euch sicherlich erzählt haben, dass Roma nicht Terentum ist, und Euch genug bemuttert haben, damit wollen wir nicht gleich anfangen. :D


    Während er sprach musterte er sie mit wachen, fröhlichen Augen, um vielleicht doch einen Punkt zu finden, wie er sie ansprechen könnte. Die eine trug eine grüne Tunika - welche ihm den Namen Flora vor dem geistigen Auge auftauchen ließ. Aber das war zu wenig anhalt. Er fasste sich ein Herz und tat das, was er eigentlich nicht hatte tun wollen, aber nun doch tat: Er fragte: "Bevor ich Euch erzähle, was ich gemacht habe, oder was gerade alles los ist, müsst Ihr mir zuerst etwas sagen. Ähm, nun ja - ihr wisst schon. Das was immer alle falsch machen, oder lasst mich raten: Du bist Narcissa und Du Flora.", sagte er und zeigte zuerst auf Narcissa, dann auf Flora. Grün - Flora, war das Kriterium.

    Die Reaktion Macers auf die Erwiderung des Aureliers, gefiel dem jungen in seine Toga candida gehüllten Patrizier. Die qualifizierte Anschlussfrage zeigte, dass das man dem Purgitier in diesen Hallen nicht umsonst einiges zutraute. Einen wichtigen Punkt, den Orestes selbst bisher kaum bedacht hatte, sprach der Purgitier zudem an: auch als urbaner Quästor wäre man dem Präfektus Urbi nahe. Faktisch gäbe - bis auf die inhaltlichen Ausgestaltungen - es also wenig Unterschiede zum Principis, das machte Orestes noch ein wenig offener jede der drei stadtrömischen Quästuren auszuführen - vielleicht wäre doch die Principis die beste Wahl... Aber das müsste er nach einer eventuellen Wahl mit Corvinus und Ursus besprechen, damit sie in der entsprechenden Diskussion eingreifen könnten. Auf Macers Frage hingegen antwortete er:


    "Das hängt natürlich sehr von dem jeweiligen Amt ab. Gemein wäre in Bezug auf die von Dir genannte Funktion als Sekretär wohl die Charakterisierung als Zu-Arbeit. Als ein - in diesem jeweils kleinen Bereich der Zuständigkeit - den Rücken frei halten, damit - sei es unser geliebter Princeps, der von Euch zu wählende Consul, oder eben auch der Präfekt der Urbs - der Vorgesetzte seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu wenden kann, in dem Bereich für den ich zuständig bin, sich aber darauf verlassen kann, dass die Aufgaben erfüllt werden. Ich verstehe das, um ein Beispiel zu nennen so: Es steht eine gewisse Entscheidung an, die nicht ich treffe, sondern mein Vorgesetzter. Meine Aufgabe bestünde darin, so etwas wie eine Pro- und Contra-Liste aufzustellen und eventuell mit einem Entscheidungsvorschlag auszustatten. Aber dies nur als Beispiel."


    Die Frage des Germanicus Avarus war berechtigt. Über die Tätigkeiten während der Interimszeit musste man zwar keinen Rechenschaftsbericht ablegen, es war aber durchaus üblich sie offenzulegen, also wandte er sich ihm zu und antwortete:


    "Neben einigen privaten Dingen, die ich zum Teil außerhalb Roms zu erledigen hatte und die vor allem die Ordnung meines Landbesitzes auf Sardinien zum Inhalt hatten, habe ich nach meiner Rückkehr in Rom, den alltäglichen Dienst als Augur in vielen Stunden im Auguraculum durchgeführt. Bei den Sorgen und Nöten der Römerinnen und Römer. Öffentlichkeitswirksame Aufgaben waren nur wenige darunter: ich möchte hier die Inaugurationen zum Beispiel eines Neukooptieren in das Kollegium der Siebenmänner nennen. Aber auch - und dies nur in der Reihe zuletzt, würde es doch den ersten Platz meiner Aufzählung einnehmen müssen - wurde ich vom Kollegium der Auguren ausgewählt, die Auspizien bei der Amtsübernahme des amtierenden Consuls Manius Tiberius Durus einzuholen."

    Er hatte eigentlich nur so getan, als ob er über den Schriftrollen gebrütet hatte, in Wirklichkeit hatte er darüber gebrütet, wie es wohl sein würde, wenn das passierte, was gerade passierte. Er war nervöser, als im Senat, nervöser als je in den letzten Jahren. Zwei Taktiken waren ihm in den Sinn gekommen. Ruhig und besonnen tun oder freundlich-froh.


    Er entschloss sich für letzteres. Er schaute sie an. Beim Iuppiter. Zwei bildhübsche Zwillinge standen vor ihm - die Frage wer, wer war, war und würde wohl auch noch bleiben - ein Problem. Dennoch erhob er sich und ging auf sie zu. Er hielt die Arme geöffnet, als er sie begrüßte: "Flora, Narcissa. Schön, dass Ihr da seid."


    "In solchen Momenten sagt man wohl: Ihr seid groß geworden. Und: wie die Zeit vergeht. Und all solche Dummheiten, auch wenn sie wahr sind. Dabei wissen wir das doch eh alle. Kommt daher einfach herein, wollt Ihr Euch setzen, möchtet Ihr etwas trinken? Saft? Oh, entschuldigt - Wein? Wir können Euch auch etwas zu essen holen lassen." Er bemerkte, dass seine übliche Nervositätstaktik zuschlug - reden. Deswegen unterbrach er sich selbst und überwand sich eine Frage zu stellen: "Wie war die Reise, wie geht es Mutter?"

    Es war sicherlich nicht so, dass Orestes über dem sich inzwischen schon fast eingebürgerten Spitznamen vergessen hätte, dass es sich um sehr eigenwillige Geschöpfe handeln könnte, die sich durchaus einiges für ihren Weg gedacht hatten - bei Lucillas Erziehungsstil würde ihn das jedenfalls nicht wundern. Und eigentlich wäre es ja auch nicht schlecht.


    "Verstehe mich nicht falsch - dass mit Vesta habe ich nur erwähnt, weil unsere Familie seit Deine Großtante, wie hieß sie doch gleich?, gestorben ist niemanden mehr im Atrium Vestae haben. Was sich eigentlich gehören würde. Aber das ist sicherlich nichts, was man einfordern kann, selbst ein darauf hinarbeiten hielte ich für falsch. Aber - wenn eine der beiden so etwas überlegen würde, wäre es nicht schlecht." Dass es auch finanziell durchaus Vorteile hätte, lag nicht nur auf der Hand, sondern tat auch nichts zur Sache. Man würde abwarten müssen.


    "Du hast recht. Am besten der Urbanus. Aber ich werde es wohl deutlich aber offen formulieren, denn es ist denke ich wichtig, dass man mich nicht nach Germanien oder Britannien oder ähnliches schickt."

    "Ich war einer der Zehnmänner.", sagte Orestes auf die Frage des amtierenden Prätors. Er konnte sich vorstellen, dass dies eine Fangfrage war, schließlich hatte er damals nicht viel mehr als das nötigste getan und einige Fälle waren an seine Nachfolger übergegangen, die er nicht mehr bearbeitet hatte. Und wenn der Purgitier als amtierender Prätor in seinen Listen nachgeprüft hatte, wäre es ihm vielleicht aufgefallen. Das war nicht allzu beunruhigend. Aber es brachte den jungen Aurelier immerhin dazu nach der ersten Antwort, einen halben Moment zu zögern, bevor er weitersprach.


    Eine spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe. Du bist ja als Prätor gerade mit meinen Nach-nachfolgern im Kontakt - wenigstens hoffe ich das. Die Unterstützung durch den Prätor erscheint mir sehr wesentlich, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Ohne die Unterstützung..." - sein Blick ging suchend durch die Reihen der Senatoren. Orestes hatte den zuständigen Prätor seinerzeit nie zu Gesicht bekommen, der suchende Blick sollte dies symbolisieren. "das heißt: wenn die Decemviri ziemlich auf sich gestellt sind, werden sie ihre Arbeit weniger effektiv gestalten können, als wenn sie die nötige Unterstützung durch den Prätor bekommen. Aber, werter Prätor Purgitius, es würde mich sehr wundern, und Du wärest nicht der Purgitius Macer, der Du - Rom kann sich darüber glücklich schätzen, dem Größten und Besten sei Dank, bist, wenn Du das nicht auf vortrefflichste Weise umgesetzt hättest."


    Die letzten Wort waren schwierig gewesen. Der Tonfall war schwierig zu treffen, es durfte weder schleimerisch, noch ironisch, noch schwärmerisch naiv klingen, sondern exakt nüchtern-anerkennend, dass dieser Mann bei der letzten Wahl ein unglaubliches Wahlergebnis eingefahren hatte - und dies zu recht. Ein echter Römer. Dies sollte mitschwingen.


    "Was aber meine Zeit als Decemvir betrifft: Ich habe viel gelernt - aus Erreichtem und aus Fehlern; denn letztere gab es. Aber ich werde wissen, sie zu vermeiden, damit ich besser, eifriger und effektiver mich für Rom einsetzen kann, als ich es bisher schon tat. Fehlerfreiheit oder außergewöhnliches kann ich Dir, kann ich Euch, werte patres consripti, nicht versprechen, aber dass ich mich darum bemühen werde, dafür will ich bürgen."

    Die Zeit verging und Orestes wurde immer mehr bewusst, dass dieser Brief sein Leben stärker verändern würde als vieles, was zuvor passiert war. Die Blümchen... tatsächlich würden sie bald ankommen.


    Es war also Zeit vergangen, als Soffchen - hatte sie eigentlich nichts anderes zu tun? - wieder hereinplatzte und ihm eine weitere Nachricht überbrachte. Besser gesagt ein kleines Billet mit einem Anhang von ein "paar Dingen", die den Blümchen vorausgeschickt wurden. "Bene, bringt alles in die Zimmer, die für sie vorbereitet sind. Und besorg ein paar Blümchen - äh Blumen. Die Zimmer werden ab morgen, spätestens übermorgen bewohnt werden."

    Innerlich atmete er auf, äußerlich nickte er dem Aelier freundlich lächelnd zu:


    Ich danke Dir für diese Frage, verehrter Senator Aelius. Es ist mehr eine Gruppe von Ämtern, denn ein spezielles, das ich bevorzugen würde. Auch wenn ich natürlich zu jedem der Ämter bereit bin. Ich würde es also für günstiger halten, eine der Quästuren auszuführen, die - wenigstens prinzipiell und hauptsächlich - in unserer Stadt Rom angesiedelt sind, also: Urbanus, Principis, Consulum.


    Die Gründe hierfür sind weniger inhaltlicher, als privater Natur. Ich plane im nächsten Jahr meiner römischen Pflicht des Eingehens einer Ehe nachzukommen, so dass eine Anwesenheit meinerseits in Roma durchaus vorteilhaft wäre. Mir ist klar, dass dieser private Grund sekundär, so dass ich der Meinung bin, dass wenn unter den anderen Quästoren, Männer wären, die diese Ämter besser ausfüllen könnten als ich, ich Euch um des Wohles Roms willen, bitten möchte meinen Wunsch in der Urbs zu bleiben als nichtig anzusehen. Wenn dies aber nicht der Fall sein sollte, dann wisset, dass ich gerne hier in der Urbs eingesetzt mich sehen würde."


    Seine Wortwahl verriet - absichtlich - noch ein zweites. Die Reihenfolge der Ämter in seiner "Wunschliste" war durchaus nicht zufällig. Unter den Kandidaten für das Konsulnamt, war in diesem Jahr kein herausragender Name, wie wie in den letzten Jahren. Das sprach dafür, dass ein Quästor Consulum kaum wichtige Geschäfte hätte, wenn es der Konsul ruhig angehen ließ. Der Principis war schon interessanter, mit dem Kaiser würde man aber wohl weniger zu tun haben, als mit seinem Stellvertreter, die wiederum war weniger amüsant. Der Urbanus schließlich (und deswegen hatte er zweimal "in urbe" gesagt) wäre eigentlich sein Favorit, einige interessante Aufgaben und nur wenige Nachteile. Wer hören konnte, hatte gehört.

    Aus dem Gesicht des Aelier konnte er in keiner Weise ablesen, ob diese Frage ironische Züge hatte, oder irgendwelche Hintergedanken, oder ob sie positive Absichten hatte. Er erschloss sich einfach nichts aus Gestik, Mimik oder Tonfall des Aeliers.


    "Verehrter Senator und Consular! Eine vortreffliche Frage - Wahrsage, sage Dir selbst die Zukunft voraus, könnte ich Deinen Worten vernehmen, doch bin ich gewiss, dass Dir die Funktion der Auguren in unserem schönen Staatswesen vertraut ist, dass es weniger um konkrete Voraussagen geht, denn schon oft wurden von ehrbaren Mitgliedern meines Collegiums Männer in Ämter inauguriert, die durchaus dem Willen der Götter Roms widersprochen haben mussten, waren sie doch erbitterte Feinde des Staates.


    Fehler oder gar Lügen, Bestechungen und Aufmerksamkeiten, mögen dabei wohl auch mal eine Rolle gespielt haben. Vielleicht ist es aber doch ein tieferer Grund, der mit Wohl und Wehe des Augurentums zu tun hat: die Sprüche der Auguren sind keine Weissagungen, sondern vielmehr betreffen sie die Günstigkeit oder Ungünstigkeit einer gewissen Person oder Situation. Wenn zum Beispiel ein junges Paar kommt und nach einem möglichen Ehetermin fragt, kann der Augur mit seiner Aussage nicht garantieren, dass die Ehe ein Erfolg wird. Er kann nur aussagen, dass an dem und dem Tage keine Gottheit beleidigt wird, dass prinzipiell ein günstiger Termin vorliegt. Die menschliche Handlung, die das ganze zu guten oder schlechten neigt, wird dadurch nur gering beeinflusst. Dieses geringe ist aber nicht nichts. Verstehe mich nicht falsch: ich leugne nicht das Schicksal, es wird wie wir es in den Geschichten der Alten gehört haben, jeder den Weg gehen, den das Schicksal ihm vorgezeichnet hat. Aber es ist nicht die Aufgabe der Auguren, dem Menschen dieses, sein Schicksal, vorauszusagen.


    Wenn ich also die Götter über meine Kandidatur befragt hätte, hätte ich wahrscheinlich verschiedene im großen und ganzen unklare Vorzeichen gesehen. Dies habe ich natürlich nicht getan, dies ist nicht nur unüblich, sondern meines Erachtens auch unehrenhaft. Das Collegium der Auguren führt seinen Dienst zum Wohle des römischen Staates und nicht zum eigenen Wohle aus.


    Halt - wird einer sagen - um das Wohl des Staates geht es mir ja gerade. Gut - werde ich antworten - bevor ein gewählter und designierter Magistrat sein Amt antritt wird er ja in-augur-iert. Ein eindeutig negatives Vorzeichen würde den Amtsantritt - gemäß der Sitten unserer Väter - verhindern. Vielleicht sollten wir diesen Moment abwarten und dann herausfinden, ob die Götter die Kandidatur gutheißen, werter Senator Aelius." ;)


    Orestes war sich sicher, dass er zu viel geredet hatte. Aber er hatte versucht die Frage ernst zu nehmen, sie also erschöpfend zu beantworten, und noch einen augenzwinkernden Abschluss gesucht, um die giggelnden Hinterbänkler nicht zu enttäuschen.

    Nach und nach kamen die Septemviri, auch der Flavier, der zu inaugurieren war, weste an, Orestes sah auch seinen Vetter Corvinus, der als ehemaliger Septemvir und jetziger Ponzifex dem Schauspiel - ähm dem Ritual - beiwohnen wollte. Auch Gracchus von den Flaviern ein weiterer Pontifex weilte unter den Zuschauern. Nachdem er alle kurz begrüßt hatte und ihm auch das Zeichen des Magisters der Septemviri zum Beginnen nicht entgangen war, wandte er sich an Flavius Piso und sagte leise zu ihm: "Ja ich bin der Augur, Manius Aurelius Orestes, übrigens mein Name. Ich nehme an Du kennst den Ritus?" Er fragte dies nur, weil das Wort "Inaugurateur" ihm zwar verständlich aber durchaus nicht geläufig war; und er fragte es so, dass klar wurde, dass diese Frage rhetorisch war.


    Nach einem kurzen Moment, in dem er sich besann, trat er noch einmal an den Flavier heran, diesmal von der linken Seite. Einer seiner Calatores, derselbe der ihm später sagen würde, dass er gestern einen Blitz gesehen habe, trat an den Auguren heran und zog ihm den Zipfel der Toga über den Kopf. Orestes selbst nahm den lituus, auf den er sich bisher aufgestützt hatte in die linke Hand, während sich die rechte auf den Kopf des Flaviers senkte. In fast ein wenig salbungsvoller Stimmlage - aber nicht zu sehr - sprach er vernehmlich:


    "Iuppiter Pater, si est Fas hunc Aulum Flavium Aetii Filium Pisonem, cuius ego Caput teneo, Septemvirum esse, uti tu Signa nobis certa ad clarissis inter eos Fines, quos feci."*


    Bei den Worten "inter eos fines" erhob er den lituus und teilte den Himmel in vier Bereiche ein. Als er den Stab wieder herunternahm, warteten sie einen Moment - genauer gesagt bis der Calator schweigend bis fünfzehn gezählt hatte - bis sich eben dieser Diener dem Auguren an die Seite stellte und ihm zuflüsterte, dass er einen Blitz gesehen habe, gestern, und dass dieser auf linken Seite erschienen sein. Orestes nickte bedeutungsschwanger. Nun würden sie einen Moment warten, dass nichts geschah. Denn der größte und beste, müsste ja nur einen Blitz senden, um zu widersprechen. Wenn er dies nicht tat, würde man fortfahren.


    Sim-Off:

    "Vater Iuppiter, wenn es der göttliche Wille ist, dass dieser Aulus Flavius, Sohn des Aetius, Piso, dessen Kopf ich halte, Septemvir ist, gib uns sichere und klare Zeichen innerhalb der Grenzen, die ich gemacht habe."

    Orestes hatte schon vor der Tür gestanden und überlegte sich, ob nicht jemand gesagt hatte - beim zweiten Male ist alles einfacher. Dieser Jemand hatte sich getäuscht. Es war keinen Deut' einfacher an diesem Morgen, als Orestes vor dem Senat stand und auf Einlass wartete.


    Als er dann - endlich! - eingelassen wurde, stieg die Nervosität an - auch das kannte er vom letzten Mal, dann trat er auf den Redeplatz und amtete tief durch, das hatte ihm bisher immer geholfen. Er strich noch einmal über die Toga candida und erhob seine Stimme. Er sprach nicht laut oder aufdringlich. Er hatte gelernt so zu sprechen, dass man ihn hörte auch wenn er normal-laut sprach, so konnte er immer noch nachlegen, wenn es darauf ankam. In dieser nicht-zu-lauten-Stimme erhob er also das Wort:


    Senatoren! Zum zweiten Male darf ich heute vor Euch stehen und zu Euch sprechen. Mein Anliegen ähnelt meinem ersten Auftreten, und auch wenn ich um ein paar Jahre und viele Erfahrungen im Dienste Roms reicher geworden bin, kann und will ich mich noch nicht rühmen, noch weniger wenn ich in Eure von Verdiensten um unsere geliebte Stadt reichen Antlitze blicken darf.


    Ich, Manius Aurelius Orestes, stand damals vor Euch um für ein Vigintivirat zu kandidieren und Ihr habt mir Euer Vertrauen ausgesprochen, auch heute seht ihr mich in der weißen Toga candida mit dem Wunsch auf dem ehrenvollen Weg voranzuschreiten, Eure Gunst für Dienst und Amt des Quästors erbittend.


    Zu Recht werdet Ihr fragen, was dieser Aurelier geleistet hat, dass er voranschreiten sollte auf dem Weg der Ehren - und auch meine Antwort wird Euch nicht überraschen, seid doch auch Ihr auf diesem Weg langsam, aber stetig vorangeschritten.
    Daher wisst Ihr selbst nur zu gut, dass es nicht leicht ist im Vigintivirat große Verdienste zu erlangen, so kann ich nur behaupten, diesen Dienst pflichtschuldig ausgeführt zu haben, nicht mehr und nicht weniger. Mir ist aber das wichtigste dieser Zeit nicht abgegangen: Sie war eine Zeit des Lernens und Erfahrungen Sammelns. Dass Ihr mir dies durch Euer Vertrauen und Eure Stimme ermöglicht habt, dafür sei mein Dank Euch gewiss.


    Wenn ich nun heute wieder vor Euch stehe, tue ich das auch im Bewusstsein einer Bringeschuld meinerseits, das Gelernte nun auf einer anderen Ebene zur Geltung zu bringen. In dem durch das Gesetz vorgeschriebene Intervall und ein weiteres Jahr darüber hinaus, habe ich durch meine Aufgabe als Augur und in den Reihen der Salier dem Wohl unserer Heimat gedient, deren Frieden und Wohlstand zu mehren, wir alle angetreten sind.


    Senatoren, patres conscripti! Was bleibt mir mehr zu sagen, als diese Bitte: Gewährt mir erneut Euer Vertrauen!"


    Er hatte ja eigentlich noch unterbringen wollen, für welchen Posten er sich interessierte, aber die Nachfrage würde wenigstens den Anfang der Diskussion über seine Rede ermöglichen. So setzte er nicht neu an, sondern ließ durch einen Schritt rückwärts anzeigen, dass seine Rede beendet war.