Menas' Haar klebte an seinem Kopf, als sie anhielten. Sand wirbelte um sie herum, und als der Befehl zum Vortreten kam, kam Menas ihm sogleich nach. Er machte einen Schritt nach vorn und salutierte. »Jawohl, Zen...« Menas' Salut endete in einem blubbernden Röcheln. Seine Augen traten fassungslos hervor, als er sich reflexartig an den Hals griff, aus dem rechts ein Schaft und links eine Pfeilspitze herausragten. Blut lief ihm die Kehle hinab, besudelte den Sand zu seinen Füßen, und Menas stand immer noch, wandte sich nun mit vorwurfsvollem Blick an den Zenturio, taumelte schließlich doch seitwärts zu Decimus Massa hin und brach an ihm in die Knie. Mit seinen blutenden Händen griff er noch nach Massas Kleidung, krallte sich mit letzter Kraft hinein und brach schließlich vollends zusammen, leblos, während über eine nahe gelegene Düne etwa zwanzig Kamelreiter in Sicht kamen, gut ein Dutzend mit Bogen bewaffnet und finsteren Gesichtsausdrücken. Eine Feuertaufe für die Rekruten.
Beiträge von Marcus Artorius Menas
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Und warten wäre auch ganz nett gewesen, zumal es Menas' Würfel sind.Menas konnte mit seinem angeheirateten Verwandten bisher nicht allzu viel anfangen. Woran das lag, konnte er nicht benennen. Auch jetzt, als der ihn so vertraulich ansprach, als würden sie sich schon lange kennen, war das so. Er betrachtete den Würfelbecher, der aus seinem Beutel ragte. Obwohl es sein eigener Vorschlag gewesen war, war ihm nun nicht mehr recht nach Würfeln zumute. Er seufzte, ließ die beiden reden und stellte den Becher mit den knöchernen Würfeln in den vom Feuer beleuchteten Sand. Dann sah er den anderen Artorier an und zuckte mit den Schultern. »Macht das ruhig unter euch aus, Artorius.« Fleisch gab es auf einer solchen Odyssee ohnehin nur, wenn es direkt erlegt wurde. Ansonsten musste man mit dem wenigen Trockenfleisch vorlieb nehmen, und wenn das ausgezehrt war, gab es Puls, den Brei, den viele Soldaten hassten. Menas starrte in die Flammen.
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Menas hatte mit den Schultern gezuckt, als Massa ablehnte. Er verschraubte die Flasche wieder und hängte sie sich zu der leeren um den Hals. Dann gab es das Kommando zur Umkehr. Menas schulterte sein Marschgepäck wieder, Sand rieselte aus den Falten und fiel zurück in das Sandmeer. Und wieder setzten sie rhythmisch einen Fuß vor den anderen, diesmal zurück zum Lager, aus dem sie vor gefühlten Tagen aufgebrochen waren. Unter der prallen Sonne und hier im Sand, auf dem sich sehr schwer laufen ließ, war es Menas unmöglich, die Zeit einzuschätzen, die seit ihrem Aufbruch vergangen war. Diesmal lief Phanias vor ihm. Menas hatte Zeit, beim Singen seinen Laufstil zu betrachten. Phanias watschelte wie eine Ente, fand er.
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Zitat
Original von Appius Decimus Massa
"Was?" wie aus einem Traum gerissen antwortete Massa. "Achso, der." Dieser elende Sand. Er war überall. Massa hatte seine Sandalen ausgezogen und rieb sich die Füße. Jetzt ein warmes Bad. Er streckte die Beine aus und sah zu Menas. Es war wirklich zum kotzen. Im Niemandsland, keine Taverne, keine Gesellschaft zu nächtlicher Stunde, nicht mal was gutes zu Trinken an diesem von den Göttern vergessenem Ort. Wenn er es richtig verstanden hatte, durften sie als Probati sowieso nicht raus. Dann war es gleich ob in Alexandria oder hier in der Wüste. Er griff sich eine Hand voll Sand und ließ ihn heraus rieseln. Dann stützte er die Hände nach hinten auf , sah in den Himmel. Hier war er immer klar. Die Sterne leuchteten. " Was war heute Vormittag mit dir los?" ohne den Blick auf Menas zu richten. "Du hast gekeucht wie ein altersschwacher Gaul."Menas wandte den Kopf und nickte hin zu dem Sand, der Massa durch seine Finger rieseln ließ. Der Decimus verstand ihn. Auch Menas trug keine Sandalen mehr, sie standen neben ihm, halb im, halb auf dem Sand. Vor ihnen prasselte ein kleines Feuer. Eines von vielen an diesem Abend. Hier in Ägypten wurde es schnell dunkel, und viel früher als zu Hause in Rom. Und die Nächte waren erstaunlich kalt, verglichen mit der Hitze, die ihnen am Tag begegnete. Massa sah zu den Sternen. Menas starrte ins Feuer. So saßen sie eine Weile schweigsam, bis Massa das Wort ergriff. Menas blickte auf seinen Schneidersitz hinunter und sah kurz drauf Massa an, der wiederum immer noch gen Himmel starrte. Er würde sich nicht offenbaren, dazu kannten sie sich bei weitem noch nicht lange genug. »Die Luft war so trocken«, sagte er. »Und ich hatte meine Flasche schon fast leer. Mein Fehler.« Menas betrachtete seinen Kameraden aufmerksam. »Lust auf ein Würfelspiel?« fragte er eine Weile später.
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Menas und Massa saßen vor ihrem Zelt. Sie hatten für heute alle Aufgaben erledigt und waren glücklicherweise nicht zur Wache eingeteilt. Das überließ man am ersten Abend den frischgebackenen Legionären. Eben hatte eine Gruppe Reiter das Lager verlassen. Menas fragte sich immer noch, wie die Pferde mit dem Sand zurecht kommen mochten. Es hatte schließlich seinen Grund, dass die Einheimischen auf Trampeltiere setzten und nicht mit Pferden in die Wüste zogen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Tiere eine solche Tortur lange mitmachen würden. Immerhin hatten die Rekruten am Morgen bei diesem Wüstenmarsch am eigenen Leibe gespürt, was die Wüste jedem Leben abverlangte, das sich in sie hinein wagte. Vielleicht würden sie um der Tiere Willen weiter den Nil entlang ziehen. Doch auch das konnte sich Menas nicht vorstellen, denn dann hätte man auch gleich auf dem Schiff bleiben können. Nein, realistischer war, dass die Pferde schlapp machten, und das eher früher als später. Obgleich sie erprobte Schlachtrösser waren, waren sie doch dieses Klima nicht gewöhnt - heiß, trocken, staubig. Und sie brauchten einiges an Wasser. Waren die Karten von diesem Gebiet so gut erschlossen, dass man von Oase zu Oase marschieren konnte, ohne Gefahr zu laufen, selbst auf der Strecke zu bleiben? Menas plagten da Zweifel. Der Vorfall am Morgen jedenfalls hatte ihn gelehrt, von nun an besser auf seinen eigenen Wasservorrat zu achten.
Massa und er saßen eine ganze Weile stumm nebeneinander. Menas wusste nicht, wie es seinem Kameraden ging, doch er selbst fühlte sich ausgelaugt und matt. Dieser Feldzug würde zeigen, ob das Soldatendasein etwas für ihn war. Denn welcher Soldat konnte darauf hoffen, sein Leben lang in einem Kastell zu sitzen und nicht gegen einen Feind marschieren zu müssen? Menas sah diese Dinge inzwischen anders. Er würde früh genug sein Kurzschwert ziehen und jemanden töten müssen, und jeder Tag, an dem das nicht passierte, war ein Tag mehr, an dem er kein Gesicht vor dem Schlafengehen sah. Dieser Ort hier änderte alles. Wären nicht die Geräusche aus dem Lager...man würde denken, man sei gottverlassen und allein inmitten der Wüste. Der Wind heulte, trieb winzige Wirbel vor sich her und verteilte den Sand. Überall. Spätestens, seitdem er seine Notdurft über einem Loch im Sand verrichtet hatte, hatte er auch dort Sand. »Ich hasse ihn«, murmelte Menas ob dieses Gedankens, ohne sich gewahr zu sein, ob Massa verstehen würde, wen er meinte.
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Menas trabte weiter. Unbeirrt und ohne zu murren. Denn es würde ihm nichts einbringen, wenn er sich beschwerte oder jammerte, wie es ein Kamerad weiter hinten im Glied bei durchschnittlich jedem zwanzigsten Schritt tat. Menas sparte sich den Atem und lief weiter. Nur hin und wieder warf er einen Blick zu Massa oder Phanias, die neben, bzw. schräg hinter ihm durchhielten.
Als endlich der Befehl zum Halten und Ablegen des Marschgepäcks erklang, lief Menas gemeinsam mit den anderen langsam aus und blieb dann stehen. Seine Oberschenkel zitterten, sein Atem ging stoßweise. Er riss sich die Feldflasche von der Brust, schraubte sie zitternd auf und trank. Nach nur vier Schlucken war seine Flasche leer, und Menas hatte das Gefühl, nichts getrunken zu haben. Er sah Massa zu, der immer noch trank, und reagierte dann mit erstauntem, fragendem Blick, als der Zenturio selbst ihm eine weitere Flasche anbot. »Danke, Zenturio«, antwortete Menas, als er dessen Flasche packte und sie aufschraubte. Er trank ein paar Schlucke und setzte sie dann wieder ab. Spätestens jetzt war sich Menas sicher. Er hasste die Wüste, und dieser Hass beruhte wohl auch auf Gegenseitigkeit. Menas warf wieder Massa einen Blick zu, hielt ihm dann wortlos die Flasche hin, die mehr als zur Hälfte gefüllt war. Der Trageriemen pendelte träge zwischen ihnen beiden hin und her.
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Dass ihnen niemand entgegen kam, schob Menas darauf, dass wohl keiner, der guten Geistes war, freiwillig so weit in die Wüste hinein laufen würde. Es war ihm dabei nicht bewusst, dass man die Wüste vorgeblich wegen ihrer Größe das Meer aus Sand nannte, und sie bisher nur einen winzigen Teil des Sandmeeres überhaupt sehen konnten. Allein die Vorstellung der Größe der Wüste war mehr, als Menas zu begreifen imstande war.
Sie liefen weiter. Die Rekruten keuchten und schwitzten, und wann immer Menas, der sein Herzrasen still erduldete, einen Blick zu ihrem Peiniger warf, konnte er nicht anders als Respekt für den Dicken und dessen Kondition zu empfinden. Bereits nach kurzer Zeit hörte sich ihr Gesang mehr wie ein gepresstes Würgen an, was wohl auf den fordernden Lauf zurückzuführen war. Menas indes hatte ein gänzlich anderes Problem. Es war hier trocken, daran änderten auch die gelegentlichen Schlucke aus der Wasserflasche nichts. Mit der Dürre war es staubig, was das atmen sehr erschwerte. Und Menas hatte ohnehin schon so manches Mal Probleme mit dem Luftholen. Er lief zwar unbeirrt weiter, keuchte aber zusehends. Als Menas das nächste Mal zu seiner Flasche griff, war sie kaum noch halb gefüllt. Er sparte sich den Schluck und verschloss sie wieder, ohne zu trinken.
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Es blieb ihnen kaum Zeit, das liebliche Antlitz ihres Peinigers lange zu genießen. Gegenteilig ertönte postwendend der erste Befehl. Sie ordneten sich recht gesittet und zügig in einem Rechteck an, etwas, das sie in Nikopolis schon vor dem Ausrücken verinnerlicht hatten, und als der Marschbefehl kam, trabten sie los. Schon jetzt, am frühen Morgen, brannte die Sonne auf sie alle hinunter, und Menas warf einen flüchtigen Blick nach rechts hin, wo in der Entfernung das Grün zu sehen war, inmitten dessen der Nil verborgen lag. Der Zenturio allerdings führte sie fort vom Fluss und tiefer in den Sand, der die Sandalen genauso durchdrang wie alles andere auch und ihnen allen wohl in Kürze wunde Füße bescheren würde.
Sie zogen an einer einsamen Dattelpalme vorbei, als der Trebellier das allseits bekannte und verhasste Marschlied begann. Die Rekruten hatten es hier einfach, mussten sie doch nur wiederholen. Menas krähte im Chor, während er einher trabte. »Mama mia, kannst du sehn?« Schon jetzt lief der Schweiß, allein schon wegen der Hitze.
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Menas sah amüsiert auf, als die Zeltwand durch einen Tritt erbebte. »Lass es besser stehen«, bemerkte er mit einem Anflug eines Schmunzelns und fädelte selbst den letzten Riemen ein. Er war inzwischen recht geübt darin. Draußen verteilte der Ausbilder bereits Kommandos, freundlich und aufbauend wie stets. Tedius Phanias stand schon draußen, ein offensichtlicher Frühaufsteher, und nickte Menas und Massa grüßend zu, als sie sich zu ihm und den anderen Rekruten gesellten.
Die Aussicht auf einen Lauf durch den Sand war alles andere als erfreulich, insbesondere, da ihre Füße wohl tief einsinken und fortrutschen würden, wie es gestern auch beim Graben der Fall gewesen war. Menas warf Massa einen Blick zu und klopfte zur Antwort sachte auf die Feldflasche, die er in der Nacht vor dem Schlafengehen noch gefüllt hatte. Gegessen hatten sie beide noch nichts, und zumindest bei Menas regte sich langsam der Appetit, der allerdings warten musste. »Er ist ein Sadist«, raunte Menas Massa seine ganz persönliche Meinung über den Dicken zu, ohne dass es weiter auffiel.
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Arglos lächelte Menas weiterhin. Er mochte den Decimus. Wäre es nicht so, hätte er sein Anliegen nicht erst vorgebracht. Und das Grinsen des Tribuns sagte Menas augenblicklich, dass jener verstanden hatte, was Menas beabsichtigt hatte. Menas grinste ebenfalls. Ihm entging zwar nicht der Blick des Tribunen, doch vollkommen dessen Intention. Enthusiasmus stand dem Artorier auf das junge Gesicht geschrieben. Er malte sich schon aus, wie sie die Pyramiden inspizieren würde, vorgeblich auf der Suche nach den Banditen, insgeheim jedoch, um die Bauwerke zu erkunden, die bereits weit vor ihrer Zeit schon uralt gewesen waren und dennoch nach wie vor Sonne und Sand trotzten. Die verspielte Geste des Decimers nahm Menas als solche wahr, vielleicht malte er sich in jenem Moment ebenso aus, wie eine Inspektion der Gebäude ausfallen würde. Auf welche Geheimnisse sie stoßen würden.
Doch dann war die Katze aus dem Sack, und Menas wartete gespannt auf eine Reaktion. Sie kam recht bald, auch wenn Menas seinen linken Ringfinger darauf verwettet hätte, dass der Decimer sein Gesuch schlichtweg souverän abnicken und ihm zusagen würde. Allerdings schien er, ganz im Gegenteil, ehrlich überwätigt zu sein, zumindest aber überrascht. Und in Menas keimte die Unsicherheit, ob diese Entscheidung richtig gewesen war, noch bevor Serapio seine Bedenken äußerte. Doch Menas sog nur die Luft tief ein und nickte dann. »Ich habe sehr genau darüber nachgedacht und bin mir dessen bewusst. Allerdings kennen wir uns nun schon seit den Stadtkohorten. Ich achte dich, Tribun. ich empfinde dein Handeln als gerecht. Und wenn ich das alles zusammen nehme, ergibt sich für mich nicht ein Grund, aus dem ich es mir nochmal überlegen sollte.« Menas bedachte den Decimer mit einem aufrichtigen Blick. Sicherlich würde er sich den Rest denken. Serapio war Menas Vorgesetzter, und wenn er nun auch dessen Patron war, würden sich ganz vielleicht auch weitere Vorteile ergeben. Hinzu kam, dass Serapio ihm wegen der Unterkunft für seinen Sklaven geholfen hatte, und er hatte stets ein Wort für ihn übrig. Nein, Menas war sich sicher.
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Sand. Ein ganzes Meer davon. Wo am Fluss die Vegetation noch recht üppig gewesen war, war sie hier umso armseliger. Das Feldlager war in sicherem Abstand zum Fluss und damit der Hintertür Nummer eins aufgebaut worden. Menas und die anderen hatten sich beim Palisadenbau abgekämpft, und bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Menas den Sand zu hassen begonnen. Denn Sand rieselte sofort zu einem Großteil in ein eben geschaufeltes Loch zurück. Vollkommen erschöpft war der Artorier spät in der Nacht dann auf sein Lager gesunken.
Als Massa wach wurde, schlief Menas noch. Er war im Schlaf halb von der Matte herunter gerollt, auf der er gelegen hatte, und Massa blieb wohl deswegen an ihm hängen und weckte ihn stolpernd. Menas fuhr hoch, blinzelnd, und war im ersten Moment bar jeder Orientierung. Erst dann drangen Gerüche und Geräusche an seinen Geist. Es war heiß, er hörte Pferde, Männer, Rufe und roch Schweiß, vermischt mit einem schwachen, exotischen Duft fremdländischer Blüten. Und er beeilte sich, noch verschlafen und im Sitzen den Großteil seiner Ausrüstung anzulegen. Denn Menas glaubte nicht, dass es eine Ausnahme von den morgendlichen Übungen geben würde, nur weil sie sich in einem Feldlager befangen. »Massa, komm schon. Fertigmachen«, riet er seinem Kameraden, der die Plane des Zeltes zurückgeschlagen hatte, im Eingang stand und hinaus sah. »Die warten bestimmt nicht auf uns.«
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Menas' Brauen rutschten hinauf bei Massas Worten. Nun konnte er nachvollziehen, warum sein Kamerad nicht besonders begeistert von seiner Mutter war. Im Grunde war es ihm selbst nicht so ergangen, Menas hätte seine Mutter zudem niemals hassen können. Dazu liebte er sie viel zu sehr, ganz gleich, was sie für Ansichten vertrat. Und das war nun wirklich kein Wunder, denn es war Menas auch niemand geblieben, abgesehen von ihr. Massas Vater weilte also ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden. Ein weiteres Detail, das sie verband, wie er feststellte. Kurz überlegte er, ob er sein Beileid bekunden sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Zwei Jahre waren zwei Jahre, und Massa wirkte nicht wie ein eingeschüchtertes Kaninchen, also sparte sich Menas das Beileid und ging auf Massas Frage ein. »Das kommt auf deinen Ausbilder an, möchte ich meinen. Sechs Monate, vielleicht länger, vielleicht kürzer. Ich vermute, dass du den Trebellier abbekommst. Oder deinen Verwandten Serapio.« Menas zuckte im Liegen mit den Schultern. Ihm wurde allmählich kalt, warum auch immer. Vielleicht sollten sie sich bald schlafen legen, denn morgen würde woh auch für Massa der Ernst beginnen.
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Entgegen seines Willens zeichnete sich ein kurzes Grinsen auf Menas' Zügen ab, als er Phanias allein im Becken ließ und Massa folgte. »Das trifft es wohl«, bemerkter er bezüglich der Umschreibung der feuchten Unterhaltung. Sie verließen den Hauptraum mit dem großen, warmen Wasserbecken und fanden sich in einem Raum mit steinernen Liegen ein. Angenehme Wärme stieg vom beheizten Boden auf, und auch die Liegen waren warm. Menas befühlte den Stein und legte sich dann auf den Rücken. Er betrachtete die Decke, die mit Kriegsmotiven bemalt war und oft Mars zeigte. Es war wirklich angenehm, hier zu liegen, den warmen Stein zu fühlen und abzuschalten. Bis Massas Worte an Menas' Ohren drangen und er an daheim denken musste. Er schwieg vorerst, das Gesicht seiner Mutter im Geiste. »Ja. Ich sorge mich um sie, das ist alles«, erwiderte Menas vielleicht ein wenig schnippisch. Aber er wollte nicht als Muttersöhnchen dastehen. Diesen Ruf hatte er schon bei den Stadtkohorten gehabt, weil seine Mutter vor ihrem Aufbruch aufs Land ihn dort besucht hatte. Alle Kameraden hatten es mitbekommen, und das hatte es nicht eben leichter gemacht. Es verging ein Moment. »Vermisst du deine Eltern?« fragte Menas zurück. Angriff war die beste Verteidigung.
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Der Zenturio war ganz plötzlich wieder verschwunden, wie es schien. Dafür schien der andere bleiben zu wollen. Menas entspannte sich wieder etwas und ging zurück zu seinem Lager, um sich zu setzen. Phanias lehnte mit interessiertem Blick an einem Holzbalken und musterte den anderen Artorier. Den kannte er schon, immerhin war Phanias seit gut einem Vierteljahr hier, und er hatte sogar mit Graeceius auf dem Übungsplatz gestanden. Menas allerdings kannte den anderen nicht. Dementsprechend irritiert war er auch, als der seinen Namen nannte. Ein Artorier? »Glückwunsch«, bemerkte Menas und hob eine Braue. »Ich bin Marcus Artorius Menas und seit zwei Wochen hier.«
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Phanias erwiderte seinerseits den Blick mindestens ebenso giftig wie zuvor der Decimus. Der seine besagte Dich hat niemand hierher gebeten, also halt dein Maul und pass bloß auf! Menas entging dies allerdings vollkommen, er dachte an seine Mutter und hatte damit schon genug zu tun, als auch noch auf den nervtötenden Tedier zu warten. Als Massa sprach, sah Menas ihn wieder an. Es hätte nicht an der Einheit gelegen. Allein die räumliche Nähe hätte er nicht ertragen können, abgesehen davon, dass seine Mutter dann gänzlich allein in der Ewigen Stadt gewesen wäre. Er nickte Massa dankbar zu für die Worte, verfolgte anschließend, wie der Decimer untertauchte und wieder hoch kam. Dass er dann verkündete, gehen zu wollen, kam für Menas überraschend. Er war kaum das Viertel einer Stunde hier gewesen. Menas wandte vielsagend seinen Blick Phanias zu und überlegte, ob er nicht vielleicht einfach mitgehen und den Tedier hocken lassen sollte. »Was dagegen, wenn ich mitkomme?« fragte er sicherheitshalber nochmals nach, es konnte genauso gut sein, dass den Decimus ein dringend Geschäft aus dem warmen Thermenbecken lockte.
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Menas überlegte einen Moment, ob er dem Decimus seine Hilfe anbieten sollte, wenn er sie brauchte, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte ihm nicht vorgreifen, zumal ihm selbst damals auch niemand geholfen hatte. Wenn es notwendig wäre, würde er einem Kameraden selbstverständlich helfen, doch das von vornherein so zu pauschalisieren, entsprach zudem nicht Menas' Wesen.
Massas Antwort rang Menas in Schmunzeln ab und ließ Phanias ein Gesicht ziehen, als hätte er soeben in eine unreife Zitrone gebissen. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, Massas Worte zu kommentieren. »Dein Vater hat dich zum Militärdienst gezwungen und du durftest dir die Legion aussuchen? Zuckerbrot und Peitsche, was?« bemerkte er. »Da hatte ich es besser. Mein Vater ist tot und mein Onkel wäre auch mit einem Posten in der Verwaltung zufrieden gewesen. Ich konnte es mir aussuchen und wollte lieber zum Militär. Und möglichst weit weg von Rom.« Er zuckte mit den Schultern. Menas wusste das bereits, denn Phanias hatte es ihm in den vergangenen Minuten haarklein erzählt. Phanias sah Menas an, der sich nun genötigt sah, ebenfalls zu reden. Er tauschte einen Blick mit Phanias, sah dann Massa an und seufzte leise. »Ich bin zum Militär gegangen, weil ich wollte. Mein...Onkel war Prätorianerpräfekt, Artorius Avitus, ihr habt sicher von ihm gehört. Er hat in der Prima angefangen. Da hätte ich auch hin gewollt, aber mein Vater war dort stationiert. Also bin ich zu den Stadtkohorten gegangen.« Es lag wohl jetzt seinen beiden Zuhörern nahe, dass Menas und sein Vater ein Problem gehabt hatten. »Ich habe den ersten Teil meiner Grundausbildung in Rom absolviert, unter Decimus Serapio, der damals noch Zenturio war. Dann bin ich nach Ostia versetzt worden, und schließlich hierher.« Und jetzt diente er wieder unter Serapio. Menas betrachtete nachdenklich die bewegte Wasseroberfläche. »Ich hätte zumindest in Italia bleiben wollen, meiner Mutter wegen«, offenbarte er.
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Probatus Decimus hat seine Ausrüstung empfangen? Menas sah den Neuen an und fragte sich, warum er von sich in der dritten Person redete. Aber gut, das war seine Sache. Er bemerkte auch den Kerl, der plötzlich bei ihnen im Raum stand. Was wollte der denn hier? Menas und Phanias schwiegen beide und warteten, was nun kommen würde. Die Aufgabe des Zenturio hatte sich ja mit Massas Anwesenheit erledigt.
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Menas staunte nicht schlecht, als der Zenturio das knapp unterarmdicke Schiffstau mit all seinen Windungen einfach so hochhob. Und das mit nur einem Arm! Der Trebellier war ganz klar ein Gott von Mann....
Er folgte Massa unter Deck und fragte sich, warum sie die Ladung überhaupt schon an Deck hieven sollten. Hier unten waren dis Fässer immerhin noch gesichert, oben allerdings würden sie schnell kippen können, da sie nicht mehr festgezurrt waren noch sich gegenseitig würden halten können. Seiner Meinung nach war diese Aktion eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, ohne dass man sich Gedanken um die Notwendigkeit oder die Konsequenzen gemacht hatte, aber er war ein Rekrut und hatte einen Befehl erhalten. Also schwieg er und machte sich an die Arbeit, gemeinsam mit Massa. Immerhin waren die Fässer klein genug, dass man sie tragen konnte. Menas blickte Massa nach, musste nicht lang überlegen und schulterte dann selbst ein Fass. Er kam dem Decimus auf der schmalen Stiege entgegen. »Das wäre ja noch schöner, wenn ich dir alle Gelegenheiten überließe, deinen Bizeps etwas auf Vordermann zu bringen«, murrte er Massa zu und schob ein Grinsen nach. Oben angekommen sah er sich kurz um und stellte sein Fass dann zu den anderen. Auf dem Rückweg traf er Massa wieder. Er ließ ihm auf Treppe mit seinem Fass Vorrang. »Fast wünsche ich mir, dass es eine Welle sondergleichen gibt«, sagte er zu Massa und deutete mit dem Kinn auf die Fässer. Nein, diese Entscheidung konnte er nicht nachvollziehen. Normalerweise wurde die Ladung gelöscht, wenn man angelegt hatte. Sie hatten hier nur Glück, dass das hier der Nil war und nicht das Meer mit seinen Wellen.
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Phanias sah auf, und sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Doch er schwieg, fixierte nur erneut Menas, der erleichtert war, dass der Decimus ihn rettete. Er stieg zu ihnen in das Becken. Sie waren hier nicht allein, es gab geügend andere Soldaten, die den Schweiß des Tages abwuschen oder sich schlicht entspannen wollten. »Sitzen«, erwiderte Menas mit dem Anflug eines Schmunzelns. »Und versuchen, mich etwas zu entspannen, bevor es los geht.« Damit meinte er natürlich den Feldzug, zu dem sie bald aufbrechen würden. »Hast du deine Sachen inzwischen sortiert?« fragte er und spielte auf den Berg an Ausrüstung an, der am Nachmittag noch auf Massas Bett gelegen hatte. Phanias räusperte sich. »Wir haben uns gerade darüber unterhalten, warum wir überhaupt hier sind«, sagte er ein wenig kiebig. »Warum bist du denn bei der 22ten, Decimus? Wo kommst du überhaupt her?« In Rom gab es schließlich auch Einheiten.
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Phanias' Geplapper war wie ein Wasserfall. Menas betrachtete nachdenklich einen der fratzenhaften Wasserauslässe, der ihn in gewisser Weise an Phanias erinnerte, und hoffte, dass Massa bald kommen würde. Jeder Kontakt schien ihm gerade eine Art Rettung zu sein, und der Decimus würde ihm gerade recht kommen. Er ließ sich etwas weiter ins warme Wasser sinken und schloss die Augen zur Hälfte. Irgendetwas war anders. Bis ihm auffiel, dass Phanias nicht mehr redete, sondern ihn skeptisch ansah. »Hörst du mir überhaupt zu?« fragte er argwöhnisch und mit einem Hauch von Beledigung. Menas wandte den Kopf und sah ihn an. »Selbstverständlich. Die Flut der Informationen erweist sich allerdings als etwas üppig.« Kurzum, der Tedier ging Menas mindestens ebenso auf den Keks wie dessen vorgetragene Lebensgeschichte. Phanias sah Menas irritiert an und, oh Wunder, schwieg. Allerdings nicht lang, denn kurz darauf veränderte er seine Strategie. »Wie ist das denn bei dir? Warum bist du hier, Artorius?« fragte er spitz nach, und Menas blieb nicht lang zum Überlegen, bis ein bekanntes Gesicht zu ihnen stieß.