"Es geht hier doch nicht, darum, ob ich das Recht dazu hatte." War das gerade ich selbst, der da sprach? "Es geht darum, was richtig ist und was falsch ist."
Jetzt machte sie auch noch einen Schritt auf mich zu. "Ich habe mich nie gefragt, was ich will. Wie soll ich es da wissen? Ich bin es gewohnt, zu dienen. Zwar keinem Herrn, aber einem Staat." Das war sie, die einfache Wahrheit. Der große Zixi De, ein treuer Diener des Staates, der sich selbst unter die Bedürfnisse des Staates stellt. Ein mustergültiger Beamter sozusagen, ein Vorbild für alle Staatsdiener. Nur dann kreativ sein und denken, wenn es dafür kein Gesetz, keine Vorschrift, keinen Befehl gibt. Ansonsten stets treu ausführen, was einem aufgetragen wird.
Beiträge von Marcus Achilleos
-
-
Erstaunlich ruhig ließ ich die Beleidigungen über mich ergehen. Das lag sicher zu einem großen Teil daran, dass ich zu verwirrt war, um noch irgend einen klaren Gedanken zu fassen. "Es besteht kein Grund, persönlich beleidigend zu werden. Andererseits kenne ich das noch..." "von meiner Frau. Hin und wieder, wenn wir uns gestritten hatten." Natürlich äußerte ich diesen Gedanken nicht. "Egal. Mein Bart gefällt mir so, wie er ist. wenn ich dadurch hässlich bin, na gut, meinetwegen." Ich zuckte mit den Schultern.
"Was ich dir sagen wollte... es... naja... ich war ungerecht dir gegenüber und... ähm..." Vielleicht sollte ich es einfach auf Chinesisch sagen? Nein, das war nicht nötig. Der Edle sollte stets den Mut haben, die Wahrheit zu sagen. Und er sollte nie zu stolz sein, einen Fehler einzugestehen. [SIZE=7]"Es tut mir leid."[/SIZE] "Ja, ganz toll, Marcus! Einfach flüstern! Das war ja mal echt mutig, das hat sie vermutlich nichtmal gehört!" "Es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen. Auch wenn ich als Herr natürlich... nein, ich darf jetzt keine Rechtfertigung suchen. Ich hätte das nicht tun sollen. Genau. Hätte ich nicht." Ich nickte nachdenklich, als müsste ich mir selbst bestätigen, was ich gerade gesagt hatte.
-
"WAAAS? DU WAGST ES..." Jetzt hatte ich tatsächlich geschrien. Ich spürte die Wut in mir aufsteigen und hatte bereits meine recht Hand erhoben, Zeige- und Mittelfinger aneinander gelegt ausgestreckt, um ihr erneut durch einen Schlag die Sprache zu rauben... und hielt inne. "Bestrafe niemanden dafür, dass dir etwas gesagt wird, was du nicht hören willst. Höre lieber zu!" schoss es mir durch den Kopf. Ich zitierte niemanden, es was mein eigener Gedanke. Die Muskelspannung der Hand, die drohend erhoben in die Luft ragte, hob ich auf und langsam nahm ich die Hand wieder herunter.
Einen Moment lang sagte ich nichts und sah sie nur an. Dann sagte ich, noch immer leicht wütend "Ich bin Jinshi, Beamter des Sohns des Himmels, Verteidiger von Recht und Ordnung! Ich bin mein Amt, mein Rang, meine Stufe! Meine Person ist unbedeutend!" Das war der Kodex, den ich angenommen hatte. Selbstaufgabe für das Reich. "Und ich bin nicht größen... wahn... [SIZE=7]sinnig...[/SIZE]"
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich verletzlich. Wer war ich? Vermutlich kannte Alsuna mich besser als ich mich selbst kannte. Nur konnte ich von ihr keine Hilfe erwarten. Die Wut war der Unsicherheit gewichen, aus der sie vermutlich auch entstanden war. "Und das mit deinem Hals..." Mein Stolz hielt mich davon ab, mich ernsthaft zu entschuldigen. Ja, es tat mir leid. Ja, ich war ungerecht. Aber das konnte ich unmöglich zugeben. "Du weißt ganz genau, was ich sagen will! Und schau nicht dauernd an mir vorbei! So häßlich bin ich nicht... oder doch? Ist auch egal... ach, verdammt!" Jetzt war ich wirklich unsicher.
-
Ich holte eine Schriftrolle hervor. "Juristen haben sicher etwas daran rumzunörgeln, aber es geht hier ums Prinzip. Zur Not kann sicher auch der Iuridiculus noch Klarstellungen hinzufügen." Irgendwie hatte ich das Gefühl, endlich mal an einen halbwegs normalen Menschen geraten zu sein.
Lex Rhakotis - Erster Entwurf§1 Geltungsbereich
Dieses Gesetz Erstreckt sich Ausschließlich auf das Stadtviertel Rhakotis in Alexandria.
§2 Zuordnung zu Gruppen
(1) Alle Bewohner eines Hauses werden als Gruppe betrachtet.
(2) Die Gruppe ist gemeinschaftlich für alle Straftaten und sonstige Gesetzesverstöße zur Verantwortung zu ziehen.§3 Meldepflicht von Straftaten
Jeder Bewohner von Rhakotis ist dazu verpflichtet, Straftaten unverzüglich den Behörden zu melden.
§4 Strafe für Nichtmeldung einer Straftat
Wer eine Straftat nicht meldet, wird so bestraft, als hätte diese Person die Straftat ebenfalls begangen.
§5 Umkehr der Beweislast
Angeklagte gelten so lange als schuldig, bis ihre Unschuld zweifelsfrei erwiesen ist.
"Ich werde dich gerne begleiten. Es muss endlich Ordnung in Rhakotis geschaffen werden! Es kann nicht sein, dass Rom einen rechtsfreien Raum innerhalb seiner Grenzen duldet."
-
"Die Khronika? Das ist ja praktisch. Ja, die könnte ich auch noch gut gebrauchen." Noch mehr Bücher in meinen Armen würden auch nichts mehr ausmachen. Ich war bereits jetzt überladen. "Ähm... kurze Frage, wie soll ich die eigentlich mitnehmen? Du hast nicht zufällig jemanden, der mir beim tragen helfen könnte. Immerhin muss ich am Tor noch mein Schwert abholen." Und kampfbereit sollte ich auch besser sein. Man konnte ja nie wissen.
-
Immerhin redete Alsuna Klartext. Das war etwas, das ich ihr durchaus positiv anrechnete. Auch wenn es eigentlich zu klar war. Ich dachte eigentlich, meinen Stolz so weit im Griff zu haben, dass ich mit Kritik umgehen konnte. Nur, dass Alsuna genau das kritisierte, was für mich am heiligsten war. Und das Schlimmste: Sie traf genau die Schwachpunkte, die ich ignorierte. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Ich hatte nie arrogant sein wollen, doch ich merkte, dass ich eigentlich die ganze Zeit über arrogant war. Das, was ich als wahr erachtet hatte, war die Wahrheit. Absolut. Ohne jeden Zweifel. Alle anderen irrten! Meine Deutung der Schriften war richtig, und zwar nur meine! Natürlich konnte das nicht sein, schließlich war ich kein Gott, aber das bedeutete nicht, dass ich einen Irrtum meinerseits zugeben würde. Vor allem, weil ich mir selbst nicht eingestehen konnte, falsch zu liegen.
"Wir sind also darin einig, dass wir uns nicht ausstehen können. Schön. Dann haben wir immerhin in einer Sache Einigkeit erzielt!" Meine Antwort war trotzig. Argumente hatte ich schon lange keine mehr. "Meine eigene Meinung ist unbedeutend. Ich bin auch unbedeutend. Du übrigens auch. Allein das Gemeinwohl hat Bedeutung. Und was meine Zitate anbetrifft: Vielleicht bin ich ja wirklich so einfältig, dass ich nur mit Zitaten leben kann? Vielleicht bin ich zu dumm, einen anderen Standpunkt einzunehmen? Schonmal daran gedacht?" Ich sah sie herausfordernd an. Zu meinem Schüler Stratocles äußerte ich mich absichtlich nicht. er würde die Akademie sicher gerne für mich am Laufen halten, aber ich hatte beschlossen, ihn aus der ganzen Sache heraus zu halten. Schließlich hatte er sein Leben in dieser Stadt noch vor sich. Da war Kontakt mit mir eher schädlich.
"Im Übrigen sehe ich überhaupt nicht ein, mich zu ändern, nur damit diese bornierten, oberflächlichen Griechen weiterhin in ihrer Fantasiewelt leben können! Sie kriegen nicht auf die Reihe, weil sie sich dauernd streiten, und halten sich für die Größten! Tolles Volk! Und so soll ich werden?" -
"Wenn ich es der Ekklesia erzähle, dann könnte ich es genauso gut einer Mauer oder der Wüste erzählen, das hätte den gleichen Effekt. Hast du schon mal mit denen zu tun gehabt, Praefecte? Den Griechen gefällt die Situation in Rhakotis ganz gut, so wie sie jetzt ist. Denn auf diese Art kann man die Ägypter leicht beeinflussen. Versprich ihnen etwas zu essen, und sie werden für dich auf die Straße gehen. Gib ihnen etwas Geld, und sie werden für dich töten. So sieht es aus. Eine Verschärfung der Gesetze in Rhakotis kann also gar nicht durch die Ekklesia kommen. Nein, alles, was ich davon hätte, wären mehr Feinde unter den Griechen. Die ersten habe ich mir schon durch meine Unterstützung Roms gemacht. Aber das tut hier nichts zur Sache. Warum komme ich also zu dir? Vor allem, weil es letztlich die Legion ist, die den Ärger ausbaden darf. Wenn die Lage in Rhakotis außer Kontrolle gerät, dann wird sicher nicht die Stadtwache eingesetzt. Und wenn ein Aufstand losbricht, dann vor allem in Rhakotis. Ein Blick in die Geschichte der Stadt genügt. Kurzum: Ordnung in Rhakotis bedeutet Ordnung in Alexandria. natürlich bliebe noch der Statthalter, aber ich denke nicht, dass er der Polis Gesetze aufzwingen wird. Jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Vielleicht hört er aber auf dich? Deshalb bin ich zu dir gekommen. Deshalb, und weil zumindest die Griechen glauben, dass du bereit bist, hart durchzugreifen. Und Rhakotis kann man nur mit härtester Hand regieren."
Ich sah den Römer fragend an, dann fügte ich noch etwas hinzu. "Was die Unabhängigkeit der Polis betrifft, möchte ich dir kurz meine Weltsicht schildern. Die Götter haben dem Kaiser ein Mandat zur Herrschaft gegeben. Dieses Mandat liegt bei ihm und damit bei Rom. Ägypten hingegen hat sein Mandat verloren. Deshalb ist es gut und richtig, dass Rom herrscht. Nur durch diese Herrschaft kann Ordnung in die Welt gebracht werden. Und nur durch Ordnung ist Zivilisation möglich. Davon profitieren dann alle, Römer und Nicht-Römer." Es war mein voller Ernst, das war erkennbar. -
"Der Mordfall in Rhakotis. Oder genauer, die Möglichkeit, das in Zukunft zu verhindern. Aber eins nach dem anderen. Wenn du gestattest, werde ich kurz die Optionen schildern, wie ich sie analysiert habe." Ich sah den Praefectus kurz fragend an, dann sprach ich weiter.
"Das Effektivste wäre es sicher, Rhakotis niederzubrennen und neu zu besiedeln. Damit hätte man dann erstmal ein paar Jahre Ruhe und außerdem würde es den anderen Bewohnern Alexandrias ein Exempel sein. Das Problem dabei ist es aber, dass danach die Wirtschaft Alexandrias zusammenbricht. Dann brechen die daraus resultierenden Einnahmen für den Kaiser weg, was diesen sicher nicht erfreut. Damit fällt diese Option heraus.
Die nächste Option wäre es, Rhakotis unter Kriegsrecht zu stellen. Dann regen sich die Griechen auf, weil ja auf einmal Kriegsrecht in ihrer statt herrscht, es gibt großes Gezeter, vielleicht sogar einen Aufstand, die Wirtschaft bricht zusammen... naja, da waren wir schonmal.
Und jetzt kommen wir zu meinem Vorschlag: Eine Änderung der Gesetze, die sich nur auf Rhakotis bezieht. Und die gültig ist ab dem Tag, an dem der römische Offizier ermordet wurde. Mir schweben da ein paar einfache Paragraphen vor, die sehr schnell zu einer deutlichen Abnahme der Gewalt in diesem unruhigen Viertel führen würden. Die wichtigsten sind folgende: Wenn jemand Zeuge einer Straftat wird, und diese nicht meldet, so wird er bestraft, als hätte ers ie ebenfalls begangen. Und zweitens: Alle Bewohner eines Hauses werden gemeinschaftlich bestraft. Und zu guter letzt eine Umkehr der Beweislast. In dubio contra reo. Dann muss man das nur noch konsequent umsetzen und man hat binnen weniger Wochen alle Unruhestifter erledigt - und auch all jene, die die Unruhestifter decken." -
Die vier Wachen brachten mich zum Officium Praefecti. Dort wurde meine Anwesenheit gemeldet und ich wartete, ob mich der Praefectus empfangen würde. Die Wachen beobachteten dabei jede meiner Bewegungen, fast so, als erwarteten sie, dass ich jeden Moment etwas ziemlich Dummes machen würde. Ich hingegen blieb ruhig, fast regungslos stehen, während ich wartete.
-
"Nun, ganz ernsthaft, wir brauchen keine starke Truppe. Die Legionen lassen sich prinzipiell auch in Alexandria einsetzen. Wie dem auch sei... am besten sprechen wir uns mal in meiner Akademie. Möglichkeiten zur Verbesserung gibt es ganz sicher. Man muss nur suchen." Ich lächelte höflich. "Nun, wie dem auch sei, ich denke, dass ich genug von deiner Zeit geraubt habe."
-
Ich nickte Anthi zu. "Chaire Agoranomos Ànthimos Bantotakis. Mir geht es soweit ganz gut. Und selbst?"
Dann gesellte ich auch Cleonymus dazu. "Chaire Kosmetes Cleonymus. Ich bin eigentlich - man mag es nicht glauben - zum Trainieren hierher gekommen. Als ich euch alle dann gesehen habe, dachte ich, dass ich mich mal dazu geselle. Du hast nicht zufällig noch ein paar Eimer und eine Stange für mich übrig?"
-
"Selbstverständlich. Anders würde ich es auch nicht handhaben. Mein Schwert ist am Sattel des Pferdes befestigt. Andere Waffen trage ich nicht. Ich würde das Pferd dann hier an der Porta zurücklassen wollen und wieder abholen, sobald ich zurück gebracht wurde. Sofern das möglich ist." Ich breitete die Arme aus, damit mich die Soldaten durchsuchen konnten.
-
Ich hatte meine beste Kleidung angezogen und mir ein Pferd ausgeliehen, um möglichst schnell zum Legionslager zu kommen. Nachdem ich erfahren hatte, dass ein römischer Offizier in Rhakotis ermordet worden war, sah ich meine Chance, diesem Viertel Ordnung und Gesetz zu bringen. Mit Hilfe der Legion. Die Rüstung hatte ich zu Hause gelassen, das Schwert war am Sattel befestigt. So konnte ich das Pferd einfach am Eingang lassen. Vor den Wachen angekommen, stieg ich vom Pferd. "Salve. Ich bitte um eine Audienz beim Praefectus Legionis. Es ist wichtig. Es geht um den Fall in Rhakotis."
-
"Schön. Wie du willst." Ich nahm das Schriftstück und zündete es an. Langsam brannte es ab, während ich ihm dabei zusah. Schließlich sah ich Alsuna wieder an. "Und wie soll das jetzt weiter gehen? Ich habe nicht vor, dich zu erschlagen, aber garantieren kann ich dafür nicht. Und du kannst mich nichtmal ansatzweise ausstehen. Also, wie stellst du dir das vor?"
-
Ich hatte mich ins Gymnasion begeben, um ein wenig zu trainieren. Vor allem wollte ich laufen. Meine Rüstung war unter der Kleidung versteckt und ich hatte nicht vor, das beim Training zu ändern. Zu meiner großen Verwunderung sah ich Cleonymus mit Eimern laufen. Ich kannte diese Übung nur zu gut, wenn auch in abgewandelter Form.
"Das ist recht einfach, so lange man keine Hügel und Treppen hochlaufen muss. Zu dumm, dass hier keine Hügel sind." Mein Kommentar war eher neutral gehalten, immerhin wollte ich hier niemanden beleidigen. Natürlich hatte mich erstmal nur Cleonymus kommen sehen können, weil die anderen nicht in meine Richtung sahen, so dass sich die anderen erst zu mir umdrehen mussten. "Ach ja, einen guten Morgen wünsche ich."
-
Ich folgte in die Bibliothek und war beeindruckt. Welch ein Hort des Wissens, und das alles im Besitz einer einzigen Person!
"Dieser Raum mit Gold gefüllt könnte von Wert nicht mit dem mithalten, was ich hier sehe. Denn während Gold nur gülden glänzt, sind diese Werke gefüllt mit Wissen und Weisheit." Ein leichtes, entzücktes Lächeln zierte mein Gesicht.
Schließlich fasste ich mich wieder. "Die Theogonia des Hesiod wäre für die fortgeschritteneren Schüler wichtig. Das Wissen um die Götter ist schließlich von großer Bedeutung für zukünftige Epheben. Die zwölf Bücher "Peri theon" des Apollodor von Athen wären auch nicht schlecht."
Dann sah ich mich vorsichtig um, damit ich nicht aus Versehen etwas beschädigte.
-
"Nur ein Idiot zieht in eine Schlacht, die er nicht gewinnen kann." Diesen Satz hatte mir mein Schwiegervater als Ratschlag mitgegeben, als ich meinen Posten als Stadtpräfekt in Han erhielt. Ich sah nachdenklich vor mich hin, ohne den Blick zu fokussieren. Schließlich sagte ich "Ich ziehe den Antrag zurück. Er wird sowieso scheitern. Zumindest brauche ich dann auch nicht bei der Ekklesia meine Stimme zu erheben. Dann mache ich mir wenigstens keine weiteren Feinde." Ich lächelte kurz zynisch.
"Doch kommen wir zu etwas anderem. Du hattest gesagt, dass du ein paar Bücher entbehren könntest?"
-
Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit! Was war denn das? Wieso wollte sie nicht die Freiheit? Jeder wollte doch frei sein, obwohl so etwas wie echte Freiheit nicht existieren konnte, weil jeder irgendwelche Verpflichtungen hatte. Nichtsdestotrotz war das eine Antwort, die irgendwie keinen Sinn ergab. Und was sollte dieses "am Ende doch nur darauf hinaus, dass du deinen Willen bekommst"? Alsuna verwirrte mich. Was wollte sie? Was? Das ganze war doch absurd? WAS um alles in der Welt wollte sie?
Ich lehnte mich zurück. "Und was willst du dann?" Das war wohl die einzige Möglichkeit, es zu erfahren. Obwohl sie diese Frage vermutlich nicht beantworten würde. Da hatte ich eigentlich keine Hoffnung. "Es macht doch gar keinen Sinn! Willst du dein Leben lang eine Sklavin sein? Du bist eine intelligente, schlagfertige Frau. Wieso willst du nicht die Freiheit? Hast du Angst, in der Freiheit klar zu kommen? Wieso? Du bist gebildet und weißt dich durchzusetzen. Denk noch einmal darüber nach."
-
Nach einem nachdenklichen Nicken meinte ich schließlich "Das können wir ändern. Folge mir einfach." Dann ging ich die Stufen zur großen Halle hoch, durchquerte das Gebäude und ging in die Bibliothek. Ich sah dabei nicht zurück. Ob Alsuna mir folgte oder nicht war mir auch erstmal egal. Ich nahm ein Blatt Papier und den Tuschestein sowie einen dünnen Pinsel, dazu etwas Wasser, um die Tusche schreibfähig zu machen.
Nachdem ich alles auf einen Tisch gestellt hatte, setzte ich mich davor und breitete zunächst die Arme aus, um sie dann so über den Tisch zu bewegen, dass ich nicht aus Versehen mit den Ärmeln über das Papier oder die Tusche kommen würde. Dann nahm ich den Pinsel und tauchte ihn in die Tusche. Ich schrieb sehr langsam, weil ich die Zeichen als Kalligraphien malte. Ich schrieb in zwei Spalten, links in Attisch und rechts das Gleiche nochmal in chinesischer Kanzleischrift.
Schließlich war der Text fertig.
Hiermit erkläre ich, Marcus Achilleos, dass Alsuna keine Sklavin ist, sondern vielmehr eine freie Person. Sie ist mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet, die dieser Status gemäß den Gesetzen der Polis Alexandreia mit sich bringt.Natürlich füllte das bei weitem nicht das ganze Blatt. Doch zunächst suchte ich meinen Siegelstempel, dann benetzte ich ihn mit Tusche und setzte das Siegel unter den Text:
Hiermit erkläre ich, Marcus Achilleos, dass Alsuna keine Sklavin ist, sondern vielmehr eine freie Person. Sie ist mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet, die dieser Status gemäß den Gesetzen der Polis Alexandreia mit sich bringt.[Blockierte Grafik: http://www-public.rz.uni-duesseldorf.de/~anfun001/Siegel.jpg]
Das ganze mutete mehr wie ein bürokratischer Akt an, den ich täglich zig-mal durchführte. Ich war in dieser Situation voll und ganz Beamter. Nachdem die Tusche getrocknet war, reichte ich Alsuna das Schriftstück. "Lies es dir genau durch. Wenn du Änderungen haben möchtest, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt."
-
Alsunas Zynismus war langsam unerträglich, aber aus einem mir unerfindlichen Grund kämpfte ich meinen Ärger herunter und blieb erstmal regungslos stehen. Dann gab ich ihr mit der rechten Hand ein Zeichen. Das Zeichen, das man im Militär gibt, um einen Halt zu befehlen. Eigentlich ein ziemlich eindeutiges Zeichen. Kein Wort, nur dieses eine Zeichen. Ob sie es verstand, wusste ich nicht. Langsam ließ ich die rechte Hand wieder sinken. Und drehte mich immer noch nicht um.
Ich atmete ein paar mal tief durch, dann drehte ich mich langsam um. "Also gut, von freiem Mensch zu freiem Mensch: Was würdest du an meiner Stelle machen, Alsuna?" Meine Stimme war ruhig, ebenso meine Mimik.