Aufträge hörten sich immer interessant an, deshalb hatte ich mich auch recht schnell nach Erhalten des Briefes mit versteckter Rüstung unter der Kleidung und gegürtetem Schwert auf den Weg zum Haus des Orientalen gemacht. Ich klopfte an die Tür und wartete.
Beiträge von Marcus Achilleos
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"Ich habe dir erlaubt zu tun, was du willst. Das ist richtig. Mir war nur nicht bewusst, dass das hier so viel bedeutet wie "Provoziere mich, bis ich die Selbstbeherrschung verliere!" Aber gut, das weiß ich ja jetzt. Ich habe jetzt die Rechte und Pflichten definiert. Eine Sache kommt noch hinzu: Behandle mich mit Respekt und ich werde dich ebenso behandeln. wenn nicht, dann halt nicht. Deine freie Entscheidung."
Ich ging zu der Ecke, in der mein Schwert stand und nahm es. Dann ging ich zur großen Halle. Auf den Stufen drehte ich mich noch einmal um. "Wenn du das Zeug noch essen willst, dann solltest du selbst darauf aufpassen, dass es nicht zerkocht. Mir ist es egal, ich habe keinen Appetit mehr."
Dann ging ich durch die große Halle und den inneren Hof in die Meditationshalle. Ich erwartete kein Verständnis oder Nettigkeiten, aber ich erwartete Respekt. Das war das Mindeste, was ich erwarten konnte. Und in der Hinsicht hatte mich Alsuna enttäuscht. Offenbar war es doch nicht gut, Sklaven wie Familienmitglieder zu behandeln. Aber gut, ab sofort war sie Untertanin. Und das änderte nun einige Dinge grundsätzlich.
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Ich sah auf sie herunter, beobachtete, wie sie nach Luft holte. Hätte ich es gewollt, würde sie ersticken. Aber das wollte ich nicht.
"Und das ist das Dumme an Idioten: Sie wissen nicht, wann sie die Klappe zu halten haben." Eigentlich ließ ich mich nicht zu solchen Kommentaren hinreißen, aber Alsuna hatte den Bogen deutlich überspannt.
"Wie dem auch sei, ich definiere hiermit vorläufig Rechte und Pflichten: Du hast das Recht, das dir zugewiesene Zimmer zu bewohnen. Du hast das Recht, am Mittagessen teilzunehmen. Darüberhinaus hast du auch das Recht, täglich ein dünnes Fladenbrot zu erhalten. Du hast das Recht, Wasser aus der Zisterne zu schöpfen, um deinen Durst zu stillen. Außerdem das recht auf Benutzung des Bades und der Latrinen. Dafür habe ich die Pflicht, dir diese Rechte zu gewähren, so lange ich dich nicht verstoße. Du hast nicht das Recht, das Vorratsgebäude ohne Erlaubnis zu betreten. Du hast auch nicht das Recht, ohne Erlaubnis zu kochen. Du hast nicht das Recht, den Ahnentempel, die Meditationshalle oder gar meine Wohnung zu betreten. Du hast auch kein Anrecht darauf, dass ich dir irgend etwas kaufe, sei es Kleidung oder sonst irgend etwas.
Du hast die Pflicht, dich vor mir zu verneigen, wenn du mich siehst. Du hast die Pflicht, mich mit Jìnshì anzusprechen. Du hast auch die Pflicht, dich auf den Boden zu werfen und zu verneigen, wenn ich ein Gesetz verlese, ganz gleich in welcher Sprache. Solltest du dich nicht vor mir oder beim Verlesen eines Gesetzes so verneigen, wie ich es soeben definiert habe, habe ich das Recht, dir deinen Kopf vor die Füße zu legen.
Weitere Rechte und Pflichten gibt es nicht! Wenn du Kleidung brauchst, musst du dir das Geld verdienen. Beispielsweise indem du hier putzt oder den Garten einrichtest. Aber du wirst diese Tätigkeiten nur dann ausführen, wenn du dazu meine Erlaubnis hast. Überhaupt wirst du in dieser Akademie nur dann etwas machen, wenn ich es dir erlaube.Hast du das soweit verstanden?"
Ich hatte die Definitionen mit strenger Stimme und ebenso strenger Miene vorgetragen. Es war einem Gesetz recht ähnlich. In der Tat war Alsuna nun mit sehr ähnlichen Rechten und Pflichten wie ein Untertan ausgestattet. Und ich hatte sehr ähnliche Rechte zu einem hohen Beamten.
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Unmittelbar nach Alsunas letztem Wort schnellte ich nach vorne und schlug mit der Handkante gegen ihre Kehle. Nicht so hart, dass sie davon einen bleibenden Schaden behalten würde, aber hart genug, dass ihr erstmal die Luft wegbleiben würde. Dann stellte ich mich zwei Schritt weit entfernt vor sie. Ich zeigte keinerlei Gefühlsregung, auch nicht in meiner Stimme.
"Deine Zusammenfassung ist fehlerhaft. Ich bin weder ein Betrüger, noch ein Lügner, noch ein Feigling und schon gar kein halber Deserteur. Denn ich kehre wieder zurück nach Han, in ein paar Jahren. Allerdings bin ich ein Fanatiker."
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"Nun, wie du sicher weißt, bekam ich neulich recht seltsamen Besuch. Sie waren gekleidet wie Ägypter, sprachen wie Hellenen, hatten auch Gesichtszüge wie Hellenen und versuchten mich umzubringen. Was eine ziemlich schlechte Idee war." Ich redete völlig emotionslos. "Kurzum, die kamen wohl eher aus dem Broucheion als Rhakotis. Und nun frage ich mich, ob die Akademie schützenswert ist oder nicht. Anders ausgedrückt: Wenn meine Arbeit dort sinnvoll ist und der Polis nutzt, dann wäre ich für die Positionierung von ein, zwei Stadtwächtern. Wenn nicht, dann werde ich die Akademie aufgeben. Ich habe schließlich keine Freude daran, jeden zu töten, der mich angreift."
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Ich verneigte mich kurz. "Sagen wir es so: Ich erfreue mich weitaus besserer Gesundheit als manch andere Personen, denen ich in letzter Zeit begegnet bin. Und wie geht es dir so, Strategos?"
Ich blieb erstmal kryptisch. So konnte ich auch gleich herausfinden, wie gut die Kontakte des Strategos nach Rhakotis waren und ob er schon von dem Überfall auf mich gehört hatte.
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Für einen kurzen Moment blitzte Zorn in meinen Augen, dann atmete ich einmal tief durch und unterdrückte jede weitere Gefühlsregung. Statt dessen sprach ich mit ruhiger, neutraler Stimme.
"Was mich aus Han vertrieben hat war meine eigene Macht. Oder sagen wir es anders: Ich habe die Korruption in meiner Stadt bekämpft, und das sehr effektiv. Damit habe ich mir natürlich Feinde gemacht. Irgendwann sind die dann zu weit gegangen. Unmittelbar nach dem Tod meiner Frau verbündeten sie sich mit einigen Nomaden jenseits der Grenze. Ich bekam das mit. Und handelte. Ich griff die Nomaden an, bevor sie angreifen konnten, und ließ alle töten, die mit einer Waffe angetroffen wurden. Wenn ein Kind eine Waffe hielt, und wenn es nur ein Messer war, wurde es getötet. Das galt auch für Frauen und Greise. Die Namen der Verschwörer erhielt ich von denen, die damit ihre Familien schützen wollten. in der Tat kannte ich mit ihnen Gnade und ließ sie ziehen."Mein Blick war hart, ohne jedes Gefühl.
"Zurück in der Stadt ließ ich alle Verschwörer mitsamt ihren Familien verhaften. Ich fand ein altes Gesetz, das nie aufgehoben wurde. Es erlaubte die Hinrichtung der gesamten Familie eines Verräters. Also verurteilte ich die ganzen Familien zum Tode. Die Hinrichtungen fanden so statt, dass die Eltern den Tod ihrer Kinder mitansehen mussten und dann die Männer den Tod ihrer Frauen. Frauen und Kinder wurden enthauptet, die Männer zum Schluss gevierteilt. Ich habe das Urteil nicht gerne gefällt, aber es war notwendig! Es war notwendig, weil man nur mit eiserner Härte die Gesetze durchsetzen kann. Ich wache immer noch hin und wieder nachts auf und sehe die Hinrichtungen, höre das Flehen um Gnade, sehe die Verzweiflung und Trauer in den Gesichtern der Männer!
Deshalb habe ich Han verlassen, um nicht noch mehr Menschen zu töten. Denn der Erfolg gab mir recht. Dem Kaiser gefiel meine Effizienz. Er hatte mir angeboten, mich als kaiserlichen Kontrollbeamten für eine Provinz zu ernennen. Für eine Provinz, die für ihre Korruption bekannt war. Vermutlich ist sie es noch immer. Ich bat ihn darum, in meine Heimat reisen zu dürfen, um meine Eltern zu besuchen. Danach würde ich zurückkehren. Ich bin also immer noch Beamter. Zwar Beamter im Exil, aber Beamter. Deshalb führe ich diese Schule. Sobald ich zurückkehre, werde ich eine Provinz von Korruption reinigen. Mit viel Blut. Ich weiß, dass dieser Weg mich meine Seele kosten wird. Deshalb will ich ihn herauszögern.
Was meinen Selbsterhaltungstrieb angeht: Ich habe keinen mehr, weil ich nichts mehr zu verlieren habe. Meine Eltern und anderen Verwandten habe ich nie gehabt, weil ich kein reinrassiger Grieche bin. Meine Frau und meinen Sohn hat mir Hades genommen. Und den Seelenfrieden habe ich mir selbst genommen, wenn auch im Kampf für die Harmonie des Staates. Genauso wenig, wie ich mein eigenes Leben schone, schone ich andere Leben. Ich kenne keine Gnade. Ich kenne nur Notwendigkeit."
Gerade die Abwesenheit jedweder Gefühlsregung war das Gefährliche an mir. Ich explodierte nicht, ich handelte einfach. Wenn ich es für notwendig hielt, ein Exempel zu statuieren, tat ich es schlichtweg.
"Was dich anbetrifft: Du bist genauso wertlos und unbedeutend wie jeder andere Mensch, inklusive mir selbst. Jeder ist ersetzbar. Selbst Kaiser sind ersetzbar. Aber... du willst die Angebliche Freiheit haben? Nur tun, wozu du Lust hast? Schön, kannst du haben. Du bist von allen Pflichten freigestellt. Bis auf weiteres. Tu was du willst."
Ich nahm den Topf mit dem Reis vom Ofen und stellte den mit den Linsen darauf. Langsam rührend blieb ich davor stehen.
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Zitat
Original von Thimótheos Bantotakis
Isokrates:Isokrates war ganz neu im Haushalt der Bantotaken. Thimótheos hatte ihn erst vor wenigen Tagen auf dem Sklavenmarkt erstanden - zu einem ziemlich günstigen Preis sogar - und nun war ihm die Aufgabe des Ianitors, also des Türhüters, übertragen worden.
Als es nun klopfte, öffnete er die Porta und erblickte einen äußerst merkwürdig wirkenden Mann. Verdutzt schaute er diesen an und überlegte, ob er Griechisch, oder Lateinisch mit ihm reden sollte. Isokrates entschied sich für Griechisch und begrüßte den Mann höflich, aber vorsichtig. Wer weiß, was dieser komische Typ wollte.
"Chaire. Wer bist du und was kann ich für dich tun?""Chaire. Mein Name ist Marcus Achilleos. Ich wünsche den Strategos Thimótheos Bantotakis zu sprechen. In einer semi-offiziellen Angelegenheit."
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Der Überfall auf die Akademie - oder genauer auf Matrinius und mich, primär vermutlich auf mich - war nun einen Tag her und ich war mir sicher, dass ich die Akademie auf Dauer nicht halten können würde. Jedenfalls nicht ohne Hilfe. Ich hätte sicher Cleonymus fragen können, den er kannte garantiert einige Leute in Rhakotis, aber ich wollte mich zuerst an den amtierenden Strategos wenden. Da ich aber nicht offiziell anfragen wollte, suchte ich ihn also privat auf. Als Bittsteller sozusagen.
Der Weg hierher war interessant gewesen. In Rhakotis hatten mir die Menschen Platz gemacht, einige hatten sich sogar vor mir verneigt. Der Ruf, unbesiegbar zu sein, schien ihnen zu imponieren. Doch lag das nicht in meiner Absicht, irgendeine Machtposition in Rhakotis aufzubauen. Das würde dann nur diejenigen gegen mich aufbringen, die dort bereits Macht besaßen.
So stand ich also vor der Tür. Ohne versteckte Rüstung, aber seltsam gewandet wie immer und mit dem Schwer locker in meiner linken Hand, stets bereit, es zu ziehen. Ich klopfte dreimal und wartete.
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Ich hatte natürlich am Anfang nicht daran gedacht, die Akademie der Umgebung entsprechend zu sichern. Allerdings hatte ich da auch nicht damit gerechnet, dass ich so mit den Griechen aneinander geraten würde, wie es nun mal geschehen war. Ich sollte die Gelegenheit nutzen, jetzt das ganze Thema einmal durchzusprechen.
"Ich denke, du solltest ein paar Dinge über mich wissen. Ich bin in Athen aufgewachsen. Meine Mutter gehört zu einer angesehenen Athener Familie. Mein Vater ist - war allerdings Römer. Und weil mein Großvater, dieser bornierte attische Patriot, keine Heirat mit einem Römer erlauben wollte, durfte ich als Bastard aufwachsen. Und mich fast täglich von meinem Großvater demütigen lassen. Man soll allem etwas Positives abgewinnen. Mich hat meine Jugend hart gemacht. Ich kann vermutlich mehr Demütigungen vertragen als selbst die Ägypter. Als ich die Ephebia hinter mich gebracht hatte, schloss ich mich einer Handelskarawane nach Parthien an. Dort schloss ich mich einer weiteren Karawane an, und dann noch einer, bis ich im fernen Reich Ch'in angekommen war. Die Einwohner ziehen aber den Name Han vor. Aber das tut nichts zur Sache.
Ich wurde von einem Provinzstatthalter als Schüler angenommen und in Staatsphilosophie, Kriegskunst, Kampfkunst, aber vor allem auch der Sprache unterrichtet. Nach sieben Jahren als Schüler meldete ich mich zu den staatlichen Prüfungen. Ich bestand sie alle, bis hinauf zur Reichsebene. Und glaube mir dies, ich habe nie zuvor härtere Prüfungen erlebt. Und auch nie danach. Manchmal hat es genügt, ein einzelnes Schriftzeichen falsch zu schreiben, um durchzufallen.
Danach wurde ich Statthalter einer Grenzstadt mitsamt dem umgebenden Gebiet. Die Reitervölker waren eine ständige Bedrohung, aber ich habe sie in vier Schlachten besiegt. Immer kämpfte ich ganz vorne mit, niemals wurde ich ernsthaft verwundet. Das liegt ganz sicher auch an meiner Ausbildung zum Schwertkämpfer. Und an meinem Schwert."Die Tatsache, dass ich meine Frau und meinen Sohn verloren hatte, verschwieg ich lieber. Ebenso verschwieg ich, dass ich meine Feinde in damals mitsamt ihren Familien hinrichten ließ.
"Danach bin ich durch Indien gereist. Die Staatsphilosophie in Ch'in hat die Bildung über alles gestellt. Durch Bildung konnte man prinzipiell vom Bauern zum Berater des Kaisers aufsteigen. Aber mehr noch, durch Bildung wird der Mensch veredelt. Ich bin von dieser Philosophie überzeugt, auch wenn sie noch Ergänzungen benötigt. Es geht mir darum, den Menschen Chancen zu eröffnen. Aber, ja, es hat auch den Beigeschmack von Hochmut. Ich weiß, dass ich mich implizit für etwas Besseres halte, wenn ich glaube, diesen Menschen Bildung bringen zu müssen. Ich weiß auch, dass ich damit automatisch mit denen aneinander geraten muss, die davon profitieren, dass diese Menschen keine Chancen auf ein besseres Leben haben."
Ich sah Alsuna eindringlich an. "Aber soll ich sie wieder sich selbst überlassen? Nur um mich zu schützen? Oder um uns zu schützen? Ich habe um die zwanzig Schüler. Zwanzig sind mehr als zwei. Ich kann nicht das Wohl der Minderheit über das Wohl der Mehrheit stellen. Es widerspricht meinem Sinn von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft."
"Vielleicht sollte ich die Mauern erhöhen und mit Speerspitzen sichern," sagte ich, während mein Blick zu einer Mauer schweifte. "Oder die Stadtwache um Schutz bitten. Ich weiß es nicht. Ich habe keine Strategie. Es gibt Dinge, die hätte ich vorher bedenken sollen. Andererseits hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass die Gegend hier so schlimm ist. Vor allem nicht an diesem spezifischen Ort, nur einen Block vom Serapeion entfernt. Möglicherweise war es mir auch egal, weil mir mein eigenes Wohl ziemlich egal ist."
Mein Blick lag wieder auf Alsuna. "Dein Wohl ist mir aber nicht egal." Ein kurzer Moment der Stille. "Nun, jedenfalls weißt du jetzt über meine Beweggründe bescheid."
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So ganz ohne Talent zum Kochen war Alsuna scheinbar nicht. Jedenfalls schälte sie die Äpfel wie ein Profi. Das war schon mal gut, dann brauchte ich mir darum keine Gedanken zu machen. Wenn ich nur wüsste, woran sie dabei dachte, denn es war schon zu erkennen, dass ihr etwas durch den Kopf ging. Dann teilte sie glücklicherweise ihre Gedanken. Es gefiel mir, dass sie offen sprach und diese leichte Schärfe in ihrer Stimme zeigte, dass sie wohl doch auch ihren eigenen Kopf haben konnte. Der Zynismus in ihren Worten hatte auch etwas für sich. Ganz nebenbei hatte es den gewünschten Effekt, dass ich jetzt auch das Problem erkannte.
Ich war es so sehr gewohnt, nur für mich selbst und ein paar Dinge verantwortlich zu sein. Für Menschen - und da machte ich keinen Unterschied, ob es sich nun um Sklaven oder Freie handelte - war ich schon lange nicht mehr verantwortlich gewesen. Dabei hätte ich da auch selbst drauf kommen müssen, dass ich jetzt natürlich auch für Alsuna zu sorgen hatte. Vor allem, wo ich das Verhältnis zu ihr doch dem Verhältnis von Herrscher zu Untertan gleichgesetzt hatte. Ich herschte über sie, aber dafür musste ich auch für ihre Sicherheit sorgen. Es war vielleicht nicht mit dem himmlischen Mandat eines Kaisers vergleichbar, der für ein ganzes Reich zu sorgen hatte, aber es war doch irgendwie eine Art himmlisches Mandat im Kleinen oder eher im ganz Kleinen. Ich war für ihren Schutz verantwortlich. Nur ich. Diese Pflicht musste ich erfüllen oder sie freilassen. Aber freilassen könnte ichs ie auch nur, wenn ich ihr genügend Mittel - materieller wie immaterieller Art - mitgeben würde, dass sie auch alleine klarkommen würde. Das war aber nicht der Fall. Außerdem hatte ich mich nie vor Verantwortung gedrückt.
"Ich verstehe," sagte ich ernst. "Und ich muss zugeben, dass ich das nicht bedacht habe. Das Tor soll ab sofort verschlossen sein, wenn ich nicht da bin. Auch in der Nacht soll es verschlossen sein. Allerdings wäre dann ein Ianitor nicht schlecht. Am besten jemand, der kämpfen kann. Ich werde mich bei Gelegenheit mal auf dem Markt umsehen. Oder eher jemanden anheuern? Hmm... was denkst du?"
Die Sache mit dem Flötenspiel war nun fast untergegangen, aber das Thema wollte ich nicht gänzlich außer acht lassen. "Dein Flötenspiel ist sicher nicht mit meinem vergleichbar. Wenn du durchschnittlich spielst, dann ist deines um einiges besser als meines." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich war nie besonders gut darin, aber zumindest wurde es noch nie als Folter angesehen."
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"Mein Schwert... nun, ich könnte natürlich sagen, dass es mein Recht als Jìnshì ist, ein solches Schwert zu tragen. Und dass ich es deshalb dauernd trage. Das wäre aber gelogen. Zumindest hier in Alexandria habe ich am Anfang das Schwert auch nicht permanent getragen. Aber die Dinge ändern sich. Mit der Tür hat es jedenfalls nichts zu tun. es hat mehr etwas damit zu tun, sich jederzeit wehren zu können. Wenn mich jemand umbringen will, dann stellt das Tor kein Hindernis da. Man kann es aufbrechen oder über die Mauer klettern. Gerade beim Klettern über die Mauer würde man noch nicht einmal Lärm machen. Ein Tor ist also kein ernstzunehmendes Hindernis. Warum sollte ich es dann schließen? Es genügt, wenn ich es nachts schließe. Ganz abgesehen davon ist ein offenes Tor ein deutliches Zeichen von Macht. Ich zeige damit jedem, dass ich mich vor niemandem fürchte. Außerdem zeige ich damit auch jedem, dass alle, die in friedlicher Absicht kommen, willkommen sind. Wenn nun doch einer ankommt und mich angreifen will..." Ich zuckte mit den Schultern. "Nur zu. Ich bin bisher noch nie besiegt worden. Wer unbedingt sterben will, der möge sterben. Ich für meinen Teil ziehe das Leben dem Tod vor, aber das ist eine individuelle Entscheidung."
Ich betrachete Alsuna beim Schälen der Äpfel. "Um deine Frage explizit zu beantworten: Die Tür ist stets offen, weil ich niemanden abweise. Das Schwert trage ich aber, weil ich mich immer verteidigen können will."
Nach einem Moment des Nachdenkens wechselte ich das Thema. Nachher würde ich sonst noch auf die Idee kommen, meine Meinung entweder zum offenen Tor oder zum Schwert zu ändern. "Kannst du gut Flöte spielen?" Ich konnte es nämlich nicht. Aber das würde Alsuna noch herausfinden.
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Ich hörte Nikolaos aufmerksam zu. Ich schätzte seinen Verstand, auch wenn ich es ihm noch nie gesagt hatte. Schließlich lächelte ich kurz, jedoch ohne dass meine Augen dieses Lächeln teilen würden.
"Ich danke dir für deine klare Analyse, Nikolaos. Mir war durchaus bewusst, dass es schwierig ist, jemandem die Kenntnis einer Straftat nachzuweisen. Es geht auch nicht so sehr darum, diejenigen durch die Stadtwache jagen zu lassen, die vielleicht etwas von einem Verbrechen wissen könnten. Die Stadtwache soll vor allem die Verbrecher jagen. Aber, und das ist wichtig, wenn bekannt ist, dass jemand Zeuge eines Verbrechens ist, und diese Person dennoch nichts sagt und nicht mit den Behörden kooperiert, dann ist es gut, ein solches Druckmittel zu besitzen. Dieser Paragraph richtet sich vor allem gegen die Gleichgültigkeit in Rhakotis. Wenn dort jemand überfallen und vielleicht sogar getötet wird, dann wissen die Anwohner durchaus, wer das war! Aber sie sagen nichts. Nicht so sehr aus Angst als vielmehr aus Desinteresse! Und natürlich, weil ihnen daraus kein Schaden entsteht. Droht ihnen ein Schaden, dann werden sie es sich eher überlegen.
Dass hier die Söhne ihren Vätern nicht mehr die nötige Verehrung entgegen bringen, ist bedauerlich. Es ist bedauerlich und ich habe das nicht bedacht. Das ist wohl ein deutlicherer Schwachpunkt dieses Gesetzes." Ich schüttelte leicht den Kopf.
"Ob ich mir damit noch mehr Feinde mache, kümmert eigentlich reichlich wenig. Erst gestern hat eine Gruppe von Männern versucht, mich in meiner Akademie umzubringen. Erfolglos, wie du siehst. Ich konnte sie leider nicht mehr befragen, weil ich im Kampf keine Gnade kenne. Wenn du einen Kampf unbeschadet überleben willst, musst du den Gegner schneller ausschalten, als er dich verletzen kann. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass es sich um Hellenen handelte. Sie waren zwar gekleidet wie Ägypter, aber ihre Waffen waren von viel zu hoher Qualität und sie sprachen miteinander Koiné. Akzentfreies Koiné. Es würde mich schon sehr wundern, wenn es sich dabei um Ägypter handelte.
Aber das macht eigentlich nichts. Zweimal wurde ich damit schon überfallen, und beide Male habe ich es überlebt. Dadurch entsteht der Eindruck, ich sei unbesiegbar. Die Ägypter machen inzwischen auf der Straße für mich Platz, wenn sie mich sehen. Einige verbeugen sich sogar. Stärke verleiht Macht in Rhakotis. Doch werde ich diese Macht nicht nutzen. Es genügt, dass nun etliche potentielle Attentäter davor zurückschrecken werden, mich anzugreifen. Einfache Mathematik... bisher hat kein Angreifer überlebt. Obwohl sie stets in Überzahl waren." Ein kaltes Lächeln legte sich auf mein Gesicht. Es hatte etwas Raubtierhaftes.
"Kommen wir aber wieder zurück zu dem Gesetzesantrag. Vielleicht ist eine solche Provokation der Polis geeignet, eine Diskussion anzustoßen? Eine Diskussion über Kriminalität und die Bekämpfung derselben. Eine Diskussion, die die Bürger vielleicht etwas mehr auf ihre Mitbürger achten lässt - im positiven Sinne. Was denkst du? Gebe ich mich einer Illusion hin?" Ich lächelte unvermittelt und schüttelte leicht den Kopf. "Ich gebe mich ganz sicher einer Illusion hin, aber vielleicht ist es sogar eine Illusion, wenigstens einen einzigen Menschen zu verbessern? Bin ich so weltfremd?" Meine Stimme war sanft und leicht resigniert.
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Ich lächelte höflich und verneigte mich leicht. "Es freut mich, dass ich dein Gast sein darf, werter Nikolaos. Danke, etwas zu essen oder zu trinken ist nicht notwendig. Bevor wir uns den Büchern widmen, würde ich gerne zuerst mit dir über meinen Gesetzesvorschlag sprechen. Du hast ihn dir sicher schon durchgelesen und auch die Schwachpunkte schon gefunden. Schließlich kennst du die Alexandriner schon länger als ich das tue." Außerdem versuchten sie nicht, ihn umzubringen. Das sprach auch schon dafür, dass er seine Ziele wesentlicher subtiler verfolgte als ich.
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Davon, dass Alsunas Weltbild gerade einen kräftigen Knacks abbekommen hatte, bekam ich nichts mit. Dazu war ich zu sehr aus Kochen vertieft. Dass sie es ablehnte, die Gewürzmischung zu probieren, quittierte ich mit einem Schulterzucken. Das war ihre Sache und wer nicht wollte... beim Essen würde sie es sowieso schmecken.
Haferbrei mit Früchten und Zimt. Das hörte sich doch ganz gut an. "Das hier? Das ist Kardamom. Ist hier gar nicht mal so einfach zu bekommen. In Indien findet man es aber ziemlich häufig." Ich gab ihr eine Kardamom-Kapsel. "Der Geschmack hält sich in der Kapsel ziemlich lang. Aber wenn die Kapsel zerstört wird, muss man es noch am selben Tag zubereiten. Sonst schmeckt es kaum noch."
Ihre nächste Frage ließ mich kurz mit der Schulter zucken. "Keine Ahnung. Ich fand dein Verhalten in Ordnung. Axilla hatte damit sicher auch kein Problem. Ganz ehrlich, ich finde es sogar besser, wenn nicht dauernd jemand daneben steht. Außerdem musstest du ja auch noch nach dem Essen sehen. Also von meiner Seite aus war dein Verhalten in Ordnung. Sonst hätte ich es dir auch gesagt." Ich lächelte ihr aufmunternd zu.
"Nochmal zurück zum Nachtisch: Du hast da völlig freie Hand. Du hast noch nicht allzu oft gekocht, oder? Ist aber nicht schlimm, du kannst ja üben. Du wirst dann schon herausfinden, was gut schmeckt. Außerdem kommen so gerne mal neue Rezepte zustande."
Der Reis würde noch etwas dauern. Wie es mit dem Haferbrei aussah, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls nicht, ohne in den Topf zu sehen. Da ich aber nicht in Alsunas Kochversuche eingreifen wollte, überließ ich es ihr und holte statt dessen einen weiteren Topf, in den ich Wasser und Linsen füllte. So konnten die Hülsenfrüchte schonmal aufquellen, bevor sie gekocht wurden. Danach nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich.
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"Exakt. Ich bin Marcus Achilleos. Der ehrenwerte Gymnasiarchos hat mich eingeladen." Diese Antwort sollte genügen.
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"Scharf... gut, das lässt sich einrichten." Ich ging in den Vorratsraum und nahm einen Mörser mit Pistill heraus. Da noch Platz in der anderen Hand frei war, schnappte ich mir noch die Dose mit Kardamom-Kapseln. Dann ging es wieder hinein und ich holte eine Dose Pfeffer und eine kleines Gefäß mit Kreuzkümmel. Alles stellte ich auf den Zubereitungstisch nahe der Feuerstelle. Mein Schwert legte ich ab und stellte es an die Wand des Vorratsgebäudes. Dann setzte ich mich an den Tisch und gab eine gute Menge Pfeffer als Grundlage in den Mörser und zerrieb ihn darin grob. Danach kamen die Kardamom-kapseln hinzu. Das würzige Aroma füllte nach dem Zerstoßen der Kapseln recht schnell die Luft. Ein Stück von einer Zimtstange kam noch hinzu und schließlich ein wenig Kümmel zum verfeinern. Nachdem alles gut zerstoßen und fein pulverisiet war, feuchtete ich die Spitze meines kleinen Fingers leicht an und tauchte sie in das Pulver. Die feine Schicht der Gewürzmischung leckte ich vom Finger ab. Es war auf jeden Fall scharf geworden und schmeckte gut. "Möchtest du auch mal probieren?"
Jetzt fehlte das passende Gemüse. Möhren waren zu gebrauchen, aber was noch? Am besten Linsen. Als Grundlage auf jeden Fall Reis. Also holte ich erstmal den Reistopf. Das war im Prinzip ein normaler Topf, aber mit einer hölzernen Einlage, in der der Reis garen konnte, ohne nass zu werden. Er wurde nur etwas angefeuchtet und dann im Wasserdampf gehalten. Der Dampf entstand durch Wasser am Boden des Topfes, worauf die Holzeinlage stand. So bereitete ich auch den Topf vor und stellte ihn aufs Feuer. "Und, was macht der Haferbrei?" fragte ich neugierig. "Wird er Vor- oder Nachspeise?"
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"Gegen mich?" Wieso um alles in der Welt sollte sie sich gegen mich verteidigen? Beziehungsweise wieso sollte ich das verlangen? "Nein, ganz sicher nicht."
Mein Blick fiel wieder auf den Haferbrei. "Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mich um das Hauptgericht kümmern. Du machst aus dem Haferbrei die Vorspeise oder den Nachtisch und ich mache das Hauptgericht. Magst du es lieber scharf oder süß?" Mir kamen da zwei schöne Varianten in den Kopf. Einerseits Reis mit süß-saurem Gemüse, andererseits Reis mit scharfem Gemüse. Die erste Variante war eher chinesisch, die zweite eher indisch.
"Übrigens... du brauchst nicht immer den Kopf zu senken, wenn du mit mir sprichst. Du kannst mir ruhig in die Augen sehen. Dann würde ich auch mal deine Augenfarbe sehen." Natürlich war Alsuna meine Sklavin, aber deshalb musste sie ja nicht dauernd mit gesenktem Blick rumlaufen. Das war einfach nicht nötig. "Eine kleine Verbeugung, wenn du mich ansprichst, genügt. Also, kurz verbeugen und dann ganz normal mit mir sprechen. Vielleicht auch noch eine kurze Verbeugung am Ende des Gesprächs, aber mehr ist nicht nötig. Ich bin ja schließlich kein Kaiser."Ich sollte ihr vermutlich sowieso ein paar Freiheiten lassen. Das würde mich dann auch dazu bringen, mir selbst wieder ein paar Freiheiten einzuräumen. "Wie war eigentlich deine erste Nacht hier? Ist das Bett in Ordnung? Hast du gut geschlafen? Brauchst du noch irgend etwas in deinem Raum?"
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Gegen wen verteidigen? Das war mal eine gute Frage. Ich konnte sie ja schlecht zur Schwertkämpferin ausbilden. Also fielen Bewaffnete weg. Und gegen eine unbewaffnete Gruppe sollte man besser auch nicht allein kämpfen. Obwohl es durchaus möglich war. Während ich noch darüber nachdachte, gegen wen sie sich verteidigen können sollte, holte sie die Kiste, die zu holen ich ihr befohlen hatte.
"Möglicherweise ist das mit dem verteidigen doch nicht so klug. Weglaufen ist vielleicht die bessere Alternative. Und wenn das nicht klappt, einfach mit mir drohen. So lange du tagsüber unterwegs bist, sollte dir eigentlich eh nichts passieren." Womit das Thema von meiner Seite aus auch abgeschlossen war. Außerdem sollte ich nicht versuchen, ihr alles auf einmal beizubringen, wofür ich Jahre zu lernen gebraucht hatte.
Ich nahm die kleine Kiste und öffnete sie. Sofort strömte der exotische Geruch von Zimt entgegen. Und genau das war auch da drin: Zimtstangen. "Das ist genau das richtige Gewürz, um Haferbrei oder anderen Getreidezubereitungen etwas mehr Geschmack zu verleihen. Aber man sollte nicht zu viel davon nehmen. Je nach Geschmack muss man hinterher eventuell etwas mit Honig süßen, aber..." So langsam merkte ich Alsuna an, dass sie das vielleicht lieber selbst ausprobieren wollte. "Ähm... ja, das findest du dann sicher heraus. Da stehen auch noch etliche andere Gewürze im Lager, die du auch mal ausprobieren kannst. Aber sei bitte vorsichtig mit dem roten Gewürz, das ich mit "ex India II" beschriftet habe. Das ist schon sehr scharf. Garum habe ich keins, weil ich es nicht mag." Damit war dann wohl auch klar, dass ich hier kein Garum sehen wollte.
Ganz nebenbei fiel mir auf, dass Alsuna wirklich schöne Haare hatte. Ich wurde doch nicht etwa alt, dass mir so was auf einmal auffiel? -
Zitat
Original von Alsuna
Also hatten die werten Konkubinen das Amt des Generals an sich nicht respektiert? Nein, es war müßig, weiter darüber nachzudenken. Vermutlich war die gesamte Erzählung nur aus dem Grunde geschaffen worden, dass man irgendeine Lebensweisheit daraus ziehen sollte, und hatte sich so nie wirklich ereignet. Was sollte man auch mit 360 Frauen? Und warum sollte man sie exerzieren lassen, um einen General zu testen? Eine Situation direkt aus dem Leben gegriffen!
"Ja natürlich, Herr. Das ist gerecht."
Angesichts eines solchen Herrn sollte man wohl tatsächlich nicht versuchen, mit eigener Vernunft und Logik an ein Problem heranzutreten. Dafür war die Gefahr zu groß, das komplette Gegenteil von dem anzurichten, was sich Achilleos wünschte.
"Wenn es ohnehin noch etwas dauert, bis die Wasserleitungen verlegt sind, kann ich diejenigen Bereiche der Anlage, für die du dir Bepflanzung wünschst, schon einmal auf ihre Lage hin beobachten und dir Pläne für diejenigen Pflanzen erstellen, welche an dieser Stelle vorteilhaft wären. Möchtest du auch Figuren oder ähnliches aufstellen?"Schön, dass sie mir recht gab. Wobei sie das ja immer tat. Was mir eigentlich nicht gefiel.
"Guter Vorschlag. So werden keine Pflanzen, die ab und zu Schatten brauchen, mitten in der Sonne stehen und umgekehrt." Die Sache mit den Figuren war etwas, das ich fast vergessen hatte. "In der Mitte werde ich einen kleinen Schrein für Athene errichten. Aus Marmor."