Beiträge von Marcus Achilleos

    "Hab ich?" Axilla hatte eine besondere Begabung, mich zu verwirren. Deshalb konnte ich auch nicht mehr hervorbringen.


    Nachdem mein Besuch gegangen war, wandte ich mich Alsuna zu. "Kannst du dich eigentlich verteidigen, wenn du angegriffen wirst? Immerhin sind wir hier in Rhakotis, da wäre so etwas hilfreich."
    Neugierig ging ich dann auf den Kochtopf zu, den ich entdeckt hatte. "Und, was gibt es heute leckeres?" Ich sah kurz hinein, dann nahm ich mir einen Löffel. "Ah ja, Haferbrei." Hoffentlich war der etwas aufgepeppt. Ich tauchte den Löffel kurz hinein und probierte etwas. Sofort verzog ich mein Gesicht. "Um Himmels Willen!" Mein Blick zu Alsuna war wenig begeistert. "Kochen musst du aber noch üben. Am besten bringe ich dir ein paar Dinge bei. Die Zeit nehme ich mir. Schauen wir doch mal nach... ich habe da eine Holzschachtel im Vorratsraum, da steht "Kinnámomon" drauf. Hol die mal."

    Ich war problemlos vom Tor des Viertels zum Haus des Gymnasiarchos gekommen. Die Beschreibung des Soldaten war idiotensicher. Ganz offensichtlich wurden hier nur kompetente Legionäre eingesetzt. An der Tür angekommen, klopfte ich dagegen. Laut genug, um gehört zu werden, aber leise genug, um nicht unnötigen Lärm zu machen.

    "Wenn ich es nicht vergessen habe... ähhh... Moment..." Ich kramte in meinem Gewand herum. "Ah, da ist es ja." Ich gab dem Soldaten das Schreiben.



    An Marcus Achilleos
    Akademie des Marcus Achilleos
    Alexandria



    Werter Marcus Achilleos,


    es wäre mir eine Freude, dich meinen Gast in meinem Haus in Alexandria nennen zu dürfen. Bitte gib mir diese Gelegenheit, das Versprechen, das ich dir gab, einzulösen.


    Nikolaos


    "Ist das hinreichend?"

    Es war der letzte Tag der Frist, binnen derer ich meinen Besuch angekündigt hatte. Allein schon deshalb musste ich jetzt erscheinen. Dieses Mal hatte ich weder meine versteckte Rüstung an noch Waffen dabei. Nicht, weil ich mich für unbesiegbar hielt, sondern gerade weil ich am Vortag den Trupp, der mich in meiner Akademie angegriffen hatte, vollständig eliminiert hatte - mit tatkräftiger Hilfe von Matrinius. Und so kurz nach einem Angriff, der katastrophal für die Angreifer geendet hatte, würde einfach niemand mehr einen erneuten Angriff wagen. Ich trug die neue schwarze Kleidung, die ich in Urgulanias Schneiderei neulich in Auftrag gegeben und abgeholt hatte.


    "Salve," grüßte ich die Soldaten der Wache. "Ich bin Marcus Achilleos und der Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes erwartet meinen Besuch." Dann streckte aich meine Arme zur Seite aus, damit mich die Soldaten durchsuchen konnten. Schließlich konnte man ihnen ja durchaus entgegen kommen bei der Erfüllung ihrer Pflichten.

    Ich nahm das Schwert und hielt es verkehrt herum in meiner rechten Hand, so dass die Klinge hinter meinem rechten Arm nach oben ragte. "Dein Vater hat dir beigebracht, mit Schwertern umzugehen, nicht wahr? Ich kenne das von meiner Frau. Sie war die Tochter eines ranghohen Offiziers. Wenn du möchtest, können wir ab und zu ein wenig üben. Aber sag Urgulania besser nichts, sie würde das vermutlich nicht besonders gut finden." Ich lächelte sanft.


    "Ja genau, spätestens übermorgen," bestätigte ich meine Antwort für Nikolaos.

    "Wenn man damit direkt zusticht, kommt die Klinge wohl auch durch einige Rüstungen durch. Durch ein Kettenhemd nicht und auch nicht durch eine Legionärsrüstung. Ausprobiert habe ich es nie. Das ist auch gar nicht nötig. Es gibt immer Schwachstellen, die nicht durch eine Rüstung geschützt sind. Der Hals oder das Gesicht zum Beispiel. Außerdem ist es mehr eine Schnittwaffe als eine Stichwaffe. Wenn man eine Rüstung trifft, wird das jian abgleiten. Brechen wird diese Klinge sicher nicht. Dazu ist der Stahl von viel zu hoher Qualität." Man merkte mir meinen Stolz an. Dieses Schwert war vom besten Schmied, den ich in Ch'in finden konnte, hergestellt worden. Es hatte ein Vermögen gekostet.


    Nach kurzem Zögern hielt ich ihr den Griff etwas näher hin. "Du darfst. Aber sei sehr vorsichtig." Es war vielleicht gegen die Konventionen, dass eine Frau eine Waffe auch nur halten durfte, aber ich hielt mich ja auch nicht an die Konventionen. Zumal ich das von meiner verstorbenen Frau kannte. Sie war die Tochter eines Generals und im Umgang mit Waffen geschult. Axillas Vater war auch ein Offizier gewesen. Wieso sollte er sie nicht im Umgang mit Waffen unterwiesen haben?

    Ich nickte. "Dann werde ich ihn nicht allzu lange warten lassen. Ich wollte ihn ja sowieso besuchen. Richte dem ehrenwerten Nikolaos Kerykes doch bitte aus, dass ich ihn spätestens übermorgen besuchen werde."


    Axillas Interesse an dem Schwert war kaum zu übersehen. "Du würdest das Schwert wohl gerne mal begutachten?" fragte ich grinsend. Ich zog es langsam und hielt es vorsichtig vor sie. Die - im Vergleich zu einem gladius - schmale Klinge legte ich auf meine linke Hand, während ich meine rechte Hand unter dem Griff öffnete, so dass es locker auflag. "Man nennt diese Art von Schwert jian. Aber sei vorsichtig, die Klinge ist vor allem im letzten Drittel zur Spitze hin extrem scharf." Wer auch nur halbwegs Ahnung von Schwertern hatte, würde erkennen, dass der Stahl -ebenso wie das Holz des Griffs und der Scheide - von außerordentlicher Qualität waren. Die kleinen Edelsteine fielen dagegen kaum auf.

    "Das Schwert ist weder römisch noch griechisch. Aber es ist die perfekte Waffe für einen Offizier. Lang genug, um Gegner auf Abstand zu halten. Schlank genug, um sich schnell führen zu lassen. Und scharf genug, um dem Gegner gefährliche Schnittwunden beizubringen," sagte ich, während ich langsam die Stufen hinunter schritt. "Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich es an der richtigen Seite trage. So kann ich bereits beim Ziehen den ersten Hieb ausführen." Ich lächelte freundlich. "Und, wie lautet die Nachricht?"

    Ich war mit meiner Meditation fertig. Langsam stand ich auf und ging in den inneren Hof. Ein Blick gen Himmel zeigte mir den Stand der Sonne. So langsam war es Zeit, etwas zu essen. Also ging ich durch die große Halle. Danach käme ich dann in den äußeren Hof, in dem sich auch die Kochecke befand. Auf den Stufen zum äußeren Hof sah Gäste. Axilla und zwei große Männer. Alsuna schien sich mit Axilla zu unterhalten. Ich musste schmunzeln, als Axilla sich leicht beugte, um Alsuna in die Augen zu sehen. Ich kannte die Römerin ja so weit, um zu wissen, dass sie Gesprächspartnern in die Augen sehen wollte.


    Ich zog noch einmal mein zhiju zurecht, so dass die Rüstung darunter gut verborgen war und legte meine linke Hand auf den Knauf meines Schwertes, das an meiner linken Seite baumelte. "Salve, Iunia Axilla," sagte ich deutlich hörbar. Ich ging aber erstmal nicht die Stufen herunter, sondern stand stolz und aufrecht dort oben. "Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?" Vor allem, da man sich doch erst vor wenigen Stunden gesehen hatte.

    "Gute Anmerkungen, muss ich sagen. Überforderung ist natürlich auch ein Argument. Niemand kann einem einen Vorwurf machen, wenn man durch zu viel Arbeit nicht in der Lage ist oder war, diese fehlerfrei zu erledigen. Ich akzeptiere das Argument." Memo an mich selbst: Keine Bestrafung für Überforderung. :D
    "Von einem General zu verlangen, sich Respekt zu verschaffen, macht keinen Sinn. Der General wird nicht als Person respektiert, sondern durch das Amt, das er innehat. Aber darüber können wir ruhig einmal bei Gelegenheit diskutieren. Ich versuche, stets gerecht zu sein, deshalb will ich auch nicht von dir verlangen, überall perfekt zu sein. Ich erwarte aber, dass du mich fragst, wenn du etwas nicht verstanden hast. Wenn du meine Erklärung dann nicht verstehst, fragst du erneut. Und wieder, falls nötig. Fragst du aber nicht, dann gehe ich davon aus, dass du alles verstanden hast. Stellst du während der Arbeit fest, dass du etwas nicht verstanden hast, dann unterbrichst du die Arbeit und fragst mich. Das ist besser, als eine Arbeit fehlerhaft zu Ende zu führen. Ich denke, dass wir uns auf diese Regel einigen können und dass du diese Regel als gerecht erachtest?"

    '...hauptsächlich durch die Furcht vor Strafe motiviert...' kreiste mir durch den Kopf. Das war ja fast wie die Gesetze des Li Si. Nur war das nicht meine Art, zu motivieren. Natürlich war Furcht ungeeignet, Höchstleistungen zu erzeugen. Schon allein deshalb, weil die besten Leistungen nur zu erzielen waren, wenn man auch Fehler machen durfte. "Mehr erwarte ich gar nicht von dir, Alsuna. So lange du dein Möglichstes tust, bin ich zufrieden. Wenn du nach bestem Wissen handelst, und dabei einen Fehler machst, so liegt es an deiner Unwissenheit in der Sache. Wenn dann aber eine Lösung des Fehlers gefunden wurde, die dir bekannt gemacht wurde, dann solltest du den Fehler nicht erneut machen." Da fiel mir etwas ein.
    "Lass mich dir eine kleine Geschichte erzählen. Der König von Wu wollte die militärischen Fähigkeiten des Meisters Sun testen. Deshalb befahl er ihm, seine 360 Konkubinen das militärische Exerzieren zu lehren. Meister Sun teilte daraufhin die Konkubinen in zwei gleich große Kompanien, zu deren Offizieren er die beiden Lieblingskonkubinen ernannte. Er gab ihnen einen Befehl, doch die Frauen lachten und kicherten nur. Daraufhin sagte er: "Wenn der General einen Befehl gibt, und die Soldaten nicht folgen, weil sie den Befehl nicht verstehen, dann ist es die Schuld des Generals." Danach zeigte er ihnen, wie die Ausführung des Befehls auszusehen hatte. Er zeigte es ihnen ausführlich, um sicher zu gehen, dass sie den befehl verstehen würden. Dann gab er den befehl erneut. Wieder lachten und kicherten die Frauen. Daraufhin ließ er die beiden Lieblingskonkubinen, die er ja zu Offizieren gemacht hatte, trotz des Einspruchs des Königs hinrichten. Dies war seine Begründung: "Wenn die Soldaten den Befehl verstehen, aber nicht befolgen, dann ist es die Schuld der Offiziere." Außerdem sagte er: "Wenn ein General einen Befehl erhalten hat, dann muss er ihn mit allen Konsequenzen ausführen, selbst wenn der König dagegen protestiert." Das verstand der König. Meister Sun ernannte zwei neue Offiziere.
    Was ich dir damit sagen will ist folgendes: Wenn du von mir einen Auftrag erhälst, dann bist du frei in der Wahl der Ausführung, so lange das Ergebnis passt. Darüber hinaus werde ich dich nicht zur Verantwortung ziehen, wenn du aus Unwissenheit einen Fehler machst."
    Den Rest ließ ich unausgesprochen, weil es klar war.


    "Die Bewässerung des Bodens dürfte kein Problem sein. Ich werde demnächst einen Anschluss ans fließende Wasser erhalten. Ich will das über Leitungen so einbringen, dass der Garten automatisch optimal bewässert wird. Die Frage ist nur, welche Pflanze wie viel Wasser benötigt und wann es zu viel ist. Und wo dann welche Pflanze hingehört. Aber das alles können wir demnächst in Ruhe besprechen. Vielleicht abends."

    Ich nickte. "Da hast du wohl recht, Alsuna. Allein hätte ich auch nicht die Zeit dafür, aber da ich ja dich habe, ist der Tag sozusagen effektiv verdoppelt. Und dann dürfte es ja gehen. Sag mir, welche Erde du benötigst, dann werde ich... Moment mal, eigentlich kannst du die nötige Erde auch selbst organisieren. Geld ist im Prinzip genügend vorhanden. Auch, oder gerade weil, ich nicht viel ausgebe." Wie auch? Zeit zum Geld ausgeben hatte ich ja nicht. Außerdem sparte ich. Auf den Garten und vor allem auf einen Umbau des Bades. Man konnte das ja nicht ewig aus Holz belassen. "Schweben dir schon bestimmte Pflanzen vor? Vielleicht auch etwas, das blüht?"

    Irgend etwas Wichtiges hatte ich noch vergessen. Oder eher irgendwen. So langsam dämmerte es mir, dass bei meinem Plan, die Angreifer im Tor zum äußeren Hof zu stellen, Alsunas Quartier nicht von mir verteidigt werden könnte. Die Tür zu ihrem Raum war auch nicht stabil genug, um sie zu schützen. "ALSUNA! Lauf zur Bibliothek!" rief ich auf Latein. Vielleicht sprachen die Angreifer ja kein Latein. Auf jeden Fall ging es darum, sie in Sicherheit zu bringen. Es standen nun drei Lanzenträger erkennbar vor uns, von denen aber nur zwei nebeneinander stehen konnten. Sie streckten uns ihre Lanzen entgegen, während zwischen ihnen die dritte Lanze hervorragte. Das war eine recht schwer zu attackierende Position. Allerdings griffen sie selbst nicht an, sondern beäugten uns und warteten wohl darauf, dass Matrinius oder ich einen Fehler machten. Ich hielt währenddessen die frisch eroberte Lanze in der linken Hand und mein Schwert in der rechten. Irgendwas musste ich doch damit machen können. Vielleicht hatte Matrinius ja eine Idee.

    "Ja, meine erste schwere Kampfverletzung. Die erste schwere Verletzung überhaupt," meinte ich nachdenklich. "Aber besser, man wehrt eine lanze mit dem Arm ab, als sie in den Körper eindringen zu lassen. War sowieso meine Schuld. Ich habe gezögert. Man darf im Kampf nicht zögern, sondern muss den Gegner so schnell wie möglich neutralisieren." Das war inzwischen wieder meine Meinung. Zwischenzeitlich war ich gnädig geworden, doch dieser Kampf hatte mich eines besseren belehrt. Mit 'neutralisieren' war auch mehr 'eliminieren' gemeint. "Das nächste Mal lasse ich einen Iatros holen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Lust, blutend durch die Stadt zu laufen. Da war die Selbstverarztung schon besser. Hat aber ordentlich gezwiebelt. Da ich aber sowieso noch unter leichtem Schock stand, war es nur halb so schlimm. Immerhin, jetzt weiß ich, wie sich eine solche Verwundung anfühlt. Die nächste schockiert mich weniger."


    Ich sah über den staubigen Boden. Eine ungefähre Vorstellung des Gartens hatte ich dabei vor meinem geistigen Auge. "Ich dachte da mehr an ästhetische Pflanzen. Kleine Bäume, Ziergräser, vielleicht Bambus. Wichtig ist, dass es ein ästhetisches Gesamtbild gibt. Wenn da auch eine Ecke mit heilkräutern reinpasst, ist es gut, wenn nicht, dann habe ich auch andere Ecken dafür. Ein kleiner teich würde ja eigentlich auch reingehören, aber hier gibt es schon genug Mücken, da muss man sie nicht direkt vor der eigenen Wohnung züchten. Also kein Teich."

    Ich hatte mir nun doch Räume herrichten lassen. Hier ließ es sich einfach besser forschen als in meiner Akademie in Rhakotis, schon allein, weil im Stammhaus der Bibliothek die für mich relevanten Bücher waren, von denen etliche nicht im Serapeion vorrätig waren. Außerdem war es hier ruhiger. Da ich schon immer der Meinung war, dass Mathematik wesentlich Bestandteil der Geographie war, hatte ich meinen Forschungsschwerpunkt jetzt besonders auf die Mathematik gelegt.


    Entsprechend sah der Raum auch aus, wie der eines Mathematikers. Ich hatte an die Wände große Schiefertafeln hängen lassen, neben denen kleine Tische mit Kreidestücken standen. In der Mitte des Raumes war ein großer, aber bis auf eine Schreibfeder und ein Tintenfäßchen völlig leerer Schreibtisch. Ich brauchte ihn nur, wenn ich meine Skizzen auf den Tafeln für würdig befand, auf Papyrus oder Pergament verewigt zu werden.

    Eigentlich hätte ich sofort angreifen sollen, als das Tor aufgebrochen war. Eigentlich. Aber dazu war ich etwas zu perplex in dieser Situation. Ich hatte zwar damit gerechnet, aber nicht, dass es so aussehen würde. Dann hatte ich aber recht schnell meine Fassung wieder.


    Ein Lanzenträger stürmte auf uns zu. Ich stürmte genauso auf diesen zu.Ohne lange zu zögern rammte er mir seine Lanze in den Bauch, doch zu seiner Verwunderung drang sie nicht ein. Statt dessen gab es das typische Geräusch, wenn Metall auf Metall trifft. Genau deshalb trug ich meine Rüstung verborgen. Ich stach mit meinem Schwert in Richtung seines Halses, den ich zunächst verfehlte. Als ich das Schwert zurück zog, zog ich es aber schnell in Richtung des Genicks, so dass ich einen tiefen Schnitt in die Seite des Halses ausführte. Sofort lief das Blut heraus. Ich hatte die Schlagader getroffen. Die Lanze, die der tödlich Getroffene losließ, griff ich schnell, bevor ich mich mit ihr in den linken Hand wieder zwei Schritte zurückzog. Nochmal würde so ein Manöver nicht mehr klappen.