Beiträge von Lucius Septimius Palaemon

    Den Blick nordwärts gegen den Fahrtwind gerichtet, suchten seine Augen den Horizont nach dem ersten Zielpunkt ihrer Mission ab, dessen Erscheinen Tiridates nun jeden Moment erwarten durfte.
    Auf ihrem Kurs passierten die Schiffe der Classis nun auch einige kleinere Boote, deren Besatzungen es trotz der Jahreszeit gewagt hatten, auszulaufen. Vielleicht nutzten die Fischer der Region die letzten angenehmen Tage des Jahres für einen erfolgreichen Fang, von den drei Liburnen der kaiserlichen Flotte schienen sie in jedem Fall nur wenig Notiz zu nehmen. Ob sich bereits Gerüchte über ihre Mission herumgesprochen hatten und inwieweit es die Menschen hier überhaupt interessierte, was um sie herum vor sich ging, wusste Tiridates nicht.
    Als der Grieche schließlich die Dächer und Mauern der Hafenanlagen von Ostia aufblinken sah, gab er die Information umgehend an die Mannschaft weiter: "Ostia in Sicht!" rief er nach unten, erleichtert, dass er seinen Posten im Ausguck noch einmal für eine kurze Pause würde verlassen können.

    Von oben überblickte der Alexandriner die Lage. Es 'lebte' sich hier ein wenig beengt und die gelegentlichen Windböen zerrten um einiges kräftiger an dem jungen Nautiker und sicherlich hatte er sich die Position im Ausguck nicht ausgesucht, doch immerhin bot sie ihm eine besonders gute Aussicht über die in der Herbstsonne glitzernde Wasseroberfläche.
    Und hätte Tiridates nicht gelegentlich unter ihm an Deck der Ismene die Waffen der Marineinfanteristen aufblitzen sehen, hätte er wohl annehmen müssen, an einem gemütlichen Urlaubsausflug teilzunehmen.
    Für den Moment trugen das angenehme Wetter jedenfalls noch dazu bei, die eventuell anstehenden Gefahren aus seinen Gedanken zu verdrängen. Als seine Gliedmaßen sich schmerzhaft bemerkbar machten, brachte Tiridates seinen Körper zum wiederholten Male in eine angenehmere Position und wandte seinen Blick wieder in die Richtung, aus der seines Wissens nach Ostia, das vorläufige Ziel ihrer Fahrt, auftauchen würde.

    Obwohl Tiridates zum Zeitpunkt der von Florus beschriebenen Ereignisse noch gar nicht Teil der Flotte gewesen war, erfüllte auch ihn das Lob des Praefekten mit Stolz. Er gehörte nun dieser Einheit an, die sich um das Wohl von Kaiser und Imperium verdient gemacht hatte und in Zukunft weiterhin machen würde und so konnte er die Worte auch auf seine eigene Arbeit beziehen.

    Ein mulmiges Gefühl beschlich Tiridates beim Anblick der Ismene. Hatte er noch vor wenigen Stunden abenteuerliche Ausfahrten herbeigesehnt, so überwogen bei dem Hellenen nun doch die Gedanken an mögliche Gefahren, denen sie im Laufe des Einsatzes begegnen konnten.
    Der 'Ruf' auf die nun vor ihm liegende Liburne hatte ihn völlig unerwartet ereilt, doch die personelle Lage schien momentan in einzelnen Einheiten so angespannt zu sein, dass selbst auf unfertig ausgebildete Seemänner wie ihn zurückgegriffen werden musste.
    Weder kannte Tiridates nun den Kapitän der Ismene, noch wusste er im Detail, was man eigentlich von ihnen erwartete.
    Doch trotz dieser Bedenken war der junge Alexandriner fest entschlossen, sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und so bestieg er voll ausgerüstet das Schiff, um sich an seiner neuen Dienststelle zu melden.

    Zum zweiten Mal in der kurzen Zeit seit seines Eintritts in die Flotte stand Tiridates nun im Materialausgabebereich der Classis.
    Doch auf diesen Gang hätte der Alexandriner nur allzu gerne verzichtet, wusste er doch nicht, wie die Verwaltung in einem solchen Fall verfuhr. Das Ersetzen von Ausrüstungsgegenständen gehörte wahrscheinlich eher zu alltäglichen Dingen, doch wie das ablief und ob man dafür selbst aufkommen musste, war ihm nicht bekannt.
    "Salve", wandte er sich an den diensttuenden Soldaten. "Dieser Pugio hier wurde bei einer Übung beschädigt. Was muss ich tun, um Ersatz zu bekommen?" fragte er, während er dem Mann den ramponierten Dolch vor die Nase hielt.
    Dass die Geschichte mit der 'Übung' nicht ganz der Wahrheit entsprach, wollte der junge Mann lieber für sich behalten.



    Sim-Off:

    Wenn jd. den Soldaten simmen will...

    "Da hast du wahrscheinlich recht", stimmte ihm Tiridates zu, ohne wirklich selbst daran zu glauben. Im Grunde sehnte sich doch jeder hier nach etwas Abwechslung, nach Abenteuern. Mögliche Gefahren wurden dabei gerne ausgeblendet.
    "Dann wünsch ich dir noch viel Erfolg bei deinem Training. Wir sehn uns sicher noch öfter!"
    Sprachs und ließ die Trainierenden in der stickigen, schweißgetränkten Luft des Kraftraums zurück.

    Anfangs hatte er das Ganze noch für einen Scherz gehalten. Und für einen ziemlich schlechten obendrein.
    Aber der Vorgesetzte hatte es tatsächlich ernst gemeint. Und nun standen sie also hier am Steinbruch und sollten Steine klopfen. Sie, Mitglieder der kaiserlichen Flotte, sollten schuften wie ein gemeiner Sklave! Wofür hatten diese römischen Barbaren eigentlich Unmengen an Unfreien, wenn sie solch demütigende Arbeiten von Angehörigen der Flotte verrichten ließen? Und wofür? Damit irgendwelche Bauwerke errichtet werden konnten, welche die meisten hier wohl nie zu Gesicht bekommen würden. Ja geht's denn noch! hätte der junge Mann dem Aufseher am liebsten ins Gesicht gebrüllt.
    Mehr als nur missmutig schlug er demzufolge auf den seiner Meinung nach unglaublich harten Fels ein, was wiederum dazu führte, dass kleinere Gesteinsbrocken auf ihn und seine Nachbarn herabrieselten. „Willst du uns alle erschlagen, Castor?“ Der Corfinier Maelius blickte verwundert und auch etwas verärgert zu ihm hinüber.
    „Du hast doch gehört: Wir sollen klopfen, nicht reden!“
    Tiridates ging einige Schritte zur Seite, setzte dann aber seine unmotivierte Meiselei mit ein klein wenig mehr Vorsicht fort. Nur gut, dass ihr Vorgesetzter etwas weiter von der Gruppe entfernt stand und ihre Worte nicht verstanden haben dürfte!

    Ein Becher guten Weines hätte wahrscheinlich eher Tiridates Geschmack getroffen, doch als Rekrut in einer römischen Einheit durfte man wohl kaum wählerisch sein. Und bisher lief der Tag aus Sicht des Hellenen weitaus angenehmer und erfolgreicher als der gestrige. Was wohl in erster Linie daran lag, dass Schwimmen heute nicht auf dem Übungsplan stand!
    Doch offenbar waren nicht alle so zufrieden wie der Alexandriner: „Wenn ich vorgehabt hätte, mit einem großen Messer auf Fleischmassen einzustechen, wäre ich Metzger geworden und nicht Seemann!" hörte Tiridates einen ihm namentlich unbekannten Commilitonen leise und für Iulius Labeo unvernehmbar schimpfen.
    Anstatt darauf einzugehen, ließ er sich jedoch mit einem Schluck Posca im Schatten nieder und schloss für einen Moment gar die Augen. Wenn es nach ihm ginge, könnte der Tag nur immer so weiterlaufen wie bisher...

    Gemeinsam mit seinem 'Gegner' machte sich Tiridates daran, die Vorgaben umzusetzen. Abwechselnd übernahm also einer der Beiden die Rolle des Angreifers, dessen Übungsattacken der Andere wiederum zu blocken versuchte. Hatte der junge Hellene bis zu diesem Tag die Finger von Waffen gelassen, so stellte er nun fest, dass es ihm durchaus Spaß bereitete, die Angriffe mit dem Schild abzuwehren und anschließend mit dem Gladius schnelle Stoßangriffe zu simulieren. Im Ernstfall, dessen war er sich aber doch bewusst, wäre er jedem geübten Schwertkämpfer hoffnungslos unterlegen.
    Mit der Zeit musste er außerdem feststellen, dass Schild und Schwert, die zu Beginn noch leicht in seiner Hand gelegen waren, immer schwerer zu werden schienen. Dementsprechend verloren seine Bewegungen immer mehr an Dynamik und er wartete schon sehnsüchtig auf ein Signal Labeos, das vielleicht Gelegenheit zu einer kurzen Verschnaufpause bieten würde.

    "Eine bemerkenswerte Einstellung", erwiderte Tiridates durchaus ernst gemeint.
    Den Seitenhieb bezüglich seiner Schwimmkünste würde er wohl noch öfter zu hören bekommen. "Ja, in Sachen Schwimmen hab ich noch Einiges an Arbeit vor mir. Aber ich bin da zuversichtlich." Die Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, dass Fett eben gut schwimmt :D, behielt er für sich. Das Verhältnis zu seinem Ausbilder musste ja nicht willkürlich belastet werden.
    "Jedenfalls danke ich dir für deine offenen Anworten", erwiderte Tiridates noch, während er sich erhob. "Und beim nächsten Spiel werde ich hinsichtlich der Einsätze sicherlich weniger forsch agieren." Zumindest nahm er sich das nun fest vor.
    Bevor er sich aber in Richtung seines Contuberniums auf den Weg machte, konnte er es sich eine weitere Bemerkung nicht verkneifen: "Bitte um Erlaubnis, wegtreten zu dürfen! Mein Bett wartet auf mich!"

    Um die drohenden Strafliegestützen war er scheinbar herumgekommen. Dennoch entschied T.C., dass es nun wahrscheinlich doch sinnvoller wäre, den Mund zu halten und nicht weiter negativ aufzufallen.
    Daher schnappte er sich wie seine Commilitonen einen Schild und ein Schwert und suchte sich einen Partner, dessen Körperbau in etwa dem Seinen entsprach. Nicht dass er es auf einmal mit einem Riesen aufzunehmen hatte!
    Während sie auf weitere Anweisungen warteten, wiegte er die beiden Ausrüstungsgegenstände in seinen Händen. Zufrieden stellte er fest, dass diese besser in den Händen lagen als zuvor befürchtet.

    Ein paar Dehnübungen, das war eine Sache ganz nach Tiridates Geschmack, boten sie doch unter Anderem auch die Möglichkeit zu einer kurzen Verschnaufpause. Diese Zeit nutzte er also für einige kurze Belastungen der Bänder, Sehnen und Muskeln, ehe er sich wieder voll motiviert ihrem Vorgesetzten zuwandte: "Bereit zu neuen Abenteuern, Praefecte Labeo!"
    Wenn heute schon ein guter Tag zum Sterben sein sollte, würde Tiridates dem wenigstens mit dem notwendigen Humor entgegensehen.

    So schnell hatte sich die Würfelrunde also aufgelöst und der Ältere der Beiden ließ auch keinen Zweifel daran, wen er für den Verursacher hielt.
    "Das war nicht meine Absicht. Ich werde in Zukunft daran denken!" gab sich Tiridates zerknirscht. Wahrscheinlich würde es der junge Alexandriner beim nächsten Mal doch wieder genauso machen, aber ein bisschen Demut kam bei Vorgesetzten schließlich immer gut an.
    Der Probatus zögerte kurz, stellte aber dann doch die Frage, die ihn schon länger beschäftigte:
    "Wie kommt es, dass ein römischer Bürger aus wohlhabender Familie als einfacher Infanterist bei der Kaiserlichen Flotte dient? Oder hat mich das nichts anzugehen?" fragte er auf seine vorwitzige Art.

    Auf den Gebrauch des Gladius freute sich Tiridates nicht im Geringsten. Doch dass es sinnvoll war, zumindest rudimentär den Umgang mit der Waffe zu beherrschen, erschloss sich auch dem Hellenen.
    Zunächst aber stand wieder das mittlerweile obligatorische 'Rundenlaufen' auf dem Plan und so machte sich die Gruppe abzüglich der beiden Schwätzer in nicht allzu schnellem Tempo auf den Weg.
    Nach jeder Runde warf der Alexandriner Detritus und Corfinius einen kurzen, interessierten Blick zu, ob diese noch durchhielten. Wenn man Maelius' Körperbau bedachte, konnte man fast meinen, dass dieser endlos Liegestützen hinlegen konnte, doch nach der vorletzten Runde war auch dem durchtrainierten Mann die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Das nahm Tiridates zum Anlass, auf der letzten Runde noch einmal zu beschleunigen, so dass sich zwischen den Laufenden ein regelrechter und eigentlich ungewollter Schlussspurt um den ersten Platz einsetzte, den der junge Mann am Ende sogar etwas überraschend für sich entschied.

    Nach erholsamem Schlaf, aus dem er aber natürlich viel zu früh gerissen wurde, stand heute also der nächste mühsame Tag bevor. Immerhin hielten sich die Auswirkungen des gestrigen Tages bei Tiridates - im Gegensatz zu einigen lautstark klagenden Kollegen - in Form eines nur leichten Muskelkaters in Armen wie Beinen in Grenzen. Vielleicht profitierte er nun doch von den Auslaufübungen am Ende des gestrigen Tages, an denen sich nicht alle Probati beteiligt hatten.
    Dementsprechend positiv eingestellt meldete sich der Grieche am Exerzierplatz, an dem sich Labeo schon breitgemacht hatte.