Beiträge von Penelope Bantotakis

    Die meisten wussten es ja schon, daher hier wenig überraschend: Penelope ist tot


    Ich danke meinen Mitspielern und nicht zuletzt den freundlichen Menschen an der Schola, dass das mit dem Musikkurs noch geklappt hat. Ich hoffe, ihr hattet auch so viel Spaß^^

    Es waren nur ein paar unauffällige Schritt rückwärts gewesen bis zur Reling. Nur eine ganz sachte Bewegung, um Panthea auf den Arm zu nehmen. Und nur ein kurzer, letzter Blick, um zu wissen, dass es notwendig war. Penelope setzte sich auf den Rand der Reling und ließ sich einfach rücklings ins Wasser fallen.
    Poseidon war immer gut zu ihrer Familie gewesen, und sie betete, er würde die Haie auf der anderen Seite des Schiffs halten, wo sie ihre blutige Mahlzeit erhielten. Sie platschte auf die kalte Oberfläche und versank, ihr Kind in ihren Armen. Penelope konnte nicht schwimmen, aber das war auch gar nicht der Sinn. Sie hielt einfach nur ihr Kind fest in ihren Armen und ließ sich sinken.
    Von hier unter den Wellen sahen die beiden Schiffe beinahe friedlich aus. Die Sonne schillerte an ihnen vorbei ins Wasser und warf so bunte Muster ins blau, die umso heller erschienen, je tiefer sie versanken. Die Welt hier unten in Poseidons reich war Still und kühl, und Penelope betete zu dem großen Gott, er möge, wenn vielleicht nicht sie, so doch die Tochter sicher in das Reich des Todes geleiten. Mochte er sie als sein Spielzeug ruhig behalten, solange es ihm gefiel, solange er nur Panthea an einen besseren Ort bringen würde. Dieses hier war der beste Ort, an den Penelope sie hatte bringen können, mehr hatte sie nicht tun können.
    Das Drücken in den Lungen wurde beklemmend, stechend und schmerzhaft. Luftblasen stiegen auf. Penelope fühlte, wie Panthea sich an ihr festklammerte, fühlte ihre kleinen Hände in ihr Fleisch sich graben. Der schlimmste Moment kam, als sie das Zucken fühlte, das durch den kleinen Körper ging, erst zaghaft, dann kräftig und so, dass sie sie fast nicht mehr halten konnte. Danach entsetzliche Ruhe. Penelope schrie, auch wenn es unter Wasser niemand hören wurde. Die restliche Luft entwich so ihrer Lunge und stieg in wilden Blasen nach oben, während sie tiefer sank. Ihr Kind war tot in ihren Armen, und sie wusste es. Das war mehr Schmerz, als jeder Schwerthieb oder jeder lüsterne Mann ihr je hätte antun können.
    Sie sank noch ein Stück, und ihr Körper krampfte sich zusammen. Das Bedürfnis, Luft zu holen, wurde überwältigend, der Schmerz in der Brust zu groß. Penelope hielt Panthea ganz dicht an sich gepresst, als sie diesen letzten, tiefen Zug nahm. Salzwasser strömte durch Mund und Nase, brannte wie flüssiges Feuer, erfüllte ihren Körper. Noch ein letztes Zucken.
    Und dann...


    Stille.

    Ein paar der Männer und Matrosen lebten noch. Sie knieten, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, auf dem blutigen Deck. Eine Frau versuchte, zu ihrem Mann zu kommen, aber sie wurde an den Haaren an ihm vorbei gezogen und auf Deck geschleudert, hinein in eine Gruppe der Angreifer, die das lachend als Aufforderung nahmen. Sie wurde auf die Beine gezerrt und schon machten sich gierige Männerhände daran, ihr die Kleidung vom Leib zu reißen. Ihr Schreien hallte so lange panisch über das Deck, bis ihr einer der Männer mit der Faust ins Gesicht schlug, einen Zahn ausbrach und erstmal die Schreie in ein leises Wimmern verwandelte.
    Die beiden Schiffe waren mit Seilen und Haken aneinender vertäut worden. Der Angreifer hatte dieses Schiff offenbar gerammt, wofür auch ein paar gesplitterte Planken an der Reling sprachen, jedoch war der Aufprall natürlich nicht so stark gewesen, das Handelsschiff zu versenken. Das wäre auch nicht Sinn des Angriffs gewesen.
    Die Frauen wurden weiter gezerrt und mussten sich mit ihren Kindern in Linie aufstellen. Alle bis auf die, die vorschnell gehandelt hatte. Penelope achtete darauf, dass Panthea nicht in die Richtung schauen konnte, in der die Männer die Frau gerade über einer Taurolle vergewaltigten. Ein paar andere zwangen ihren Mann, dabei zuzuschauen, aber der hielt einfach still. Kluge Entscheidung, hätte jeder kleine Mucks von ihm doch zu noch mehr leiden für seine Gattin und seinen Tod bedeutet. Ein paar andere Männer entsorgten einige der Leichen an der anderen Seite des Schiffs, indem sie sie einfach achtlos über Bord warfen. Einzig der Kapitän lag noch mittig auf Deck, und es schien niemand Anstalten zu machen, ihn da wegzubewegen. Er war geköpft worden, um seinen Körper eine gewaltige Lache aus Blut, zu dem ganz allmählich immer mehr aus dem Torso tropfte. Offenbar wollte jemand, dass der Kapitän so gesehen wurde. Den Kopf sah Penelope nicht.


    “Ich bin Barzanes, und IHR gehört nun mir“ dröhnte eine Stimme, die vom Heck des Schiffes kam. Ein grobschlächtiger Kerl gehörte dazu, groß, mit Blut noch verklebt. Er hatte eine schlimme Narbe in seinem Gesicht, die sich von der Wange zum Ohr zog, welches nur noch halb vorhanden war. Es gab seinem Gesicht etwas noch grausameres. Sein Bart glänzte vom Blut, und seine Augen starrten wild und herrisch. In seiner Linken schlenkerte er lässig mit dem Kopf des Kapitäns, als er an ihnen langsam vorbeistapfte. Jedem von ihnen schaute er im Vorbeigehen in die Augen, während einer Seiner Männer mit dünnen Lederbändern ihm folgte und die Hände der Frauen und Kinder zusammenschnüren wollte. Als erstes in der Reihe stand die junge Frau mit ihrem Baby.
    “Das ist wertlos“, war der kurze Kommentar des Anführers, und sofort wurde unter einem gellenden Aufschrei der Mutter ihr das Kind entrissen und ohne weiteres Federlesen auf der Seite des Schiffes ins Meer geworfen, wo auch die übrigen Leichen entsorgt worden waren und sich aufgrund des Blutes im Wasser bereits einige Haie tummelten.
    Die Frau brach in sich zusammen, jammerte und schluchzte, während ihr die Hände zusammengebunden wurden. Barzanes schien das ganze nicht zu tangieren, er schritt die Reihe weiter, vorbei an einem neunjährigen Jungen und einem vielleicht zwölfjähigen Mädchen.
    “Ihr seid keine Menschen mehr. Ihr seid nur noch Ware. MEINE Ware. Und wie ihr bei eurem Verkauf aussehen werdet, hängt nur davon ab, ob ihr gute Ware seid oder eher wertlose Ware.“
    Er schritt weiter und kam nun zu Panthea, die er lange anschaute. Das Kind indes starrte nur auf den abgetrennten Kopf mit dem wie zum Schrei aufgerissenen Mund und den gebrochenen, verdrehten Augen. Er schien kurz zu überlegen, ging dann aber den schritt weiter zu Penelope und schaute ihr in die Augen. Während die Kinder alle vor Ehrfurcht erstarrt waren, schaute Penelope einfach nur stur gerade aus, ohne ihn wirklich anzublicken. Es war nicht unterwürfig, und sie stand auch so kerzengerade, als wäre sie aufgefordert worden, gleich in ein Odeion zu treten und vor erlesenem Publikum zu spielen. Barzanes kam näher zu ihr, und sie konnte seinen Atem riechen. Es stank nach Verwesung, aber sie rührte sich nicht. “Wenn ihr brav seid, könnt ihr eine angenehme Reise haben.“ Er zog ihr eine leicht herausgerutschte Haarnadel aus der Frisur, so dass sich ihr Haar befreit abrollte. Er nahm es in die Hand und roch einmal daran. Mit einem Grinsen schritt er weiter.


    “Die Götter werden dich richten.“ ertönte eine Stimme von rechts. Während alle Augen dorthin schnellten, erscholl ein panisches Kreischen von links von Penelope, als das zwölfjähige Mädchen herausgezogen wurde. Ihre Hände waren noch ungefesselt, und der Mann mit den Lederbändern lachte nur, während er zusah, wie einer seiner Kollegen das Mädchen mit sich außer Sicht zerrte. Kurz blieb er so stehen und ging ein wenig dem anderen Mann hinterher, um sich das folgende Spektakel anzusehen. Wohin sollten die Frauen schon fliehen?
    Barzanes unterdes ging lachend zu dem Mann, der da kniete und die Worte gesprochen hatte. Er warf ihm den Kopf des Kapitäns direkt vor die Füße und lachte lauthals. “Die Götter? Ich erzähle dir etwas über die Götter.“


    Kurz unbeobachtet wandte Penelope ihren Kopf ihrer Tochter zu, die panisch in die Richtung schaute, wo erst ein spitzer Schrei und dann beängstigend rhythmisches Wimmern erklang, übertönt vom Grunzen eines Mannes. “Panthea!“
    Angstgeweitete Augen sahen sie an, und Penelope musste schlucken. “Psst, nichts sagen. Wir beide machen jetzt eine Reise, weg von hier. Aber du musst leise sein. Vertrau mir.“
    Panthea nickte stumm und griff nach der Hand der Mutter. Diese schaute nochmal zu Barzanes, der während der ganzen Zeit schon seine kleine Rede fortgesetzt hatte.
    “Die Götter, mein Freund, scheren sich nicht um euch. Den Göttern seid ihr scheißegal. Und die werden mich nicht strafen, denn, sag, was immer du willst, ich diene den Göttern weit besser als jeder von euch. Nicht genug, dass ich Pluto hunderte von Seelen geschickt habe und Mars tausend Blutopfer so gebracht habe. Nein.
    Kein Priester vermag die Menschen so sehr an die Götter denken zu lassen wie ich. Denn egal ob Römer, Griechen, Christianer, Juden, Inder... sie alle fangen an zu beten, wenn meine Haken sich in ihre Reling graben.“

    Barzanes grinste noch einen kurzen Moment, als wäre nichts, und dann stieß er dem Mann von eben sein Messer in den Hals. Er sah zu, wie der Kerl zuckte und wie das Blut an der Luftröhre Blasen warf, nachdem er es herausgezogen hatte. Er kostete diese kurzen Momente aus, in denen der Mann zu ihm rüberstarrte und erstickend gurgelte, ehe er vornüber kippte und sich eine immer größer werdende Blutlache um ihn herum bildete.
    “Wie gesagt, ihr seid nur Ware, und im Vergleich zur restlichen Schiffsladung nicht besonders wertvoll. Also liegt es an euch... he, wo ist die Strenge hin?“ Ungehalten deutete Barzanes mit seinem blutigen Messer auf die Lücke zwischen dem zitternden Jüngling und einem knienden Mann.

    Hinter den Kisten und Amphoren mit verschiedensten Gütern, in einem kleinen Raum, drängten sie sich. Drei Frauen, fünf Kinder, darunter auch Penelope und Panthea. Ganz still lauschten sie, hielten sich dicht beieinander, als gäbe diese Nähe mehr Sicherheit. Jede Frau hatte ihre Kinder auf dem Arm. Der Säugling der jüngsten der drei weinte leise und unruhig, und die gemurmelten Worte der Mutter vermochten nicht, ihn zu beruhigen.


    Plötzlich gab es ein lautes Rumpeln, und des Schiff wurde leicht seitlich getragen. Voller Schreck schien Frauen und Kinder gleichermaßen auf und hielten sich am nächstbesten Gegenstand fest, sei es eine Kiste oder die Schiffswand.
    Kampfgeräusche drangen von oben zu ihnen herunter, das Klirren von Eisen, Flüche, Schreie, Leute, die ins Wasser fielen. Bang hielten die Frauen sich an den Händen, bargen die Kinder an ihren Oberkörpern und lauschten nur, hin und hergerissen zwischen Hoffnung und Furcht.
    Und schließlich war es still.


    Gespenstisch still. Lediglich der Atem der hier unten Versammelten hing laut und greifbar in der Luft. Selbst das Baby hatte aufgehört, zu weinen, als wisse es instinktiv, dass es nun ruhig sein musste. Sie alle lauschten, die Frauen, die Kinder, auf eine bekannte Stimme, die befreiend verkünden würde, dass alles überstanden war.
    Schließlich hörten sie Schritte. Einen nach dem anderen. Mindestens drei Männer kamen herunter, sagten aber nichts. Die Anspannung wuchs, und Penelope schloss stumm die Augen. Sie wusste, was es bedeutete, auch wenn ihr Herz noch hoffen wollte.
    Der Schrei der Frau neben ihr ließ sie sie wieder öffnen, und eine Sekunde später wurde auch sie bereits grob an den Handgelenken hochgerissen, mit Panthea im Arm nach oben gezerrt.

    Zunächst war es nur ein Schatten am Horizont, und nichts ungewöhnliches obendrein. Immerhin war man nicht das einzige Schiff, das übers Meer fuhr, auch nicht das einzige auf dem Weg nach Ägypten. Dennoch machte sich eine instinktive Unruhe breit, als der Schatten zu einem Fleck wurde, und schließlich zu einem erkennbaren, kleinen Schiff. Einem, das immer größer wurde und immer näher kam.
    Es war nicht, dass es da war, was die Situation bedrohlich wirken ließ. Immer wieder traf man auch auf See auf ein Schiff in der Ferne, das war nichts ungewöhnliches. Aber die Handelsschiffe gingen sich bei solchen Begegnungen normalerweise großzügig aus dem Weg, änderten leicht ihre Kurse und zeigten damit an, dass sie selbst genausowenig Lust auf Ärger hatten wie das andere Schiff. Nur dieses hier war anders. Es fuhr nicht nur auf demselben Kurs, nein, es machte auch die Kursänderungen der „Neptuns Gunst“ penibel genau mit.


    Die Stimmung an Bord wurde unruhig. Matrosen wie Passagiere starrten nurmehr in eine Richtung, zu dem immer näher kommenden Schiff. Angst griff lautlos um sich, man konnte es an den Gesichtern sehen, an den starren Augen und den angespannten Muskeln. Schließlich war das andere Schiff so nah herangekommen, dass man die Matrosen erkennen konnte, wie sie über das andere Deck huschten.
    “Die Frauen und Kinder unter Deck...“ war der schon mehr gemurmelte als gesprochene Befehl des Kapitäns, und spätestens da war jede Hoffnung, das andere Schiff könne nur ein tollkühner Händler sein, vergessen.

    Der Abschied von Rom fiel Penelope deutlich leichter als ihrer Tochter. Während Panthea schon die ein oder andere Träne vergoss, blieb ihre Miene ungerührt wie immer, als sie sich nochmals für die Gastfreundschaft der Aurelier bedankt hatte und dann gegangen war. In Ostia wartete auch schon das Schiff, dass sie zurück nach Alexandria bringen sollte. Dieses Mal würde es schneller gehen, da das Schiff nicht die lange Route an der Küste entlang, sondern über das offene Meer fahren wollte und so etliche Tage der Reise einsparte. Nun, da die Winterstürme vorbei wahren und die Gewitter des späten Frühlings noch nicht heraufzogen, war es eine gute Jahreszeit, um mit dem Schiff zu reisen.
    Die „Neptuns Gunst“ war ein mittelgroßes Handelsschiff, das auch einige Passagiere mitnehmen konnte. Die Fracht war bereits sicher verstaut im Laderaum, ehe die Gäste an Board kommen durften. Zwar kostete die Überfahrt vergleichsweise viel, dafür aber stand den Passagieren im Laderaum ausreichend Platz zur Verfügung, um es sich dort für die Wochen der Überfahrt gemütlich einzurichten.
    Es gab noch zwei weitere Familien, sowie ein paar alleinreisende Männer, mit denen sich Penelope den Laderaum teilen musste. Für ein wenig Privatsphäre waren Seile gespannt worden, an die einfach nur Chitons zum Trocknen gehangen wurden, um so ein wenig Sichtschutz zu bieten. Allerdings würde der Stoff kaum ernsthaft ein Hindernis darstellen, so dass man sich auf die Mithilfe anderer Passagiere und der Mannschaft im Endeffekt verlassen musste. Aber wenigstens der nötigste Privatraum war gewährleistet.


    Die Reise an sich verlief ruhig. Das Meer war glatt, nur wenige Wellen ließen das Schiff leicht herumschaukeln, und auch der Wind blies angenehm in die richtige Richtung, so dass sie gut vorankamen. Zunächst ging es an der Küste Italias nach Süden, vorbei an Sicilia mit seiner schroffen Landschaft, und dann hinaus auf das weite, blaue Meer.
    Die Stimmung an Bord war gut, und Penelope ließ sich überreden, abends auf Deck zu spielen, anstatt unter Deck nur für sich zu üben oder für ihr Kind ein paar Gute-Nacht-Lieder zu spielen. Matrosen wie Gäste lauschten ihr gern, und für eine Weile vergaß Penelope all die Unterschiede, die ihr sonst so wichtig waren.


    Es wäre eine ruhige Reise geworden, wäre nach 2 Tagen auf dem offenen Meer kein Segel aufgetaucht.

    Sim-Off:

    So, der offizielle Teil ist rum, ihr könnt aber gern noch weiterdiskutieren, allerdings ohne mich. Ich hoffe, ihr habt was gelernt und ich war nicht zu verwirrend :)
    Die Fragen bekommt ihr vom Actuarius gleich noch zugesandt, ihr habt dann Zeit bis zum 08.03.10 um 24:00 Uhr die Antworten zurückzuschicken. Viel Glück und viel Spaß


    Bedächtig lauschte Penelope allen Antworten. Der Phytagoreer verteidigte ganz seine Linie, brachte noch die Idee ein, dass Ordnung und Ästhetik wohl gleichzusetzen warne. Gewiss lag er da ganz auf einer Wellenlänge mit einigen Philosophen, die auch Schönheit durch Einfachheit und Klarheit definierten.
    Die jüngere Frau suchte einen Kompromiss zwischen zwei gegensätzlichen Theorien, und Penelope wäre gespannt gewesen, zu erfahren, wie sie sich den vorgestellt hätte. Den goldenen Mittelweg zu finden hatte schon die Geschichte des Ikaros gelehrt, allerdings war selbst in dieser Geschichte dem Helden das nicht möglich gewesen.
    Die Mathematikerin schließlich schien fasziniert von diesem universellen Ton, von dem aus man alle weiteren Töne ableiten konnte, und sah, ähnlich wie der Phytagoreer, die Lösung dieses Problems in der Mathematik.
    Penelope lächelte leicht vor sich hin und nickte dann überlegend.
    “Sehr gut. Ja, jede Methode hat ihre Vorteile und ihre Kritikpunkte. Letztendlich scheitert alle Mathematik an der Beweisbarkeit, und alle Experimente an ihrer Definierbarkeit durch die Mathematik. Was uns bleibt, ist in jedem Fall die Erkenntnis, wie man Töne mit unseren Mitteln bestimmen, messen und quantifizieren kann, wie man ihre Relationen zueinander darstellen kann und ihre Intervalle harmonisch und reliabel berechnen kann. Mit diesem Wissen ist es uns schließlich möglich, im Vornherein unsere Musik zu planen, unsere Instrumente auszurichten, ohne, dass wir dafür erst probieren müssen. Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages Instrumente, die allein auf den Regeln von Ganz- und Halbtonschritten diese Gesetze versinnbildlichen, so dass jedermann diese klaren Regeln der Schönheit sehen kann. Selbst, wenn er sie nicht begreift*“
    Penelope strich einmal sacht über die Saiten ihrer Kithara und lies damit zum ersten Mal seit beginn dieses Kurses Musik erklingen.
    “In jedem Fall ist die Wissenschaft der Musik nichts abgeschlossenes oder totes. Wie jede Mathematik entwickelt sie sich weiter. Man kann gewiss nicht alle Theorien vereinen, aber man sollte sie in jedem Falle alle kennen, um ihre Stärken und Schwächen zu begreifen. Das möchte ich euch bis zum nächsten Unterricht** mitgeben und euch bitten, jedwede Theorie gleichzeitig offen und kritisch zu prüfen. Denn nur so lernt man.“


    Und damit entließ sie ihre Schüler und hoffte, dass diese wenigstens ein bisschen Weisheit aus ihren Worten ziehen konnten.





    Sim-Off:

    * Man sehe sich hierzu die Klaviatur eines Tasteninstrumentes an^^
    **Die nicht stattfindet, dafür gibt’s nen Test *gg*


    Abschließend möcht ich mich noch bei allen Beteiligten bedanken für die gute Zusammen- und Mitarbeit.

    Noch einmal wischte sich Penelope den Schweiß von der Stirn. Sie war müde und geschafft, aber das war wohl nichts im Vergleich zu dem, was die Mutter fühlen musste. Und sie fühlte sich verklebt und schmutzig. Vor dem Zubettgehen würde sie irgendjemanden nötigen müssen, im Balneum für Wasser zu sorgen. Warm, kalt, ganz egal, aber sie musste sich waschen. Das, was nicht durch Fruchtwasser, Blut oder Plazenta verklebt war, klebte vor Schweiß an ihrem Körper. So konnte und wollte sie gleich nicht ins Bett.
    Bei Frijas Frage horchte Penelope kurz auf und erinnerte sich wieder an ihre restliche Pflicht hier. Sie bückte sich erneut, um sich die Nachgeburt genau anzuschauen. Es durften keine fehlenden Stücke in dem hautartigem Gewebe sein, ansonsten würde Penelope von Hand die Reste aus Siv holen müssen, was zwar bei dem nun noch geöffnetem Geburtskanal problemlos möglich, aber eben sehr unangenehm war. Im Schein der Kerze nahm sie also die restliche Plazenta genau unter die Lupe, sah sich alle Bestandteile genau an und ließ sich dabei Zeit. Sie nahm einfach an, dass Frija von selber auf die Idee kommen würde, in der Zwischenzeit das Kind eben schnell zu waschen. Für diesen Gedanken bedurfte es keines Genies, und die Frau hatte bislang gezeigt, dass das hier wohl nicht ihre erste Tat als Geburtshelferin war.


    Schließlich war Penelope fertig mit ihrer Untersuchung und schnappte sich eines der Leinentücher. Sorgfältig wickelte sie die Nachgeburt darin ein, damit man sie neben der Türschwelle des Hauses begraben konnte, wie es Sitte war. Nunja, Sitte in Ägypten. Aber dort glaubte man eben fest, dass Nachgeburt und Kind eine Verbindung teilten, und wenn Penelope diese schon frevelhaft mit etwas durchtrennt hatte, das nicht aus dem schwarzen Glas des Serapis gemacht war und von Isis gesegnet, so wollte sie dem Kind doch nicht sein ganzes Seelenheil verbauen, indem sie sich da nicht sorgfältig genug darum kümmerte.
    “Es ist alles heraus, es ist geschafft. Du musst das Kind nur noch dringend selbst stillen. Die erste Milch ist wichtig. Danach kannst du eine Amme nehmen, oder auch nicht. Aber die erste Milch muss von dir kommen, und zwar möglichst bald.“
    Penelope fasste sich nochmal an die Stirn. Sie würde, sobald das Kind gestillt und die Mutter am Schlafen war hinausgehen, baden und dann nichts wie in ihr eigenes Bett, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Wenn man ihr bei ihrer Abreise aus Alexandria gesagt hätte, sie würde in Rom einer Barbarin helfen, ein Kind auf die Welt zu bekommen, sie hätte gelacht. Und auch jetzt war ihr danach, eben jenes zu tun. Manchmal hatte Tyche einen sehr seltsamen Humor.

    Immer wieder wischte sich Penelope mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Temperatur im Zimmer schien plötzlich um nichts der Hitze der Wüste in den Sommermonaten nachzustehen, und die Luft erschien ihr ebenso stickig und dick. Immer wieder sprach sie aufmunternde Worte zu Siv, oder schimpfte, wenn die Germanin nicht so gehorchte, wie sie musste. Penelope wollte ihr ja ncihts böses, und sie wusste, wie schwierig es war. Aber sie wollte nicht riskieren, dass doch noch etwas riss. Aber Sivs Damm hielt, und mit einem Mal war das Köpfchen da, verklebt von Plazentaresten und voller klarem Schleim. Penelope nahm den Kopf ganz vorsichtig in die linke, und strich in dieser kurzen Verschnaufpause eilig den grobsten Schleim von Mund und Nase des Kindes. Ab jetzt musste es schnell gehen, oder das Kind würde schlicht und ergreifend ersticken. “Noch einmal, Siv! Der Kopf ist da. Noch einmal mit ganzer Kraft!“
    Und Siv presste, hätte auch ohne Anweisung gepresst. Die Schultern kamen dieses Mal mit heraus, und Penelope nahm ihre zweite Hand dazu. Während so die eine den Kopf sicher stützte, fing die andere den hinausgleitenden Körper sicher auf. Dass sie sich damit bis über beide Ellbogen mit den verschiedensten Geburtsflüssigkeiten einsaute, daran dachte Penelope noch nicht einmal. Sie war gewiss nicht zimperlich, war es nie gewesen.
    Vorsichtig nahm sie das Kind in den Arm, strich noch einmal Mund und Nase frei, nahm ein Tuch dazu, das sie kurzerhand in das nunmehr nicht mehr heiße, sondern nur noch lauwarme Wasser tauchte. Noch war die Nabelschnur mit der Nachgeburt verbunden, die auch sogleich dem Kind folgte und schmatzend in die Schale fiel. Penelope würde gleich nachsehen müssen, ob sie vollständig herausgekommen war, ansonsten würde Siv eine recht unangenehme Prozedur über sich ergehen lassen müssen. Aber erstmal galt es, sich um das Kind zu kümmern.
    Serapis, verzeih mir diesen Frevel, dachte sie kurz stumm und durchtrennte die Nabelschnur mit ihrem eigenen Messer anstelle dessen aus Obsidian, das sie nicht erhalten hatte. Das Kind strampelte leicht, bewegte seine Gliedmaßen in der nicht gekannten Freiheit um sich herum, wandte ganz leicht den Kopf. Penelope rüttelte ganz sachte an seinem Bauch. “Komm schon“, flüsterte sie ihm zu und ignorierte die Nachfrage der Mutter, die selbstverständlich wissen wollte, was los war. Die winzigen Hände groffen ins nichts und suchten nach etwas zum halten, auch die kleinen Zehen verbogen sich, als wollten sie sich festhalten. Und schließlich ging ein Zittern durch den kleinen Leib, dem ein müdes, frustriertes und frierendes “Oiiin“ quäkte durch den Raum. Die kleinen Lungen füllten sich erneut mit Luft, und wiederholten “Oiiin, Oäään, Oäään!“
    Penelope grinste das kleine Leben an und stand damit auf. Noch war das Kind verklebt und musste noch gewaschen werden, aber es lebte, unüberhörbar. Auch wenn die kleinen Schreie geradezu niedlich waren im Vergleich zu den Schreien der Mutter vor noch wenigen Minuten. Sie stand geschmeidig auf und beugte sich vor. Ganz vorsichtig legte sie das Kind auf Sivs Bauch, aus dem es ja gerade gekommen war. Nichts beruhigte Kinder so sehr, wie den Herzschlag der Mutter zu hören. Natürlich achtete sie dabei penibel darauf, dass es nicht versehentlich runterpurzelte.
    “Du hast einen sehr hübschen Sohn.“


    Penelope gönnte der Mutter diesen ersten Moment mit dem Kind. Gleich würden noch weitere Pflichten passieren müssen. Das Kind musste gesäubert werden, damit es sich nicht erkältete. Siv musste es einmal stillen. Ob sie danach eine Amme nehmen würde, war unwichtig, aber in der ersten Stunde musste das Kind einmal von ihr trinken. Kinder, die das nicht taten, starben recht früh.
    Aber einen Moment konnte Siv einfach nur dem kleinen Leben hallo sagen und das kleine Wunder bewundern, das sie hervorgebracht hatte.

    Dass es jetzt so rasch losging, hatte Penelope nun doch nicht erwartet. Sie hatte gehofft, wenigstens noch eine halbe Stunde zu haben, bis dieses Barbaren endlich etwas nützliches beisteuern und ihr den Obsidian bringen würden. Aber das Kind hatte da wohl andere Pläne, und ließ ihr diese Zeit nicht.
    Es war beinahe sichtbar, wie das Kind sich verlagerte und langsam in Richtung Geburtskanal rutschte. Penelope musste noch nicht einmal die Hand auf Sivs Bauch legen, um zu sehen, wie es sich bewegt hatte. Für den Moment war also vergessen, was alles wichtig war, und Penelope griff zu ihrem Gürtel, um die kleine Klinge von dort zu holen. Es war nur ein Messerchen, nichtmal so lang wie ihr kleiner Finger, aber es würde seinen Dienst wohl tun. Es würde es müssen, denn etwas anderes hatte Penelope hier nicht. Ganz kurzzeitig wünschte sie sich, bei ihrem Mann in Alexandria zu sein. Seine Skalpelle waren scharf und lagen griffbereit in seinem Arbeitszimmer. Allerdings war das auch so ziemlich das einzige, was Penelope an ihrem Mann vermisste.
    Sie holte eine der Kerzen, die irgendwann vor Stunden entzündet worden waren, näher heran, um besser sehen zu können. Warum hatte sich Siv auch nicht einen hellen Sonnentag zum Gebären aussuchen können? Das würde die Sache und vor allem die Einschätzung, ob sie schneiden musste oder nicht, nicht einfacher machen. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und fühlte mit schlanken Fingern noch einmal nach Sivs Muttermund, der nun sehr weit geöffnet war.
    “Ich glaube, es ist gleich so weit“, konnte sie noch sagen, ehe Siv auch schon instinktiv anfing, zu pressen, als hinge ihr Leben davon ab. Nun, in gewisser Weise tat es das ja auch durchaus, nicht wenige Frauen überlebten eine Geburt nicht. Einige starben wegen der Anstrengung, andere wegen dem Schmerz, wieder andere wegen dem Fieber danach. Einige verbluteten schlicht und ergreifend. Und in ganz seltenen Fällen steckte das Kind so fest, dass man es nicht heraus bekam, und beide in den Tod riss. Aber daran wollte Penelope lieber alles gar nicht denken.
    Siv presste, und Penelope sah, wie sich eine leicht lila angehauchte Platte langsam aus der Mutter vorzuschieben schien. Dass das der Kopf war, war klar, und Penelope war schon froh, dass es keine Steißgeburt war. Die waren noch gefährlicher für Mutter und Kind.
    “Ich seh den Kopf, es kommt.“
    Penelope war sich nicht sicher, im flackernden Licht der Kerze war es nicht gut zu erkennen. Aber Sivs Muttermund öffnete sich weit und elastisch, während das Kind dagegen drückte. Offenbar hatte das Wasser gute Dienste geleistet und die Muskeln geschmeidig genug gehalten. Penelope behielt das Messer dennoch erstmal in der Hand, nur für den Fall. Ein kleiner Schnitt war schnell gemacht, und besser als ein Riss. Aber noch schien es nicht nötig.
    “Du machst das ganz toll Siv. Tief einatmen und weiterpressen. Ich seh es schon fast.“
    Eigentlich wollte Penelope die Germanin nicht betüteln, aber in dieser Situation brauchte eine Frau auch ein wenig gute Zusprache. Das hier dauerte schon Stunden, und es konnte auch noch eine Stunde gehen. Die Geburtshelferinnen hatten nun eigentlich nur dafür zu sorgen, dass die Mutter nicht schlappmachte, und das Kind, wenn es auf die Welt kam, nicht versehentlich runterfiel. Viel mehr konnten sie nicht tun.

    Na also, so langsam schien sich Verständnis für die Thematik einzustellen bei den Teilnehmern. Nun, zumindest bei der weiblichen Hälfte. Der Pythagoreer war ja auch mit Feuereifer dabei, nur sein Kollege schien entweder verschreckt oder eingeschlafen zu sein. Penelope war es gleichgültig, sie arbeitete mit dem, was sie hatte. Und das erwies sich eben als formbare Masse, die lernfähig zu sein schien. Zumindest in dem Bereich, in dem ein Rhomäer das eben sein konnte, was ihrer persönlichen Meinung nach ja nicht unbedingt viel war.
    “Das ist Richtig. Architas hat eine Formel errechnet. Mit der man auch immer geringere Abstände zwischen zwei Noten messen kann und harmonische Intervalle bekommt. Allerdings, und hier hat der erwähnte Aristoxenos ihn kritisiert, hat er sich bei der Herleitung seiner Formeln verrechnet.“
    Penelope lächelte einmal kurz, ehe sie wieder ernster wurde und weiter dozierte. “Allerdings kritisierte in Aristoxenos nicht wegen zu wenig Theorie, nein, sondern wegen derer zuviel. Ebenso wie Aristoxenos sämtliche Lehren der Pytagoreer kritisierte, da sie praktisch nur schwer überprüfbar und teils rein mathematische Konstrukte waren. So sachlich Aristoxenos auch in seiner Mathematik, so präzise er in seiner Herleitung und so wohl definiert seine Thesen, so überprüfbar seine Axiome auch waren, so war er doch Empiriker. Und DAS ist es, was er an Pythagoras am meisten kritisierte, das Abrücken von der Erfahrbarkeit, die reine Mathematik über das zu stellen, als was man Musik hören, fühlen und sehen kann.
    So ist der Kritikpunkt mit dem Monochord, den du....“
    Wie hieß die Frau eigentlich? Gleichgültig. “...vorgebracht hast, eigentlich das, was Aristoxenos wohl noch am ehesten zu schätzen gewusst hätte. Wenngleich er die Saitenexperimente als zu ungenau betrachtet hatte.“
    Penelope wandte sich mit dem Rücken an ihr Pult und stützte sich ganz leicht daran ab, um so ihre Füße etwas zu entlasten. Sie konnte zwar stundenlang stehen wie jeder ordentliche Kitharist, aber es versprühte ihrer Meinung nach vielleicht einen Hauch von Lockerheit, den ihre Schüler gebrauchen konnten, um ihre Gedanken zu entwickeln.
    “Und um auf die andere frage zurückzukommen: Ja, es geht darum, wie man harmonische Intervalle messen kann zwischen zwei Tönen. Denn wie wollen wir definieren, was Musik ist, wenn wir nicht von einem Ton zum anderen kommen, und zwar exakt? Wie sollen wir Musik aufschreiben, wenn die Abfolge der Intervalle uns unbekannt ist. Wenngleich wir Töne nicht genau bemessen können, so wollen wir doch die Melodien erhalten und niederschreiben, und das geht nur, wenn wir auf gleichen Skalen musizieren. Folglich ist es bestreben der mathematischen Forschung der Musik, diese Intervalle so exakt wie möglich zu definieren und nachprüfbar zu machen.“
    Penelope hoffte, dass das verstanden worden war. Um nun die Diskussion ein wenig anzustupsen, stellte sie noch eine weitere Frage. Nun würde sich zeigen, ob ihre Schüler nicht nur mitdenken, sondern auch nachdenken konnten. “Aber was ist nun besser? Wie Pythagoras es vorhatte, auf der Suche nach diesem einen göttlichen Ton, dieser 1 unter den Noten, von der Praxis sich zu entfernen, sich zwar von ihr inspirieren lassen, aber letztendlich die reine Mathematik zu suchen? Oder wie Aristoxenos es forderte, sich der Mathematik zu bedienen, um das, was wir erleben können, im Experiment zu beweisen?“



    [Sim-off]So, und da ich nicht sicher bin, ob das bislang verstanden worden ist, hier mal eine recht ausführliche Sim-Off-Erklärung:


    Die griechische Notation kennt keine Tonleitern, so wie wir sie heute kennen. Es war tatsächlich so, dass es lediglich auf die Tonschritte ankam und weiteres nicht notiert wurde. Töne als solches konnten nicht gemessen werden, und man konnte sich zwischen den einzelnen Poleis oder gar in der Römerzeit zwischen den einzelnen Provinzen wegen der langen Reisewege nur schwerlich soweit koordinieren, um etwa alle Instrumente allgemeingültig aufeinander abzustimmen.
    Die griechischen Skalen sind also definitiv nicht so zu verstehen wie die heutigen Tonleitern. Während in unserer Neuzeit einem „a“ eine feste Tonfrequenz zugeordnet ist, die diesen Ton eindeutig als die Note a identifiziert, ging dies für antike Musikstücke nicht. So war es also tatsächlich so, dass jedes Instrument leicht anders klang. Je nach Größe des Klangkörpers und der Beschaffenheit der aus Darm hergestellten Saiten hatte jede Kithara und jede Lyra einen einzigartigen Klang. Es ist zwar anzunehmen, dass innerhalb von einzelnen Städten dieselben Töne als Kammertöne hergenommen wurden, das ist aber nicht zwingend so gewesen.
    Am besten vergleichen kann man das wohl mit dem Gesang eines Chores, der ein Lied gemeinsam singt. Da singen die Bassstimmen auch tiefer als die Sopranstimmen, also rein faktisch andere Noten, aber dennoch singen beide Stimmlagen dieselbe Melodie.


    Die Notation der Griechen ist also nicht mit unserer heutigen Notation gleichzusetzen. Es gibt zwar durchaus eine Notenschrift (die aus Buchstaben bestand und wahrscheinlich Abkürzungen war für die Namen der einzelnen Saiten. Mit dem Fall des Römischen Reiches ging das Wissen über das exakte Lesen dieser Notenschrift verloren), aber die ist nicht zu vergleichen mit den heutigen Noten nach dem Violinschlüssel auf den fünf Linien.


    Die Festsetzung der Noten nach Linien entstand erst mit Guido von Arezzo, einem Mönch im 10.-11. Jahrhundert. Für die (gregorianischen) Chorgesänge gab es bereits eine C-Linie und eine F-Linie, die im Grunde nur die Halbtonschritte kennzeichneten (ein Halbton unter C liegt H, ein Halbton unter F liegt E). Dieser fügte er zwei weitere Linien hinzu und einen Notenschlüssel, um das ganze System übersichtlicher und genauer zu machen. Allerdings waren selbst da noch Töne nicht so absolut wie heutzutage.


    Wirklich absolute Messbarkeit und Objektivität brachten Stimmgabeln, die allerdings erst 1711 erfunden wurden. Mit deren Hilfe – da sie leicht nachzubauen und handlich waren – konnten so Instrumente in einem größeren Radius aufeinander abgestimmt werden. Allerdings gab es selbst da dann noch von Hof zu Hof verschiedene Kammertöne, nach denen die Instrumente gestimmt waren.


    Endgültig bestimmt, dass ein „a“ einer exakten Tonfrequenz von 440 Hertz bei 20°C entspricht (und damit einen allgemeingütligen Kammerton) hat übrigens erst eine internationale Stimmtonkonferrenz 1939 (International Federation of the National Standardizing Associations in London, wer es exakt wissen mag), und für die EU bestätigt wurde das ganze erst 1971. So alt ist die exakte Messung von Tönen also noch gar nicht, und die von uns so gewohnte Nachspielbarkeit von Musikstücken, die überall auf der Welt gleich klingen ebenfalls nicht.
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    Manchmal waren Barbaren doch schon sehr seltsam. Als Frija sich vorstellte, schaute Penelope kurz von ihrer Position auf und zog eine einzelne Augenbraue hoch. Das wusste sie doch! Sie hatte gute Ohren und sehr wohl gehört, als die Sklavin sich Siv vorgestellt hatte, und sie hatte sie ja auch bereits mit Namen angesprochen. Warum sie sich dann nochmals vorstellte, war der Griechin also auch absolut schleierhaft. Wenn sie gewusst hätte, dass Frija in der Zwischenzeit seit dem ersten Sehen auf dem Hausflur und der damit verbundenen frage bei einem vorbeihuschenden Sklaven ihren Namen vergessen hatte, hätte sie vielleicht noch gelacht über diesen etwas seltsam anmutenden Versuch, ihren Namen in Erfahrung zu bringen.
    So aber sorgte Siv höchstselbst für die entsprechende Ablenkung, als 'etwas' mehr Flüssigkeit plötzlich kam, als Penelope erwartet hatte. Zum Glück standen Schüssel und Tuch ja bereits bereit. Lediglich Penelopes Chiton wurde etwas in Mitleidenschaft gezogen und bekam ein paar Spritzer ab. Aber nach dieser Nacht würde sie ihn wahrscheinlich ohnehin sehr, sehr gründlich zu reinigen haben, sofern der teure Stoff überhaupt zu retten war. Aber sie war ja nicht arm, sie war eine durchaus sehr wohlhabende Frau, und in Alexandria dank ihres gewonnenen Titels im Moment eine kleine Berühmtheit, die jede Menge Geschenke von Kunstliebhabern erhielt. Penelope wechselte schnell die Schüssel, als die erste volllief mit dem Gemisch aus Wasser, Urin und Fruchtwasser und schob die volle vorsichtig erstmal beiseite.
    Siv hechelte die Wehe weg, und Penelope versuchte, so gut es ging ihr dabei zu helfen. Viel tun konnte sie ohnehin nicht, aber dass die Fruchtblase geplatzt war, war ein sehr gutes Zeichen.
    “Ach, wir drei schaffen das schon. In diesem Raum haben viel mehr ja auch gar nicht Platz, ohne dass man sich auf die Füße tritt“ meinte Penelope noch dabei. Das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war noch jemand, den sie wieder erst zurechtstutzen musste, ehe sie ihn einteilen konnte. Aprospos zurechtstutzen, wo blieb das Messer? Immerhin ging es um das Leben des Kindes, da konnte man von den Männern im Haus doch ein wenig Mithilfe erwarten.
    Penelope wartete, bis die Wehe abgeklungen war, und schaute noch einmal nach Sivs Muttermund. Es war auch ohne Zuhilfenahme von Fingern gut zu erkennen, dass sie sich öffnete und ihr Körper sich darauf vorbereitete, das Kind herauszutreiben. Penelope schaute zu Siv auf und begann mit ruhiger und sachlicher Stimme zu reden. “Siv, es dauert nicht mehr lange. Dann werden die Wehen anders sein als die jetzigen. Du wirst das dringende Bedürfnis verspüren, zu pressen. Ich werde hier unten sein und dir Anweisungen geben ja? Wenn ich sage, dass du aufhören musst zu pressen, musst du aufhören. Auch wenn es schwer fällt. Ich will nicht, dass du reißt, und muss vielleicht einen Schnitt machen. Verstehst du das?“
    Wo blieb nur das Obsidianmesser? Penelope würde zur Not auch die kleine Klinge nehmen, die sie immer bei sich trug wie jede anständige Frau, um sich im Notfall die Klinge in den Hals treiben zu können und so den ehrenvollen Selbstmord zu wählen. Allerdings war dieses Messerchen eigentlich nicht dafür gedacht, das hier zu tun und eigentlich auch bei weitem nicht scharf genug. Aber etwas anderes hatte sie hier nicht. Und bevor Siv sich den Unterleib aufriss, würde es eben gehen müssen. Penelope hoffte, dass es dazu nicht kommen würde und das Becken der Germanin elastisch genug war.

    Na, wenigstens besaß dieses Mannswesen eine gewisse Einsichtsfähigkeit. Er war nicht besser als die hier versammelten Frauen. Er war nicht geeignet, hier irgend etwas zu bestimmen. Er war ganz und gar fehl am Platz, und schien das auch zu merken. Zwar passte Penelope es ganz und gar nicht, dass er einfach ging, ohne von ihr hinausgeworfen zu werden – wenn frau schon einmal so schön in Fahrt war, dann wollte diese Energie auch genutzt sein – aber dennoch war auch ein Sieg durch Rückzug des Gegners ein Sieg. Wie sagte man doch so schön? Wenn ein Mann sich zurückzog, zog er sich zurück. Wenn eine Frau sich zurückzog, nahm sie Anlauf.
    Dennoch fühlte sich Penelope nicht wie nach einem Sieg, sondern grummelte. Nicht zuletzt, weil dieser Mann hier einfach darüber bestimmte, wer bleiben konnte und wer nicht. Natürlich hätte Penelope Cimon auch nach draußen geschickt – das hatten ihre Worte wohl auch klar gemacht – aber es oblag ihr, das zu tun, nicht ihm. Das wurde auch nicht durch Sivs Lachen abgemildert – was auch immer so erheiternd war. Dass es wohl komisch anmutete, wie eine kleine, recht zierliche Frau einen großen Patrizier und einen noch größeren und muskelbepackten Nubier in den Senkel stellte, und diese dann auch vor ihr kuschten als wäre sie Nemesis persönlich, daran dachte sie nicht einmal. Ihre Entrüstung speiste sich ja aus dem Gefühl, im Recht zu sein, und das hatte für sie keine Komik.
    So ging denn erst Cimon, dicht gefolgt von dem Hausherren. Bevor dieser allerdings die Tür von draußen zumachen konnte, musste Penelope doch noch etwas loswerden. Teils aus angestauter Anspannung, teils, weil es ja wirklich wichtig war. “Wenn ihr euch unbedingt nützlich machen wollt, dann besorgt mir eine Klinge aus Obsidian, oder etwas anderes aus Obsidian, das ich zerbrechen und als Messer benutzen kann. Na los“ Und mit einer unwirschen Handbewegung scheuchte sie noch die Reste der männlichen Anwesenheit hinaus, ehe sie sich wieder Siv zuwandte. Zum Glück war das Mannsvolk nun erst einmal vertrieben.
    “Männer! Man könnte meinen, in dem kleinen Ding zwischen ihren Beinen wäre alle Weisheit der Welt versammelt, dass sie so eitel daherreden“, grummelte sie noch kurz weiter, ehe sie sich vor Siv in die Hocke begab.
    “Du solltest einmal vorrutschen, hier an den Rand des Bettes. Frija, stütz sie bitte. Ich muss nachschauen, wie weit du geöffnet bist. Der Abstand zwischen den letzten beiden war ziemlich kurz. Ich denke, wir sollten mit dem Wasser anfangen, um es dir leichter zu machen.“
    Was Männern jahrhundertelang zu denken geben würde und wo sie sich ewig fragen würden, wofür Frauen bei Geburten diese Unmengen an heißem Wasser benötigten, hatte einen ganz unspektakulären wie simplen Grund: Es entspannte die Muskulatur. Was jeder Mensch mit Muskelkater in einem Badezuber fühlen konnte, genau dasselbe passierte auch bei der Geburt, wenn man über die verkrampften Unterleibsmuskeln einfach nur heißes Wasser laufen ließ. Das ließ das ganze weit weniger schmerzhaft sein, vom hygienischen Aspekt einmal ganz zu schweigen. Immerhin konnte eine Frau nicht einfach aufstehen und ihre Blase entleeren, wenn sie gerade in den Wehen lag. 5 oder mehr Stunden es anhalten ging ja aber auch nicht, und Katheter waren zwar schon bekannt, wurden aber bei Geburten normalerweise nicht gesetzt.


    Siv tat wie befohlen und Penelope saß also zwischen ihren gespreizten Beinen und schon ihre Tunika endgültig hoch. Irgendwelche Schamgefühle hatte sie nicht, zum einen hatte Siv nichts, was sie nicht auch hatte, und zum anderen waren die Griechen in punkto Nacktheit ohnehin nicht so zimperlich. Wo jede Sportart nackt ausgetragen wurde, gab es dafür keinen Grund.
    Unter Zuhilfenahme ihrer Finger sah und fühlte Penelope vorsichtig nach, wie weit Siv schon geöffnet war. Es würde nicht mehr lange dauern. Ein Wunder, dass die Fruchtblase noch nicht geplatzt war. “Du solltest hier vorne sitzen bleiben. Ich hole eben das Wasser.“ Im Aufstehen beugte sie sich zu Siv vor und flüsterte ihr noch zu: “Wenn du Pinkeln musst und es dir peinlich ist, ist das gleich eine gute Gelegenheit.“ Sie wusste ja nicht, wie die Germanin in Bezug auf diesen Aspekt der Geburt reagierte.
    Sie holte also die erste leere Schale und platzierte sie unter Siv. Kurz musste diese ihre Hüfte noch anheben, um eines der Tücher noch so zu drappieren, dass doch vorbeilaufende Flüssigkeit nicht das Heu der Matratze durchdringen würde, sondern nur dieses Tuch. Penelope nahm die volle Schüssel mit dem heißen Wasser und schöpfte mithilfe eines Bechers so nun langsam immer wieder Wasser, um es über Sivs angespannte Muskeln zu gießen und ihr so Erleichterung zu gewähren. Wenn die Männer endlich mit der Klinge auftauchten, konnten sie gleich noch mehr Wasser bringen und dieses hier wegleeren. So hatte es vielleicht doch etwas gutes, dass die beiden hereingeplatzt waren.

    Was sollte mit Hunden denn sein? Penelope verstand den Sinn der Frage nicht so ganz, aber das war eigentlich im Grunde ohnehin obsolet. Jetzt gab es erstmal wichtigeres zu tun, als zu versuchen, die Welt zu erklären. “Denk nicht soviel nach. Es ist alles, wie es sein muss. Du machst das ganz toll“, beruhigte Penelope die Kreißende noch, ehe sie Cimon hinterher sah.
    Den komischen Trank von Frija betrachtete sie eher skeptisch. In Ägypten gab es keine Weiden, und von Geißblatt oder Beinwell hatte sie noch nie etwas auch nur gehört. Folglich passte es in ihre Weltanschauung auch nicht, dass diese Kräutermixtur wirklich hilfreich sein könnte, denn wenn sie das wäre, würden die Pflanzen sicher größere Bekanntheit wegen ihrer großen Heilkräfte besitzen. So allerdings war das hier nichts, was einem Iatros eingefallen wäre. Allerdings war sie gerade zu abgelenkt, um ihren Unmut über dieses ihrer Meinung nach barbarische Getränk in passende Worte zu kleiden. Sie war noch damit beschäftigt, Cimon herumzuscheuchen, und dann wurde Siv bereits von dem trank eingeflößt.
    Sie wird Pinkeln müssen wie ein Pferd..., dachte sich Penelope nur still und kam dann auch mit dazu. Von dem Gespräch der beiden Frauen verstand sie nichts, aber das war auch nicht nötig. Sie setzte sich einfach nur so lange auf den Rand des Bettes und ruhte sich selbst ein wenig aus, während die beiden in ihrer barbarischen Sprache sich unterhielten. Irgendwelche Tücher aber in diesen komischen Zaubertrank würde sie definitiv nicht tun. Sie hatte auch nicht vor, dass Siv sich bei dieser Geburt irgendwie verletzte, dass etwas abheilen würde müssen. Wenn Gefahr bestand, dass ihr Damm riss, würde Penelope einen sauberen Schnitt machen. Das heilte schnell und Siv würde es nichtmal bemerken. Da brauchte man keine komischen Tücher mit irgendwelchen Pflanzen, von denen sie noch nie im Leben etwas gehört hatte. Blutende Wunden heilte man mit einem Sud aus Zwiebel und Honig, wusste doch jeder (zumindest die Geburtshelfer in Ägypten).
    Cimon kam wieder und stand wie ein Packesel erstmal in der Tür. Am liebsten hätte Penelope ihn auch gleich wieder postwendend rausgeschmissen. Er war ein Mann, auch wenn er ein Sklave war und damit im eigentlichen Verständnis des Wortes nach damals gültiger Definition kein Mensch. Aber sie war sich nicht sicher, ob das die Göttin nicht dennoch stören könnte, und eine wütende Artemis wollte Penelope wahrlich nicht hier herinnen haben. “Gut, leg die Tücher dahin. Die Schüsseln nehme ich.“ Was sie auch gleich tat und sie neben dem Bett abstellte. Nunja, es waren ganz normale Schüsseln zum Bereiten von Speisen, aber etwas besseres hatte Penelope ja auch gar nicht erwartet. Sie würden ihren Zweck erfüllen und Wasser wie Blut auffangen, so dass man es nach draußen bringen und wegschütten konnte, ohne das ganze Zimmer hier einzusauen.
    Da kam auch schon die nächste Wehe, und Penelope musste Cimons Rausschmiss noch einmal ein paar Minuten verschieben. Sie hielt ihr die eine Hand, während sie Frija bedeutete, weiter den Rücken zu massieren. Der Schmerz ebbte ab, und Penelope saß wieder da und hechelte Siv vor, damit diese sich nicht so albern vorkam, wenn sie es nachmachte.
    Und dann flog auf einmal die Tür auf und ein weiterer Mann stand im Raum. Stand denn da draußen irgendwo ein Schild herum, auf dem groß und breit 'EMPROS' zu lesen war, dass hier jeder gleich reinstürmte? Vor allem dieses elende Mannsvolk!
    “Was ihr fehlt?“ brauste Penelope auf und stand jetzt auf. Das konnte doch alles nicht war sein! Wie barbarisch waren die Rhomäer bitteschön, dass sie nicht einmal die Grenzen, die Artemis ihnen gesetzt hatte, respektieren konnten? Dass sie den Frauen nicht einen eigenen Bereich im Haus zugestanden, der wie eine Festung zu verteidigen war, gut und schön, das lag wohl an ihrer Art. Aber das sie auch in diesen geschützten Bereich vordrangen, das ging wirklich zu weit.
    Nur am Rande erkannte Penelope den Hausherren. Viel zu tun hatte sie mit ihm nicht gehabt, und ihre Gespräche waren doch recht oberflächlich verlaufen. Allerdings hatte Penelope auch keinen Wert auf philosophisch tiefgreifendes Palaver gelegt und sich daher auch gar nicht so sehr darum bemüht, hier irgendjemandem im Hause näher kennenzulernen. Aber seine Stellung war im Grunde auch vollkommen gleichgültig, ging es hier doch um etwas gänzlich anderes.
    “Sie bekommt ein Kind, und ständig platzen irgendwelche ungebildeten Barbaren in einen der Artemis geweihten Raum! Wollt ihr nicht gleich noch ein paar Männer holen, ich glaube, ein paar waren noch nicht hier herinnen?“ fuhr sie Cimon und Corvinus gleichermaßen an. Sie war auch müde und angespannt, sie war nun schon seit etlichen Stunden wach. Und an Schlaf war in den nächsten Stunden wahrlich nicht zu denken. Und nun kamen hier einfach immer wieder irgendwelche Kerle ohne Grund hereingeschneit! Das war doch zum verrückt werden!
    “Was bei ihrem silbernen Bogen wollt ihr hier überhaupt?“ Dass die Frage eher rhetorisch war, konnte man an ihrer Stimmlage wohl sehr gut hören. Und auch jetzt war Penelope froh um die jahrelange Ausbildung, so dass sie genau so bissig klingen konnte, wie sie es wollte. Und das war im Moment ziemlich stark. “Denkt ihr, ihr könnt es besser machen als Frauen?“
    Ein aus den tiefsten Tiefen ihres Herzens kommendes “ANTRES!*“ schloss schließlich ihre Worte ab, und sie sah die beiden Männer nur an wie die Medusa höchst persönlich. Nur, dass die beiden sich nicht augenblicklich bei diesem Blick vor Schreck in Stein verwandelten.


    Sim-Off:

    *Männer!

    Natürlich hatte Penelope die Frage nach Artemis beantwortet. Beinahe erstaunt war sie sogar gewesen, dass die Germanin noch nie etwas von ihr gehört hatte, immerhin war die Göttin durch alle Länder gestreift. Und sie hatte bisher auch noch in jedem Volk eine Entsprechung für sie gefunden, wenngleich in anderer Gestalt. Die Ägypter kannten sie sowohl als sanftmütige Bastet, wie auch als löwenköpfige Sekmeth, sogar Isis sei mit ihr identisch, meinten viele. In den Ländern des Ostens war sie die wilde Ishtar, die Herrin des Krieges, die auch Fruchtbarkeit brachte. Die nördlichen Völker kannte Penelope nicht, daher konnte sie nichts von von der Großen Göttin der Kelten wissen, von Frigg und Freya bei den Germanen. Aber der Kult um Artemis war wohl älter als die Geschichten um die jungfräuliche Jägerin, der kein Mann Herr war, und bei allen Frauen der Welt bekannt. Selbst das beginnende Christentum betete seine Maria an als große Mutter.


    Penelope hatte einfach nur bei Siv gesessen und ihr das Gebet übersetzt und zufrieden festgestellt, dass keine Einwände kamen. Aber das war nun wohl ohnehin obsolet, gab es durchaus wichtigeres.
    Penelope hatte kein Anhaltspunkt, wie spät es wohl war. Die Sonne war untergegangen, aber das musste ja noch nichts heißen. Vermutlich würde das hier bis in die frühen Mogenstunden gehen. Ein Glück, dass sie es gewohnt war, auch mal eine ganze Nacht durchzuarbeiten, wenngleich das Komponieren von Musik körperlich nicht gar so kraftraubend war. Doch mit einem Mal ging die Tür auf, und ein Mann betrat das Zimmer. Es dauerte einen Moment, bis Penelope überhaupt Cimon erkannte. Was bei allen Göttern machte er hier?! Er hatte Glück, dass sie als Dienerin des Museions Priesterin des Apollo war und nicht seiner göttlichen Zwillingsschwester, sonst hätte sie sich genötigt gesehen, sein Blut hier zu vergießen. So bekam er nur einen wütenden Blick zu fühlen, während Siv ihn erkannte und ansprach.
    “Sie bekommt ihr Kind, und du bist ein Mann!“ brauste die kleine Griechin auf, die noch immer Sivs Hand hielt. Kurz – und wesentlich milder – drehte sie sich noch zu der Germanin um. “Pferde haben auch einen viel größeren Körper, Siv. Aber du machst das gut. Es dauert nicht mehr lange.“ Sie tätschelte ihr kurz die Hand, ehe sie sich zu dem Nubier umdrehte. Auch wenn es wohl lächerlich aussah, wie eine Frau, die gut und gerne einen ganzen Kopf kleiner war als er, sich vor ihm aufbaute wie Ker persönlich, stemmte Penelope die Hände in die Hüften und sah ihn an. “Du hast doch wohl nicht etwa meine Tochter hierher mitgebracht?“ Sie schaute kurz an ihm vorbei zu der Tür, an der es klopfte, und etwas ungeduldig riss sie diese auf. Davor stand aber nicht die Tochter, sondern eine andere Blondine mit Tüchern und einem Krug, aus dem es leicht dampfte. Na endlich jemand, der mitdachte! Mit einer etwas ungeduldigen Handbewegung wies Penelope die Frau an, alles reinzubringen und schloss dann wieder den Raum, damit kein böser Geist hereinkam. Dann machte sie sich daran, den Nubier weiter in den Senkel zu stellen. Vermutlich war es ungerecht, immerhin hatte er es gut gemeint, aber er war ein Mann und sie hatte diese Räumlichkeiten der Göttin geweiht.
    “Wo ist Panthea? Passt du nicht auf sie auf?“ Penelope warf beinahe theatralisch die Hände hoch und sah Cimon an, als wisse sie nicht, was sie nur mit ihm machen solle. In gewisser Weise wusste sie es auch nicht. Nur eines war sicher, als Mann schied er als Geburtshelfer kategorisch aus, wenngleich sie durchaus seine starken arme gebrauchen könnte.
    “Wenn du schon hier bist, mach dich wenigstens nützlich. In der Küche sollte noch heißes Wasser sein. Heiß, nicht kochend, ja? Und eine große Schüssel. Oder zwei. Oder soviele du kriegen kannst. Und wir brauchen mehr Tücher. Na hopp!“
    Irgendwie tat es gut, jemanden in der Gegend rumzuscheuchen. Das hier war nicht nur für die werdende Mutter belastend, auch Penelope war müde und angespannt und musste konzentriert bleiben. Da kurz die Wut an jemandem herauszulassen tat ganz gut. Außerdem brauchte sie das ganze Zeug ja wirklich.


    Penelope wandte sich wieder der anderen Frau zu und besah sich das mitgebrachte. Was die Kräuter in dem Krug zu tun hatten, verstand sie aber nicht. “Wofür ist der Sud?“ fragte sie also, noch immer etwas unwirsch, nach, rieb sich direkt darauf die Stirn, als hätte sie plötzlich Kopfschmerzen, und atmete einmal durch. Sie hasste es, die Stoa so zu verlieren.

    Also war keine Hilfe zu erwarten. Penelopes Mundwinkel zuckten einmal, dann tätschelte sie Siv kurz die Hand. “Dann helf ich dir. Keine Sorge, so schwer ist es nicht.“ Immerhin blieb einer Frau auch kaum eine andere Wahl als zu tun, was auch immer die Natur ihr in diesem Moment aufgab. Man konnte nicht versuchen, es anzuhalten oder zu beschleunigen. Es passierte einfach, und man konnte nur hoffen, dass man fähige Helferinnen um sich hatte und die Götter einem gewogen waren.


    Um eben jene Götter sorgte Sich Penelope zuerst. Siv war noch nicht so weit, dass sie wirklich Hilfe brauchte, also war jetzt auch die beste Zeit, um diesen Beistand zu erflehen. Penelope war also kurz auf den Gang getreten und hatte die erstbeste Person angehalten und herumkommandiert. Sie brauchte Weihrauch, sofort. Und in der Küche sollte man dieser Niki Bescheid geben, damit sie Wasser aufsetzte. Und Arsinoe werde gebraucht. Und zwar zackig!
    So sehr Penelope sich auch eigentlich hatte zurückhalten wollen, sie konnte gerade nicht anders, als diese Räumlichkeiten zum Gynaikon zu deklarieren und folglich das Regime hierüber an sich zu reißen, solange die Geburt andauerte. Sollte doch ein Mann wagen, ihre Autorität hier anzuzweifeln! Das hier war ein heiliger Akt, bei dem Männer nichts zu suchen hatten, und Penelope würde sicher nicht zulassen, dass diese die Artemis erzürnten, indem sie sich einmischten. Als der Sklave mit dem Weihrauch kam und bestätigte, dass alles ausgerichtet war, scheuchte sie ihn sogleich auch von dannen und gab ihm nur noch auf, dass für ihre eigene Tochter wohl den restlichen Tag gesorgt werden müsse, da sie so schnell wohl nicht hier wegkäme.


    Drinnen war es noch nicht wirklich weiter vorangeschritten, und so hatte Penelope damit begonnen, den Weihrauch in einer Schale zu entzünden und damit den Raum zu weihen. Leise sang sie zu Artemis, archaisch und fast monoton, und doch hell und ruhig, nicht wie bei ihrer eigenen Geburt. “Große Göttin der Dreifalt. Jungfrau, Mond und Jägerin. Herrin über Mensch und Tier, Göttin der Frauen, geschickte Bogenschützin, Hekate, Selene! Du, die du wohnst in den Bergen, komm her zu uns in die Stadt, wo ein Weib gequält von schmerzenden Wehen deine Hilfe erfleht!“
    Penelope achtete darauf, dass der Rauch rund um das Bett mit Siv einmal waberte und so den Raum von bösen Geistern oder fauligem Dunst reinigte. Je gereinigter ein Ort war, umso geringer war die Gefahr, dass Mutter und Kind verstarben, soviel war bekannt. Wenngleich die Gründe dazu im Dunkeln lagen.
    “Gütige Göttin, die du deinen eigenen Bruder entbunden, hilf uns in dieser Zeit. Schütze das Leben von Mutter und Kind, lass sie deine Stärke haben, deine Kraft der ewigwährenden Jugend! Große Artemis, sei bei uns, richte deine wachsamen Augen auf Siv und ihr Kind. Und wenn du entscheidest, sie mit dir zu nehmen, richte deinen schärfsten Pfeil auf sie, auf dass sie nicht leide. Große Artemis, Göttin der Dreiheit! Jungfrau, Mond und Jägerin! Selene! Hekate!“


    Erst danach, als der Weihrauch nur noch sachte vor sich hinqualmte, widmete sie wieder mehr Aufmerksamkeit der werdenden Mutter. Die Stunden gingen dahin, und immer wieder kamen heftigere Wehen. Penelope unterstützte Siv, hielt ihr mit kräftigem Druck die Hand, so dass sie ihren Schmerz fokussieren konnte, und rieb ihr mit starken, kreisenden Bewegungen den Rücken. Sie wusste noch, wie entspannend dies bei ihr gewirkt hatte, und wie das das Gefühl, außeinanderzureißen, zu mildern vermocht hatte.
    “Ich werde dir, wenn es schlimmer wird, etwas heißes Wasser über diene Scham leeren. Dazu musst du dich aber aufsetzen, Siv. Es wird dich entspannen, du wirst sehen. Heißes Wasser wird dir helfen. Aber versuch, es erst noch ein wenig wegzuatmen. So.“ Penelope zeigte ihr, wie man den Schmerz weghechelte. Auch wenn es furchtbar albern aussah, es half.


    Auf die Flüche hörte Penelope indes gar nicht. Bis auf die paar Griechischen verstand sie sie ohnehin nicht, und das war auch gar nicht nötig. Jede Frau reagierte anders bei der Geburt, aber zu schimpfen und so dem Schmerz ein Ventil zu geben taten viele.

    Ah! Penelope war durchaus freudig überrascht, dass ihre Schüler wohl nur anfangs so zögerlich reagiert hatten. Und zumindest einer von ihnen schien sich mit der Thematik schon näher befasst zu haben, wenn seine Rede auch fast darauf schließen ließ, hier einen ehernen Anhänger der Pythagoreer vor sich zu haben. Das könnte im weiteren Verlauf interessant werden.
    Penelope hielt ihre eherne Miene bei und sah sich genötigt, doch noch einmal sich einzumischen. Gerne hätte sie ihren Schülern Zeit für den Disput noch gegeben, denn nur hier entwickelte sich ihrer Meinung nach wirklich Verständnis, wenn man gezwungen war, gelernte Thesen auf Richtigkeit zu prüfen und ihr Für und Wider zu diskutieren. Allerdings schien hier ein prinzipielles Unverständnis aufgekommen zu sein, das sie erst einmal ausräumen musste.
    “Sehr gut. Allerdings kann man die Frequenz nicht bemessen. Wir sehen, dass eine Saite schwingt, aber je höher der Ton ist, umso schneller schwingt sie, so dass wir die Bewegung nicht mehr mit den Augen mitverfolgen können. Und solange uns keine Möglichkeit gegeben ist, dies zu ändern, müssen wir die Frequenz als möglichen Aspekt beiseite lassen. Denn etwas, das nicht beweisbar und reproduzierbar ist, ist nicht wissenschaftlich erwiesen.“
    Penelope wartete kurz, bis sie wieder die Aufmerksamkeit ihrer Schüler hatte, und räumte dann mit der zweiten Sache auf, die hier offenbar zu Verwirrung geführt hatte.
    “Der Grundton als absoluter Ton ist überdies absolut unerheblich. Jeder Instrumentenbauer, jede Stadt, selbst jeder Musikus, hat seine eigenen Kammertöne, auf die er eingestimmt ist. Unser Musiksystem geht nicht von absoluten Tönen aus, das einer Notation einen festen Laut zuordnet.“ Wie sollte das auch funktionieren, wo man Töne doch nicht objektiv und absolut messen konnte? Woher also sollte ein Instrumentenbauer in Sparta wissen, was ein anderer in Lutetia machte? Wie sollten alle Instrumente der Welt auf dieselben Töne gestimmt sein? Das war unmöglich mit den Mitteln, die den Menschen zur Verfügung standen.
    “Unsere Noten, nach denen wir unser Stücke spielen, beziehen sich rein auf die Skalen, nach denen sie gespielt werden. Und eine Skala kann bei einem beliebigen Laut beginnen, wichtig hierfür ist lediglich die richtige Abfolge der Tonschritte, also Ganztonschritte und Halbtonschritte. Nur danach schreiben wir unsere Stücke, nicht nach absoluten Lauten, die überall exakt gleich erklingen müssen. Je nach Stimmlage des Instrumentes oder des Sängers kann ein Musikstück also in seiner Höhe variieren, nicht jedoch in seiner Abfolge.


    Von daher ist vollkommen unerheblich, wie nun der absolute Laut ist, von dem aus wir beginnen. Es ist immer so, dass eine Halbierung der Saitenlänge zur nächsten Oktave führt. Egal, wie lang die Saite zuerst war, halbiert man sie, erhält man eine Oktave höher. Doch was nützen uns Oktaven? Wir benötigen weit mehr Töne.
    Archytas von Tarent hat noch weit mehr Verhältnisse für Saitenlängen errechnet und durch Experiment bewiesen. Kann mir jemand sagen, wie eine Quinte zustande kommt? Oder eine Quarte?“

    Sie war zuversichtlich, dass die Mutige oder der Pythagoreer die Antwort wohl kennen würden, aber vielleicht überraschte sie ja der ein oder andere. Und wenn nicht, gab es sicher noch interessante Beiträge zur Diskussion oder zu dem, was sie eben gesagt hatte.

    Resolut hatte Penelope die Germanin weiter geführt. Als fast zu Beginn noch einmal eine Wehe kam, hatte sie ihr einfach nur ein wenig Stütze gegeben und gewartet, bis es vorbei war. Viel tun konnte man da ohnehin nicht. Es dauerte, so lange es dauerte, und keine macht der Welt konnte daran was ändern. Und kaum war es vorbei, stand doch eine andere Frau da und plapperte völlig aufgeregt und kindisch vor sich hin. Penelope schaute sie nur an, als würde die gerade deklarieren, der Mond bestünde aus grünem Käse oder ähnlich wirres Zeug. Und dann verschwand sie auch schon, um die anderen auf Sivs Zustand aufmerksam zu machen.
    Als Siv dann auch noch erklärte, dass DAS so ungefähr die beste Hilfe wäre, die sie in den folgenden Stunden zu erwarten hatte, schloss Penelope die Augen. “Oh Artemis, hilf...“ betete sie ein kurzes Stoßgebet und musste dann nochmal grinsen, als Siv meinte, sie könne das allein.
    “Nun, ich bin zwar keine Hebamme, aber glaub mir, du kannst das nicht allein. Nicht beim ersten Kind. Wer soll es denn auffangen, wenn es raus kommt, hm? Und Waschen, wenn du nach mehreren Stunden keine Kraft mehr hast, aufzustehen? Nein, nein, das mit dem allein sein vergiss mal gleich wieder.“
    Penelope half Siv, die mit ihrem großen Bauch nur kleine Watschelschritte machen konnte, langsam aber stetig in ihr Zimmer. Dort angekommen sah Penelope sich erst einmal skeptisch um. Besonders viel, was sie benötigen würden, war ja nicht hier. Nunja, zur Not ging es sicher, zur Not reichte auch der kleinste Platz. Das Kind würde so oder so kommen. Dennoch zog Penelope skeptisch die Stirn kraus.
    “Leg dich am besten auf die Seite und spar deine Kräfte, so gut es geht“ kommandierte die Griechin, und als sie sah, dass Siv den Mund aufmachte, schnitt sie ihr gleich mit einer Geste das Wort ab. “Sofort!“ In Momenten wie diesen war Penelope froh, sowohl mit einer Stimme gesegnet zu sein, die so laut und tragend sein konnte, wie sie es wünschte, und auf der anderen Seite dank ihrer eigenen Mutterschaft genug Erfahrung im erteilen von strengen Befehlen zu sein.
    Sicherheitshalber setzte sich Penelope zu Siv aufs Bett und fühlte ihr nochmal den Bauch. Erst dabei wurde ihr strenger Gesichtsausdruck etwas milder, während sie vorsichtig auf der großen Kugel herumdrückte, um zu fühlen, wie das Kind denn lag. “Sehr gut, dein Kind hat sich gedreht und gesenkt. Hier ist der Kopf“ sie nahm Sivs Hand und legte sie ihr auf die entsprechende Stelle kurz über dem Schambein und drückte ganz leicht, damit sie es fühlen konnte. Wenn sie schon bei Geburten geholfen hatte, würde sie wissen, dass es gut war.
    “Und hier im Haus hat sonst niemand Ahnung davon?“ Penelope gehörte nicht zu den Menschen, die sich in fremde Angelegenheiten einzumischen pflegte. Sie war hier Gast, und wollte mehr auch gar nicht sein. Das hier war nicht ihr Haus, sie war nicht Herrin über das Oikos. Aber sie konnte diese Frau hier auch nicht sich selbst überlassen. So hartherzig war nicht einmal sie. Im Grunde genommen war das Mädchen ihr herzlich egal. Ob sie überlebte oder starb war nichts, was ihr schlaflose Nächte bereiten würde. Aber dennoch empfand sie so etwas wie Mitleid mit dieser Person, die hier so ahnungslos und hilflos neben ihr lag und offenbar herzlich wenig Ahnung hatte, was sie denn demnächst erwartete. Und wenn sich sonst niemand fand, dann würde sie ihr wohl helfen, ihr Kind zur Welt zu bringen.

    Nun, offenbar gab es sonst keine weiteren Fragen. Eigentlich schade, Penelope hatte sich schon darauf eingestellt, von wissbegierigen Schülern gelöchert zu werden mit infantilen und unwissenden Fragen, aber scheinbar hatten ihre Schüler großteils beschlossen, diesen Kurs schweigend zu verfolgen. Einzig eine Schülerin traute sich, die Frage der Bantotakin zu beantworten. Knapp und unvollständig, aber was hatte sie schon erwartet? Wenigstens sagte sie überhaupt etwas. Kurz wartete Penelope noch, ob sich vielleicht einer der anderen trauen würde, den Sachverhalt zu vervollständigen, aber offensichtlich war dem nicht so.
    “Das ist nur teilweise richtig. Phytagoras begründete unser Verständnis für die heutige Musik, indem er versuchte, die verschiedenen Tonintervalle berechenbar zu machen, und so den Tönen Zahlen zuordnen zu können, um so seine Lehre der Harmonie zu prüfen. Allerdings stieß er damit auf ein Problem: Wie misst man Musik? Wie kann man qualitativ bestimmen, welcher Ton ein wievielfaches eines anderen Tones ist? Wie kann man so etwas, das man nur über das Gehör messen kann, einer Zahl zuordnen?
    Pythagoras ging so vor, dass er vor allem mit einem Monochord arbeitete. Falls jemand nicht wissen sollte, was das ist...“
    Und da ihre Schüler sich ja bislang größtenteils in Schweigen hüllten, konnte sie deren Wissen nicht abschätzen, “... es ist eine einzelne, über einen Steg gespannte Saite. Dadurch, dass der Steg verstellbar ist, kann man diese Saite also mit Leichtigkeit verkürzen und so andere Töne hervorrufen.“
    Penelope lief ein paar Schritte vor ihrem Schreibtisch herum und blickte dann wieder streng in die Runde.
    “Plato bereits forderte, dass seine Musiktheorie auf mathematischen Grundsätzen zu fußen habe, und diese empirische Vorgehensweise nicht wissenschaftlich genug sei. Doch, wie hätte er anders vorgehen können? Hätte es denn eine andere Möglichkeit gegeben, die Musik messbar zu machen, als über das Gehör?“
    Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte hätte sich schließlich noch kein Mensch vorstellen können, dass man einmal Tönen exakt messbaren Frequenzen zuordnen würde können und diese auf einem Oszilloskop darstellbar machen konnte. Das genaueste Instrument, um ein akustisches Signal zu bestimmen, war nach wie vor das Ohr, und das würde sich so schnell auch nicht ändern.


    Auffordernd sah sie in die Menge, hoffte auf eine Reaktion. Egal welche. Sie erwartete ja gar nicht, dass ihre Schüler alles wussten, aber wenigstens Interesse für das Fachgebiet hoffte sie zu finden, dieses Blitzen in den Augen, wenn man ein Problem erkannte und nach einer Lösung suchte. Selbst wenn diese Lösung in einem „Das weiß ich nicht“ letztendlich bestand.



    Sim-Off:

    Ich wollte eigentlich auch auf die anderen Kursteilnehmer warten, aber nicht gar so lange ;) Ich möchte bitte nochmal daran erinnern, dass dieser Kurs nicht rein Sim-Off abgelegt werden kann. Keine Sorge, ich weiß schon, dass die Charaktere nicht alles wissen können und weiß es auch zu beurteilen;) Also, hopp, hopp, posten.

    Es kommt und geht... ja, das kannte Penelope schon. Aber so, wie Siv aussah, war das nicht so eine Wehe, so, wie sie sich in den Stuhl eben verkrallt hatte, würde das in den nächsten Stunden häufiger kommen und gehen. Lächelnd schüttelte Penelope den Kopf, vor allem, als die Blonde damit anfing, sie hatte nur nicht die Pferde scheu machen wollen.
    “Oh, glaub mir, die anderen können ruhig ein wenig Bewegung vertragen. Besser, als wenn du hier die Bibliotheke einsaust, weil deine Fruchtblase platzt.“ Penelope sah das ganze ganz pragmatisch. Noch schätzte sie Sivs Zustand so ein, dass man sie noch bewegen konnte. Da war noch kein Wasser, dass ihr an den Beinen hinunterlief und den gewiss teuren Fußboden ruinierte. Ganz zu schweigen von den Korbsesseln.
    Als Siv dann ncoh fragte, ob das denn jetzt schon sein musste, musste Penelope doch kurz richtig lachen. “Wenn du dein Kind nicht hier zur Welt bringen magst, ja. Es hat sich schon ganz schön weit gesenkt, und so, wie du grade ausgesehen hast, würde ich wetten, es kommt in den nächsten Stunden. Und glaub mir, du läufst jetzt leichter in dein Zimmer, als wenn die Wehen alle paar Minuten kommen.“
    Penelope stapelte kurz fein säuberlich ihre Wachstafeln. Sie hatte so viel Mühe gehabt, das Stück so weit zu vollenden, da wollte sie nicht durch die Unachtsamkeit eines dritten wieder von Vorne beginnen müssen. So viel Zeit musste sein. Außerdem machte die Germanin ohnehin keine Anstalten, sich aus dem Sessel zu erheben.
    Und dann fragte sie doch etwas, das Penelope etwas stutzig werden ließ. “Na, du weißt schon? Deine Hebamme? Schwestern? Mutter, Tante, Schwägerin? Sklavinnen, die dir bei der Geburt helfen? Du kannst das Kind ja wohl schlecht alleine zur Welt bringen.“ Allein die Vorstellung war lächerlich. In höchster Not würde das wohl gehen, ja, aber eine Geburt war ein schwieriger Zeitpunkt. Das Leben von Mutter und Kind lag auf der Waagschale der Götter. Nur ein kleiner Schubs, und frau sagte dem Fährmann 'chaire'. Warum also sollte eine vernünftige Frau das riskieren? Wenn sie schon sieben oder acht Kinder hatte, gut, aber Siv sah nicht so aus, als wäre das bei ihr der Fall. Vor allem hätte sie dann die Wehe anders eingeschätzt. Penelope ging schwer davon aus, dass es das erste Kind war, allein den Worten nach zu urteilen.
    “Sag mir jetzt erstmal, wo wir hinmüssen und lass dir da raushelfen. Das mit den Helferinnen sehen wir dann schon. Und keine Widerrede.“
    Und Penelopes sicherer Griff nach Sivs Händen, um die Frau auf die Beine zu ziehen und ihr damit das Aufstehen zu erleichtern, ließ auch keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte.