Beiträge von Lucius Iunius Merula

    Wahltag
    Menschen, die Lucius Merula gut kannten, staunten nicht schlecht. Am Wahltag in Misenum Mitte März sah man den eigenwilligen Iunier nicht nur frisch rasiert - das war selbstverständlich auch bei ihm Standard - sondern
    auch mit kurz geschnittenem Haar. Sogar in die ihm so verhasste Toga hatte er sich kleiden lassen, und zwar nicht gewohnt schludrig und leger, sondern so, wie es sich gehörte.


    Früh am Tag war er bereits unterwegs, zeigte sich gut gelaunt der Einwohnerschaft und schüttelte wie in den vergangenen Tagen eifrig zahlreiche Hände.
    Um nicht distanziert und abweisend zu wirken hatte er die beiden germanischen Ex-Gladiatoren in seinem Haus zurückgelassen.
    Deren Rolle als loyales Gefolge übernahmen an diesem Tag eine Hand voll einheimischer Bekannter.
    Trotz seiner langen Abwesenheit von der Stadt kam es ihm so vor, als hätten ihn viele Bürger eher positiv in Erinnerung und mit der Unterstützung durch den noch amtierenden Duumvir Iulius Proximus ging er die Aufgaben des Tages zuversichtlich an.

    "Dann wollen wir hoffen, dass es so friedlich bleibt."
    An seiner ablehnenden Haltung gegenüber allem Militärischen hatte sich wenig geändert, auch wenn Merula mit dieser Überzeugung innerhalb der Gens Iunia ziemlich alleine stand.
    "Ich werde mir dann jetzt einmal die Punkte und Aufgaben ansehen, die im Fall einer Wahl zuallererst zu bearbeiten sind."

    "Danke, ich werde dein Vertrauen mit Taten rechtfertigen."
    Merula kratzte sich nachdenklich am Kopf. Da war doch etwas, was er unbedingt noch erfragen wollte.
    "Hat denn der Tod des Kaisers Auswirkungen auf die Lage in der Civitas? Es scheint alles friedlich und die Menschen gelassen zu sein.
    Habt ihr Neues aus Rom gehört?"

    In Alexandria war man ja, was Informationen anging, nicht immer auf dem aktuellsten Stand.

    Merula war durchaus überrascht. "Cursus Honorum in Rom! Dann habe ich ja einen noch bedeutenderen Mann vor mir als ich es ohnehin schon dachte. Ich gratuliere dir."
    Und scheinbar waren ausgerechnet jetzt auch Wahlen in Misenum angesetzt, eine Tatsache, die bei dem Iunier ein wenig Unsicherheit über sein weitere Vorgehen aufkommen ließ. Wollte er nun gleich kandidieren oder lieber noch eine Amtszeit abwarten.
    Doch Proximus schien eine Kandiatur von Merula unterstützen zu wollen, also war die Frage nach einem einflussreichen Unterstützer schon einmal positiv beantwortet.
    "Ja, ich denke, ich werde meine Kandidatur einreichen. Nachdem ich der Stadtkasse bereits einen schönen Geldbetrag habe zukommen lassen, sollte man mich rechtzeitig zum Decurio Miseni ernannt haben."


    Sim-Off:

    1500 habe ich schon an Misenum (1229) überwiesen. Machst du den Aushang oder wende ich mich da an die Spielleitung?

    Offenbar plante Iulius Proximus irgendeine Veränderung. Welcher Art, konnte Merula jedoch nur erfragen?
    "Du wirst deiner gegenwärtigen erst einmal keine weitere Amtszeit als Duumvir folgen lassen?" formulierte der Iunier etwas umständlich.
    "Gibt es den einen persönlichen Favoriten von dir unter den Anwärtern für deine Nachfolge ?"


    "Ich will ein gute Leben führen; und wo könnte man das besser als in Misenum", beantworte er die Frage zu seiner Rückkehr.
    "Und wenn ich feststellen sollte, dass dies auf eine positive Resonanz unter den führenden Bürgern der Satdt stoßen sollte, halte ich es auch für möglich, mich einmal für ein Duumvirat zur Verfügung zu stellen."

    "Schön, dass du Zeit für mich hast! Dass Misenum während deines Schaffens noch schöner geworden ist, wundert mich nicht", umschmeichelte der Iunier den Duumviren.
    "Ich hoffe, dass es dir auch im Persönlichen gut ergangen ist.


    Nun, lass mich dir zuerst sagen, dass ich meine alte Wohnstatt in Misenum wieder bezogen habe.
    So spannend und abwechslungsreich die Zeit in Alexandria auch gewesen ist... ich habe mich entschlossen, jetzt dauerhaft am Mare Tyrrhenicum zu verbleiben."


    Merula legte eine kurze Pause ein, während der er zu ermessen versuchte, was der Duumvir darüber dachte. Vielleicht war diesem ja schon vor Merulas Besuch zugetragen worden, dass das alte Haus wieder von ihm bewohnt wurde.
    "Und in diesem Zusammenhang möchte ich auch meinen Platz unter den Männern des Ordo Decurionum einnehmen, der mir als ehemaligem Magistrat, Fasteinheimischem und Mitglied des ehrwürdigen iunischen Hauses sicher zusteht. Ich habe meinen Custos schon ausgesandt, den Kämmerern der Stadt den ersten finanziellen Beitrag zu überbringen. In Zukunft werde ich meine Zeit und einen guten Teil meines Geldes ganz dieser Perle Campaniens widmen."
    Nachdem er diesen ersten Punkt angesprochen hatte, wartete Merula erst einmal auf die Reaktion des Proximus.

    Die Zeitspanne, deren Dauer man später vielleicht einmal mit zehn Minuten angeben würde und die Merula auf dem Hocker im Zimmer des Schreibers warten musste, war nach Meinung des Iuniers schnell vergangen; er war sich ja nicht einmal sicher gewesen, ob er überhaupt einer der Duumviren Zeit für ihn haben würde.
    Und der Mann, in dessen Amtszimmer ihn der Schreiber geführt hatte, war eindeutig jener Iulius, den Merula von seiner Zeit in Misenum vor Jahren kannte.
    "Salve Proxime, ehrenwerter Duumvir!" grüßte er den Amtsträger.
    "Vielleicht erinnerst du dich an mich? Ich bin Lucius Merula von den Iuniern und lebte und arbeitete vor einigen Jahren im schönen Misenum."
    Merula hatte sein übliches, angemessenes Erscheinugsbild wieder gewonnen; nur seine Stimme wirkte leicht verändert, etwas tonlos.
    "Wenn du etwas Zeit erübrigen kannst, würde ich gerne einige Dinge mit dir besprechen."

    Merula kannte die Wege in Misenum noch aus der Vergangenheit. Sogar das Gesicht des Schreibers kam ihm bekannt vor, auch wenn er darauf keine Wette eingehen würde.
    "Salve! Kannst du einen der Duumviren dazu bewegen, sich ein wenig Zeit für Lucius Iunius Merula zu nehmen. Vorzugsweise den ehrenwerten Iulius Proximus!" fragte der Iunier, der erfahren hatte, dass der ihm bekannte Iulier noch immer zu den führenden Männern Misenums gehörte.

    Wenige Tage nach seiner Ankunft hatte Merula sein altes Haus in Misenum wieder beziehen können. Einige kleinere Schwierigkeiten mit den gegenwärtigen Bewohnern hatte er dabei zwar schon regeln müssen, doch die Überzeugungsarbeit seines Chatten und des Hermunduren, deren Mitnahme sich somit schon frühzeitig auszahlten, hatte jenen den schnellstmöglichen Auszug aus dem Haus schmackhaft gemacht.
    Der Hausherr hatte zwar noch gedroht, Merula sämtliche Juristen des Reiches auf den Hals zu hetzen, doch das ließ den Iunier kalt. Die Familie war ortsfremd, noch weniger in der Gegend verwurzelt als Merula selbst, und dieser sah sich absolut im Recht.
    Während er versuchte, die Behausung wieder in einen Zustand zu bringen, der ihm zusagte, überlegte er, was er möglichst schnell angehen wollte und welche Angelegenheiten erst einmal zurückzustellen waren.

    Merula riskierte keinen Blick zurück, als er eines der wenigen Schiffe bestieg, deren Kapitäne vor Stürmen auf spätwinterlicher See keine Angst hatten.
    Er hatte einen kleinen Teil seiner beweglichen Besitztümer in eine Reisetruhe gepackt, alles übrige verblieb entweder in Silanus Haus in der Basileia oder wurde an anderer Stelle in der Metropole am Mareotissee zwischengelagert.


    Celsa würde in Alexandria zurückbleiben und Merulas wirtschaftliche Unternehmungen im Auge behalten, hin und wieder vielleicht auch als dessen Vertreter bereitstehen; also das tun, was er die vergangenen Monate sowieso schon übernommen hatte.
    Die zwei Barbaren aus dem Norden nahm der Römer mit. Hier würden sie wahrscheinlich kaum benötigt werden, mit etwas Pech gar für Ärger sorgen.


    Der Iunier hatte keinen genauen Plan, wie lange er Alexandria den Rücken kehren wollte, ob er überhaupt noch einmal zurückkehren würde. Aber das machte für ihn den Reiz des Vorhabens aus. Die Aufregung um den Tod der Kaiserfamilie hatte er zur Kenntnis genoommen, doch sie hatte nur zu einen geringen Teil zu seinem Entschluss beigetragen. Ob man die kommenden Monate besser und friedlicher in Ägypten oder in einem anderen Teil des Reiches verbringen konnte, wer wusste das in diesem Augenblick schon zu sagen.
    Er benötigte diese Luftveränderung dringend und war ausnahmsweise auch einmal fest davon überzeugt, das Richtige zu tun.

    Wenn Merula an diesem Tag überhaupt anwesend gewesen war - denn aufgrund seiner langen Abwesenheit und andauernder Zurückgezogenheit konnte hinterher niemand zu hundert Prozent bestätigen, ihn wirklich gesehen zu haben, so hatte er die Versammlung, der er hätte beiwohnen dürfen, nun sicher schon wieder verlassen. Denn wer den instabilen und von kleineren Paranoia verfolgten Iunier kannte, der wusste, dass er zu dem vielleicht kleinen, aber doch vorhandenen Teil der römischen Exklave in Alexandria gehörte, die nicht vorhatten, abzuwarten, wie die Sache hier ausgehen würde.
    Zu viele Unwägbarkeiten lagen vor, zu viele Animositäten lagen in der Luft.


    Ob er nun hier gewesen war oder nicht. Lucius Iunius Merula beschloss in jedem Fall an diesem Tag, Alexandria fürs erste den Rücken zu kehren. Vielleicht war es auch nicht das Schlechteste, als Römer erst einmal in Deckung zu gehen.

    Ein Diener brachte einen auf einer Holztafel festgehaltenen Antrag von der Domus Iunia herüber:



    Regia Praefecti
    Praefectus Aegypti
    Decimus Annaeus Varus




    Lucius Iunius Merula, römischer Bürger und wohnhaft im alten Königsviertel von Alexandria, bittet den Praefekten von Alexandria und Aegypten um die Gelegenheit, zum nächstmöglichen Zeitpunkt in einer privatrechtlichen Angelegenheit angehört zu werden.
    Für eine Antwort bin ich in der Domus Iunia zu erreichen.




    Gekränkt wandte sich Lucius Merula ab. Was wusste der schon?
    Sorgfältig versuchte er abzuwägen, was er eigentlich wollte. Und was er von diesem septimischen Graecoromanen erwartete.
    Er musste etwas Grundlegendes in seinem Leben verändern, das wurde ihm in der kurzen Zeit, die ihm die Situation gewährte, deutlich vor Augen geführt.


    Und warum nicht jetzt gleich damit anfangen!?
    "Kann ich einen Moment eine Sache mit dir besprechen. Eine wichtige Sache!" wandte er sich an den Grauhaarigen und machte einige Schritte weg von den übrigen Anwesenden um Celsa, um zu verdeutlichen, dass er das gerne unter vier Augen besprechen wollte...

    Erschöpft ließ sich Merula auf den Boden des Übungsplatzes fallen, so dass er auf dem Rücken zum liegen kam. Sein Atem ging schwer und der Schweiß lief ihm kübelweise von der Stirn und es dauerte eine ganze Weile, bis seine Augenlider so weit von Staub und Schweiß befreit waren, dass er seinen klaren Blick wieder erlangt hatte.
    Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie sich die Beobachter der Szene - darunter Celsa und der von diesem einbestellte Exsoldat - betont optimistisch gaben. Doch die Art, wie zumindest der spanische Freigelassene seinem Blick auszuweichen versuchte, ließ vermuten, wie wenig erbaulich Merulas körperliche Verfassung sein musste. Zwei, drei kurze Läufe und ein angedeuteter Ringkampf hatten seinen Körper schon dermaßen stark verausgabt, dass seine Lust auf eine Verlängerung der Leibesübungen verflogen war.
    Dem Iunier war es relativ egal. Es verlangte ihn nach einem Becher kaum verdünnten Weines. Seine geistigen Verminderungen hatten sich als weniger schwer als befürchtet herausgestellt und sein Gedächtnis war in halbwegs nüchternem Zustand leidlich vollständig zurückgekehrt, doch umhüllte ihn immer noch dieser schwer definierbare Ausdruck von Desinteresse und Gleichgültigkeit.
    Schließlich entschied sich Merula doch dazu, sich unter einigem Geschnaufe und Gestöhne wieder aufzurichten und einen vorwurfsvollen Blick in Richtung 'Trainerteam' zu werfen, der vermutlich etwas wie "Warum sollte ich mir das eigentlich antun?" ausdrücken sollte.

    [Blockierte Grafik: http://img41.imageshack.us/img41/3866/celso.jpg] | Celsa


    Der Patient war eingeschlafen. Celsa und der herbeigerufene Arzt namens Logbasis - eine Kapazität für Erkrankungen des Geistes, wie man ersterem versichert hatte - weilten an dessen Bett und beobachteten den sich im Rhytmus des Atems bewegenden Körper.
    "Wird er wieder gesund?" Diese Frage hatte Celsa beschäftigt, seit sie Merula am Vortag von der Straße aufgeklaubt hatten.


    Logbasis kratzte sich eine gefühlte Ewigkeit am Kopf, scheinbar mit sich selbst um eine gute Antwort ringend. "Die Möglichkeit besteht!" brachte er schließlich vorsichtig hervor. Und als er merkte, dass dies seinem Auftraggeber als Gegenleistung für das wertvolle Geschenk, das man ihm vorab hatte zukommen lassen zu wenig war, fügte er seinen knappen Worten weitere hinzu: "Außer der Platzwunde am Hinterkopf und einiger kleinerer, oberflächlicher Schrammen ist er äußerlich gesund. Wenn er behutsam aufgebaut wird und sich vom exzessiven Weingenuss lossagt, werden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schnell Fortschritte einstellen."
    Für Celsa Geschmack waren das entschieden zu viele Wenns und Vielleichts! Aber es blieb ihnen nunmal vorest nichts anders übrig, als dem Urteil zu vertrauen und auf Besserung zu hoffen.

    [Blockierte Grafik: http://img41.imageshack.us/img41/3866/celso.jpg] | Celsa


    „Der da, das ist er!“ Celsas kräftiger Zeigefinger deutete in Richtung des an einer Hauswand lehnenden Mannes, woraufhin die beiden Begleiter des glatzköpfigen, iunischen Freigelassenen, zwei ehemalige Gladiatoren namens Eginhard und Hildulf, die vor einer gefühlten Ewigkeit in Rom erworben worden waren, den schmutzigen Mann vorsichtig an den Schultern packten und zum Stehen brachten, was dieser ohne Widerspruch mit sich geschehen ließ.
    Celsa trat nahe heran. Die Informationen, die ihm ein ehemaliger Soldat hatte zukommen lassen, der schwor, seinen Schützling aus vergangenen Tagen wieder erkannt zu haben, entsprachen also tatsächlich der Wahrheit.
    Er versuchte den Blick des Mannes einzufangen. Der Blick schien vernebelt zu sein, ging wirr umher, doch der Libertus meinte durch den Schleier von Alkohol und geistiger Umnachtung etwas von den alten Befähigungen und des tiefgründigen Scharfsinnes erkennen zu können, die jenen früher einmal ausgemacht hatten.
    „Lucius!“ begann er leise. Doch der Iunier reagierte nicht auf die wiederholten Versuche Celsas, zu ihm vorzudringen. „Ich bin Tullia!“ blieben seine einzigen Worte. Celsa atmete tief durch: „Packen wir ein, was noch von ihm übrig ist!“

    „Erinnerst du dich an dein Versprechen?“ fragte Ruben, einer der beiden Brüder, ihren Reisebegleiter, mit dem sie fast zwei nundinae zusammen verbracht hatten. „Du wolltest uns sagen, wer sich hinter deinem schmutzigen Äußeren verbirgt.“
    Die drei Gefährten hatten sich unweit der großen Synagoge eine erste Pause gegönnt, die beiden Brüder den eingeatmeten Reisestaub mit Wasser, der fremde, nicht mehr ganz junge Mann mit einem guten Schluck säuerlichen Weines aus der Kehle gespült.
    Alphäus schüttelte nur den Kopf. Überhaupt war es in erster Linie der ältere der Brüder gewesen, der zumindest gelegentlich das Gespräch mit dem Mann in dem schmuddeligen Gewand gesucht hatte; der Grund hierfür war sicherlich auch in Alphäus mangelhaften Kenntnissen der hellenischen Sprache zu suchen - und in dem Erscheinungsbild des Fremden.
    Den Großteil der Zeit war der Vagabund stumm oder vor sich hinmurmelnd marschiert, mal am Ende ihrer kleinen Gruppe, mal wie im Trance vorauseilend. Im Laufe ihrer gemeinsamen Reise hatte er sich zudem von fast all seinen Besitztümern getrennt – was schon zu Beginn nicht sehr viele gewesen waren – und den Erlös (so weit vorhanden) in Wein eingetauscht, sodass er nun buchstäblich außer besagten Lumpen und Sandalen nichts mehr am Leibe trug, was der Erwähnung wert gewesen wäre.
    Umso grotesker die Tatsache, dass er sich von einem Gegenstand nicht getrennt hatte. Von diesem unförmigen Etwas, dass sich bei näherer Untersuchung als Reitsattel entpuppt hatte, war der Italiker – und Ruben war mittlerweile davon überzeugt, dass es sich um einen solchen handelte - nicht loszubringen.


    „Ich bin Charon, auf der Schwelle zwischen dem Reich der Toten und der Welt der Lebenden“, antwortete der Fremde nun mit unerwartet klarer Stimme auf Rubens Frage.
    „Wenn du Charon bist, wie kommt es dann, dass du offenbar deiner Aufgabe überdrüssig geworden bist und als Wanderer Richtung Süden unterwegs bist?“ lautete Rubens spöttische Entgegnung.
    Der Mann machte nicht den Eindruck, als störe ihn dieser Einwand auch nur im Geringsten und fuhr – ungewohnt gesprächig – mit seiner wirren Rede fort:
    „Kennst du Tullia, Mann aus Iudaea? Tullia, die Verräterin, Mörderin an Vater, Freunden, Geschwistern? ...
    Ich bin Tullia!“

    „Nie von ihr gehört. Eine Frau?“ Ruben blickte zu seinem Bruder, doch der schüttelte wieder nur den Kopf: „ Spinner!“
    „Und der Sattel?“
    „Gehörte Fulgur, dem treuesten und edelsten Freund, den man sich vorstellen kann. Tot ist er.
    Nun schüttelten beide in brüderlicher Eintracht den Kopf. „Nun, ich wünsche dir alles Gute, Freund von Fulgur, dem Edlen. Mögen dir deine Götter gnädig sein.“