Es war erfreulich, dass Achilleos die Angelegenheit mit dem Museion als derart nebensächlich abtat. Zwar war sich Alsuna nicht ganz sicher ob er das ganze Ausmaß der Konsequenzen ermessen konnte, wenn er einer Sklavin die Möglichkeit des Studiums eröffnete, doch sie würde sich hüten, ihn darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht war es auch genau das, was er wollte. Das Anderssein bedeutete ihm sichtlich viel, womöglich benutzte er sie nur, um seine eigene Individualität noch weiter voranzutreiben. Ihr waren seine Gründe gleich, solange sie ebenfalls einen Vorteil daraus zog. Er trug die volle Verantwortung für sie und er musste wissen, wie weit er jemandem vertraute, den er gerade erst kennengelernt hatte.
Dass tote Schweine sie vermutlich nicht ausreichend auf das harte Leben dort draußen vorbereiteten, war Alsuna bereits klar gewesen, als man diese Schlachtplatte vor ihr aufgebaut hatte. Allerdings hätte man sie niemals mit echten kranken oder verletzten Menschen in Kontakt gebracht, dafür lebte sie einfach zu eng mit Memnos' Schmuckstück zusammen. Nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können, welche bösartigen Infektionen und Krankheiten sie hätte anschleppen können. Schon die Übung mit den Schweinekadavern hatte sie nicht wirklich offiziell durchgeführt. Was ihre Herrschaften nicht wussten, konnten sie ihr schwerlich verbieten.
Dieses Mädchen vorhin schien nicht ganz richtig gelegen zu haben mit der Behauptung, dass der Herr des Hauses kaum lächeln würde. Nun lachte er sogar. Und dies zu einem Anlass, den beileibe nicht jeder Mann in seiner Position amüsant gefunden hätte. Nach den Worten der Kleinen zu urteilen hätte man hier einen alten Griesgram erwarten können, allerdings hätte sich der wohl kaum eine riesige Schar Kinder ins Haus geholt. Eine solche Tat setzte schon irgendwie voraus, dass er einen gewissen Sinn für Humor besaß. Oder es mit Freuden in Kauf nahm, sich ein ordentliches Magengeschwür anzueignen.
Nun, als ein Mann der Wissenschaft dürfte es ihn doch sicherlich freuen, auch nach seinem Tod noch als Studienobjekt für kommende Generationen herhalten zu können. Alsuna beschloss, diesen Gedanken lieber nicht laut auszusprechen. Man musste den Sinn für Humor seines Gegenübers schließlich auch nicht gar zu sehr herausfordern.
"Das ist deine erste schwere Kampfverletzung, Herr?" Die Germanin musste zugeben, dass sie nicht bloß überrascht, sondern geradezu beeindruckt war, sogar ein wenig gegen ihren Willen. Diese Narbe wirkte nicht sehr alt, ein paar Monate vielleicht. Und die hatte er auch noch eigenhändig genäht? Alsuna spürte eine prickelnde Gänsehaut auf ihren Armen bei der bloßen Vorstellung, sich selbst eben mal das Fleisch zusammenzuflicken.
"Du hattest großes Glück mit der Stelle der Verwundung und dass sie so gut verheilt ist. Im Zweifelsfall ist es vielleicht besser, einen richtigen Heiler aufzusuchen, als die körperliche Gesundheit und die Beweglichkeit des Armes zu riskieren." Natürlich befand sie sich bei Weitem nicht in der Position, ihm Vorschriften oder gar Ratschläge zu geben und womöglich hatte er auch nur ein wenig mit seinen Leistungen angeben wollen, indem er sie so darstellte, als wären sie nichts als eine kinderleichte Übung. Doch selbst Alsunas Meinung nach behandelte er einige Dinge ein wenig zu nebensächlich und oberflächlich, vorzugsweise jene, die eine solche Abwertung mitnichten verdienten. Und irgendwann spürte man als ungläubiges Gegenüber nur noch den Drang, ihm einen fast mütterlich anmutenden Klaps auf den Hinterkopf zu geben.
Zumindest wusste sie nun, dass sein Körper keineswegs von unzähligen Narben übersät war.
"Zum ersten Mal derart verletzt zu werden muss ein Schock für dich gewesen sein, Herr." Gut, vermutlich nicht. Vermutlich hatte er mit der gesunden Schulter gezuckt und dieses Erlebnis weggesteckt, als ob es sich niemals ereignet hätte. Was für eine Waffe mochte diese Art von Narbe verursacht haben?
"Wäre deine Position leicht anders gewesen und die Waffe in deine Seite eingedrungen, so wärest du möglicherweise noch an Ort und Stelle verblutet." Nicht, dass sie ihm bewusst Angst einjagen wollte, was ihr wohl ohnehin niemals gelungen wäre. Alsuna wusste selbst nicht sicher zu sagen, was sie mit dieser Bemerkung genau erreichen wollte, vielleicht strebte sie danach, Achilleos von seinem perfektionistischen Ross herunterzuholen oder eine Lücke in seiner so makellosen Fassade zu finden. Kindisch und unsinnig, aber irgendwie notwendig.
Ihr Blick schweifte über die Weiten des Hofes.
"Wenn du einen Garten anlegen möchtest, so wäre es zu überlegen, gleich einen Bereich für Heilkräuter einzuplanen. Oder an welche Art von Pflanzen hast du dabei gedacht, Herr?"