Aufmerksam hörte sie zu, hörte den Schmerz, den Kummer und viele andere Gefühle heraus. Gefühle dir ihr nicht fremd waren, die sie selbst durchlebt hatte und sie beinahe um den Verstand gebracht hatten. Ihre ungeweinten Tränen könnten ein Meer füllen und doch hatte sie ebenso ihr Schicksal angenommen, wie es Inken nun tat. Sie entwickelte einen gewissen Respekt für sie und Verständnis und hoffte, dass die Germanin eines Tages verstand, dass sie nicht ihre Feindin war. Aber Inken würde Zeit brauchen und sie würde sie nicht bedrängen. Sie ging weiter und hing ihren eigenen düsteren Gedanken nach, ehe sie dann wieder Inken zuhörte. „Mit mir kannst du offen reden, ich werde dir nicht Böse sein, nur weil du unangenehme Wahrheiten aussprichst. Hin und wieder brauch ich einen anderen Blick um die Dinge klarer zu sehen“, sagte sie gelassen. „Ich will nicht das du Unterwürfig bist, nur vorsichtiger und nachdenkst, bevor du redest!“ riet sie ihr eindringlich.
Sie zuckte sichtlich zusammen, als Inken ihr offenbarte, dass sie älter war, als sie gedacht hatte und dass diese ein Kind hatte. Bestürzung zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Bona Dea... machen diese elende Hunde, denn vor nichts halt?“ fragte sie empört und ballte die Hände zu Fäusten. Sie überlegte ernsthaft Inken in diesem Augenblick die Freiheit zu schenken. Es ungerecht und furchtbar. Sie wollte nicht wissen, wie sie sich fühlen würde. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, schon bald würde sie ihre eigene Familie gründen und sie wollte sich gar nicht ausmalen, Valerian zu verlieren. Calvena drehte sich zu Inken um und sah ihr in die Augen. „Wenn du es willst, kannst du auf der Stelle deine Freiheit bekommen“, erklärte sie Sie biss sich auf die Unterlippe, mal wieder zeigte sich ihre impulsive Art. Sie hatte geredet ohne nach zu denken. Aber das spielte für den Moment keine Rolle, auch dass sie eine Menge Geld ausgegeben hatte. „Ich würde nicht wollen, dass du von deinem Kind getrennt bist...“, fügte sie etwas leiser zu, aber nicht minder ernst. „Du sollst zu deiner Familie zurück, wenn du es willst. Ich habe nicht vor deinen Willen zu brechen. Wenn du nicht auf mein Angebot eingehen willst, dann lasse ich mir etwas einfallen um deiner Familie mit zu teilen, das es dir Gut geht!“ Simplex runzelte die Stirn und sah von einer Frau zur anderen, hier spielte sich gerade etwas wichtiges ab und er verstand kein Wort. Dennoch sagte er in Richtung von Inken: „Calvena ist eine gute Herrin!“ Er wollte sie einfach unterstützen, dennoch sah er sie fragend an.
„Warum ich in dieser Stadt nicht krank werde? Weil ich gelernt habe mich anzupassen. Weil ich alles verloren habe, was ich geliebt habe...“, in ihrer Stimme schwang nun auch Bitterkeit mit. „Meine Ziehfamilie wurde grausam nieder gemetzelt... wir waren Gaukler, waren immer frei und waren glücklich. Zu Hause war dort, wo wir lagerten. Mehr brauchten wir nicht, nur einander. Willst du wissen wer sie mir genommen hat? Einfach Banditen, aus reiner Habgier haben sie gemordet und mich am Rande des Todes zurück gelassen. So etwas prägt. Um so kostbarer ist das Leben, nach einer solchen Erfahrung...“, sie verstummte, sie hatte mehr gesagt, als sie wollte. Sie drehte sich um, da sie nicht wollte, dass Inken sah, wie aufgewühlt sie war.