Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Das Willkommen Manius Minors im Kreise seiner Familie war knapp ausgefallen, was nicht allein der Erschöpfung des jüngeren Gracchen ob des knapp zurückliegenden Opium-Entzuges sowie der unerquicklichen Reise war geschuldet, sondern ebenso seiner Abscheu vor der aurelischen Natter, die sogleich ihm war entgegen geeilt, um ihn zu erinnern, wer nunmehr die Herrschaft in diesem Hause in Händen hielt. Am Morgen genehmigte Manius Minor sich, noch immer bewegt von jener Konfrontation, daher zunächst ein ausgedehntes Bad und beschloss, das familiäre Stelldichein auf das Prandium zu prokrastinieren, was indessen mit den Pflichten Manius Maiors war kollidiert, sodass der jüngere zunächst seinen Freund Lucretius Carus hatte aufgesucht, der sogleich ihn zur Cena hatte bei sich behalten, was letztlich darin resultierte, dass die Zusammenkunft der Familiaren der Villa Flavia Felix später seinen Lauf nahm als ursprünglich geplant.


    Nun jedoch lagen Minor und Cornelia Philonica auf ihren Klinen und erwarteten seinen Vater, seine Tante und leider ebenso Aurelia Prisca, die zweifellos auch ihre Brut würde mit sich bringen, was bei Philonica bereits einige Vorfreude evozierte.

    Manius Minor war nach Rom zurückgekehrt, um seinen Pflichten als Senator, Bürger Roms und Spross seines Standes nachzukommen, weshalb selbstredend er es nicht versäumte, der ersten Ladung zu einer Sitzung des Senates nach seiner Rückkehr nachzukommen. An diesem Morgen hatte Cornelia gebeten, mit ihm das Ientaculum einzunehmen, weshalb er den Vorwand hatte genutzt, besonders früh das Haus zu verlassen und so bereits vor seinem Vater an der Curia Iulia einzutreffen, wo bereits der Consul Iullus Curtilius Victor ihn erwartete. Indessen konnte der jüngere Gracchus den ältlichen Magistraten vertrösten, bereits seiner Pflicht vor geraumer Zeit nachgekommen zu sein, was doch, da er seitdem nur recht spärlich dieses Haus hatte besucht, womöglich untergegangen war.

    Sim-Off:

    Da ich bereits in anderen Postings hatte vermerkt, dass ich, wenn auch lediglich sporadisch, meine senatorischen Pflichten erfüllt hatte, habe ich meinen Eid ein wenig in die Vergangenheit verlegt, was, wie ich hoffe, niemandem zum Problem gereicht.


    So vermochte er rasch seinen Platz unter den Quaestorii einnehmen, welche heute, da der Princeps persönlich im Hause erschien und entsprechend eine große Zahl an Senatoren die Curia aufsuchten, nicht einmal sämtliche Sitzplätze auf den hinteren Bänken des Senates erhielten, weshalb auch Manius Minor zu stehen wurde gebeten. Dennoch erhaschte er einen recht guten Blick auf den Princeps, als dieser inmitten seiner gewöhnlichen Entourage persönlich durch den Mittelgang der Curia schritt, um seinen Platz einzunehmen. Seit jener Cena mit den Magistraten am Ende seiner Amtszeit hatte er nicht mehr ein Wort mit ihm gewechselt und nun, lange nach dem Ende seines letzten Dienstes, fragte er sich doch, ob der damals so des Lobes volle Aquilius nicht doch ein wenig enttäuscht war, dass neuerlich er seine Pflicht vergessen und sich auf seine Güter exkulpiert hatte, um fern von Rom und allen Ämtern sich der Muße hinzugeben. In der Tat verspürte auch Manius Minor nicht wenig Scham, die Prophezeiung seiner geliebten Mutter vernachlässigt zu haben und damit nicht nur seinem eigenen Heil, sondern auch seiner Familie einen Bärendienst erwiesen zu haben, da doch erst seine Absenz der aurelischen Natter jenen Raum hatte gewährt, den nun sie als Matrone mit überbordender Fruchtbarkeit in der Villa Flavia Felix einnahm.


    Jenes Sinnieren über die familiaren Verzwickungen schob der Flavius indessen beiseite, als der Consul die Sitzung eröffnete und kurz darauf der Princeps selbst das Wort ergriff, um Rusius Cottas zu gedenken. Tatsächlich konnte Gracchus Minor sich nicht entsinnen, diesem Quaestor jemals persönlich begegnet zu sein, was jedoch nicht verwunderlich war, da er doch weit mehr als das laufende Amtsjahr Rom war fern geblieben. Es stellte sich indessen die Frage, ob es nun eine Nachwahl würde geben oder ob ein Quaestorius - womöglich gar er selbst? - würde gebeten werden, das Amt für den Rest des Jahres zu übernehmen. Für einen Augenblick fragte er sich, ob diese Option bestand, da doch die Flavii zu den angesehensten der senatorischen Geschlechter zählten, er selbst ja ebenso seine Quaestur mit Bravour, wenn auch in Diensten eines Consul und nicht des Princeps, hatte absolviert und es somit nicht ferne lag, ihn nochmalig für die Res Publica in den Dienst zu nehmen.

    Sim-Off:

    Ob des Umstandes, dass mein Exilium SimOn durchaus bisweilen unterbrochen worden sein sollte, nehme ich mir die Freiheit, diesen Eid SimOn ein wenig in die Vergangenheit zu verschieben zu einem Tage, als ich kurz nach meiner Hochzeit zum Senatoren befördert ward.

    Hatte die Kur zum Senatoren den jüngeren Flavius in absentiam ereilt, während noch er gemeinsam mit seiner Gattin die prolongierten [apud Ostiam]Flitterwochen hatte verbracht, so holte er die Leistung des Eides bei der nächsten Visite in Rom anlässlich eines Festtages, welcher nicht eben zu übergehen war gewesen, nach.


    Inmitten des Senates und unter den Augen seines Vaters leistete er nun jenen Eid, den vor ihm zahllose Flavii, zuletzt sein Vetter Scato, hatten geleistet:

    "Ego, Manius Flavius Gracchus, Manii Filius, hac re ipsa decus Imperii Romani me defensurum, et semper pro populo senatuque imperatoreque Imperii Romani acturum esse sollemniter iuro.

    Ego, Manius Flavius Gracchus, officio senatoris Imperii Romani accepto, Deos Deasque imperatoremque Romae in omnibus meae vitae publicae temporibus me culturum, et virtutes romanas publica privataque vita me persecuturum esse iuro."

    Die Worte Manius Minors stockten, als er der Größe jener Aufgabe wurde gewahr und der Worte seiner geliebten Mutter gedachte, welche selbst dem Pluto war entstiegen, um ihn von der Ira Deorum ob seines widrigen Lebenswandels in Kenntnis zu setzen, was letztlich der Umstand warum, dessentwegen er an diesem Tage so weit war gekommen, dass er den Eid des Senators zu leisten imstande war.

    "Ego, Manius Flavius Gracchus, religioni Romanae me fauturum et eam defensurum, et numquam contra eius statum publicum me acturum esse, ne quid detrimenti capiat iuro."

    Zweifelsohne erachteten die meisten Senatoren und Magistrate diese Erklärung als eine Formalität, da doch nicht wenige von ihnen ein recht pragmatisches, geradezu geschäftliches Verhältnis zu den Unsterblichen unterhielten. Gedachte Gracchus Minor hingegen der Schrecken, welche im Tartaros jene erwarteten, die wie er den göttlichen Zorn hatten entflammt, so schauderte ihn bereits jetzt und er war erleichtert, zumindest mit diesem Eid ein wenig zu unternehmen, um diesem Schicksal zu entrinnen.

    "Ego, Manius Flavius Gracchus, officiis muneris senatoris me quam optime functurum esse praeterea iuro.

    Meo civis Imperii Romani honore, coram Deis Deabusque Populi Romani, et voluntate favoreque eorum, ego munus senatoris una cum iuribus, privilegiis, muneribus et officiis comitantibus accipio."

    Die Lasten und Pflichten erschienen dem frisch erkorenen Senator in diesem Augenblicke sämtliche Privilegien und Rechte zu überwiegen, dachte er doch an die kürzliche Eheschließung mit Cornelia Philonica, der gegenüber er weder Sympathie, noch Liebe hegte, die aber doch zu ehelichen schlicht das Resultat war aus den Pflichten seines Standes wie seiner Lage. Mochten die meisten Jünglinge, die diesen Eid leisteten, Freude und Stolz empfinden, so überwog bei dem Flavius doch Sorge und Misstrauen gegen sich selbst, als er nach jener Erklärung seinen Platz in den hinteren Reihen des Senates einnahm, um seine erste Sitzung zu verfolgen...

    Den Salii kam an diesem Festtag (wie gewöhnlich) lediglich eine symbolische Rolle zu, sodass sie gleich den Abordnungen der aktiven Militäreinheiten in Reih und Glied im Sande des Circus Maximus sich platzierten, darunter der jüngere Flavius Gracchus, welchem wie durch ein Wunder es war gelungen, die uralte Rüstung seines Collegiums, vom beschweiften Pileus bis hinab zu den schimmernden Beinschienen, den massiven Schild sowie die Hasta den gesamten Weg bis hierher zu schleppen, dabei gar noch die Majorität der Sprünge des Kulttanzes zu vollführen sowie zumindest diverse Bruchstücke des Carmen Saliare zu intonieren. Nun jedoch, da alles ruhte, mochte der genaue Beobachter erkennen, dass der kleine, dickliche Salier in zweiter Reihe Mühe hatte, sein Ancile still zu halten, da doch noch immer sein Puls unter dem drückenden Helm raste und sein Atem mitnichten zur Ruhe war gekommen.


    Somit fühlte Manius Minor sich auch außerstande, der Rede des Augustus zu folgen, was indessen nicht sonderlich bedauerlich war, da doch er bereits unzählige von ihnen hatte vernommen und Aquilius Severus nicht eben als begnadeter Rhetor wurde gepriesen, dessen Sentenzen es unbedingt zu lauschen galt.

    Mitnichten entging dem jüngeren Flavius die nur einen Augenschlag währende Verlegenheit seines Vaters, als er darum rang, jenes für seine Umstände enthusiastisches Verhalten zu rationalisieren, doch da er keinerlei Argwohn gegen Serapio, jenen langjährigen, doch ihm selbst eher distanzierten Freund, hegte, blieb keinerlei Misstrauen haften, selbst als Gracchus Maior jene Erregung ob des Erscheinens seines Heroen zeigte. Denn in der Tat wirkte der Decimus wie ein professioneller Auriga, dem die Damen Roms zu Dutzenden verfallen waren, kühn aufrecht stehend und dabei doch umgeben von Accessoirs und Untensilien, die als ein liebevoll gestaltetes Gesamtkunstwerk ihn wirken ließen.


    Lediglich der Nieselregen trübte den Spiritus loci und riss auch Gracchus Minor aus der Faszination für die Ehrenrunde der Kontrahenten.

    "Patrokolos, einen Regenschutz, wenn ich bitten darf!"

    , ordnete er daher an und sogleich spannte der beflissene Diener einen Umbrella auf, welcher für gewöhnlich den noblen Damen unter der sengenden Sonne Roms Schatten spendete, jedoch ebenso sich eignete, um bei leichtem Regen der Herrschaft den Unmut zu lindern.


    Dessenungeachtet fuhr das Programm fort und das Rennen nahm seinen Lauf.

    Obschon der Manius Minor die Mimik Manius Maiors nicht zu identifizieren vermochte, identifizierte er doch das Missbehagen im Timbre seiner Stimme und er beschloss, nicht weiter sich jenem für seinen Vater deplorablen Ereignis zu widmen, sondern sich jenem Sujet zuzuwenden, welches seine Gattin hatte aufgeworfen. Durchaus war ihm bekannt, dass Cornelia Philonica jede Gelegenheit hatte genutzt, um von ihrem ostiensischen Exil sich in die Urbs zu ihren Anverwandten zu flüchten, was indessen keinesfalls sein Missfallen hatte evoziert, da doch auch er sich glücklicher fühlte, wenn nicht beständig jenes unansehnliche Antlitz als stumme Anklage seines ehelichen Ungenügens wie auch seiner Neigung zum Rausche um ihn war gewesen.

    "Ich bin in jedem Falle gespannt, welche Obliegenheiten mich im Senat und in der Gesellschaft hier erwarten und welche Dienste ich unserer Res Publica erweisen kann."

    Er blickte zu seinem Vater, welcher diesbezüglich bereits einen Hinweis hatte gegeben:

    "Meine Partizipation am Equus October gehört zweifelsohne dazu."

    Einen Augenschlag verharrte er noch schweigend, um seinem Vater, der aurelischen Natter wie seiner eigenen Gattin Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu thematisieren, doch noch ehe dies geschah, blickte er hinauf zum Impluvium, wo die Dämmerung bereits den Himmel hatte ergriffen, und erklärte:

    "Ich denke, dann ziehen wir uns für heute zurück. Ich würde mich freuen, beizeiten ein wenig mehr zu erfahren im Kreise der Familie, insonderheit selbstredend auch mit Tante Domitilla!"

    Ikarus war in der Tat ein amüsanter Name für einen Sklaven, der just der Sonne des Haushaltes, um welchen alles Gesinde, alle Familiaren und Bediensteten kreisten, diente.
    "Der gute Sciurus hatte einen Unfall, nicht wahr?"
    , kommentierte Manius Minor beiläufig, da er sich doch zu entsinnen vermeinte, Manius Maior habe ebendies bei einem seiner Besuche erwähnt. Oder war es in einem Brief gewesen?
    In jedem Falle vermochte der jüngere Flavius nicht eben zu bedauern, dass der bleibe Villicus und Leibsklave seines Vaters nicht mehr unter ihnen weilte, da er doch stets eine gewisse Furcht vor ihm hatte empfunden, während der neue Ikarus bereits äußerlich ihm weniger irritierend erschien.


    Indessen wandte Gracchus senior sich seiner Gattin zu, welche artig reagierte:
    "Durchaus, Gracchus!"
    Sie blickte etwas insekur zu ihrem Ehemann und fügte ein wenig vorsichtiger an:
    "Natürlich ist auch unser neuer Landsitz in Ostia sehr schön, aber es ist auch gut, wieder in der Urbs zu sein!"

    Nicht lange nach seiner Rückkehr nach Roma erwartete Flavius Gracchus Minor gleich jene Pflicht, welche wohl in ihrer Körperlichkeit jede andere Obliegenheit übertraf, ja ihn beständig (mit Ausnahme des Jahres nach seinem Tribunate womöglich) mehr über- denn bloß herausgefordert hatte, da doch der Tanz im salischen Gewande, Hasta und Ancile führend, das Carmen Saliare intonierend, für einen unexerzierten Jüngling bereits schweißtreibend, für einen bereits im besten Alter befindlichen Senator hingegen fatiguierend sich gestaltete.


    Tapfer stimmte indessen Gracchus Minor in die Weise seiner vielfach jüngeren Collegae ein, sprang, respektive schritt von einem Bein auf das andere und stemmte tapfer seine Waffen empor, wo der uralte Kulttanz dies erforderte.
    "... divum em pa cante, divum deo supplicate ...
    ... cume tonas, Leucesie, prae tet tremonti quot ibet etinei de is cum tonarem ...
    ... cozevi oborieso. Omnia vero ad Patulcium commissei."

    Die Worte des Liedes waren uralt, sodass selbst ein Patrizier ältesten Geschlechtes nicht restlos jedes von ihnen zu verstehen imstande war, doch da Manius Minor jedweder divinen Unterstützung bedurfte, um sein Ziel, die Flavia zu erretten, zu erreichen, zeigte er besondere Devotion beim Vollzug jenes Dienstes an den Göttern, heute insonderheit Mars und Quirinus.

    "Oh, Domitilla!"
    , bemerkte Manius Minor mit einigem Wohlwollen, da er seine Tante doch sehr schätzte und ihre Gesellschaft stets genossen hatte, ehe sie in den Hafen der Ehe war eingefahren. Ihre Scheidung von Tiberius Lepidus erschien auf den ersten Blick durchaus deplorabel, da die Tiberia doch stets eine respektable Familie gewesen war, indessen mochte die Scheidung ihre Gründe haben. Wie er sich zu erinnern glaubte, war Lepidus bereits längere Zeit nicht mehr in Roma gewesen und in Ostia hatten Gerüchte die Runde gemacht, der Tiberius stecke womöglich in finanziellen Schwierigkeiten, was als Grund für eine Scheidung durchaus plausibel erschien. Bedauern für seine Tante erschien ihm hingegen angesichts der wenig emotionalen Bindung, die den Ehen der römischen Aristokratie innewohnten, kaum erforderlich, sofern diese Trennung letztlich der Rettung flavischen Vermögens vor den Zudringlichkeiten verarmter Ehegatten gedient hatte.


    Als hingegen Ikarus das Wort ergriff, nahm der Flavius erstmalig Notiz von dem Sklaven, der seinem Vater einem Schatten gleich gefolgt war und deshalb keinerlei Appetenz würdig gewesen war. Nun jedoch, da er augenscheinlich die Aufgaben des Sciurus übernahm, erinnerte Minor sich an die Berichte aus der Urbs, Sciurus sei verstorben.
    "Selbstredend werde ich das."
    , handelte er daher erstlich das feriale Sujet kurz ab, da er immerhin nach Rom war zurückgekehrt, seinem Schicksal sich zu ergeben, was nicht allein familiäre, sondern ebenso öffentliche Verpflichtungen implizierte, um sodann doch den neuen Diener seines Vaters zu kommentieren:
    "Und du hast einen neuen Leibsklaven? Oder ist dies dein neuer Nomenclator?"
    Der jüngere Flavius kniff ein wenig die Augen zusammen, um ihnen ein wenig mehr Schärfe abzuringen, damit es ihm gelang, mehr als ein schemenhaftes Bild des dunkelhaarigen Jünglings zu gewinnen, der in der Dämmerung des Abends indessen kaum von der Gestalt seines Vaters war zu unterscheiden.

    "Auch meine Glückwünsche, Aurelia! Ich hoffe, es dir bald gleich zu tun."
    , erwiderte Cornelia Philonica freundlich, was dem jüngeren Flavius neuerlich einen Stich versetzte, da doch eben die Zeugung eines Sohnes bisweilen bereits an der Bereitschaft mangelte, die Ehe auch nur zu vollziehen.
    Dessenungeachtet fuhr seine Gattin fort:
    "Ebenso natürlich auch dir, Gracchus. Ein wenig Ruhe wird uns sicherlich gut tun."
    Manius Minor vermochte nicht recht zu sagen, ob er gewillt war, die beiden Sprösslinge der Aurelia zu sehen, sodass es ihm ebenfalls zupass kam, dass Manius Maior diese Situation vorerst prokrastinierte.
    "Sind unsere Räume bereits präpariert?"
    , fragte er daher auf die Offerte seines Vaters.


    Ehe sein Vater Cornelia und ihn jedoch auf ihre Zimmer entließ, verspürte er doch das Begehren, ein wenig mehr sich über das Befinden seiner Familia zu erkundigen, nachdem beinahe ein Jahr er nichts mehr hatte vernommen.
    "Doch ehe wir uns zurückziehen, würde ich doch gerne noch erfahren: Was gibt es Neues in unserem Hause? Und was in der Urbs? Ich bin doch gespannt, welche Pflichten morgen mich erwarten."

    Nun, da Manius Minor nach Rom war zurückgekehrt, schien es ihm auch geboten, wieder in der Öffentlichkeit seinen Pflichten nachzukommen und so begleitete er an diesem Tage erstmals seit seiner Rückkehr seinen Vater wieder zu einem Nefastus Publicus. Obschon er seit etwa einem Jahr den gewöhnlichen Sitzungen des Senates fern war geblieben, ja selbst zu den meisten der rituellen Sessionen des Rates sich hatte exkulpieren lassen, stand selbstredend ihm wie seinem Erzeuger ein Ehrenplatz auf den Tribünen zu, welchen Manius Minor, assistiert wie gewöhnlich von Patrokolos, der sicher ihm den Weg durch alle Unebenheiten der hölzernen Konstruktion wies, aufsuchte.


    "Eine güldene Fahne?"
    , fragte er Manius Maior, da ihm nun erst gewahr wurde, dass dieser ein Unterpfand seines Favoriten mit sich genommen hatte, was seit den ersten Feriae, als gemeinsam mit jenem er die Ludi Circenses hatte visitiert, niemals ihm war untergekommen.
    "Augenscheinlich gedenkst du dem factionellen Farbengewirr unserer Familie einen neuen Tupfer hinzuzufügen!"
    Recht genau vermochte Gracchus Minor sich noch zu entsinnen, als welch umfangreiche Frage die Auswahl einer geeigneten Factio ihm in Kindertagen war erschienen, da doch sein geschätzter Vetter Serenus die Russata, ein in Freundschaft verbundener Vetter Fusus die Veneta, sein nicht minder verehrter Onkel Furianus die Purpurea und letztlich sein ferner. doch geradehin mythischer Onkel Felix wiederum die Praesina hatte präferiert. Er selbst hatte vielfach die Russata erwählt, doch war er niemals mit sonderlicher Begeisterung für den Wagensport begnadet gewesen.

    Noch ehe sein Vater zur Replik ansetzte, vernahm Gracchus Minor erneut Schritte, welche nicht unbekannt ihm erschienen, und schon erschien auch seine Nemesis, die aurelische Natter. Deplorablerweise war er genötigt zu konzedieren, dass die Matrone des Hauses keinesweges ein matronenhaftes Volumen hatte erreicht, sondern vielmehr trotz der Geburt eines Zwillingspaares ihm erschien, als sei sie gleich den Göttern dem Altern wie dem Verfalle enthoben. Für den Hauch eines Augenschlages verspürte der junge Senator glatt ein wenig Neid ob der Makellosigkeit seiner Stiefmutter, während seine eigene Gattin nicht eben einer Venus glich und dies mitnichten durch ihren Charakter zu kompensieren vermochte.


    Indessen übertraf Cornelia die Aurelia doch zweifelsohne hinsichtlich ihrer, wenn auch bescheidenen Persönlichkeit, wie sogleich die Salutation eröffnete, welche distanzierter kaum hätte ausfallen können.
    "Welch förmliche Anrede, Aurelia!"
    , erwiderte er daher mit wenig glaubhaft gemimter Freundlichkeit, obschon auch er selbst sich des wenig vertrauten, doch im weiblichen Kontexte keineswegs unüblichen Gentilnomen bediente, den auch er gegenüber seiner Gattin anschlug.
    "Wie ich soeben bereits sagte, war die Reise nicht sonderlich erquicklich, doch gebietet die Pflicht, mich wieder stärker meinen Pflichten gegenüber der Res Publica wie meiner Familie zu widmen."
    Nahezu unmerklich prononcierte er das Possessivpronomen in jenem Satze, selbst wenn dies eher seinem Unterbewusstsein mochte geschuldet sein, das damit geneigt war der aurelischen Natter ihren Status als seinem Dafürhalten nach Fremde klarifizierten, als einer klaren Intention zur Herabsetzung seiner Stiefmutter.
    "Ich komme nicht umhin dir zur Geburt gleicher zweier gesunder Sprösslinge zu gratulieren. Wie man hört, ist eine derartige Geburt nicht wenig strapaziös!"
    Jene Fertilität musste das Resultat der flavischen Manneskraft sein, was die Statistik zu belegen schien, da doch die Flavii nicht wenige Zwillinge hervorbrachten, während von den Aurelii derartige Konstellationen ihm unbekannt waren.

    Noch ehe die Silhouette seines Vaters sich aus dem Schatten des Atrium schälte, vermochte Manius Minor aus dem Hallen der Schritte zu erkennen, dass Manius Maior es war, der als erster ihm entgegentrat. Sogleich fragte er sich, ob er sich imstande sah, Freude über dieses Wiedersehen nach langer Absenz zu empfinden, da doch letztlich seinem Dafürhalten nach sein Vater nicht viel mehr war als eine Marionette Priscas, dem somit beinahe kaum zur Last war zu legen, dass er die Flavia, sein eigen Fleisch und Blut, auf diese Weise verriet. Indessen war er doch ein erwachsener Mann, reich an Tagen (selbst wenn Minor selbst im Halbschatten der Öllampen, die jede Sorgenfalte und Furche des Antlitzes seines Vaters deutlicher denn für gewöhnlich schattierten, nicht erkannte) und Erfahrung und somit durchaus zur Verantwortung zu ziehen für seine Taten.


    Folglich blieb der freudige Ausruf unerwidert und als der ältere Gracchus ihn erreichte, erwiderte der jüngere lakonisch:
    "Sie war grässlich, doch notwendig."
    Er räusperte sich, ein wenig irresolut, was nun er sollte formulieren, da doch es ihn ein wenig reute, die herzliche Freude seines durchaus nicht ungeliebten Vaters nicht erwidern zu wollen. Dennoch vermochte er kein Lächeln zu präsentieren, lediglich ein ernster, wenn auch keineswegs distanzierter Blick aus den matten Augen traf seinen Opponenten.
    "Es ist erforderlich, seiner Pflicht nachzukommen."
    , fügte er an und fügte, weitaus insekurer hinzu:
    "Wie geht es dir?"
    Cornelia Philonica und Patrokolos, die ebenfalls das Atrium hatten betreten, schienen ebenfalls ein gewisses Unwohlsein zu verspüren, doch blieben sie stumm, wie sie es seit jeher gewesen waren. Obschon Philonica seit der Eheschließung bereits einige Zeit in der Villa Flavia Felix hatte gelebt, sie gar während des längeren Exils des Paares in Ostia nicht allein gemeinsam mit ihrem Gatten zu wichtigeren Feriae und Terminen in der Urbs war erschienen, sondern obendrein häufiger als dieser ihre Brüder wie ihren Onkel hatte besucht und daher bisweilen auf Gastmählern auch allein ihren neuen Familiaren war begegnet, so wirkte sie doch in diesen Hallen noch immer keineswegs heimisch. Ihr genantes Schweigen inmitten der flavischen Pracht erweckte beinahe den Eindruck, als schüchtere sie, die doch einer nicht minder noblen und reichen Familie als der Flavia entstammte, die gesamte Szenerie, womöglich aber auch lediglich die komplikationeuse Konstellation innerhalb der Familie ein.

    Auch das Atrium war unverändert: Noch schien die neue Matrone (obschon sie als neu zu titulieren, durchaus inadäquat erschien) ihren Einfluss zumindest innenarchitektonisch nicht geltend zu machen, ebensowenig war das Geschrei ihrer Brut zu vernehmen. Lediglich der Blick auf das angrenzende Lararium ließ Manius Minor gewahr werden, dass dort noch immer die Iuno der aurelischen Natter stand, welche gleich einem Giftzahn im weichen Fleisch seiner Beute im Innersten des flavischen Hauses prangte und von dort dazu diente, Priscas grässliches Gift zu verströmen.

    Sim-Off:

    Adeste, familiares ;)

    Die Villa Flavia Felix war unverändert. Beinahe ein Jahr hatte Gracchus Minor seine Heimstatt nicht mehr aufgesucht, doch erschien in der Dämmerung des Abends mit Ausnahme von einem übermalten Graffitto hier und einem cachierten Riss im Putze da das Anwesen gleich der Urbs selbst unwandelbar, als habe das zurückliegende Jahr wie bereits die Dekaden und Äonen ihm nicht das Geringste anhaben können. In der Tat erschien ihm das fahle Licht, welches durch die verschlossenen Läden der Fenster im Obergeschosse drang, sogleich wieder heimelig und vertraut, gleichwie auch das selbst in den Abendstunden hektische Treiben in den Gassen der Urbs als gebürtigem Römer beinahe so attraktiv erschien wie die Ruhe seines Exils, selbst wenn wusste, dass inmitten jener unverrückten baulichen Hülle eine neue familiäre Konstellation, ein gefährlicher Wandel war zu finden, dem Widerstand zu leisten sein Vermächtnis war, obschon er sich nach jener strapaziösen Reise mitnichten imstande sah, schon jetzt mit diesem Unterfangen zu beginnen.


    Ehe noch er sich eine Strategie zu präparieren imstande war, öffnete jedoch der gute Acanthus die Pforte, da zweifelsohne Patrokolos einen seiner Begleiter vorausgesandt hatte, um seine Ankunft zu verkünden, sodass lediglich ein
    "Ave, Domine! Gut, dass du zurück bist!"
    des Ianitors erscholl und kaum dass Cornelia und er der Sänfte waren entstiegen, schon beide ins Innere des vertrauten Gemäuers und seiner unvertrauten Lage wurden aufgesogen, wo die Familiaren ihn zweifelsohne erwarteten.

    Die Via Ostiensis war länger, als Gracchus dies erinnerte und ob des Umstandes, dass noch immer die Restanten seiner Detoxifikation ihm Fatigue und Blümeranz bescherten, was durch das Holpern des Wagens auf dem gepflasterten Weg mitnichten gemindert wurde, geradehin unerträglich. Cornelia Philonica blickte ihn sorgenvoll an, wann immer er heftiger zu atmen begann und Patrokolos das Schüsselchen anreichte, um ihm eventuell beim Vomitieren zu assistieren. Dessenungeachtet folgte sie dem in der vergangenen Zeit erworbenen Habitus, ihn schweigend lediglich zu betrachten und jedwede Konversation zu ersparen, was einerseits eine eigentümliche Atmosphäre zwischen den beiden Eheleuten evozierte, andererseits Manius Minor nicht unrecht war, da ihm ohnehin kein Sujet in den Sinn kam, welches zu debattieren er mit seiner Gattin geneigt gewesen wäre.


    Stattdessen hing er neuerlich seinen Gedanken nach, welche in den vergangenen Tagen und Wochen ihn hatten befähigt, dem Opium aufs Neue den Rücken zu kehren (selbstredend stets assistiert von seinem geliebten Patrokolos, welcher auch in schwachen Momenten seinem Zürnen widerstanden und ihm den Becher der Träume vorenthalten hatte): Seinem Vater waren neue Erben geboren worden! Inzwischen mochten die beiden Sprösslinge der aurelischen Natter schon ihre ersten Schritte getan haben, mochten seine wahren, ursprünglichen Nachkommen gänzlich dem Sinne Manius Maiors entfleucht sein, weil Manius Minor seine Pflicht aufs Neue hatte vergessen! Mochten all jene Emporkömmlinge und Habenichtse, welche die Straßen Roms zu Tausenden bevölkerten, vermeinen, eine Geburt ins Haus eines Patriziers impliziere ein sorgenfreies, privilegiertes Leben, so vermochten sie doch nicht einmal zu ahnen, mit welchen Bürden und Pflichten jene Existenzen waren verbunden, ja dass die Imagines Maiorum im Atrium der patrizischen Häuser mitnichten ein Recht waren, das seinen Stand von anderen abhob, sondern eine Mahnung, jenen höchsten Maßstäben der eigenen Ahnen gerecht zu werden und die Fahne der Familie empor zu halten, mochte einem der Sinn danach stehen oder nicht!


    Obschon diese Last somit groß genug war, so torquierte ihn die Inkommodität dieser Reise noch vielmehr, sodass unwillig er letztendlich formulierte:
    "Mehercle, wie lange mag es noch dauern?"
    "Gedulde dich, Domine! Wir sind schon auf Höhe der Aquae Salviae!"
    , erwiderte Patrokolos geduldig, doch deplorablerweise wusste Gracchus Minor jene als tröstlich intendierte Information nicht recht zu kontextualisieren, da ihm jener Ort, obschon er sein ganzes Leben in Latium hatte verbracht, nicht bekannt war, sodass letztlich ihm nichts als ein desillusioniertes Seufzen entfleuchte und er wieder aus dem Fenster des Wagens blickte, wo lediglich Fuhrleute ihrem geschäftigen Treiben nachgingen und weniges von Interesse präsentierten.


    Schließlich schweiften seine Gedanken zu dem, was an diesem Abend ihn in der Villa Flavia Felix mochte erwarten, welche zweifelsohne erst nach Anbruch der Dämmerung sie würden erreichen. Wie sollte er seinem Vater begegnen? Wie der flavischen Natter und insonderheit wie ihrer Brut, die doch gewisslich unschuldig waren an ihrem für die Flavia erschröcklichen Schicksal? Als Sohn mochte es ihm nicht anstehen, seinen Vater freiheraus zu kritisieren, zumal es einem wiederverheirateten Manne offiziell ja durchaus wohl anstand, der Res Publica wie der eigenen Gens neuerlich Kinder zu zeugen, selbst wenn damit Manius Maior in jene Direktion sich bewegte, deren Zielpunkt der legendäre und nicht unumstrittene Matinius Agrippa, jener hispanische Stier, mit seinen zahllosen Kindern und Kindeskindern repräsentierte. Und doch würde er etwas unternehmen müssen, um den sinistren Machenschaften Priscas Einhalt zu gebieten. Doch was?


    "Patrokolos, möchtest du uns nicht noch ein Gedicht vorlesen?"
    , disturbierte Cornelia Philonica sein Nachsinnen, woraufhin der Genannte aufs Neue den Tornister mit der Lyrik hervorholte, um eine Weise auszuwählen, mit welcher er seine Herrschaft zu unterhalten vermochte. Einen Augenschlag erwog Manius Minor, enerviert seiner Gattin den Mund zu verbieten und jenem unschuldigen Versuch, ihm Zerstreuung zu gewähren, zu zerschlagen. Doch als Patrokolos anhob, die Verse des Kallimachos zu rezitieren, verflog jener Vorsatz sogleich und er beschloss, die weiteren strategischen Erwägungen besser zu prokrastinieren, da doch bald schon seine Aufgabe jeden Tag (und womöglich jede Nacht, wenn die Schreie der Nattern-Brut zu jedweder Stunde durch die Villa gellten) ihm vor Augen würde sein und somit ihm womöglich wenig Raum mehr wäre, sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen, die zwar ihn in der vergangenen Zeit von seinen Pflichten hatten abgehalten, die dennoch zweifelsohne zu genießen eine Freude blieben.

    M' Flavius Gracchus, Villa Flavia Felix, Roma


    M' patrem suo s.d.
    Ich habe deinen Brief über die Geburt deiner Kinder empfangen und danke dir für deine Benachrichtigung. Ich bitte dich auch, den Verzug meiner Replik zu exkulpieren, doch vermag womöglich ich dich mit der Ankündigung zu trösten, dass ich beschlossen habe, in Kürze meinen Wohnsitz neuerlich nach Roma zurückzuverlegen, um meinen Obliegenheiten als Senator Roms und Spross der Familia Flavia Romae wieder ein wenig besser nachkommen zu können. Zweifelsohne ist es an der Zeit, unserer Familie wieder ein wenig mehr Einfluss im öffentlichen Leben der Urbs zu verschaffen und unsere Pflicht der Res Publica, dem Kaiser und den Maiores gegenüber zu verleihen.


    Selbstredend wird meine Gattin Cornelia mich begleiten, weshalb ich dich ersuche, uns Räumlichkeiten in deinem Hause zu präparieren.

    http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png
    Vide ut valeas


    Manius Minor