"Patres conscripti"
, initiierte der Jüngling seine Rede und blickte in die Senatsreihen, in welchen Männer saßen, die sämtlich (mit Ausnahme einiger weniger Equites womöglich, denen der Princeps die Gnade hatte erwiesen, sie immediat in die Senatslisten zu adlegieren) jene Hürde bereits überwunden hatten, über welche er selbst nun Rechenschaft abzulegen hatte.
"Einem jeden Bauern steht ein gewisser Vorwitz wohl an, um seinen Beruf trefflich zu erfüllen, denn gerade junge Pflanzen bedürfen seiner beständigen Vigilanz, aufdass sie nicht unerwartet dem Misswuchs verfallen. Ebenso erscheint es als gute Sitte und Gesetz unseres Staatswesens, dass auch jene jungen Hilfsmagistrate, die noch am Anfang des Cursus Honorum sich befinden, nicht allein einem älteren Magistraten zugeteilt werden, sondern nach jeder Stufe auch diesem hohen Hause Rede und Antwort über ihre Taten und Unterlassungen zu stehen."
Dass selbstredend die finalen Richter seiner Taten nicht in diesem Raum saßen, sondern in den Gefilden der Seligen weilten, respektive auf dem Olymp und im Orcus residierten, verschwieg Manius Minor, obschon jener Gedanke neuerlich sich Bahn brach, während er jene Worte formulierte. Denn war nicht all dies, jene Interrogation ebenso wie der Jubel der Plebs, müßig, wenn am Ende am Styx man ihn für alle Ewigkeit in den Tartaros stieß, wo die Rache der Götter ebenso unendlich sich gestaltete wie ihr Leben?
"Ich berichte daher heute über meine Quaestur, welche ich verhoffentlich zu eurer Satisfaktion verwaltete. Mir wurde hier die Ehre zuteil, sie unter den Fittichen eines wohlangesehenen und tatkräftigen Mannes aus eurer Mitte, des Consuls Herius Claudius Menecrates, als Quaestor Consulum zu bekleiden. Gleich einem Gärtner schuf er mir durch seinen Tatendrang ein fruchtbares Umfeld, in welchem ich Gelegenheit erhielt, meine Kräfte zu entfalten. Und ebenso wie ein Gärtner von seinen Gewächsen immer reichere Frucht erwartet, so wuchsen auch seine Anforderungen an meine bescheidenen Dienste von Monat zu Monat."
War jener Umstand ihm zu Beginn seines Amtes noch ein wenig unbefriedigend erschienen, da er sich eher als ein Tiro fori hatte gefühlt denn als vollwertiger Magistrat, so hatte schlussendlich er beschieden, dass dieser Umstand für ein Amt kurz vor dem Einstieg in den Senat doch nicht inadäquat war, zumal selbst ein Jüngling, der bereits erste Meriten im öffentlichen Dienste hatte verdient, noch einiger Reifung bedurfte.
"Ich begann damit, dem Consul bei diversen Festivitäten zu assistieren. So übernahm ich etwa die Kontakte zu den Arvales Fratres bei der Präparation der Vota pro salute Principis an den Kalenden des Ianuarius und unterstützte auch am Festtage der Concordia den Consul bei den organisatorischen Abläufen des Festes."
Sein Beitrag in dieser Angelegenheit hatte selbstredend bescheiden sich ausgenommen, da insonderheit die Bruderschaft hinreichend Routine darin besaß, ihre kultischen Obliegenheiten zu verrichten, doch hatte Manius Minor es für adäquat erachtet, durch die Wahl dieser Pflichten am Beginn seines Amtsjahres eine klimatische Steigerung seiner Taten deutlicher zu machen.
"Später hingegen vollzog ich im Auftrag des Consul die Fornacalia und hierbei insonderheit die heiligen Handlungen an den Feriae stultorum, an welchen kein Curio das Opfer am Ofen darzubringen pflegt.
Nachdem die Agenda des Herius Claudius Menecrates als Consul hingegen nicht lediglich die Sacrae publicae der Feiertage beinhaltete, sondern ebenso die Lustbarkeiten des Volkes, erhielt ich hier ebenso Gelegenheit, meine Potentiale zu entfalten. Auch hier jedoch führte der Consul mich behutsam heran. So nahm ich etwa zu den Ludi Palatini einen Teil jener Urteilsvollstreckungen auf mich, um die Gerechtigkeit Roms sichtbar zu restituieren und die Revolteure des vorvergangenen Jahres ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Später hingegen leitete ich, weiterhin unterstützt durch Claudius Menecrates, selbstverantwortlich die Equirria Martiale, wo ich meinem jugendlichen Alter entsprechend ein Nachwuchsrennen organisierte."
Noch immer wusste der junge Gracche nicht recht, ob jene spektakulären Hinrichtungen tatsächlich der Gerechtigkeit Genüge taten, zumal seine eigene Darbietung ja mit einer Unehrlichkeit den Delinquenten gegenüber einher gegangen war, welche wohl lediglich ein Epikureer mit der Relativität jeder Wahrheit abzutun imstande war.
"Schließlich band der Consul mich ebenso in die Arbeit jener Ermittlungskommission ein, welche die Hintergründe des Sklavenaufstandes zu recherchieren hatte. Als Sekretär jener Kommission beteiligte ich mich an den hiesigen Sitzungen und Befragungen, führte das Protokoll und beriet den Consul in dieser Sache auch abseits der offiziösen Termine."
Hinsichtlich der Resultate jener Kommission zog der junge Flavius es vor zu schweigen, da er ja bereits Menecrates hatte berichtet, dass er zumindest partiell ein divergentes Fazit hatte gezogen, und nicht wünschte, seinen Mentor etwaiger Kritik auszusetzen, indem er dessen Schlüsse coram publico in Zweifel zog.
"Somit war es mir gleich einem jungen Pflänzlein unter der Obhut des Gärtners vergönnt, heranzureifen und Kräfte zu sammeln, indem ich mich in zahlreichen Feldern des Staatswesens und der römischen Magistraturen erproben durfte. Zugleich brachte ich jedoch, wie ich hoffe, erste Früchte hervor und leistete meinem Mentoren wie dem gesamten Staatswesen nützliche Dienste, deren Bemessung ich jedoch euch, Patres conscripti, überlassen möchte. Denn auch wenn Claudius Menecrates es war, der beständig mich beobachtete und somit wohl am deutlichsten den Wert meiner Dienste zu ermessen wissen dürfte, so will ich mich doch auch eurem Urteil insgemein stellen, denn auch der Gutsherr wird bisweilen Makel an seinen Setzlingen erkennen, die dem Blick des Gärtners entkommen sein mögen."
Obschon Menecrates mehrfach ihm in Wort und Tat Dankbarkeit für seine Dienste hatte ausgedrückt, so zog der flavische Jüngling es vor, sich bescheiden zu geben und nicht selbst des Lobes durch seinen immediaten Dienstherren zu rühmen. Stattdessen verhoffte er, dass der Claudius selbst würde sich bemüßigt sehen das Wort zu ergreifen, um ein weitaus authentischeres Zeugnis seiner Leistungen zu geben, als Manius Minor selbst es wäre möglich gewesen.