Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    M. Claudius Marcellus
    Villa Claudia
    Roma


    M' Flavius Gracchus Minor M. Claudio Marcello s.p.d.


    Rar ist meine Zeit der Muse geworden, seit ich als Quaestor Consulum meinen Dienst versehe. Somit erfreut es mich, dass mit den Carmentalia ein Festtag ins Haus steht, an welchem Gericht wie Comitium verschlossen sind und lediglich die Frauen durch Opferfeiern obligiert sind in der Urbs zu weilen. Ich will daher diese Gelegenheit nutzen und dich ANTE DIEM III ID IAN DCCCLXVIII A.U.C. (11.1.2018/115 n.Chr.) neben einigen jungen Herren zu einer vergnüglichen Jagdpartie in die Villa Flavia suburbana meines Vetters Atilianus unweit von Roma laden, um zuerst dem Wild nachzupirschen und sodann unsere Beute in einem behaglichen Gastmahl zu verspeisen.


    Für die Abendgesellschaft soll außerdem auch der Nymphe Iuturna Referenz erwiesen werden, weshalb ich dich bitte, eine kleine Probe deiner poetischen Beredsamkeit zu präparieren, welche wir in trauter Runde wechselseitig vortragen werden. Selbstredend sollte das Sujet dem Tage angemessen sein und sich auf das Wasser in genere oder Quellen im speziellen beziehen, indessen steht dir der Umfang deiner Darbietung frei, sofern uns noch Raum für erquickliche Gespräche und den Genuss der Speisenfolge verbleibt.


    Vale bene!

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    Ein wenig beschämte es den jungen Flavius, dass just er jenen Namen fälschlich intoniert hatte, welcher persönlich ihm bekannt war, weshalb er erschrocken die Augen aufriss und hurtig sich korrigierte:
    "Octavius Maro, selbstredend!"
    Ob des Umstandes, dass für gewöhnlich er über ein überaus exquisites und exaktes Gedächtnis verfügte, welches für einen Mann, der zur selbsttätigen Lektüre ebenso außerstande war wie zur Identifikation zu naher Gegenstände, inevitabel war, grämte ihn jenes, wenn auch minimale Versagen umso mehr. Zweifelsohne musste der Eifer ihn unaufmerksam gemacht haben.


    Er schwieg für einen Augenschlag, hob dann jedoch wieder den Blick und fragte:
    "Hast du weitere Aufträge für mich? Oder benötigst du derzeitig anderweitig meine Dienste?"

    Mitnichten nötigte Manius Minor seinen Vater, sich zu erklären, während jener noch mit seinen Worten rang, sondern geduldig blickte er von seiner Position auf dessen verschwommene Profil seines Hauptes, in welchem augenscheinlich konträre Gedanken miteinander konfligierten. Worum die schlussendlich audiblen Worte zirkulierten, deutete der Jüngling mitnichten als Anspielung auf jene ihm unbekannte Callista, sondern argwöhnte vielmehr, dass jenes widersinnige Sterben, welches Manius Maiors Delatoren zum Schweigen brachte, zweifelsohne auf das irrsinnige Morden des Bürgerkrieges war gemünzt, sodass schlussendlich er beschloss, ihn zu einem purgierenden, offenen Reden zu ermuntern:
    "Suchen folglich die Geistes des Bürgerkrieges dich heim?"
    , fragte er somit und gedachte seiner eigenen Dämonen, welche so häufig nächtens an sein Bett waren getreten, dass er selbst im Wachen sie trefflich zu imaginieren wusste.
    "Auch ich wurde meine gesamte Jugend von jenen Toten torquiert, in deren Antlitz ich blickte, als meine Kindheit ihr Ende nahm. Doch gelang es mir, sie seit"
    Er hielt inne, dachte er doch daran, dass mitnichten die Maiores, welche ihn aus seinem Wahn hatten errettet, sondern vielmehr der Wahn des Opium-Rausches ihn in Alexandria jene grässliche Nachtmär hatten vertrieben, was neuerlich gewisse Schuldgefühle in dem Jüngling evozierte, sodass mit belegter Stimme er fortfuhr:
    "einigen Jahren hinter mir zu lassen."
    Für einen Augenschlag schwieg er aufs Neue, als er erkannte, dass seine Worte womöglich auch die Schulgefühle seines Vaters, der ja der Urheber seiner horriblen Flucht war gewesen, verstärkten, sodass er sich beeilte zu erklären:
    "Dessenungeachtet wüsste ich nicht, was du dir vorzuwerfen hättest: Du warst einer der wenigen aufrechten Quiriten, die dem wahnhaften Usurpatoren die Stirne boten und Rom dadurch retteten. Du hast alles in deiner Macht stehende vollbracht, um jenen greuelichen Konflikt so rasch als möglich zu beenden!"

    Zuletzt suchte der Quaestor Consulum schließlich den Decurio auf, welchen Claudius Menecrates ihm als Kommissionär für seine Untersuchungen des Sklavenaufstandes benannt hatte, welchen als einzigen er in seiner Baracke zu suchen hatte, da augenscheinlich er derzeitig einige Stunden der Vakanz von seinen dienstlichen Pflichten genoss. Als der junge Flavius, geleitet von seinem Scriba, seinen beiden Viatores und seinem Leibsklaven vor der Habitatio stand, fühlte er aufs Neue sich an seine Dienstzeit im vorvergangenen Jahr erinnert, da trotz der alternativen Struktur der Castra Praetoria die monotonen Kasernenbauten ihn doch am ehesten an die Tristesse des alltäglichen Dienstes erinnerten.


    Patrokolos trat vor und klopfte mit kräftigem Schlag an die Pforte.

    Mit indefiniten Gefühlen erreichte der junge Flavius auf seinem ersten Dienstgang das Officium des Trecenarius, welcher ihm ja bereits bekannt war, der indessen ob seines bisweilen höchst partikulären Betragens ihm ein wenig unangenehm in Erinnerung war verblieben, obschon er durchaus zu verspüren glaubte, dass der Tiberius einige Sympathie für ihn empfand. Dessenungeachtet hatte er jedoch offiziöse Obliegenheiten hier zu erledigen, weshalb er sich ein Herz fasste und höchstselbst am Officium klopfte.

    Im Anschluss an die Information der designierten Kommissionäre der Cohortes Urbanae begab der Quaestor Consulum sich in die Principia, um dortig das ranghöchste Kommissionsmitglied, also den praetorianischen Tribun aufzusuchen, welcher womöglich zugleich den Decurio jener Einheit würde dispensieren können.


    Mit seinem Gefolge aus Scriba, den beiden übrigen Apparitoren und seinem Leibsklaven ließ er sich also im Vorzimmer ankündigen.

    Als der Optio herbeieilte, vermochte der junge Flavius tatsächlich jenen Schemen, welcher sich in der Approximation immer weiter vermischte, in der Tat dank seiner charakteristischen Form und Regungsweise zu identifizieren, was auch Rüstung und Helm nicht verbergen konnten.
    "Octavius, es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen. Ich darf dir zu deiner Auszeichnung gratulieren."
    , adressierte er die vertraute Gestalt mit einem Lächeln, verspürte er doch trotz der Kalamitäten, in welche jener ihn während seines Trainings gebracht hatte, große Dankbarkeit für jene kompetente Präparation für sein Tribunat, ohne welche er zweifelsohne eine überaus schlechte Figur präsentiert hätte.
    Als sein Blick zu dem bekannt-unbekannten Tribun zurückging, fügte er rasch an:
    "Selbstredend auch meine Gratulationen an dich, Tribun Petronius. Optio Octavius präparierte mich freundlicherweise vor einiger Zeit für mein eigenes Tribunat."
    Die Information des Anwesenden hinsichtlich der Vertrautheit der beiden Männer war zweifelsohne adäquat, um dem Petronius die Situation zu explizieren. Angesichts der Liste an Personen, welche er heutig noch aufzusuchen hatte, bewegte er sich dann jedoch sogleich in medias res:
    "Wie bereits erklärt, bin ich im Auftrag des Consul Claudius hier. Womöglich ist euch bereits bekannt, dass er gedenkt, eine Untersuchungskommission zur Aufklärung der Hintergründe des Sklavenaufstands im vergangenen Jahr einzusetzen. Er hat euch beide dafür vorgesehen und ordnet an, dass ihr euch bei Bedarf für diese bedeutsame Obligation für das gesamte Staatswesen freistellen lassen sollt."
    Wie geboten verblieb er erstlich bei jenen spärlichen Informationen, um den beiden Designierten Gelegenheit zu etwaigen Nachfragen zu bieten.

    Die generellen Einlassungen des älteren Gracchen erschienen dem jüngeren erstlich von vertrauter Weise, hatte sein Vater doch stets zum Philosophieren geneigt; ein Habitus, den auch er selbst sich zunehmend zueigen machte. Als dann das Sujet jedoch Konspirationen, dem Wahn des Domitianus und gar klandestinen Narrheiten sich zuwandte, stimmte dies den Jüngling ein wenig missbehaglich, da jene unerforderte Äußerung doch implizierte, dass Manius Maior in gewisser Weise sich derartiger Phänomene verbunden fühlte, obschon er nicht recht zu ermessen vermochte, ob der Irrsinn ihn befallen hatte oder lediglich er noch immer sich ob seiner Rolle am Beginn des Bürgerkrieges grämte.


    Dass er final jedoch verkündete, nach Roma zurückkehren zu wollen, wendete erneut sich das Blatt, wäre diese Information doch ein vortrefflicher Grund zur Freude gewesen, hätte sein Vater zuvor nicht einen Spalt die Pforte in sein Seelenleben eröffnet, wo konträr zu seinem gewöhnlich geordneten äußerlichen Lebenswandel manches im Argen zu liegen schien.
    "Wahrhaftig? Welch erfreuliche Novität!"
    , entfleuchte ihm dennoch erstlich eine Äußerung der Freude, ehe er sich ein wenig tiefer in das wärmende Wasser des Beckens hinabsenkte, als würde jene wärmende Masse ihn vor den Risiken des nunmehr anstehenden Gespräches protektieren, dessen Intimität er ersehnte und fürchtete zugleich:
    "Doch welcher Wahn ist es, von dem du sprichst? Was betrübt dein Herz und entzieht dich deiner Pflicht in Rom?"

    Der junge Flavius verfolgte die Zeremonie schweigend und in dezenter Distanz, um sie nicht weiter zu disturbieren. Selbstredend war ihm keiner der präsenten Personen bekannt, jedoch erkannte er anhand der Jugend des Centurio, dass es sich wohl un keinen gemeinen Soldaten handelte, welcher sich wohl nicht von der niedersten Stufe des Dienstes bis in die Offiziersränge hinaufgedient hatte. Für den Quaestor war dies eine Fortführung jener umfassenden Ordnung der Welt, die ihn über die Equites stellte, die Equites über die Decuriones und diese wiederum über gemeine Bürger setzte, sodass eine umfassende Hierarchie sich ergab vom Kaiser hinab bis zum niedersten Sklaven. Jener Falcidius war augenscheinlich berufen, Soldaten zu führen, während er selbst seinem Schicksal folgte, den Cursus Honorum zu beschreiten.


    Nachdem der nunmehrige Centurio ansetzte seine Mannen hinfortzuexplimentieren, trat der vermeintliche Petronius sich endlich an ihn. Noch immer vermochte er sich nicht zu entsinnen, in welchem Kontext er seine Bekanntschaft gemacht hatte, doch fürchtete er, es sei im fernen Alexandria gewesen, was ihn aus Furcht vor den zu erwartenden unrühmlichen Umständen bemüßigte, nicht aus eigener Initiative dies zu thematisieren.
    "Im Auftrage des Consul Herius Claudius Menecrates suche ich Tribun Lucius Petronius Crispus und den Optio Marcus Octavius Maro. Petronius, nehme ich an?"
    Da die Wache ihm verkündet hatte, jener Tribun sei hiesig zu Gange, ließ der Jüngling sich zu jener Spekulation hinreißen und lächelte.

    Selbstredend geleitete auch der Quaestor seinen Consul zu den meisten der Opferfeiern seiner Amtszeit, obschon er für gewöhnlich keine spezifische Rolle dabei zu übernehmen hatte. Dessenungeachtet erschien ihm das heutige, in winterlicher Kälte zu verrichtende Opfer an Tiberinus als eines der Inkommoderen, da erstlich ihm die heiteren Tänze zu den Faunalia weitaus mehr zusagten als die in ihrer Häufigkeit doch ein wenig ennuyanten Rituale (obschon ihm selbstredend wie kaum einem anderen bewusst war, welch fundamental größere Bedeutung ihnen nicht lediglich für das Wohl des Gemeinwesens, sondern auch des Opfernden zukam), des Weiteren ihm jedoch ein wenig fröstelte und er es präferiert hätte, am heutigen Tage bei einem Becher gesüßten Würzweines sich an einem Kohlebecken zu platzieren.


    Indessen war seine Pflicht zu vollführen und so hatte er mehrere Schichten an langärmligen Tunicae unter seine Toga gezogen, was womöglich ihn noch ein wenig feister ließ erscheinen, als er ohnehin bereits war, und war ans Ufer gekommen. Spätestens seit seiner Reise nach Mogontiacum war ihm wohlbewusst, welch imponderable Bedeutung den Flüssen als Transportadern des Imperiums zukam und manche Heimkehr über Ostia hatte ihn bereits auch dessen logistische Kontribution zum Gedeihen Roms offenbart, wenn er auf einem der Personenjachten an zahllosen Getreidekähnen war vorbeigezogen. Dass auch diesem Fluss eine numinose Macht jenseits der rohen Materie von Wasseratomen innewohnte, mochte er gerne glauben, weshalb mit Andacht er dem Gebet des Consul lauschte.

    Von der Porta Praetoria kommend erschien kurz nach Beginn der Zeremonie unerwartet der Quaestor Consulum auf dem Campus, umgeben von einer Schar an Scribae, Boten und der üblichen Entourage eines Magistraten, was selbstredend prompt die Appetenz sämtlicher Exerzierender auf sich zog.


    Manius Minor indessen erfreute sich des Umstandes, wieder einmal Soldaten beim Verrichten ihres Dienstes zu beobachten, weshalb er kurz an den mannshohen Holzpfählen innehielt, wo Tirones ihre Fechtkünste übten, ehe er zu jener Gruppierung kam, welche augenscheinlich eine angetretene Centuria zum Kommandowechsel darstellte. Zwar bedurfte er eines genaueren Blickes, ehe er unter Helm und Montur er das Antlitz des Optio Octavius erkannte, da dieser zu ihren Exerzitien für gewöhnlich in weniger martialischer Aufmachung war erschienen, indessen ließ bereits die Präsenz eines Tribunen (augenscheinlich jener, welcher ihm bereits bei den Ehrungen zum Sklavenaufstand bekannt war erschienen) und eines auffallend jungen Centurio die Szenerie eindeutig identifizierten.
    So verharrte er in einiger Distanz zu der Zeremonie, um selbige nicht zu disturbieren und gebot dem Tribun mit einem freundlichen Gestus, fortzufahren, da auch er wünschte, ein wenig das ihm durchaus geliebte militärische Zeremoniell zu genießen.

    Bis der junge Flavius sich in adäquater Weise präpariert hatte, war bereits der Wachoffizier erschienen und begrüßte ihn mit ausgesuchter Cordialität, was den Quaestor durchaus erfreute. Die Alternativen, welche er bot, erübrigten indessen langes Spintisieren, da wohl kaum anderweitig sich die Option bot, gleich zwei der gewünschten Kandidaten auf einmal anzutreffen, zumal dem vormaligen Tribun die Gelegenheit bot, wieder einmal einen Exerzierplatz zu betreten, wo er in Germania doch Zeuge diverser impressiver Manöver war geworden.
    "Formidabel! Dann begebe ich mich immediat zum Campus! Ich denke, dass wir den Weg finden werden!"
    Da Manius Minor wusste, dass sämtliche Castrae demselben Plane folgten und die Castra Praetoria lediglich sublime Varianzen bot, erschien es ihm als Ehrensache für einen gedienten Jüngling, seinen Weg selbst zu suchen, selbst wenn die Höflichkeit es den Soldaten mochte gebieten, einem Magistraten ihr Geleit zu geben.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Die Information, dass Optio Octavius dem Quaestor bekannt war, registrierte Menecrates mit einem Nicken. Er seinerseits kannte den Optio nicht.
    Bei der anschließenden Aufzählung vermisste er allerdings einen Offizier.
    "Centurio Aulus Tiberius Verus habe ich als Alternative zu Tribun Nero Laetilius Blasio vorgesehen. Sofern beide freigestellt werden können, ist mir das sehr Recht. Ersterer wäre mir im Zweifel aber sogar wichtiger, weil ich bei ihm ebenfalls sicher weiß, dass er mit Ermittlungsaufgaben betraut war."
    Über die Nachfrage, ob die Genannten ihm bekannt seien, schmunzelte Menecrates. "Es geht nicht darum, mit wem ich bekannt bin und mit wem nicht. Ich brauche Offiziere mit spezifischem Einblick, alles andere nützt mir nichts und unstrittig ist immer das, was ich selbst gesehen habe."


    Der junge Flavius verwunderte sich umso mehr, als der greise Claudius explizierte, dass die von ihm Genannten, insonderheit der Optio, gänzlich unbekannt waren, da dies ihre Auswahl in der Tat absolut kontingent ließ erscheinen, nachdem, soweit er memorierte, der Octavius lediglich einer unter zahlreichen Optionen, Centurionen, Tribunen und Gemeinen war gewesen, welche durch den Imperator ihre Auszeichnungen hatten empfangen, doch womöglich hatte lediglich das Los entschieden, zumal die erwünschte Perspektive eines einfachen Soldaten es ohnehin gleich machte, welchen jener einfachen Soldaten man erkor.


    "Oh, korrekt, Tiberius Verus! Auch er ist mir bekannt, da ich sogar mit ihm in der Legio II Germanica meinen Dienst versah!"
    , kommentierte er die Korrektur Menecrates' und schalt sich im Geiste einen Tölpel, da jene Person ihm ja durchaus wohlbekannt war, ja sie diverse Provinzen miteinander durchquert hatten und folglich wohl die beste Bekanntschaft von allen Genannten miteinander pflegten, obschon der Quaestor es durchaus missbilligte, zu welcher seines Standes inadäquater Existenz jener Spross patrizischen Hauses verkommen war, während er argwöhnte, der alte Claudius würde ob seiner Schwäche für den Kriegsdienst einige Sympathie für ihn verspüren.
    "Ich werde in jedem Falle mich mühen, die gewünschten Personen zu erhalten, doch vermute ich, dass selbst die Cohortes Praetoriae eine Bitte des Consul selbst nicht ausschlagen werden."

    Die Äußerungen Manius Maiors grämten den Minor nicht wenig, da ihm doch nun, wo er die Präsenz seiner Anverwandten wenn nicht erwartet, so doch erhofft hatte, ihre langjährige Absenz doch schmerzlich bewusst wurde, doch als sein Vater von Titus' erquicklichen Abenteuern rapportierte, kam er doch gleich jenem nicht umhin, ein Lächeln seinen Lippen entfleuchen zu lassen, da er sich doch noch vortrefflich seiner eigenen Erfahrungen zu entsinnen vermochte, als er erstmals Italia den Rücken hatte gekehrt, selbst wenn Achaia nicht eben auf seiner Reiseroute hatte gelegen.
    "Ich danke dir, auch dir hat das Landleben-"
    , erwiderte der junge Gracchus schließlich, brach jedoch seine Erwiderung des Lobes intuitiv ab, als ihm gewahr wurde, dass der ältere Gracchus keineswegs den Eindruck erweckte, als habe ihm das Exil in Baiae sonderlich wohl getan, da er doch einen recht entkräfteten Eindruck erweckte.
    "-hoffentlich Linderung verschafft."
    , beendete er somit den Satz in einer eher hypothetischen Weise, welche zumindest den Vorzug seines Zustandes vor dem des potentiell noch erschröcklicheren implizierte.
    "Doch sag an: Wie bekommt dir die Seeluft? Vermisst du bereits den guten Capsa?"
    Der lakonische Medicus der Villa Flavia Felix war dem jungen Flavius ans Herz gewachsen, nachdem dieser ihn damalig von seinem Opium-Abusus errettet und über die Schrecken des Entzuges geführt hatte, obschon er augenscheinlich nicht imstande war gewesen, seinen Vater an Ort und Stelle zu kurieren.

    Der Order seines vorgesetzten Magistraten folgend suchte der Quaestor Consulum zu nächstbaldiger Gelegenheit die Castra Praetoria auf, wohin er selbstredend sich in einer Sänfte hatte transportieren lassen, gefolgt von seinem neuen Officium, bestehend aus einem Scriba, einem Viator sowie einem Praeco, sowie einer kleinen Schar flavischer Sklaven, die ihn stets zu geleiten pflegten.


    Trotz der erweiterten Entourage oblag es jedoch seinem getreuen Leibsklaven Patrokolos, seinen Herrn an der Wache anzukündigen, während selbiger noch der Sänfte entstieg und sich die Toga richten ließ.
    "Der ehrenwerte Quaestor Manius Flavius Gracchus Minor wünscht einige Offiziere der Cohortes Urbanae und Cohortes Praetoriae aufzusuchen. Es handelt sich um Tribun Laetilius Blasio, den Tribun Petronius Crispus, den Tribun Iulius Antoninus sowie den Decurio Titus Vibius Vespa und den Optio Marcus Octavius Maro."
    Mit einem Lächeln auf den Lippen fügte der attraktive Sklave hinzu:
    "Die Reihenfolge ist egal."

    Hatten die Offiziersränge diverse vertraute Gesichter impliziert, so vermochte der flavische Candidatus unter den Gemeinen keine Bekannten zu identifizieren, weshalb die Dauer der Ehrungen ihm langsam ein wenig ennuyant erschien, obschon selbstredend er zu honorieren wusste, dass jene Recken so tapfer den Aufstand hatten niedergefochten. Dessenungeachtet hatte er für den Nachmittag dieses Tages noch ein Zwiegespräch mit Lucretius Carus, seinem Freund und Wahlkampf-Manager anberaumt, um weitere Kampagnen zu präparieren, was ihm in den Sinn kam, während der Princeps Armreife und Halsbergen verteilte.


    Indessen nahm auch diese Zeremonie irgendwann ihr Ende und man bließ zum Aufbruch, was aufs Neue Reminiszenzen an das jüngst vergangene Tribunat in ihm erweckte, zumal der Marsch, zu welchem die Cornicen und Tubicen nun aufspielten, ebenso an den Rosalia Signorum der Legio II Germanica war gegeben worden. So richtete der junge Flavius seine sonderliche Appetenz auf die Signa der Cohortes Praetoriae, welche die Imagines des Kaiserhauses in festlichem Schmuck präsentierten, ehe die Abteilung der Feldzeichenträger hinter der ersten Häuserecke verschwand.


    Für Manius Minor bedeutete dies, dass er nun auf der Tribüne zwischen den Senatoren hin- und herzueilen hatte, um möglichst viele Bekannte und Freunde Manius Maiors anzutreffen und ihnen seine Referenz zu erweisen. Nach jenem Innehalten voller Glorie und Wehmut hatte der Wahlkampf ihn nunmehr wieder!





    PROXENIOS - ALEXANDRIA


    Der Quaestor legte seine habituell glatte Stirn in feine Runzeln, als der Consul eine neuerliche Frage in kultischen Belangen stellte, welche er indessen nicht so prompt zu beantworten wusste:
    "Nun, dies wäre mir nicht bekannt, tut er dies doch für gewöhnlich ebensowenig an anderen Tempelweihefesten. Indessen vermag ich dies nicht mit Sekurität zu konfirmieren."
    Die Vielzahl an Feriae, Weihetagen und extraordinären Kulthandlungen verschwammen in der Remineszenz des jungen Flavius in diesem Augenblicke, zumal er doch, bedingt durch seine langzeitigen Absenzen der letzten Jahre nicht mehr in jener Routine sich befand, die er in diesen Belangen als Knabe zu besessen hatte. Indessen würde dies leichtlich zu ergründen sein, weshalb er das Sujet mit der knappen Bemerkung,
    "Ich werde dies in Erfahrung bringen."
    , abschloss.


    Seine zweite Obliegenheit erschien hingegen ein wenig komplexer, weshalb auch hiesig er sich weiterer Kommentare befleißigte:
    "Octavius Macer ist mir zufällig bekannt. Er präparierte mich vor meinem Tribunat ein wenig für das militärische Leben."
    Unerachtet jener schicksalhaften Relation verwunderte den Quaestor jedoch die Auswahl zur Besetzung jener Kommission, da es ihm doch als eine wenig stringente Methode erschien, aus jenen eine derart bedeutsame Kommission zu besetzen, welche zufällig einem bestimmten Senator begegnet waren, respektive eine Auszeichnung durch den Kaiser hatten erhalten, zumal die Zahl letzterer zweifelsohne die Kapazitäten jeder Kommission übertraf (immerhin waren an der Zeremonie, an welcher auch der junge Flavius partizipiert hatte, lediglich exemplarisch Personen durch den Princeps persönlich honoriert worden).
    "Folglich Tribun Lucius Petronius Crispus, Tribun Lucius Iulius Antoninus, Tribun Laetilius Blasio, Decurio Titus Vibius Vespa und Optio Octavius Macer. Sind dir sämtliche der Genannten bereits persönlich bekannt?"
    , versuchte er deshalb zu ergründen, was der wahre Kontext jener partikulären Auswahl war. Von offen kritischen Worten oder gar Belehrungen nahm er hingegen Abstand, da es doch ihm kaum anstand, die Wahl des Consul zu kritisieren, nachdem er soeben erst seinen Dienst hatte aufgenommen.

    Die Dichotomie aus Sinnvollem und Nachrangigem mochte der junge Flavius nicht recht zu ergründen, da ihm doch Panem et circenses keineswegs als sinnlose Obliegenheiten erschienen, doch akzeptierte er den Beginn mit der Projektgruppe, welche wohl ohnehin das spannendste der Projekte seines Lehrmeisters war.
    Und in der Tat barg die Nachricht einige Überraschungen, namentlich die Entscheidung, anstatt der Kommandeure der Stadteinheiten lediglich Tribune zu nominieren. Oder gedachte Menecrates die Praefecti Praetorio ebenfalls im Senat anzusprechen, wo sie bekanntermaßen Beisitzerrecht genossen? In jedem Falle unorthodox erschien zumindest die Hinzuziehung eines gemeinen Decurio, da der junge Flavius doch nicht wusste, dass es bei selbigem sich um einen Klienten des Claudius handelte.
    "Wäre es mir gestattet, diesbezüglich meinerseits einige Nachfragen zu stellen?"
    , fragte der Quaestor endlich, nachdem der Consul das erstere Sujet gebührend abgehandelt hatte (respektive nicht zur gänzlichen Satisfaktion seines magistratischen Sekretärs, welcher ja eben sich zur Nachfrage bemüßigt fühlte).
    "Erstlich würde mich interessieren, wer weiterhin an der Kommission partizipieren wird. Wirst du den Praefectus Urbi hinzuladen? Die Praefecti Praetorio? Weitere Senatoren oder Offiziere? Und an welche Zivilpersonen hattest du gedacht?"
    Jene Fragen bedienten zwar eher den persönlichen Vorwitz des jungen Flavius, doch erschien es selbigem auch possibel, dass die Tribune, zu welchen er gesandt sein würde, derartige Nachfragen stellen würden.
    "Des weiteren würde mich interessieren, wie genau du dir die Arbeit jener Kommission vorstellst. Handelt es sich eher um eine Analyse der Geschehnisse und Mängel? Oder ist ihre Aufgabe primär prospektiv gedacht?"


    Die 'Fleißaufgabe' hingegen vermochte der Sohn des Pontifex selbstredend bis zu einem gewissen Maße aus dem Stegreif zu beantworten:
    "Nun, soweit mir bekannt, handelt es sich beim Festtag des Vedovus oder Veiovis um das Weihefest seines Heiligtumes auf der Tiberinsel. Welche Informationen diesbezüglich würdest du genau benötigen?"

    Gleich Balsam auf seiner Seele legte Manius Maior Manius Minor seinen Arm um die Schulter und führte ihn hinein in jenes Haus, welches, wie sein Vater betonte, eines Tages auch das seinige würde sein, obschon es dem Jüngling nicht unbedingt vonnöten erschienen wäre, in direkter Nachbarschaft zum Anwesen seines Oheims eine eigene Heimstatt zu erwerben. Indessen würde dieses ihm womöglich auch langfristig die Perspektive offerieren, häufiger seinen Anverwandten am Golf von Neapolis einen Besuch abstatten.
    "Nun, ich hoffe, dass noch möglichst lange du der formelle Hausherr bleibst."
    , scherzte er und ließ sodann sich in die Villa führen, welche in der Tat sämtliche Annehmlichkeiten offerierte, über die auch die übrigen Villae Rusticae seiner Familie verfügten. Primär wandten sie sich jedoch vorerst den Thermen zu, wo der junge Flavius erstlich sich mit ein wenig Olivenöl und dem Strigilis durch seinen Leibsklaven den Schmutz der Reise vom Leibe schaben ließ, ehe sie hinüber in die warmen Becken glitten. Ein wenig wortkarg erkundigte er sich währenddessen über die Villa, das zugehörige Land sowie die Annehmlichkeiten, welche sie bot. Doch insgesamt genoss der junge Flavius primär die Zweisamkeit mit seinem Vater, welcher er so lange entbehrt hatte, dass er nicht einmal sich zu entsinnen vermochte, wann sie gemeinsam einmal ein Bad hatten genommen.


    Als sodann sie im Caldarium Platz nahmen, resümmierte der ältere Gracchus die Unterredung mit einer Frage, welche der jüngere leichtlich zu beantworten wusste:
    "Er ist formidabel! Ich kann es kaum erwarten, ihn morgen selbst zu erkunden und hoffe, dass wir noch viele Sommerfrischen hier in der Nähe von Serenus und Onkel Aristides verbringen können. Sind sie übrigens von ihren Reisen zurück? Oder haben sie geschrieben?"
    Da Titus ihn bisherig nicht begrüßt hatte, vermutete er Gegenteiliges, doch da er seine Ankunft nicht auf den Tag genau konkretisiert hatte, mochte sein jungerer Bruder sich auch gemeinsam mit Serenus auf der Jagd oder sonstigen Lustbarkeiten befinden.
    "Es wäre schön, die gesamte Familie wieder einmal vereint zu haben, meinst du nicht?"
    Selbstredend exkludierte er damit seine Stiefmutter, jene aurelische Natter, gegen die sein Zorn nach dem eisigen Empfang in Rom jedoch noch weiter war gestiegen, obschon er sich mühte, die Remineszenz an sie beiseite zu schieben und sich lieber auf den erfreulichen Umstand zu konzentrieren, seinen Vater nun für einige Tage gänzlich für sich allein zu genießen.

    Die torquierenden Remineszenzen okkupierten den erkorenen Quaestor den gesamten Weg und mit Scham dachte er zurück an jene alexandrinischen Tage, wo er als toller Achilleus in Weiberkostümen durch die Straßen der Alexanderstadt war gezogen, während Manius Maior hier in Rom das Imperium auf sich genommen hatte. Während sie die steile Via Triumphalis erklommen, mischte sich unter den kalten Schweiß der Scham jedoch auch jener der Anstrengung und als endlich sie vor dem Tempel des Iuppiter Optimus Maximus standen, erinnerte schlagartig er sich des ersten Males, als er dieser Zeremonie beigewohnt und sein Vater ihm die Prinzipien der römischen Religion hatte erklärt. Er wusste noch trefflich, dass damals er, anstatt der Opferung zu folgen, jenen deliziösen Kuchen hatte verkostet, welchen der damalige Consul Tiberius Durus ihm zur Salutatio geschenkt hatte.


    Heute hatte er beides überwunden, sowohl die Narrheit der Jugend, als auch die Unverständigkeit des Knabenalters, doch hatte er zu konzedieren, dass das stets similäre Prozedere der Opferzeremonie ihm noch immer ein wenig ennuyant erschien. Selbstredend wusste er, dass dieser Ritualismus eine Necessität darstellte, um das Wohl des Staates zu sichern, doch erschien es ihm doch entlastend, dass die Götter weniger darauf achteten, was der Opfernde und das Publikum dabei dachten. Do ut des hatte Manius Maior ihm damals erklärt. Mit welcher Intention schien die Unsterblichen ebensowenig zu grämen wie einen Kaufmann.