Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Einen Augenblick fühlte sich der junge Flavius versucht, tatsächlich sich an die Fersen seines neuen Vorgesetzten zu heften und die Offerte zu akzeptieren. Indessen verspürte er nur mäßig Neigung, mehrere Stunden über das Land zu reiten, um sodann den zweifelsohne geschäftigen Statthalter in der Ausübung seiner Pflichten zu disturbieren.
    "Wann wird er voraussichtlich zurückkehren?"
    , fragte er deshalb in der Hoffnung, einen baldigen Termin genannt zu bekommen, welcher ihn von der Necessität einer Reise dispensierte.

    Dem Miles folgte auf dem Fuße der junge Flavius, angetan mit seinem Paludamentum, doch ohne die maßgeschneiderte Rüstung, da noch er Reisekleidung trug und seine Besitztümer sorgsam verpackt im Hafen lagen.
    "Ich bin hier um meinen Dienst anzutreten."
    , erklärte er dem Cornicularius, nachdem Pedius so nebulös ihn präsentiert hatte, während hinter ihm sein Sklave Patrokolos den Raum betrat.

    Artig salutierten die beiden Milites, verharrten dann jedoch augenscheinlich in betretenem Schweigen. Der junge Flavius indessen, noch immer keuchend ob des fatiguierlichen Aufstieges, vermochte ebenso nicht recht zu eruieren, wohin sein erster Weg ihn führen sollte. Im Geiste rekapitulierte er die Hierarchien einer römischen Legion, bedachte die besonderen Umstände dieses Standortes und beschied final:
    "Ich wünsche den Praefectus Castrorum zu sprechen. Und mein Gepäck, welches mir folgen wird, mag in meine Unterkunft transferiert werden."
    Der Praefectus Castrorum mochte als administrativer Leiter der Einheit ihn wohl am besten über die prinzipiellen Umstände seines Dienstantritts in Kenntnis zu setzen imstande sein.
    "Oder ist der Legatus Augusti zugegen?"
    , fügte er hingegen der Sekurität halber an.

    Selbstredend war es überaus adäquat, als angehender Tribunus laticlavius auch dem Legatus Legionis und Statthalter der Provinz seine Aufwartung zu machen. So führte einer der ersten Wege den jungen Flavius wieder hinab in die Stadt und zum Praetorium, wo Titus Duccius Vala residierte.


    Diesmalig ließ der Jüngling Patrokolos im Hintergrunde verweilen, während er persönlich zu der Wache trat, welche die Pforte defendierte und als Pedites singulares zweifelsohne zur Elite der örtlichen Besatzungstruppen zählte.
    "Ave. Mein Name ist Tribunus Manius Flavius Gracchus Minor. Ich wünsche meinen Kommandeur, den Legatus Augusti pro Praetore, zu sprechen."

    Zu Fuß erreichte der junge Flavius endlich das Castellum, welches bereits er von Weitem bestaunt hatte. Die Reise nach Mogontiacum war weitaus weniger beschwerlich gewesen, als er geargwöhnt hatte, während er auf einem Maultier Alpenpässe überschritten hatte, stets spekulierend, wie der erschröckliche Hannibal imstande gewesen war, auf den engen, steilen Sträßlein ganze Elefanten zu transportieren, da doch der Führer ihm versichert hatte, dass sie auf eben der Route des Karthagers gewandelt waren. Im Folgenden jedoch war die Passage recht erholsam gewesen, da Manius Minor samt seiner Entourage auf ein Boot gewechselt waren, welches sie den Rhenus hinabgetragen hatte, ohne dass man beständig ein Reittier zu führen genötigt war, dazu gewisse Annehmlichkeiten geboten und stromabwärts beachtliche Velozität entwickelt hatte. Das breite Deck hatte dem Jüngling gar Gelegenheit geboten, nochmals die Fechtübungen zu repetieren, welche Optio Octavius ihm beigebracht hatte, da der Fährmann ein pensionierter Veteran war gewesen, sodass er nun sich bestens präpariert gefühlt und in einem Anflug juvenilem Leichtsinns davon abgesehen hatte, am Hafen erstlich ein neues Pferd zu erstehen, um auf selbigem die schnurgerade Straße zum Castellum hinauf zu reiten, sondern sich per pedes an den Aufstieg gewagt hatte.


    Die Anhöhe, auf welcher einst jenes Legionslager war errichtet worden, erwies sich indessen als weitaus steiler, als Manius Minor vermutet hatte, sodass er unter seinem Paludamentum, welches er trotz der sommerlichen Temperaturen trug, durchaus ins Schwitzen gekommen war. Folglich überließ er es seinem Sklaven Patrokolos, der als ranker, schlanker Jüngling weitaus weniger Lasten in die Höhe zu befördern gehabt hatte, die Präsentation an der Torwache:
    "Salve, Legionarius! Ich möchte meinen Herrn anmelden: Tribunus Manius Flavius Gracchus Minor."

    Sie, respektive vornehmlich der junge Flavius, sprachen den ganzen Abend bis spät in die Nacht. Bisweilen intervenierte der Alte mit detaillierten Fragen, hinsichtlich der alexandrinischen Eskapaden riss er erschrocken die Augen auf, ließ jedoch bisweilen ein Lachen vernehmen, welches indessen gänzlich verstummte, als Manius Minor von seinem enger und enger um den Opium-Becher zirkulierenden Dasein während seines Vigintivirates berichtete, zu welchem Schweigen sich zuletzt ein derartiges Stirnerunzeln gesellte, dass der Jüngling trotz seiner Fehlsicht es zu identifizieren imstande war, während er von seiner Aufeinandertreffen mit der Seele seiner Mutter rapportierte.


    Als der Jüngling schließlich geendet hatte, schwieg Vindex eine ganze Weile und strich sich nachdenklich über das kantige Kinn.
    "Eine haarsträubende Geschichte für einen Jüngling deines Alters, junger Flavius..."
    , begann er, während seine Gedanken noch sich zu formen schienen.
    "Ich hatte einmal einen Freund, der dem Wein zu sehr zusprach und genauso von ihm gefangen wurde wie du vom Opium. Er endete einsam, krank und im ständigen Rausch auf seinem Landgut..."
    Nochmalig rieb er sich das Kinn.
    "Ich kenne auch Epikureer, sogar unter meinen Freunden hier gibt es ein paar, selbst wenn sie nicht so extrem sind wie deine Myrmidonen..."
    Vindex seufzte.
    "Aber ich kenne niemandem, dem ein Toter oder gar ein Gott leibhaftig im Traum erschienen ist. Es erscheint mir fast unglaublich, doch wenn dein Vater als Pontifex der Meinung ist, dass dies möglich ist, will ich das nicht ausschließen."
    Eine der Öllampen, welche die Sklaven mit fortschreitender Dämmerung entzündet hatten, erlosch direkt zwischen den Klinen der beiden, was dem Alten einseitig nahezu vollständig verdunkelte.
    "Ich denke aber, dass die Ratschläge, die deine Mutter dir gegeben hat, nicht falsch sind. Ich habe dir schon damals, als du längere Zeit mein Gast warst, geraten, dich mit deinem Vater zu versöhnen. Du träumtest damals davon, ein wahrer Soldat zu werden und bist jetzt in der Tat auf dem Weg, einer zu werden.
    Ganz unabhängig davon, was dich im Jenseits erwartet, rate ich dir, diesem Weg zu folgen: Ich habe viele Männer kennen gelernt und manche davon lebten im Streit mit ihrer Familie oder haderten mit ihrem Schicksal. Soweit ich mich erinnere, ist keiner von ihnen glücklich geworden. Kurzfristig mag es attraktiv erscheinen, sich den kleinen Freuden und Annehmlichkeiten zuzuwenden und vielleicht ist mancher auch zum Philosophen berufen. Aber wenn du nach der langen Zeit als Epikureer nicht bereit warst, dein Erbe für die Philosophie zu opfern, glaube ich nicht, dass du dazu berufen bist."

    Er hob seinen Weinbecher und hielt ihn in Richtung der verbliebenen Lichtquelle zu seinen Füßen.
    "Ich denke, du bist dazu berufen, ein Flavius zu sein. Du solltest dieses Schicksal umarmen, so wie es auf dich gekommen ist. Du solltest versuchen, deine Familie zu lieben und dich von ihr lieben zu lassen. Das wird dir auf jeden Fall in diesem Leben die nachhaltigste Freude bereiten und falls es wahr ist, was der Geist deiner Mutter sagte, vielleicht sogar im nächsten."
    Vindex leerte den Becher in einem Zug und stellte ihn zurück auf das Tischlein. Auch Manius Minor griff nach seinem Trinkgefäß, registrierte jedoch, ehe er es zum Munde führte, dass sein Inhalt gleich seiner Geschichte bereits zur Neige gegangen war.
    Wie in den Monaten seines Exils war es dem guten Vindex gelungen, mit bestechender Simplizität zumindest für den Augenblick eine pragmatische, viabel erscheinende Lösung seiner komplexen Probleme zu destillieren gleich einem Alexander, welcher den Gordischen Knoten mit einem Schwertstreich zerschlug. Womöglich war es in der Tat unerheblich, ob die Gesichte der Claudia Antonia Gespinste oder Visionen waren, zumal es in der Tat nicht mit völliger Sekurität zu klarifizieren sein würde. Womöglich war es am weisesten, sich bis auf Weiteres auf das diesseitige Leben zu konzentrieren, um zumindest jene Bereiche, welche er zu formen vermochte, sich adäquat einzurichten. Und womöglich würden die Mühen des Cursus Honorum, das Vertreten jener einst so hohl erschienen Tugenden ihm nicht so viel Laborieren bereiten, wie er glaubte, zumal er doch bereits wieder größte Freude am Argumentieren zugunsten des Staatsdienstes hatte neu entdeckt. Er vermochte nicht zu ponderieren, ob jene zarte, aufkeimende Zuversicht sich als tragfähig würde erweisen, doch für diesen Moment, wo er vereint war mit seinem weisen, paternalen Freund, im behaglichen Cremona zu Tische liegend nach einem köstlichen Mahl und der Entleerung seiner hochbeschwerten Seele, griff in seinem Geiste ein gewisser Optimismus um sich, welcher auf behagliche Weise innerlich ihn wärmte gleich einem Schluck Opium in den ersten Monaten seines Konsumes.
    "Ich will es versuchen."
    , erwiderte er somit nach einigem Schweigen und platzierte ebenfalls den Becher zurück auf dem Tischlein. Der junge Flavius spürte, dass Vindex zufrieden lächelte, selbst wenn ihm die detaillierten Regungen seines Antlitzes im Halbdunkel verborgen waren.
    "Dann versuche es. Aber beginne morgen damit. Es ist spät und du wirst morgen zum unangenehmen Teil deiner Reise aufbrechen!"
    Manius Minor nickte, obschon der beschwerliche Aufstieg in die Montes Alpes ihn in diesem Augenschlag mitnichten schreckte.
    "Gute Nacht, Vindex."
    "Gute Nacht, junger Flavius. Ich denke, die Sklaven haben dir dein altes Zimmer bereit gemacht."
    Wieder nickte der junge Flavius, sich fragend, ob jemals er so leichtlich das behagliche Gefühl des Zuhauseseins in der Villa Flavia Felix würde zurückzugewinnen imstande sein, wie es hier prompt ihn erfasste.

    Die Reise zu Pferd war ebenso beschwerlich, wie Manius Minor sie von seinem Exkursion nach Populonia in Erinnerung hatte, zumal nun ihm nicht das Opium in jene Trance versetzte, in welcher die Stunden auf dem Rücken des Reittieres schlicht sich transzendierten und ungeachtet verflogen. Nun währte jede Stunde eine volle Stunde, jeder Tag einen vollen Tag und die Ödnis der italischen Landschaft, gerodete Felder und Wiesen, Weinberge und Viehherden präsentierten sich in ihrer vollen, mit der Dauer der Reise ennuyanten Extensität. Ein singuläres Ansinnen (jenseits des Umstandes, dass in diesem Jahre die Schifffahrtssaison spät begonnen hatte und mancher den Unwägbarkeiten des Meeres noch nicht traute) hatte ihn den Beschluss fassen lassen, zu Lande in den Norden zu reisen: ein Besuch bei seinem alten Mentoren und geliebten Freund, dem guten Vindex. Obschon Cremona nämlich nicht direkt auf der Route über den Alpenpass lag, bedeutete eine Visite der Stadt lediglich einen kleinen Umweg, den man für die Gesellschaft jenes engen Vertrauten leichtlich verschmerzen konnte.


    Nach jenen unbehaglichen Tagen hoch zu Ross war die Freude somit umso größer, als endlich der junge Flavius vor sich die Poebene erblickte, diesmalig nicht verborgen unter den Wassermassen des ungebändigten Flusses, sodass umso klarer die Vaterstadt jenes glücklosen Quinctius Varus, der ebenfalls einst nach Norden aufgebrochen war, doch auch seines paternalen Freundes sich abzeichnete. Nicht lange darauf erreichte er das wohlvertraute Haus, wo man ihn umgehend wieder erkannte, obschon doch so viele Jahre waren vergangen, seit er zum letzten Male in jener Heimstatt, die lange Zeit ihm so viel behaglicher war erschienen als die Villa Flavia Felix selbst, zu Gast war gewesen. Nichts indessen hatte sich verändert, jede Vase stand an ihrem Platze, jeder Sklave übte dieselbe Funktion aus wie zu Zeiten seines Aufenthaltes und selbst die vom Alter leicht gebückte Gestalt des Hausherrn wirkte, als hätten die vergangenen Jahre ihn gänzlich unverändert hinterlassen. Lediglich die feinen Falten um Augen und Mundpartie hatten sich ein wenig tiefer gefurcht, was Manius Minor jedoch ob seiner Fehlsicht entging, sodass die Impression völliger Konservation des Hauses ungeschmälert blieb.
    "Manius Flavius Gracchus Minor!"
    , begrüßte Vindex den Jüngling mit liebevoller Stimme.
    "Du hast abgenommen, wie mir scheint!"
    Ein wenig genant lächelte Manius Minor seinen alten Mentoren an, während er näher trat und das Haupt in den Nacken legte, um ihm einen Begrüßungskuss auf die Wange zu drücken.
    "Nur ein wenig."
    , erwiderte er sodann wahrheitsgemäß, nachdem die militärischen Exerzitien unter den Augen des Optios Octavius in der Tat nur in geringem Maße seine Fettreserven attackiert hatten, da jene korporale Anstrengung doch in ihm einen umso größeren Heißhunger evoziert hatte. Insofern verspürte er wenig Neigung, diese Thematik weiter zu vertiefen, weshalb er sogleich bemerkte:
    "Ich vermag nicht auszudrücken, wie glücklich ich mich wäge, dass du mir mein langes Schweigen nachsiehst."
    Vindex ließ ein vergnügtes Lachen vernehmen.
    "Wie könnte ich dir lange böse sein? Du bist für mich wie ein Sohn. Seinen Sohn kann man nicht verstoßen!"
    Für den Hauch einer Sekunde huschte Schwermut über das Antlitz Manius Minors, als jene Worte die Remineszenz an seine Verstoßung evozierten, welche Manius Maior zwar niemals in aller Form wahr hatte werden lassen, die jedoch ihm dennoch einigen Schmerz hatte bereitet.
    "Und der Sohn entkommt seinem Vater nicht."
    , erwiderte er endlich, jene schmerzvollen Gedanken durch einen Scherz hinfortschiebend, der dennoch mehr nicht minder schmerzliche Wahrheit implizierte, als der gute Vindex argwöhnen mochte, der amüsiert schnaubte.


    "Ich bin gespannt, was du mir über deine Abenteuer in Alexandria berichten kannst! Epikur! Was du schriebst klingt ja haarsträubend!"
    , eröffnete er sodann ein neues, wohlvertrautes Sujet und legte den Arm um den Jüngling, sodass dieser ihn ein wenig stützte, zugleich jedoch jene Nähe verspürte, die Vindex für adäquat erachtete, um seinen Vergebungsschwüren Nachdruck zu verleihen.
    "Nun, ich war ein wenig... aufgewühlt, wie ich zu meiner Defension vorzubringen vermag."
    Vindex erhob die freie Hand und präsentierte seinem jungen Freund den mahnenden Zeigefinger.
    "Eins nach dem anderen! Erzähle mir alles. Der Reihe nach!"
    Und während sie ins Peristyl wandelten, begann der junge Flavius zu berichten. Einsetzend beim Tod seiner Mutter, als er den letzten Brief an Vindex hatte versandt, über die Eheschließung seines Vaters, den Streit mit seiner Schwiegermutter bis hin zu seinem Aufbruch nach Alexandria...

    Nicht lediglich das Ziehen der Waffe war der junge Flavius genötigt zu exerzieren, zumal er jenen Handgriff in Komparation mit den folgenden Schritten er geradehin noch leichtlich absolvierte, während im Folgenden Schritt für Schritt der Octavius seinem Lehrling neue, Schritt für Schritt fatiguierlichere Bewegungen abverlangte. Neben dem simplen Stich waren Finten einzustudieren, Paraden und Stöße in diverse Direktionen, sodass es dem Sud auf der Stirne wie dem gesamten Körper des Jünglings niemals zu trocknen gestattet war. Gänzlich erschöpft beendete er somit jenen ersten Tag seiner Ausbildung unwissend, wie dergestalte Strapazen er zu ertragen auf Dauer imstande sein sollte.
    Ehe ihm gestattet wurde, sich zu Bad und Massage zu begeben, traten zu jenen leiblichen jedoch noch sentimentale Leiden, als er von der Diätik seines Instrukteurs erfuhr, welche dieser ihm zur Minderung seines Leibesumfanges auferlegte. Nicht grausamer hätte Capsa, der Medicus des Hauses, ihm den Speiseplan vergällen könnte, da nahezu sämtliche Köstlichkeiten, welche der naschhafte Jüngling so sehr liebte, rigoros exkludiert waren. Artig akzeptierte der junge Flavius somit jene schmerzlichen Restriktionen, um jedoch, kaum war er des Abends dem Bade entstiegen, von derartigem Heißhunger torquiert zu werden, dass er seine Vorsätze fahren ließ und zuerst ein kleines Stücklein Honigkuchen, final jedoch das gesamte Gebäck vertilgte, um so seinen ob der infamiliaren Anstrengungen energiereiche Nahrung postulierenden Leib zu befrieden.


    In jener Manier setzte sich auch die Ausbildung des Jünglings an den Folgetagen fort, wobei die permanenten Leibesertüchtigungen Manius Minor mehr und mehr zur Last wurden, sodass es zunehmend ihn mit Dankbarkeit erfüllte, dass der Optio neben seinen Exerzitien in der Villa Flavia Felix selbstredend seinen alltäglichen Dienst zu versehen hatte, womit er nur eine begrenzte Zahl an Stunden ihn zu quälen imstande war. Zäh rang der junge Flavius so unter Blut (in der Tat erlitt er durch mangelnde Konzentration und Kraft gelegentlich kleinere Verletzungen), Schweiß und Tränen nach und nach ein Provisorium an Kondition, welches ihm zumindest gestattete, etwa einige Liegestütze zu absolvieren oder zumindest die fatiguierlichen Exerzitien mit Schwert, Schild und Pilum zu überstehen. Trost spendeten ihm lediglich die weiterhin intensiven Lehreinheiten zur theoretischen Kriegskunst, militärischer Logistik, Organisation und Taktik, wo er zumindest sich als fleißiger Student erwies, welcher von den Kolloquien mit seinem kriegserfahrenen Gastgeber Vindex und dem dort bereits aufgesogenen Wissen trefflichst profitierte, und damit selbst seinem Instrukteur manche Freude bereitete.


    Letztlich gelang es ihm so doch, ehe er seinen Aufbruch gen Norden wagte, eine rudimentäre Kenntnis des Kriegswesens zu erwerben sowie basale Manöver mit dem Schwert und Schild sich anzueignen, welche ihm zwar nicht gegen einen versierten Veteranen zu bestehen versprachen, jedoch womöglich einen bläuäugigen Strauchdieb für eine Weile auf Distanz halten mochten. Hinsichtlich des Erwerbs athletischer Kapazitäten blieb der junge Flavius jedoch weit hinter den Plänen des Octavius zurück, da die knappe Zahl der Stunden doch kaum genügten, den Jüngling hinreichend zu drillen, er jedoch ohne unmittelbaren Zwang sich zu Leibesübungen kaum bequemte und auch die vorgegebenen Speiserestriktionen nur höchst mangelhaft einhielt, obschon er zu einem gewissen Punkt die Köche anwies, ihm schlicht nicht mehr zu fette Speisen zu servieren, woraufhin jedoch lediglich die Folge eintrat, dass Manius Minor des Nachts seinen Patrokolos nötigte, ihm heimlich fette Speisen aus den Vorräten der Villa zu beschaffen. Am Ende war der Jüngling somit zwar durchaus um einige theoretische Kenntnisse und bescheidene praktische Fähigkeiten reicher, ließ jedoch weiter eklatante Mängel hinsichtlich seiner sportiven Möglichkeiten erkennen, was auch an seiner unalternierten Statur klärlich zu erkennen war.

    Zitat

    Original von Claudia Silana
    Die junge Silana überlegte gespielt, neigte ihren Kopf und nickte dann eifrig in seine Richtung. "Schwestern reden miteinander," gestand sie dem Flavius im koketten Tonfall, nickte abermals, um dann die Verlobten genügsam zu beobachten. Ein bisschen neidisch war sie nun schon, da ihre Schwestern nun den römischen Ruhm ernten konnte. Doch dieser Ruhm war vergänglich und so beabsichtigte die Claudia sich mit dem Hintergrund zu begnügen. Immerhin stand ihr dieser auch besser, da sie mit ihren jovialen Art selten in römische Sittlichkeit passte. Sassia war in dieser Hinsicht deutlich adäquater als sie selbst. Silana musste sich also mit der zweiten Reihe zufrieden geben aber immerhin war es die zweite Reihe unter den Ersten! Sie blinzelte dem Flavius zu, so als ob sie ihn einladen wollte, ihr zu folgen, trotzdessen verweilte sie noch an ihrer Position. Schließlich erschien das Kaiserpaar, welches sie erstaunt und gönnerhaft bestaunte, jedoch keinen Ton sprach. Ihre Augen galten für einen Augenblick der mächtigen Erscheinung. Ihr Großvater übernahm die weitere Gesprächsführung, so dass sich Silana nobel zurückhielt und dem Kaiserpaar nur ein falsches Lächeln schenkte, da sie ihr echtes Lächeln bereits an Flavius Minor verschenkt hatte.


    Die Reaktion der Claudia irritierte den jungen Flavius aufs Neue, da doch ihr langes Zögern einer derart fundamentalen Frage nicht adäquat erschien, sofern sie nicht die Eheschließung ihrer Schwester als eine Petitesse erachtete, welche einem leichtlich entfiel, was jedoch einem Mädchen, deren similärer Zweck in der familiaren Strategie eine derartige Eheschließung war, nicht zu glauben war. Dessenungeachtet vermochte er auch ihre nebulöse Aussage erst nach kurzem Reflektieren zu decodieren, doch als dies geschehen war, hatte Silana bereits ihre Unterredung mit ihm eingestellt und da er ob seiner Fehlsicht nicht imstande war, das Zwinkern ihres Auges zu identifizieren, argwöhnte er, als sie sich der eingetroffenen Augusta zuwandte, dass sie seiner überdrüssig war geworden und ihm aus diesem Grunde entfleucht war.


    Aus Furcht, angesichts jener Situation zudringlich zu wirken, wenn er ihr in die neue Gesprächszirkel folgte (zumal er bereits mit Claudius Menecrates einige Worte hatte gewechselt), wandte er sich in die diametrale Direktion, murmelte ein genantes
    "Vale!"
    , und tat, als habe soeben er eine vertraute Person erblickt, mit welcher er zu parlieren wünschte, sodass zügigen Schrittes er sich von den fröhlich schwatzenden Claudii distanzierte, um sodann aus dem Blickfeld zu entfleuchen, um in Ruhe jene mysteriöse Episode zu reflektieren.


    So retirierte er sich in den Schatten des Peristyls, wohin der Lärm der Festivität nur gedämpft durch die uralten Mauern und Pforten der Villa drangen, setzte sich auf ein Bänklein und blickte versonnen gen Himmel. Jene Claudia war und blieb ihm ein Mysterium, da sie doch zum einen visuell überaus attraktiv ihm erschien, selbst wenn er dies stets nur von Ferne in voller Pracht zu bewundern vermochte, ja er empfand gar einige Sympathie für sie, wie sie so geistreich im Amphitheatrum Flavium ihm Paroli geboten und seine Debattierlust erweckt hatte, selbst wenn ihn ihre philosophischen Lehren geradehin ängstigten wie die Begegnung mit einem Geiste der eigenen Vergangenheit. Insonderheit jedoch irritierte ihn jede Begegnung mit ihr, betrug sie sich für eine Jungfrau aus noblem Hause bisweilen recht mirakulös, hatte sie soeben gewirkt, als wünsche sie mit ihm zu sprechen und täte es doch nicht, als reue sie ihr albernes Gekicher und sympathisiere zugleich mit jener mädchenhaften Relation, die sie mit der Verlobten Scatos verband.
    Nach langem Spintisieren kam er endlich zu dem Resultat, dass er einem Irrtum musste aufgesessen sein, dass er das Erwünschte in das Reale hatte projiziert und die Claudia lediglich dem Gebot der Höflichkeit war gefolgt, als sie heute mit ihm spärliche Worte gewechselt hatte, was wiederum in ihm ein schales Gefühl von herber Enttäuschung evozierte, welches ihm die Lust an dem Fest seines Vetters gänzlich vergällte. Anstatt also dorthin zurückzukehren ließ er also nach seinem geliebten Patrokolos schicken, aufdass dieser ihm in der Bibliothek des Hauses einige Verse rezitierte.

    Sim-Off:

    Damit ergibt sich ein adäquater Abschluss des jungen Flavius für jene Festivität, ehe er nach Germania sich umzumelden genötigt ist ;)

    Zitat

    Original von Claudia Sassia
    Nun war es also doch amtlich, sie hatte verloren. Natürlich war der Kampf spannend gewesen. Spannender als die vorherigen. Aber dies war für den Hauptkampf der Spiele ja auch nicht anders zu erwarten gewesen. Sassia wandte sich nun also erneute dem Flavier zu. „Nun ich würde sagen das sie binnen Wochenfrist ihren Dienst bei dir antritt?“ Ja sie wollte Cara nicht gleich hier na Ort und Stelle übergeben. Sie würde erst noch mit ihrer Sklavin reden. Schließlich musste sie Cara ja erklären warum sie diese Wette vorgeschlagen hatte. Ja erklären. Cara hatte eine Erklärung verdient. Nicht jedem Sklaven - eigentlich gar keinem Sklaven – würde Sassia ihre Motivation erklären, aber Cara war anders. Für Sassia war sie etwas Besonderes.


    "Das ist absolut akzeptabel."
    , erwiderte der junge Flavius und lächelte zufrieden ob seines Triumphes. Jener Vorlauf würde es ihm auch gestatten, gemeinsam mit Sciurus über einen adäquaten Einsatz des Mägdleins zu einigen, zumal er derzeitig keinerlei zusätzlicher Hilfe bedurfte.
    Er hob den Kopf und fixierte die Dienerin selbst, welche ja neben ihrer Herrin parat stand und betreten die Augen niederschlug. Bisherig hatte er, obschon sie als Wetteinsatz fungierte, ihr wie gewohnt wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obschon sie ihm nicht unansehnlich erschien, was indessen für eine Leibsklavin nicht unerwartet war.
    "Wie ist dein Name? Und besitzt du besondere Qualitäten, von welchen ich wissen sollte?"
    , fragte er sie nun direkt.

    Die Luft war zu jener Tageszeit noch angenehm mild auf den Hügeln, wo auch die Villa Flavia Felix situiert war, weshalb dem jungen Flavius bald ein wenig fröstelte, wie er so vor der Pforte des Hauses stand und die Sklaven beobachtete, welche seine spärlichen Habseligkeiten aufgeladen hatten, die er mit sich zu nehmen entschieden hatte. Faktisch würde es lediglich ein Jahr sein, das er von Roma ferne war, doch fürchtete er dennoch, wichtige Dinge vergessen zu haben, die an den Grenzen des Imperiums nur schwerlich zu erstehen waren. Niemals hatte er immerhin sich so fern von jener Zivilisation entfernt, deren Annehmlichkeiten er so schätzte, und deren Distanz ihm graute. Doch war dies ein Teil jener Buße, die er sich auferlegt hatte, um sein ausschweifendes Leben im dekadenten Herzen der Zivilisation, gleichsam der linken Herzkammer des Imperiums, zu Alexandria sühnen, indem er durch asketische Pflichterfüllung sich seiner Ahnen neuerlich würdig erwies. Dies hingegen tröstete ihn kaum. Ihn ängstigte, was vor ihm lag.


    Als Scato aus dem Schatten des Vestibulum trat, wandte der Jüngling sich um und erkannte den Anverwandten an jenem vertrauten Umriss, den sein Schemen aus der Nähe seinem Auge darstellte. Lange würde es ihm ihn zu erblicken verwehrt sein, sodass er umso dankbarer war, eine vertraute Gestalt zum Abschied zu sehen. Er lächelte tapfer, doch melancholisch, als die Hand des größeren Flavius seine herabhängende Schulter touchierte.
    "Das werde ich. Ich wünsche dir ebenfalls den Segen der Götter für dein Aedilat! Wenn die Pflicht mich nicht an die Grenzen riefe, wäre ich dir gern zur Seite gestanden."
    Da er niemals ein Tirocinium Fori absolviert hatte, hätte dieses Engagement ihm zweifelsohne nicht zum Schaden gereicht, obschon selbstredend der Offiziersdienst am Limes womöglich in ihm neue Qualitäten würde nähren, derer er bisherig noch zu sehr entbehrte, um auf dem Cursus Honorum voranzuschreiten.
    "Grüße auch deine Verlobte-"
    Er hielt inne, bedachte einen Augenschlag seine Worte und fügte dann an:
    "-und ihre Schwester, so du sie siehst."
    Obschon Silana eine gefahrvolle Versuchung repräsentierte, einen vom Epikureismus vergifteten Apfel, so übte sie in ihrer kecken Art doch einige Faszination auf ihn aus, viel mehr noch als Sassia oder eine der übrigen jungen Damen.
    Als selbige jedoch vor seinem mentalen Auge passierten, erinnerte schlagartig er sich seiner eigenen Verlobten, die er im vergangenen Jahre nicht minder vernachlässigt hatte wie in den vorherigen, deren Äußeres im Vergleich mit Silana einem Stücklein Kohle im Angesicht eines Rubins gleichkam und deren Persönlichkeit ihn deplorablerweise wenig reizte. Dennoch war sie ihm versprochen und es bestand kein Zweifel, dass er sie dem Entschluss seines Vaters gehorsam würde ehelichen, sobald er in den Senat würde aufgenommen sein und damit die Reife zur Nahme eines Weibes würde gewonnen haben, sodass es ihm gleichsam als ein Ehebruch erschien, Silana ihr vorzuziehen.
    "Grüße auch Cornelia Squilla, so du sie treffen solltest."
    Squilla, seine Verlobte, war die Nichte von Cornelius Scapula, dem wohl besten Freunde seines Vaters, was es unwahrscheinlich erscheinen ließ, dass Scato sie treffen würde, solange der ältere Gracchus zur Rekonvaleszenz im fernen Baiae weilte, doch erschien ihm jener Auftrag als hinreichend, um seinen Pflichten als Verlobter nachzukommen.

    Der Tag war gekommen. Nach ausführlicher Präparation unter der Obhut des Octavius Maro würde Manius Minor heute aufs Neue Rom den Rücken kehren, um nach der theoretischen Unterweisung auch seine praktischen Fähigkeiten in jener Schule der Nation zu erwerben, die für plebejische Aspiranten des Cursus Honorum obligatorisch war. Schon vor einem Jahr hatte der junge Patrizier indessen den Beschluss gefasst, freiwillig dieser Empfehlung zu folgen, um nicht lediglich den Zorn der Unsterblichen, dessen er sich sicher fühlte, sondern ebenso dem augenscheinlichen Fluch der Flavia, welchen Manius Maior in desavouierlicher Feigheit hatte gelebt, auszulöschen und sich als tapferer Krieger zu beweisen. Deplorablerweise standen dem jedoch nicht lediglich seine noch immer mangelhaften athletischen Fähigkeiten, sondern ebenso seine offenbare Inkapazität der militärischen Führung entgegen, welche Stertinius Quartus, der Praefectus Urbi, ihm schonungslos offenbahrt hatte. So mischten sich unter den Vorwitz, welcher sich ob jenes neuen Lebensabschnittes bewegte, auch Furcht vor dem neuerlichen Versagen, als er des Morgens, angetan mit einem nagelneuen Paludamentum, vor die Pforte der Villa Flavia trat.


    Halb hoffte und halb fürchtete der Jüngling, dass zumindest einige seiner Familiaren würden erscheinen, um ihm ihre Glückwünsche für jene lange Reise zum Ende des Imperiums mitzuteilen, ihn angesichts seiner Reserven zu ermuntern oder ihn schlicht sich ins Gedächtnis zu rufen, sollte er auf jenem überaus weiten Weg oder in seinem Dienst einem Schicksalsschlag zum Opfer fallen.

    Der junge Flavius bezweifelte, dass das Haus der Germanici, eines Geschlechtes, deren offiziöse Historie lediglich eine Generation vor die Regierungszeit des Divus Traianus reichte, jener der Flavia, einer Familie, die sich bis in die Tage der Republik zurückverfolgte und nicht ohne Grund unter die Patres war adlegiert worden, ebenbürtig war, weshalb die despektierlichen Vorhaltungen Peticus' den Jüngling durchaus erzürnten. Als indessen selbiger im Folgenden aufs Neue auf seinen Freispruch forderte, ja den Praefectus Urbi gar unterschwellig zu drohen sich anschickte, unterließ er eine weitere Erwiderung, um jenem augenscheinlichen Furiosus nicht eine noch größere Bühne zu bieten, sich dergestalt zu ereifern. Dennoch erhoffte er, Stertinius Quartus würde dem tollen Treiben des Beklagten Einhalt gebieten.


    Deplorablerweise blieb jene Hoffnung jedoch unerfüllt, denn nicht lediglich fiel das Urteil gegen jenen Irrsinnigen beachtlich milde aus. Weder wurde er verpflichtet, auch nur den ermordeten Soldaten zu ersetzen, noch sollte augenscheinlich die Allgemeinheit, insonderheit der junge Flavius selbst, vor seinem Wüten sekuriert werden. Ein Ausscheiden aus der Truppe schien vielmehr eben jenen prätentiösen Forderungen zu entsprechen, die der Germanicus selbst formuliert hatte.
    Hinzu kam jedoch eine überaus intensive Ermahnung an die Adresse Manius Minors selbst, welche zwar angesichts seines Versagens nicht substanzlos erschien, jedoch coram publico, insonderheit coram Germanico, ihm überaus ehrabschneidend, ja als Konfirmation der Despektierlichkeit des rasenden Miles anmutete. Doch ehe noch der Jüngling dagegen protestieren und mit einer Appellation an den Kaiserhof, der Einschaltung seines Vaters oder sonstiger Reaktionen zu drohen vermochte, wurde ihm gewahr, dass jeder Widerstand lediglich sein Versagen um ein Weiteres an die Öffentlichkeit würde zerren, ihn als autoritätslosen Knaben dem Hohn der Gesellschaft würde aussetzen und damit weder ihm selbst, noch seiner Familie zur Ehre würd gereichen. Gleich einem selbst für die Verhältnisse des Jünglings unüberwindlichen Teigling schluckte er somit schmerzvoll jene Schelte hinab und senkte das Haupt, als hätte das Verdikt, vor welchem der Praefectus Urbi ihn warnte, ihn bereits getroffen.

    M' Vindici s.p.d.


    Ich bin genötigt dich tausend Male um Verzeihung zu bitten, mein geschätzter Vindex. Mehr als ein Lustrum ist vergangen, seit dich ein Brief von mir erreichte, und nichts vermag meine sträfliche Missachtung zu exkulpieren, sodass ich gar kürzlich in Erfahrung zu bringen genötigt war, ob du überhaupt noch an vertrauter Stelle residierst und wohlauf dich befindest, ehe ich es wagte, dir diesen Brief zu senden. Zuerst möchte ich dich daher, so es dir möglich ist, bitte mich aufs Neue in Gnaden aufnehmen, wie du dies damals tatest, als ich als Knabe und Schützling deines Patrons in Cremona in dein Haus gelangte.


    Überaus wechselhaft war mein Schicksal seit meinem letzten Brief, wie dir womöglich über diesen oder jenen Kanal bereits zugetragen wurde, und manches war in der Tat geeignet, mich von den Verpflichtungen meinen Freunden gegenüber abzulenken (obschon auch dies bestenfalls eine Ausflucht und keineswegs eine akzeptable Legitimation für mein so langes Schweigen darstellen mag). Lass mich also dort beginnen, wo zuletzt unser Kontakt abriss:


    Viele Jahre weilt meine Mutter inzwischen unter den Toten und kürzlich erst gelangte mir dies wieder ins Bewusstsein, was gewissermaßen der Grund ist, warum ich bewegt wurde, den Faden unserer Freundschaft wieder aufzugreifen, respektive mich anzuschicken seine zerstreuten Fasern erneut zu spinnen. Jene Jahre widmete ich insonderheit meinen Studien, erstlich bei Quinctius Rhetor, von dem ich dir in früheren Briefen bereits berichtete. Auch die Relation zu meinem Vater, über die ich dir bereits so viele Male klagte, besserte sich in jenen Jahren kaum, denn er nahm, kaum war meine geliebte Mutter in unser Mausoleum gebettet, eine neue Frau von nicht viel mehr Jahren als ich selbst sie zähle. Aurelia Prisca, die Witwe meines Onkels Piso, und ich werden wohl niemals eine Relation pflegen, wie sie zwischen Mutter und Sohn adäquat wäre und noch immer muss ich es meinem Vater zum Vorwurf machen, dass er sie ohne Konsultationen seiner keineswegs mehr unmündigen Kinder sich zur Frau erwählte. In der Tat kam es bezüglich ihrer noch vor der Eheschließung zu einem offenen und überaus hässlichen Disput zwischen meinem Vater und mir, der unsere Beziehung weiter verdunkelte. Auf meinen Vorwurf, das Andenken meiner Mutter zu beschmutzen legte er mir infantilen Trutz und mangelnde Einsicht zur Last, woraufhin wir schließlich dergestalt verblieben, dass ich mir ihn nicht mehr als Vater wünschte, er mich dagegen nicht mehr als sein eigen Blut zu betrachten hätte. Infolge dessen war es wohl nur konsequent, dass er die nächste Gelegenheit - den Tod des Kaisers Cornelius Palma - beim Schopfe ergriff, um mich aufs Neue zu exilieren und damit einem Eklat auf der geplanten Hochzeit aus dem Wege zu gehen: Unvermittelt entsandte er mich ins ferne Alexandria, vorgeblich um mich vor etwaigen Revolten nach dem Tod des Princeps in Sicherheit zu bringen und meine Studien am weltberühmten Museion zu vollenden, faktisch indessen um unserem schwelenden Dispute auszuweichen und den Frieden in der Villa Flavia Felix zumindest für einige Zeit zu restituieren.


    Meine Wünsche fanden in jenem Kontext selbstredend keinerlei Berücksichtigung, sodass das nächste Schiff mich über die Wellen des Mare Nostrum gen Sonnenaufgang trug und ich im Hause eines Klienten meines Onkels Flavius Felix in der Stadt Alexanders Aufnahme fand. Ich kann dir versichern, dass das Verhältnis zu Sulpicius Cornutus, dieser überaus zweifelhaften Person, jedoch keineswegs von jener Vertraulichkeit und Freundschaft war geprägt, wie wir sie in Cremona so viele Monate pflegten, obschon ich beinahe zwei Jahre bei ihm residierte. Wahrhaftig wechselten wir kaum mehr Worte als die minimalste Netiquette und die dringlichsten Necessitäten, sodass es mir in der Tat bis heute dubitabel erscheint, wie jener augenscheinlich angesehene Bürger dieser Polis seine Tage zubrachte.
    Indessen war ich nicht nach Alexandria gekommen, um einem nicht sonderlich bedeutenden Klienten meiner Familie Gesellschaft zu leisten, sondern vielmehr meine Kenntnisse zu erweitern und jener Wissenschaft zu frönen, für die der Musentempel dieser Stadt weithin bekannt ist. Tatsächlich immatrikulierte ich mich für die Zeit meiner Präsenz als Akroates, hörte diesen und jenen Philosophen, widmete mich peripher gar ein wenig der alexandrinischen Philologie, allerdings weitaus intensiver der Trübsal über mein Schicksal, welches mich aufs Neue aus Rom und meiner Familie exiliert hatte. Amplifiziert wurde jenes Laborieren schließlich, als mein Vater mich über den Tod meiner Schwester Flamma in Kenntnis setzte. Sie war nach dem Tod meiner Mutter nach Rom gekommen, sodass mir eine kurze Zeit an ihrer Seite vergönnt gewesen war, ehe man mich kaltgestellt und gen Orient entsandt hatte. Umso heftiger traf mich der Schmerz, auch jenes liebreizende Wesen von geradehin stupender Schönheit tot zu wissen und so flüchtete ich mich in den Argwohn, meine Stiefmutter habe etwas mit ihrem Verscheiden zu tun gehabt. Da mir aus der Ferne jedoch nichts zu unternehmen gestattet war, verstieg ich mich in wilde Spekulationen, die doch zu nichts fruchteten als zu neuem Zorn über meinen unbedarften Vater, die verschlagene Aurelia und die Ausweglosigkeit der Lage.


    Der einzige Trost, der in diesem Leiden mir greifbar erschien, offenbarte sich in Lektionen des Aristobulos von Tyrus über die Lehre des Epikur, die man in den Kreisen der politisch orientierten Nobilitas sonst eher zu geißeln pflegt. Geradezu in Opposition zu meinem Vater, der just in diesem Jahr das Consulat errang, erklärte ich mich somit zu einem Jünger des großen Samiers, schloss mich einem Kreis junger Hellenen an, die ebenfalls fern von Politik und der Gewalt ihrer Väter ihren Lüsten frönten, und versuchte, mein unerquickliches Schicksal in Wein, Opium und allerlei Lustbarkeiten zu ertränken. Jene Jahre der jugendlichen Verwirrung gereichen mir freilich zu wenig Ruhm, wie ich heute zu konzedieren genötigt bin und schon damals ahnte ich, dass mein Bekenntnis zu jener hedonistischen Philosophie deine harscheste Kritik auf sich gezogen hätte, weshalb ich es wohl nicht wagte, meine Korrespondenz in jenen Jahren juveniler Konfusion wiederaufzunehmen, obschon Epikur, wie dir gewiss bekannt ist, die Freundschaft zur höchsten Lust erklärt.
    Letztlich beendete Sulpicius, auf dessen Reputation die Ausschweifungen seines Gastes wie dessen Gesellschaft zurückzufallen begannen, jenen einzigartigen Rausch, als er mich jäh zurück nach Rom sandte, um sich meiner zu entledigen.


    Nicht anders als du es wohl getan hättest, reagierte auch mein Vater mit größtem Unverständnis auf meinen epikureischen Lebensentwurf, der keineswegs einen Cursus Honorum oder ein anderweitiges Engagement für Familie und Staat, sondern einzig die philosophische Nabelschau der eigenen Begierden und Lüste unter bequemlicher Nutzung der familiaren Ressourcen vorsah. Seit ich aus Alexandria heimkehrte, mündete somit nahezu jeder Dialog mit meinem Vater in einen lautstarken Disput, an dessen Ende ich mich in mein Cubiculum und in die Traumwelt des Opiums flüchtete.
    Schon anfänglich bot mir mein Vater jedoch die Alternative, entweder meiner Pflicht nachzukommen und den Cursus Honorum zu beschreiten, oder als Ausgestoßener der Familia und ihren Annehmlichkeiten den Rücken zu kehren, weshalb ich, abhorreszierend vor der Perspektive ein Leben als Bettler zu führen, dennoch mich um das Amt eines Tresvir monetalis bewarb. Ein volles Jahr fristete ich somit ein zerrissenes Leben zwischen der Neigung zum Rückzug in das Privatissimum des epikureischen Lebens und der Pflicht meines Amtes, wo ich mich als Knecht der vergifteten Gier nach Reichtum wähnte. Hätten andere Jünglinge jenes Amt mit Freuden bekleidet, welches gar Zugang zum Princeps selbst gewährte, so erfüllte ich es mit Abscheu und ohne jede Freude, stets nur getröstet durch freie Abende und die gelehrte Disputation mit einem Kreis von Epikureern hier in Roma. Inmitten eines weiteren Disputs mit meinem Vater gelang es mir immerhin, diesen davon zu überzeugen davon abzusehen, seinen Sohn Zeit seines Lebens zu einer Tätigkeit zu verdammen, welche ihm grundlegend verhasst war, sodass er in Aussicht stellte, mich nach Vollendung meiner Amtszeit freizusprechen und mir das ersehnte, lebenslange Exil auf einem kleinen Gütlein der Familie zu gewähren.


    Als nun jenes Jahr der Mühen sich neigte, verspürte ich somit durchaus große Vorfreude auf jenes frühe Altenteil, das mir gewährt zu sein schien. Indessen erfasste mich aufs Neue eine Wendung in meinem noch so jungen Leben, die sämtliche Pläne auf einen neuen Grund stellen sollte. Denn just in den letzten Tagen meines Amtierens entzündete sich neue Querelen mit meinem Vater, die mich bemüßigten, mir ein Übermaß an Opium zu genehmigen. Die Folge war, dass mein Leib für einige Augenblicke seinen Geist aushauchte und lediglich die Kunstfertigkeit unseres Medicus Cosmas es vermochte, mich in die Welt der Lebenden zurückzuholen.
    In jenen Augenblicken des Todes jedoch hatte ich eine Vision, die mir aufs Fundamentalste zu denken gab. Mir erschien nämlich Mercurius im Traume, welcher mich an die Ufer des Styx führte, wo ich auf die Seele meiner geliebten Mutter traf. Sie warnte mich, dass mein Lebenswandel den Zorn der Götter wie meiner Maiores evoziere, weshalb mir der Tartaros bevorstünde. Du magst spotten, dass weniger die Unsterblichen als mein erregtes Gemüt die Ursache jener Vision waren, doch fühlte es sich überaus real an, vermochte ich jene Dialoge so überaus präzise zu memorieren und entbrannte in mir sofortig eine derartige Gewissheit, dass ich mitnichten zu zweifeln vermag, hier nicht Opfer eines närrischen Gespinstes geworden zu sein, sondern wahrhaftig den Ratschluss der Götter vernommen zu haben, wie dies schon Aeneas und zahllosen Heroen der Vorzeit war geschehen. Folglich kam ich nach meinem Erwachen zu dem Schluss, mein Leben notwendigerweise neuerlich ändern zu müssen. Denn wie die Manen der Claudia Antonia mir offenbahrt hatten, bestand noch eine schwache Hoffnung, die Rache der Unsterblichen abzuwenden und unserer ewiglichen Separation zuvorzukommen, wenn ich jene epikureische Verblendung, in welcher ich den Göttern, den Mores Maiorum und allem Heiligen gefrevelt hatte, hinter mir ließ und fortan ein tugendhaftes, frommes und meinem Stände gemäßes Leben führte.


    Und so lautet mein Schluss, fortan ein artiger Sohn, ein getreuer Freund und ein demütiger Diener der Götter und des Staatswesens zu werden, selbst wenn noch immer mir jene Furcht im Nacken sitzt, durch mein frevlerisches Betragen die Götter unversöhnlich erzürnt zu haben. Insofern bitte ich dich, mich in Gnaden wieder als deinen Freund aufzunehmen, da ich so dringlich deines Rates und deiner wärmenden Zuwendung bedarf, denn obschon ich auch die Versöhnung mit meinem Vater wieder in die Wege leitete, steht mir sein Rat nur bedingt zur Verfügung, da er ob diverser Unpässlichkeiten sich nach Baiae retiriert hat. Bereits einmal warst du mir ein Vater, als ich eines solchen dringlich bedurfte. Ich bitte dich daher, deinen bereits einmal angenommenen Sohn nicht zu verstoßen und mir aufs Neue ein Freund und Ratgeber zu sein.


    Vale bene!

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    Zitat

    Original von Claudia Silana
    Silana wartete. Es blieb auch nicht viel übrig, da die Männer bei solchen Veranstaltungen erwarteten, dass die Frauen Mäßigung zeigten. Große Worte waren den Männern vorbehalten, wenn auch Silana stets ein verstecktes großes Wort präsentieren konnte. Menecrates sprach und die junge Claudia blickte ihm in die Augen, versuchte zu verstehen, was für ein Mensch er war, wenn er solche Dinge in einem freudigen Anlass anbrachte. Militärische Dinge waren eigentlich nie mit Freude verbunden. Auch ein Studium der Gewalt, wie sie es nennen würde, war offen-gedacht sicherlich nicht freudig, wenngleich notwendig aber mitunter nicht seelisch fördernd. Silana glaubte zwar daran, dass man eine Ratio in allen Dingen anwenden sollte aber ganz frei von einer Bewertung war auch sie nicht. Militärische Dinge waren nichts, worüber man glücklich sprach. Man sollte sie ernst ansprechen. Mit der nötigen Distanz. Immerhin ging es um Gewalt und Gefahren. Silana sah darin kein Glück oder Segen, eher einen Fluch, dem man mit Wissen und Vernunft begegnen musste. Frieden und Gerechtigkeit bauten zwar auf militärische Macht aber auch auf andere größere Säulen, wie Mitgefühl und Verstand. Enttäuscht blickte sie auf den Boden, wich somit gleichsam auch dem Blick des jungen Flavius Minor aus. Umso verwunderte sie, dass keine Antwort aus der Richtung des angeschickten Patriziersohns aufkam. Keine Antwort? Es konnte ein gutes Zeichen sein, dass er überlegte, wie man auf militärische Philosophie reagierte oder war er nur unsicher, ob Silanas Anwesendheit? Silana entschied sich aufzublicken, funkelte verspielt den jungen Mann an, den sie wirklich süß fand, da von ihm keine Gefahr auszugehen schien und er andere Werte zeigte, als der typische römische Mann. Die Frau legte den Kopf schräg zur Seite, blickte ihn mit geöffneten und schönen Augen an und lächelte dann mit geschloßenen Lippen, um ein nicht zu klares Signal zu senden. Sie mochte ihn. Auch, wenn sie dies selbst erst jetzt wirklich begriff. Andersartigkeit war für Silana ein Segen, da sie einerseits leichter Einfluss darauf gewinnen konnte und andererseits keine Gefahr darin verspürte. Die Claudia war erleichtert, dass sie gemeinsam schwiegen. Es war eine gemeinsame Handlung von geteilter Unsicherheit. Schließlich hielt Flavius Scato seine kleine Rede, so dass sich die Schwester umwandte, um Sassia auch im Angesicht beizustehen. Interessiert blickte sie in Richtung des verlobten Paares.


    In jenem Augenschlag verstummten die allseitigen Gespräche und Scato erhob die Stimme. Die Worte, die er an die Festgemeinschaft richtete, überraschten den jungen Flavius nicht wenig, da er zwar von dem wechselseitigen Interesse Sassias und seines Vetters Notiz hatte genommen, als er die beiden während der Eröffnung des Ulpianum gemeinsam erblickt hatte, doch ihm nichts hinsichtlich einer geplanten familialen Verbindung der beiden bekannt geworden war. Selbstredend war jene Entscheidung überaus adäquat, da beide noblen Geschlechtern entstammten, von nahezu similärem, heiratsfähigem Alter waren und es insonderheit dem Flavius wohl anstand, zeitnah sich eine Gattin zu nehmen.
    "War dir dies bekannt?"
    , fragte er daher Silana, um jenes unerquickliche Schweigen zu brechen, welches dem Dafürhalten Manius Minors lediglich seine Insekurität offenbarte und damit, so das Mägdlein in der Tat gedachte, ihn zu verspotten, lediglich neue Munition würde liefern.

    "Ich verbitte mir die despektierliche Redeweise in Bezug auf meine Person. Ich entstamme der ruhmreichen Gens Flavia und würde es favorisieren, da derzeitig kein anderer dieses Namens anwesend ist, als 'Manius Flavius Gracchus' und nicht als 'Minor' tituliert zu werden, ganz zu schweigen von 'unser Minor'. Weiterhin liegen meine Liberalia bereits geraume Zeit zurück, sodass ich als Civis Romanus im Vollbesitz meiner bürgerlichen Rechte bin und es für überaus unangemessen halte, als 'Knabe' berzeichnet zu werden."
    Er blickte kühl zu Stertinius Quartus, dem Richter und Vorgesetzten jenes hochmütigen Miles gregarius.
    "Ich verlange, dass der Vorsitzende, respektive die Vorgesetzten dieses gemeinen Soldaten sicherstellen, dass mir als Zeugen dieses Verfahrens, Sohn eines Consulars, ehemaligen Magistraten dieser Stadt und römischem Patrizier jener Respekt zukommt, den ich verdiene."
    Selbst wenn der Germanicus für einen Fürsten zu halten schien, war er doch an das Militärrecht gebunden. So langsam wünschte sich der flavische Jüngling, dass man von diesem Recht Gebrauch machte und ihn züchtigte, wenn er weiterhin sein freches Maul dergestalt aufriss.

    Die Wendung "voll auf Droge" vermochte der junge Flavius, dem ohnehin das Konstrukt des Drogenkonsumes kein rechter Begriff war, nicht recht zu ästimieren, argwöhnte jedoch, dass Peticus damit implizierte, dass er damalig nicht Herr seiner Sinne war gewesen, was indessen lediglich partiell der Wahrheit entsprach. Denn als routinierter Konsument des Opiums hatte dessen Wirkung sich bereits signifikant relativiert, hatte vielmehr lediglich dazu beigetragen, dass er überhaupt sich seiner Sinne erst adäquat zu bedienen vermocht hatte.
    "Ich muss konzedieren, dass ich damals womöglich eine geringe Menge Opium konsumiert hatte, doch scheint mir, dass ich dennoch die Situation besser einzuschätzen vermochte, als du es bis heute tust."
    , erwiderte er somit kühl.
    "Du stehst heutig nicht vor Gericht, weil du einen Sklaven tötetest, was eher ein Fall für das Zivilgericht des Praetor Urbanus wäre, zumal es sich nicht um meinen, sondern um den des Carbonius handelte. Es geht vielmehr um deine Insubordination. Doch hinsichtlich meiner Befehlsgewalt dürfte das Opium übelstenfalles mich zu milde gestimmt haben, sodass ich deinem Treiben nicht entschieden genug entgegentrat."
    Dass er es indessen getan hatte, hatte er ja bereits erklärt.

    Nicht leichtlich vermochte der junge Flavius zugleich dem spannenden Kampf in der Arena und dem anspruchsvollen Disput mit der Claudia zu folgen, da doch hie rohe Kraft und heroischer Mut, dort philosophische Details und intellektueller Anspruch das Schlachtfeld dominierten.
    "Nun, das wäre es, wenn man unter den Zufälligkeiten des Lebens den wahren Sinn nicht zu erkennen vermag, am Ende jedoch daran gemessen würde."
    , erwiderte er so erstlich auf den Einwand Silanas, ehe er sich wieder der Arena zuwandte, wo Ferox seine zweifelsohne erheblichen Schmerzen verachtete und aufs Neue zu heftigen Attacken ansetzte.
    Weitaus mehr fesselte ihn hingegen das nächste Wort an seinem Ohr, welches ihm doch wohlbekannt erschien. Hatte nicht Epimenides bisweilen sich dieses Zitates bedient, welches aus dem Brief an Menoikos stammte? War die Claudia etwa tatsächlich eine Jüngerin Epikurs? Jene Einsicht ließ den Jüngling abhorreszieren, da sie damit gleichsam als ein Lemur jener Vergangenheit ihm entgegentrat, welche er endgültig hinter sich zu lassen geschworen hatte. Beinahe argwöhnte er bereits, dass sie sogleich ihn als Achilleus würde titulieren, wie seine Freunde in Alexandria es getan hatten.
    "Doch was, wenn die Gestorbenen doch noch da sind?"
    , gab er somit ernst zurück und gedachte erneut der Seele seiner Mutter, welche ihm im Traume war erschienen. Gezielt rief er sich die Szenerie vor Augen, den Styx, das triste Gesicht, den schelmischen Mercurius und selbst die Landschaft. All dies war kein Hirngespinst gewesen. Die Gestorbenen waren noch! Wie ein Schiffbrüchiger an eine dahintreibende Planke krallte sich sein Geist an jene Remineszenz in Furcht, vor der attraktiven Offerte jener attraktiven Epikureerin aufs Neue ins Verderben gerissen zu werden.


    Rasch blickte er wieder zurück in die Arena, wo Tigris dies war unterlaufen, wovor Manius Minor sich noch zu erretten versuchte: Er war ins Netz gegangen, hilflos verstrickt nicht in die Fallstricke sophistischer Argumente, sondern in überaus reale Knoten und Schnüre. Symbolisch erkannte der flavische Jüngling das Resultat: der Todesstoß ereilte ihn prompt und der Hoplomachus kam zu Fall. Silanas zarte Haut touchierte ihn aufs Neue, doch er zuckte lediglich zurück, gewarnt von jener Analogie. Waren ihre Avancen nicht ebenfalls Versuche, ihn einzuwickeln und dem Zorne der Götter auszuliefern?


    Die Plebs jubilierte, doch der junge Flavius sank ratlos auf seinem Sitz zusammen. Er verspürte nicht im Geringsten die Kraft, ausgerechnet im Antlitz jener claudischen Schönheit einen Disput gegen seine eigenen Ansichten vor noch einem Jahr zu führen.
    Doch fortunablerweise bot ihm das Resultat jenes Kampfes in der Arena eine Alternative:
    "Jetzt können wir wohl über die Übergabe deiner Sklavin verhandeln. Mir wäre es gleich, wann ich sie übernähme."
    , wandte er sich somit wieder an Sassia und wechselte somit abrupt das Sujet. Selbstredend bedurfte er eigentlich keiner weiteren Dienerin, welche vermutlich sich eher auf das Legen von Locken und das Auswählen edler Roben verstand als auf irgendeine Tätigkeit, derer ein junger Aristokrat bedurfte, sodass er ohnehin würde erdenken müssen, wie sie ihm von Nutzen sein mochte. Dies zumindest waren weitaus leichtere Gedanken als der philosophische Wettstreit mit seinem alter Ego Achilleus.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    "Als philosophische Lehre würde ich die Militärausbildung für Führungskräfte nicht bezeichnen. Wie du schon richtig angemerkt hast, diente diese Ausbildung den zukünftigen Feldherren. Ich selbst habe alle Examen abgelegt, weswegen ich behaupten kann, es wird weit mehr als philosophiert. Es wird auch nicht ausschließlich frontal unterrichtet, sondern Strategien erarbeitete, in Diskussionen erwogen oder verworfen. Nicht derjenige, der vergangene Kriegszüge auswendig aufsagen kann, besteht, sondern all jene, die ein anspruchsvolles Kolloquium meistern. Heißt: richtige Entscheidungen, passende Truppenbewegung, Kooperation und Absprache mit anderen Heerführern bei einer simulierten Kriegssituation." Naja, Vergangenheit, leider. "Ich wüsste nicht, wie man innerhalb der eigenen Einheit so etwas auch nur annähernd realistisch nachstellen kann. Ich habe bei der Prima Unteroffiziere geschult, aber man rührt dort in der eigenen Suppe. So lässt sich eine Kriegssituation unter Teilnahme verschiedener Einheiten nicht simulieren."


    Menecrates merkte selbst, dass der heutige Abend für diese Unterhaltung nicht geeignet war, daher lenkte er ein. "Aber ich möchte dich nicht mit meinen Ausführungen von netten Kontakten abhalten."


    Manius Minor mühte sich, die Konzentration auf Menecrates gebannt zu halten, während doch zugleich ihn die Insekurität quälte, wie er mit das Betragen Silanas einzuschätzen hatte, da sie doch zum einen betont freundlich sich ihm gegenüber verhielt, ja bisweilen gar Annäherungsversuche ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, zum anderen er jedoch seitens einer derart attraktiven Frau er derartiges nicht ernstzunehmen wagte, da sie doch zweifelsohne ansehnlichere Jünglinge musste präferieren, so ihr Großvater sie nicht zu einer Ehe mit einem wie ihm nötigte. Da Menecrates indessen keine diesbezüglichen Anzeichen offenbarte, blieb der junge Flavius ein wenig ratlos zurück.
    Eine Ratlosigkeit indessen, welche er durch angestrengtes Reflektieren über diesem fernliegende Sujets zu verdrängen versuchte.
    Die Disputationen der Academia erschienen ihm doch nicht ferne liegend von jenen Gesprächsrunden, welche die kriegserfahrenen politischen Freunde seines Vaters bisweilen auf Gastmählern zu halten gepflegt hatten...
    Doch ehe er diesbezüglich eine intelligente Antwort zu formulieren wusste, schweifte sein Blick ab vom Antlitz des alten Claudius hinüber zu seiner Enkelin, deren Mimik er ob seiner Fehlsicht deplorablerweise nicht zu identifizieren wusste, deren Stimme ob ihres Schweigens hingegen nicht zu analysieren war.
    Wieder fixierte er seinen Blick zurück auf Menecrates, welcher jedoch seine Reflexionen beendet hatte und nunmehr ihn aufs Neue freigab, sodass der Blick des ratlosen Jünglings aufs Neue an der hübschen Claudia verharrte.

    Ein wenig perplex registrierte der junge Flavius, wie Peticus ihn gleich einem verschlagenen Verbrecher traktierte und seine Compassion ob des Strafmaßes schmolz dahin gleich der germanischen Schneedecke im Lenz. Vielmehr erzürnte ihn jenes derart aggressive, die eigene Position so sträflich verkennende Auftreten regelrecht, denn obschon er zweifelsohne sich nicht zur Gänze korrekt hatte verhalten, ja womöglich an dieser oder jener Stelle schuldig geworden war, so standen doch jene Unterstellungen und Hypothesen den wahren Umständen des Falles nur allzu ferne, waren es fixe Ideen, die lediglich einem Wahn entstammen mochten, welcher auch derart despektierliche Worte im Angesicht des eigenen Oberkommandeurs und Stellvertreters des Kaisers selbst hervorbrachte.


    So unerhört waren jene Äußerungen, dass seine Schuldgefühle zurücktraten und kühle Abscheu sich in seinem Geiste verbreitete. Wahrlich war es kein Verlust, wenn jene miserable Gestalt, welche ihren Platz nicht kannte, vom Erdkreis getilgt sein würde.
    "Weder ich, noch meine Familie steht in irgendeinem Kontakt zu dem ehrenwerten Praefectus Urbi oder zum Procurator a cognitionibus, soweit mir dies bekannt ist, so man von dem Umstande absieht, dass mein Vater, der Consular Manius Flavius Gracchus, mit Stertinius Quartus im Senat die Bank der Consulare teilt."
    , platzierte er sich somit eisig aufs Neue in der sozialen Hierarchie, die Fragen hinsichtlich seines Namens und Ranges, welcher zweifelsohne jedem hier bekannt war, implizit beantwortend, zumal sie nicht einmal anlässlich seines ersten Auftritts waren erfordert worden.
    "Ich konsumiere derzeitig keinerlei Drogen, weder stündlich, noch täglich, noch wöchentlich."
    Jene Aussage entsprach sogar der Wahrheit, da seine Purgierung vom Gift des Opium bereits einige Zeit zurücklag und er seither lediglich bisweilen, doch in Maßen, dem Weine hatte zugesprochen, welcher selbst für einen Kyniker keine Droge mochte darstellen.
    "Ebensowenig bekleide ich derzeitig ein Amt, so man von meiner Mitgliedschaft in der Sodalität der Salii Palatini absieht, zu welcher ich mich durchaus imstande sehe."
    , fuhr er fort, während er seiner schweißtreibenden Auftritte im Collegium gedachte, bei denen durchaus die Frage adäquat erschien, inwiefern er hierfür geeignet war, was indessen keinerlei Bedeutung für den vorliegenden Fall darstellte. Sein Vigintivirat zumindest war bereits vor geraumer Zeit, nicht wenig nach seiner Rettung aus der Opium-Sucht, ordnungsgemäß niedergelegt worden.
    So schritt er zu den finalen Fragen fort, welche von hinten er aufzäumte:
    "Säße ich auf jenem Richterstuhl, würde ich dich, Germanicus, dich für geisteskrank erklären und in die Tutela eines Anverwandten geben, da augenscheinlich du die Situation, in welcher du dich befindest, nicht zu ästimieren vermagst, unerachtet des Umstandes, dass sämtliche deiner Hypothesen jedweden Beweises entbehren und weithin lediglich deinen irrsinnigen Gedanken entspringen, was wiederum nicht lediglich eine Beleidigung meiner Person, sondern ebenso des Praefectus Urbi, des Procurator a cognitionibus, des Procurator Augusti Aquilianus Privatus und des Publicanus Augusti Carbonius darstellt: Weder rettetest du meinen 'pretiosen Podex', da der Sklave, welchen du ermordetest, lediglich zu fliehen versuchte, noch machten ich, der Publicanus oder der Procurator Augusti uns der Korruption schuldig, weshalb ich argwöhne, dass du hierfür keinen anderen Beweis als dein irrendes Wort vorzuweisen weißt."
    Zweifelsohne hatte er, als er den getöteten Aufseher erblickte, Todesangst verspürt und war nicht unerfreut gewesen, als Peticus jenem Spektakel ein Ende hatte bereitet. Doch retrospektiv war er genötigt zu konzedieren, dass jene Furcht gänzlich unbegründet war gewesen, wie Carbonius selbst sogleich erkannt hatte. Deplorablerweise entbehrte der Germanicus augenscheinlich jener Gabe zur Reflexion seines Handelns, sodass statt zur Besinnung zu gelangen, er sich in immer neue Gespinste verstieg und ihnen mehr Glauben schenkte als der Realität.
    "Insofern weise ich deine Anschuldigung, ich habe von den Geschehnissen in Populonia fälschlich berichtet, entschieden zurück und möchte, obschon dies zweifellos nicht meine primäre Expertise darstellt, zu bedenken geben, dass ein Mann, welcher selbst außerstande ist, sein Fehlverhalten als gemeiner Soldat zu erkennen und die basalsten Relationen von Befehl und Gehorsam einzuhalten, mitnichten als Miles gregarius, gänzlich zu schweigen als Offizier geeignet ist. Jenes Anspruchsdenken erscheint mir vielmehr als Ausweis jenes Irrsinns, an welchem der Beklagte laboriert."