Nachdem die beiden Kontrahenten die Arena verlassen hatten - die letzten Meter stützte Audax sogar den humpelnden Scorpio - trat zuerst eine kleine Musikkapelle auf, die ein heiteres Stück zum Besten gab.
Dann legte sich wieder Stille über die Arena, als sich das Portal öffnete und erneut der Summa rudis ins Rund trat.
"Bürger von Rom!
Zu Ehren der Divi Ulpii folgt nun der Höhepunkt dieses Arenentages! Begrüßt Tigris, den Helden der Arena, fünffacher Sieger in den Arenen Roms!"
Er hob den Arm und der Jubel schwoll an, während sich wie von Geisterhand das Tor öffnete und der strahlende Hoplomachus ins düstere Licht des wolkenverhangenen Tages trat. Er trug seinen kleinen, runden, aber prächtig bemalten Schild in der Hand, den er dem Volk stolz entgegenstreckte. Von dort grinste eine bärtige Grimasse dem Publikum entgegen, die wohl der Bartfrisur des Gladiators nachempfunden war. Auch sie war zu sehen, denn er trug seinen Helm mit dem leuchtend roten Federbusch noch in der Armbeuge. Sichtlich genoss er das Bad in der Menge, doch der Schiedsrichter fuhr fort:
"Gegen ihn wird antreten Ferox von der Ludus Dacicus! Dem großen Tigris ebenbürtig, kampferprobt und selten besiegt! Applaus für Ferox!"
Wieder öffnete sich eine Falltür und mit einem gewaltigen Satz sprang der Retiarius hinaus. Breitbeinig stellte er sich auf und ließ mit geschickten Handbewegungen sein Netz über dem Kopf aufschnappen und sich wieder zusammenziehen. Es war überdeutlich, dass beide Kämpfer erfahrene Schaukämpfer waren, die dem Publikum etwas bieten wollten.
Als die beiden Kontrahenten sich trafen, wirbelte Ferox seinen Dreizack herum und ließ ihn kurz vor dem Gesicht des Hoplomachus zum Halten kommen. Die ersten Reihen mochten sehen, dass Tigris dafür nur ein spöttisches Lächeln übrig hatte. Er griff nach seinem Helm und setzte ihn auf. Dann deutete er eine leichte Verneigung vor seinem Gegner an und beide gingen Seite an Seite auf die Kaiserloge zu.
"Ave Caesar! Morituri te salutant!" riefen sie wie aus einem Mund und präsentierten ihre Waffen.
Diese wurden natürlich wieder geprüft - diesmal war der andere Consul an der Reihe, dann konnte der Kampf endlich beginnen. Die Wasserorgel spielte düstere Töne, während die beiden sich bereit machten und der Summa rudis endlich das Zeichen gab:
Ferox zeigte sich gewohnt wendig - wo immer Tigris sich hinwandte, sprang er beiseite und täuschte mit seinem Dreizack Angriffe an. Bis Tigris seinen Schild gehoben hatte, war er aber schon wieder weiter gesprungen und begann von Neuem - eine zermürbende Taktik, doch Tigris war nicht umsonst einer der besten Gladiatoren Roms. Routiniert parierte er jeden Schlag ohne ein Anzeichen von Ermüdung.
Dennoch unterlief ihm bald ein Routine-Fehler: Als Ferox etwas heftiger als zuvor zustieß, hielt der Hoplomachus seinen kleinen Schild nicht fest genug und der Dreizack glitt ab und traf ihn an der Brust. Zwar sprang Tigris geistesgegenwärtig zurück, doch hinterließ Ferox' Angriff drei Stiche auf seiner nackten, rasierten Brust. Aus der Ferne war nicht recht zu erkennen, wie schwer er getroffen war, doch immerhin zogen sich bald erste rote Linien in Richtung Sand.
Davon unbeeindruckt fuhr Ferox mit seiner flinken Strategie fort und umschwirrte den schwer gepanzerten Hoplomachus wie ein Bienenschwarm. Immer wieder ließ er nun auch das Netz vorschnellen, doch Tigris wich jedes Mal zurück. Als er dann aber einen Stoß mit seinem Kurzschwert vorstieß, wickelte sich das Netz doch um seinen Helm mit der breiten Krempe. Sofort versuchte er sich zu befreien, und stolperte zurück - doch Ferox nutzte die Situation gnadenlos aus und versetzte ihm einen Stoß mit dem Dreizack, der Tigris im Bauchbereich traf.
Sofort war der Stab des Summa rudis zwischen den beiden Kämpfern und unterbrach das Duell. Eilig kamen Sanitäter herbeigeeilt und verbanden die blutende Bauchwunde des Hoplomachus. Sie hatte wohl nicht die gut ausgebildete Muskulatur des Gladiatoren durchstoßen, doch blutete sie schon heftiger als der erste Treffer. Ferox wandte sich unterdessen der Menge zu und hob triumphierend seinen Dreizack, dessen Spitzen schon rot gefärbt waren.