Kurze Zeit darauf legte der junge Flavius seine Paenula ab, nachdem er den Produktionsraum betrat, in welchem die zahlreichen Öfen die Luft just an jener Stelle erhitzten, wo die Suppostores die Schrötlinge aus Hitze zogen und auf dem Amboss fixierten, während die Malliatores mit heftigen Schlägen das Stempelbild in das erhitzte Metall rammten. Allein der Anblick der glänzenden Leiber evozierte bei dem Jüngling wie stets ein Gefühl der Erschöpfung, doch auch gewisse Admiration angesichts der muskelgestählten Körper, trotz des Schmutzes und der Rauhheit mehr dem Anblick eines Adonis similär als der feiste, wohlgepflegte Leib des jungen Flavius. Obschon es weder im Sinne seines philosophischen Idols konnte sein, sich ob seiner Deformität zu grämen, und obschon in Relation zu den Umständen in Alexandreia in diesen Gestaden nur geringer Wert auf visuelle Makellosigkeit wurde gelegt, fühlte er sich ein wenig beschämt angesichts seiner Inkapabilität, auch nur ein wenig sich dem Athletischen zu approximieren.
Doch ehe er kapabel war, weiter über jene Äußerlichkeiten zu philosophieren, erreichte ihn Heracles, der dem Usus gemäß ihm Bericht zu erstatten hatte:
"Ah, Flavius, da bist du ja! Wie du gesehen hast, sind die nächsten Bronze-Lieferungen gerade eben angekommen!"
Der junge Flavius nickte, bekümmerte sich jedoch nicht weiter mit dem Gesehenen, sondern wandte sich sogleich dem eigenen Anlass seines Besuches zu, um diesen möglichst baldig zum Abschluss bringen zu können:
"Wie ist der Status der Produktion?"
"Momentan prägen wir den Semis. Das müsste allerdings bald abgeschlossen sein. Es ist ja nur eine kleinere Serie."
Der Jüngling memorierte, dass bei den Disputationen über Produktionsvolumen und -folgen der Bedarf staatlicher Expendituren eine signifikante Rolle hatte gespielt und, da der Sold der Truppen ebenso wie Entlassungsgelder und dergleichen zumeist in runden Sesterzen-Beträgen wurden extradiert, waren Dupondien, Asse und Semites lediglich in kleineren Tranchen erforderlich. Wäre er ein ambitionierterer Nachwuchspolitiker gewesen, welcher sich am Ende einer fulminanten Karriere gesehen hätte, wäre es wohl erforderlich gewesen, den flavischen Caduceus auf den Sestertius zu prägen, anstatt die Handmünze des gemeinen Pöbels mit ihr zu zieren.
Gedankenverloren schlenderte Manius Minor zur ersten der Produktionsstationen. Kaum vermochte er die einzelnen Handgriffe, mit welchem die Sklaven in beständiger Routine ein Metall nach dem anderen prägten, zu differenzieren, so rasch holten die Zangenträger die zischende Bronze aus der Glut und verbargen sie sogleich unter dem Stempel, woraufhin auch bereits die Hämmer niedersausten und jenes heftige Klirren evozierten, welches den Jüngling mal und mal zusammenzucken ließ, ehe das fertige Produkt in einem Wassereimer wurde gekühlt und endlich in eine Kiste geworfen.
Bedächtig beugte sich der Tresvir hinab und ergriff eine der noch warmen, frisch kreierten Münze und hielt es nach oben. Selbstredend vermochte er nicht die feinen Linien, mit welchem das imperiale Profil samt Titulatur in das kupferrote Metall war geschnitten, zu differenzieren, doch rezipierten doch seine geübten Finger in haptischer Weise das Gepräge sanft, fuhren über Buchstaben und das recht simple Bild des Caduceus auf dem Revers. Unvermittelt ertastete er mit seinem rechten Daumen den Karneol seines Siegelringes, den ein similäres Muster zierte. Diese Münzen mochten der Abschiedsgruß der Flavii Gracchi für das Staatswesen sein, da doch die Absenz seines Bruders und die erschröckliche Macht seiner Stiefmutter, jener unalteriert natternhaften Aurelia, es implausibel ließen erscheinen, dass ein Spross jenes einstmals so stolzen, arroganten Stammes, jemals wieder ein öffentliches Amt bekleidete. Ein wenig mochte es schmerzen, jene Perspektive, die seine gesamte Adoleszenz hatte bestimmt, die jedes Wort und jede Okkupation schon seit er sich auf zwei Beinen zu halten vermocht hatte prägte, schlicht hinter sich zu lassen und damit die Expektanzen sämtlicher Anverwandten, Freunde und Bekannten zu frustrieren. Selbst wenn er sich explizierte, dass jene Erwartungen und Träume nichts als leere Meinungen waren, vergiftete Donationen, die ihn lediglich in immer größere Misfortune, immer quälendere Gier und somit zwangsläufig in stets brennenderen Schmerz zu stürzen geeignet waren, so war auch der Abschied von jenen bis vor wenigen Jahren unhinterfragten Evidenzen nicht ohne ein gewisses Maß an Trauer zu akzeptieren. Denn obschon sein Intellekt gleich einem sommerlichen Himmel über Roma ihm klar vor Augen führte, dass all seine Edukatoren und Familiaren tragische Opfer jener wohltradierten Nihilitäten waren, so war doch jene emotionale Neigung hin zur Schar seiner Ammen, zu einem strahlenden Onkel Aristides, einem launigen Onkel Piso, einer ehrfurchtgebietenden Tante Agrippina, einem weisen Paedagogus Artaxias, einem beredsamen Quinctius Rhetor wie nicht zuletzt einer geliebten Mutter und selbst zu einem stets distanzierten, doch in Wahrheit ebenso verehrten Manius Flavius Gracchus Maior nicht schlichtweg hinfortzuwischen.
Ehe ihn indessen jene Melancholie in höherem Maße erfasste, öffnete er die Hand aufs Neue, woraufhin die Münze jenem Kurs folgte, welchen das natürliche Streben der Atome ihr prädisponierte, sodass mit einem sanften Klirren die Kupfer- und Zinn-Atome, welche in der metallischen Materie durch Schlagen und Kochen in ihre Form waren gepresst worden, auf ihre Duplikate in der Kiste stießen. Diese Münzen waren nichts als akzidentielle Atomhaufen, wie auch seine eigene Materie, sein Geist und ebenso jene wunderliche Adhärenz an einem Familie, mit welcher er nichts teilte als zufällige Kommunitäten in Gestalt und Namen. Er dachte zurück an die Schar der Myrmidonen, welche ihn in weitaus höherem Maße mit Akzeptanz und echtem Interesse hatte bedacht, an die vergnüglichen Abende im Hause des Dionysios, die nichts waren als eine Antithese zu den steifen Diners in der Villa Flavia Felix, wo die eigenen Wünsche, Interessen und Bedürfnisse stets nur in jenem Maße zu verbalisieren waren gestattet, in welchem sie in das Prokrustesbett jener kontingenten aristokratischen Wohlanständigkeiten sich fügten.
Er war kein Flavius! Er war ein Epicureicus!
Dennoch war er genötigt, jenes Versteckspiel noch einige Tage zu prolongieren, sodass er mit einem Seufzen endlich sich umwandte und Heracles fixierte.
"Sind die Prägungen adäquat ausgefallen?"
"Gestern hatten wir einige Probleme mit dem Metall für Stempel mit dem Kaiserbild. Das führte zu einem leichten Stocken der Produktion."
Für einen motivierten Beamten hätte jene Information womöglich das Interesse geweckt, genauer zu inquirieren, doch Manius Minor, soeben noch konfirmiert in seinem exitualen Vorsatz, gab es keinen Anlass, sich näher mit dergestalten Nihilitäten zu befassen, sodass er schwieg.
Heracles holte schließlich ungefragt eine Münze hervor und reichte sie an Patrokolos weiter, der sie genauer inspizierte (augenscheinlich hatte der gewitzte Exactor bereits erkannt, dass der junge Tresvir sämtliche visuell zu prüfenden Artefakte seinem Leibsklaven überließ und sich diesbezüglich eingestellt). Dazu begann er weiter zu erklären:
"Die Stempel haben sich sehr schnell abgenutzt, sodass manche Münzen neu gemacht wurden. Ich habe entschieden, sie bis zu diesem Zustand noch zu akzeptieren."
Der Sklave betrachtete das Objekt in seinen Händen genau, nickte schließlich und reichte es seinem Herrn, der selbiges fahrig ertastete, dabei die geringere Tiefe der Prägungen im Kontrast zur vorherigen Münze deutlich notifizierte, sie sodann jedoch eilig an den Optio Monetalis zurückreichte.
"Dies erscheint akzeptabel."
Konträr zu seinen gefährlichen, emotionalen Anhänglichkeiten an die leeren Meinungen, welche er doch längst hatte überwunden!