Als Manius Minor nach jenem denkwürdigen Ehrentage Epikurs von Samos erwachte, registrierte er diverse vermeintliche Mutationen seines Leibes, welche aufs Höchste ihm Unrast bereiteten: Erstlich war zu konstatieren, dass augenscheinlich sein Cranium an Volumen hatte eingebüßt, respektive erwies sich selbiges als insuffizient für die Hirnmasse, welche in dessen Mitte einem eingeklemmten Gliede gleich ihn in jedem Augenblick, insonderheit jedoch bei auch nur der leisesten Regung aufs gräulichste torquierte. Hinzu trat ein obskurer Gout in seinem Munde, welcher exakt jenem entsprach, dessen Einstellung der junge Flavius sich nach dem Konsum einer jener zahllosen verschiedenen Katzen auf den Straßen der Polis vermutete, was nicht eben sich einer Übelkeit als abträglich erwies, die einem rumorenden und zugleich schlichtweg schmerzenden Magen zu entsteigen schien. Summa summarum war sein Zustand somit in adäquater Weise lediglich als hundeelend zu titulieren, weshalb sogleich sich jener Katzenjammer einstellte, welchen auch erprobtere Freunde des Weines allzu gerne anstimmten:
"Patrokolos, mir ist... blümerant!"
Gefangen in der Trance seines Leidens mühte er sich, die Geschehnisse, welche ihn in jene missliche hatten bugsiert, zu rekonstruieren, was erstlich mochte gut gelingen, da recht leicht er die Remineszenzen an die Festivitäten zum Geburtstag des großen Epikur erwachten, ebenso seine Bekanntschaft mit dem trunkenen Dionysios, dem freundlichen Anaximander und insonderheit dem süßlichen Wein, welchen man kontinuierlich zu genießen war genötigt gewesen, sein Befremden ob des zügellosen Verhaltens der Attendenten und endlich das behagliche Gefühl des Rausches, das in seiner aktuellen Situiertheit indessen keineswegs rekonstruabel ihm erschien, da allein der Gedanke an den rötlichen Rebensaft ihm sämtliche Willenskraft abforderte, um nicht...
"Habe ich mich gestrig inmitten des Dankopfers für Epikur erbrochen?"
Schlagartig kehrte jene Erinnerung in ihn zurück, wenn auch schemenhaft (respektive schemenhaft nicht lediglich in dem vertrauten visuellen Sinne, sondern ebenso im emotionalen wie grundlegend sensuellen), was sogleich ihm ein Gefühl des Ertapptseins bereitete, similär zu jenem Tage, als die aurelischen Sklaven sie vor der Villa Aurelia Priscas hatten aufgefunden, obschon diesmalig selbstredend weniger geleitet von einer letalen Furcht.
"Domine? Was'n los?"
, vernahm Manius Minor endlich die Stimme seines Dieners, welche indessen suggerierte, dass Patrokolos soeben erst Morpheus' Reich war entschlüpft, womit die Fragen und Klagen seines Herrn ungehört mochten verhallt sein, und ob ihrer leichten Heiserkeit bedeutete, dass auch der Sklave sich keineswegs wohlauf befand.
Nochmalig war der Jüngling somit genötigt, das Gespräch ab ovo zu initiieren, weshalb er neuerlich ansetzte:
"Was ist geschehen, Patrokolos? Mir ist derart übel, ich vermag kaum mich zu regen!"
Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor
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Deplorablerweise bin ich genötigt zu verkünden, dass ich ab Mittwoch bis Ende März absent sein werde, was indessen kaum einen Postingpartner wird tangieren, dennoch ob eventueller PNs nicht verschwiegen werden soll.
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Mit stupender Velozität glitt der junge Flavius nunmehr hinab in jenen deliriösen Zustand, welcher noch als plaisierlich war zu titulieren, indessen jedweden Konsum übertraf, dem jemalig er im elterlichen Hause hatte gefrönt, da es doch in der Villa Flavia dem Usus entsprach, maßvoll sich dem Trunke hinzugeben, um Gravitas und Dignitas nicht durch den alkoholisch evozierten Verlust der Kontrolle über das Selbst einzubüßen. Selbiges hingegen vollzog nunmehr sich in zunehmendem Maße nicht nur bei den ausgelassenen übrigen Festgästen des Dionysios, sondern ebenso bei Manius Minor selbst, der recht baldig nicht lediglich eine saturierte Gleichmut hinsichtlich des inappropiaten Verhaltens ersterer, sondern ebenso ein artikulatorisches Defizit an sich entdeckte, welches zwar das mehr und mehr sprudelnde, wenn auch eher ungeistige Gespräch mit Anaximander immer wieder hemmte, jedoch keineswegs ihm der Necessität einer Zügelung des Konsumes einsichtig machte.
Als sie endlich bei der favorisierten Zubereitungsweise von Lammfleisch waren angelangt, intervenierte schlagartig Dionysios mit lauter, wenn auch wenig sicherer Stimme und nötigte damit sämtliche Zwiegespräche zum Verstummen:
"Llibe Gäste, lliebefreunde!
Wir habenunss allle verssammlt, umm, hick, den Geburstag unsseres gellibtenn Epikur sufeiern. Wiihr allewiss', iss' Epikur dergrun', dasss wirhir glücklichund volller Lussst feiern könn' unnd unsser Leb'ngenissn! Essiss' alte Tradition, dassswir andiesemtach' Epikur unnserehre, hick, erweisen!"
Der Gastgeber unterbrach seine Rede, um aufzustoßen.
"Epikur issein Heros! Wir hoffen, hick, ne', wir wisssen: Er issdaob'n, wo die Unnnsterblichen glücklichundsufrid'n ssitzen und ehwig feiern! Wolll'n wir alsso sur Tatt schreitenun' ihmunsser Offer dabringen, aufdassswi' sso llustvoll llebenwieer!"
Mit einem theatralischen Gestus verwies Dionysios nunmehr auf die güldene Statuette inmitten der Klinengruppen, wo der gestrenge Epikur intangiert von jener dubitablen Exegetik seiner hiesigen Jünger verharrte, obschon selbstredend ohnehin seine Lehre selbst ihm jedwede Intervention aus dem Jenseits hätte verboten. Dionysios' verharrender manueller Verweis auf den weisen Philosophen indessen offenbahrte den Gästen deutlich, dass ihr Gastgeber nicht lediglich an Sprachvermögen hatte eingebüßt, sondern ebenso sich mitnichten suffizienten Gleichgewichtes erfreute, weshalb sogleich er sich genötigt fühlte, an der nächsten Kline Halt zu suchen und mit einer lockenden Geste einen Stellvertreter zum Vollzug des Opfers zu bestimmen:
"Anassimann-, hick, -mander! Esssiss' mireinne grosssehre, dassss du-"
Neuerlich hob er die Hand und schien geneigt, den Hellenen an der Seite Manius Minors über die Distanz hinweg mit dem Zeigefinger zu punktieren.
"- du Anassiman'er h-heute die Ehre übernnimms', dass, hick, Gebett susprech'n!
Steh'nwir alsssoauff, und erw-weiss'n wir Epikurdieehre, die er, hick, verdinn'"Selbst dem seinerseits nicht wenig touchierten flavischen Jüngling entging keineswegs, dass Dionysios durchaus objektiv außerstande war, die Rolle des Opferherrn zu übernehmen, zumal selbst der Zustand der vorgeblichen Kultgemeinde des großen Philosophen in den Kategorien des römischen Staatskultes wohl als Injurie gegen die Unsterblichen wäre zu ästimieren gewesen. Dass nunmehr hingegen sein eigener Gesprächspartner die Bürde auferladen erhielt, im Namen aller die Worte des Dankes und der Verehrung an Epikur zu sprechen, nötigte ihm einige Admiration ab, welcher er durch frenetisches Klatschen Ausdruck verlieh, woraufhin die gesamte Gastmahlsschar einstimmte und gleich einem theatralen Publikum dem Anaximander einen komödianten Auftritt verlieh.
In der Tat schwang jener elegant sich von seinem Speisebett, rückte keck den Blumenkranz auf seinem Haupte zurecht, schenkte seinem flavischen Spezialgast ein selbigem sich entziehendes Zwinkern und schritt mit admirabler Sekurität zu der hoch aufgerichteten Büste.
"Ich danke für euren Jubel, meine lieben Freunde!"
, adressierte er hingegen erstlich aufs Neue die physisch Präsenten, um sogleich die Appetenz auf den geistlich Anwesenden zu ziehen:
"An diesem seinen Geburtstag sollte unser Jubel jedoch zuerst Epikur von Samos, dem weisen Lehrer der einzig wahrhaftigen Philosophie gelten! Ich bitte also um ohrenbetäubenden Jubel für Epikur von Samos!"
Bereitwillig folgte das Publikum der Ordre und sekundierte das wilde Klatschen gar hie und dort durch lautes Rufen oder das Lärmen mit entleerten Pokalen, welche in trunkener Achtlosigkeit zu Musikinstrumenten wurden missbraucht. Auch Manius Minor stimmte freudig ein in jenes Gejohle und mischte seine noch immer mäßig maskuline Stimme unter den Chor der Gratulanten.
Als endlich alle waren wieder verstummt, ergriff Anaximander neuerlich das Wort:
"Lasst uns also beten zu Epikur von Samos, der uns den Weg zur Glückseligkeit weist uns vor dem lustlosen Treiben der Unwissenden bewahrt!"
Nun endlich wandte er sich um zum güldenen Antlitz des Philosophen und hob die Arme gleich einem Priester an den Feriae hellenischer Tradition, wobei eben der Kranz auf seinem Haupte wie das wallende Gewand die Illusion perfektionierten, es handele sich hiesig um ein kultisches Geschehen, obschon das Herantreten der knabenhaften Satyren mit ihren absurd eregierten Prothesen der Szenerie eine durchaus komische Note verliehen.
Mit einigem Ächzen bequemten nunmehr auch die ersten sich von ihren Klinen und auch Manius Minor mühte sich in die Vertikale, wobei mit einem Male ein grässlicher Schwindel ihn ergriff und beinahe zu Boden hätte gestürzt, wäre Patrokolos nicht ihm in gewohnter Manier zu Hilfe geeilt und hätte seinen Arm ergriffen, um ihn zu stützen.
"O großer Epikur, du Weisester der Weisen!"
, intonierte Anaximander in rituellem Ton, während der junge Flavius der Appetenz verlustig ging, da nunmehr eine irresistable Übelkeit in ihm aufstieg und ihm schreiend befahl, neuerlich die Horizontale zu suchen.
"Du lehrst uns die Lust als das höchste Prinzip, das wir erstreben!"
Konträr zu jenen philosophischen Worten verspürte der junge Flavius nunmehr keineswegs irgend geartete Lust, da der Schmerz aufkommenden Schwindels und schlagartiger Übelkeit ihn übermannte.
"Du heilst uns von allen Leiden der Seele und lehrst uns, das Leiden des Leibes zu überwinden!"
Sein Leib schien sich zu winden, seine Vitalia zu verknoten und kalter Schweiß bildete sich auf der Haut des flavischen Jünglings, einen mehr leiblichen den seelischen Schmerz, resultierend aus jener torquierenden Blümeranz zu verspürend.
"Du schartest um dich einen Kreis von Jüngern, um deine Lehre zu leben und an die nächsten Generationen weiterzugeben!"
Sein trüber Blick glitt über die nunmehr über die Attendenten, welche in augenscheinlich andachtsvoller Manier den erbaulichen Worten des erkorenen Priesters lauschten, was die Furcht Manius Minors erweckte, sich durch eine unvermittelte Eruption seiner zahllosen einverleibten Becher Weines coram publico zu beschämen.
"Durch deine Weisheit bist du zu den Göttern entstiegen und lebst in ewiger Lust und Freude, fern von der Welt und ihren Übeln!"
Nun bereute Gracchus seinen maßlosen Trunk mit heftiger Vehemenz und wünschte sich zu den ennuyanten Gastmählern in der Domus Sulpicia, wo spröde Demagogen und greise Kaufleute mitnichten zum heftigen Konsum des Weines ermunterten, sondern vielmehr das bekömmliche, frühe Bett rekommendierten!
"Unser Opfer lehre uns, das was schmerzt, loszulassen und das, was uns Lust gewährt, zu umarmen!"
Mit einem Male vermochte er nicht mehr, seinen Leib sich zu unterwerfen und in einer bordeauxroten Fontäne ergoss sich der Inhalt seines Magens über Patrokolos' stützenden Arm, die Kline an ihrer Seite wie den mosaikgeschmückten Boden. Stoß um Stoß brach der Wein zurück ans Tageslicht und ließ den Emittenten jedwedes Interesse für das nunmehr unterbrochene Ritual verlieren, da doch sein leiblicher Vorgang ihn gänzlich in Beschlag nahm, bis endlich mit ersticktem Würgen sich ein Ende jener schmerzhaften Purgation ankündigte. Erst, als Gracchus Minor mit einiger Abscheu die säuerlichen Restanten in seiner Mundhöhle in die schaumige Pfütze zu seinen Füßen spie, wurde er der Umstehenden aufs Neue gewahr und riskierte, zu blass um Schamesröte darzubieten, einen Blick in die verstummte Runde.
"V-Verzeihung!"
, stammelte er furchtsam, doch anstatt heftigstem Zorne ob seines pietätlosen Verhaltens brach mit einem Male ein Sturm des Gelächters sogleich über ihn herein.
"Ssso isst'srecht! Allles raus, wasss, hick, wass keinemiete sahlt!"
, rief Dionysios vergnügt in die Runde. -
Der Hellene wies auf zwei freie Klinen an seiner Seite, welche augenscheinlich die letzten in der chaotischen Ansammlung von Speiselagern repräsentierten. Der Lärm schwoll aufs Neue an und niemand schien weiter Notiz von dem neuesten, imperial noblen Gast zu nehmen.
"Ich bin übrigens Anaximander!"
"Mein Name ist Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des gleichnamigen Praetorius Manius-"
, erwiderte der flavische Jüngling, da seine Präsentation als Achilleus ihm doch nicht als suffizient für ein derartiges Zwiegespräch erschien. Ehe er selbige indessen zu finalisieren imstande war, trat ein nackter Knabe heran, welcher mit einem Ithyphallos, Pferdeohren und einem Pferdeschweif ausstaffiert einen vollendeten Satyr repräsentierte. Er offerierte ein Tablett mit silbernen Bechern, die bis an den Rand mit rotem Rebensaft gefüllt zu sein schienen.
"Roter oder Weißer?"
, erkundigte sich Anaximander bezüglich der Vorlieben der beiden Gäste, griff jedoch, als selbige in Perplexität eine Replik verweigerten, selbst die Gefäße und reichte erstlich das eine dem jungen Flavius, sodann das zweite dessen Diener, welchem er auch spöttisch die nächste Frage widmete:
"Und du bist in Wahrheit der Sohn des Basileus, nehme ich an?"
"Nein, nein, ich bin der Diener von Manius Flavius Gracchus. Ich begleite ihn."
"Interessant, interessant. Dann fühle dich ganz wie ein Herr, du bist unser Gast! Und du weißt ja aus der Vorlesung, dass Epikur jeden Menschen gleich schätzte, ob Herr oder Knecht. So halten wir es hier ebenfalls! Zumindest bei den Gästen des Dionysios."
Sichtlich irritiert verfolgte Manius Minor jenen Fortgang der Präsentationsrunde, da doch, obschon eine Nivellierung gesellschaftlicher Differenzen ihm von den kürzlich vorübergegangenen Saturnalien mochte bekannt sein, er ebenso durchaus Einsicht in die Imaginationen von der Äqualität der Menschen in den Theorien Epikurs prinzipiell hatte erlangt, er derartiges auf einem Gastmahle niemals für realistisch hatte erachtet. Auch nun schien der wohlgestalte Knabe, der bisweilen lüsterne Berührungen seitens der Gäste mit freundlich-naiver Gleichmut ertrug, keineswegs aus Lust am mythologischen Mummenschanz seinem Dienste nachging, die Imaginationen Epikurs als in der Realität unpraktikabel zu erweisen. Dennoch mochte er es akzeptieren, dass seinem Leibsklave, welcher immerhin ihm selbst durchaus am Herzen lag und in einem der Freundschaft nicht insimilären Bande mit ihm war verknüpft, durch die Partizipation am Tische der Herren heute eine Ehre zuteil wurde, die für gewöhnlich ihm vorenthalten blieb.
"Und wer ist Dionysios, der Hausherr?"
, fragte er somit, die kuriose Szenerie vorerst neglegierend und die gebräuchlichen Normen aristokratischer Invitationen beachtend. Seine Antizipationen verifizierten sich indessen sogleich, denn Anaximander gestand freiheraus:
"Das ist der Herr, der euch vorgestellt hat. Wir haben schon ein wenig früher begonnen, daher ist er schon ein wenig angeheitert."
"Und ihr seid sämtlich Teil eines Philosophenzirkels um Dionysios?"
, erkundigte der junge Flavius sich wiederum und nahm einen Schluck seines Getränkes, welches, wie er mit Erstaunen erkannte, augenscheinlich in reinen Wein sich erging, anstatt wie gebräuchlich mit Wasser reduziert worden zu sein. Das Grinsen, welches der Interrogierte nunmehr präsentierte, vermochte der fragende Jüngling trotz der Fehlsicht zu erkennen, sodass seine Zweifel ob der Qualität jenes augenscheinlich kaum mit der Weisheit von Alter oder Mäßigung gesegneten Gastgebers sich als begründet erwiesen, noch ehe Anaximander mit einigem Kopfwiegen erklärte:
"Nun, sagen wir... Sagen wir, er ist das Haupt unserer... nein, sagen wir, er bietet uns in seinem Haus ein Forum für unseren Zirkel. Wir treffen uns hier regelmäßig, um Epikurs Philosophie zu leben. Denn was wäre Philosophie wert, wenn sie rein theoretisch bleibt?"
Mit einem breiten Lächeln erhob Anaximander seinen eigenen Becher und trank den beiden Rhomäern zu, die ihrerseits von ihrem Tranke nahmen. Trotz sämtlicher Reserven musste Manius Minor doch konzedieren, dass aus jener finalen Aussage seines Invitanten durchaus Wahrheit sprach.
Nach all jenen Novitäten erschien Manius Minor das bunte Treiben jener Gesellschaft durchaus nicht familiarer, doch vermochte er doch gewisse Schlüsse zu ziehen, da die hiesigen Mechanismen einerseits den ihm bekannten Stereotypen des hedonistischen Epikureers entsprachen, andererseits indessen ob der Absenz von greisen oder gesetzten Gästen ebenso jenem des jugendlichen Neureichen, der mit Schmeichlern und Freunden rauschende Festivitäten zelebrierte, was selbstredend das aristokratische Publikum der flavischen Cenae stets mit Abscheu und Degout hatte thematisiert.
Weiteres Reflektieren blieb ihm indessen verwehrt, da Anaximander nun das Heft des Dialoges ergriff und seinerseits begann, den jungen Flavius zu interrogieren:
"Aber erzähle von dir: Du bist tatsächlich der Sohn eines römischen Senators?"
"In der Tat!"
, erwiderte Manius Minor und präsentierte mit aristokratischer Beiläufigkeit seinen güldenen Siegelring, obschon selbstredend der flavische Acanthus in Aegyptus weitaus geringere Prominenz mochte genießen als in der Urbs selbst.
"Ich dachte, Senatoren ist der Zutritt in diese Provinz verboten?"
"Senatoren durchaus. Ihren Söhnen indessen ist es augenscheinlich gestattet."
"Und du bist zu Studium hier? Oder was hat dich so sehr in die Fremde verschlagen?"
Einen Augenschlag zögerte der flavische Jüngling, sodann replizierte er lakonisch:
"Zum Studium."
Mitnichten schien es Manius Minor geboten, die wahren Kontexte seines Exiles einem noch immer durchaus Fremden zu repräsentieren, zumal eine allzu offene Kritik Manius Maiors gegenüber Unbekannten letztlich auf ihn mochte zurückfallen. In Unkenntnis jener Hintergründe schien Anaximander indessen ohnehin mit seiner knappen Replik saturiert, denn stattdessen wandte er nunmehr sich seinem Aufenthalte selbst zu:
"Und seit wann bist du hier?"
"Seit vergangener Herbstzeit."
"Und du lebst im Museion? Ich kann mich nicht erinnern, dich im Speisesaal der Akroaten einmal abends gesehen zu haben!"
"Ich lebe bei einem Klienten unsere Familie, Supplicius Cornutus. Jedoch bin ich als Akroates immatrikuliert."
"Ein Klient der Familie - nicht schlecht! Es gibt aber nicht viele Senatorensöhne, die am Museion studieren, nicht wahr?"
"Mir ist derzeitig kein anderer bekannt. Obschon ich es nicht kategorisch exkludieren möchte, dass weitere existieren."
"Deine Familie muss sehr auf Bildung bedacht sein."
"Durchaus."
, kommentierte er einsilbig, da selbiges ja durchaus war zu behaupten, nachdem er seit frühester Kindheit ihm erstlich ein Paedagogus war zur Seite gestellt worden, der höchstselbst ihm die Anfänge der Gelehrsamkeit hatte vermittelt, während in späteren Tagen er die Rhetorenschule hatte besucht. Similär hatte man auch stets beachtet, die Bildung seiner Geschwister zu fördern, obschon Flamma selbstredend niemals in der Beredsamkeit, sondern vielmehr im Musizieren und Spinnen war unterrichtet worden, während Titus noch am Anfang seines Cursus Eruditionis stand.
"Ein großer Redner scheinst du aber nicht zu sein, so einsilbig wie du bist."
, bemerkte Anaximander auf sein Schweigen hin mit einigem Schalk, was Manius Minor anfänglich seiner Diploma gewahrte, welche Quinctius ihm zum Abschied aus seiner Rhetorenschule ob seiner konträr zur Assumption des Hellenen augenscheinlich exorbitanten Beredsamkeit hatte verliehen. Folgend indessen entschied er doch, sich ein wenig leutseliger zu zeigen, da es sich doch für einen Flavius geziemte, selbst in derart dubitabler Runde durch Manierlichkeit und Eloquenz seine noble Abkunft zu belegen:
"Nun, ich hatte deplorablerweise niemals das Vergnügen, an einem Symposion dieser Art zu partizipieren. Bisherig zeichneten die von mir visitierten Gastmähler sich eher durch die ausschließliche Partizipation honoriger, doch für gewöhnlich mehr denn doppelt so alter Herren als die hiesigen Partizipanten aus, sodass meine Beiträge am Gespräche für gewöhnlich eher kurz und beiläufig blieben."
Auch hiesig sprach der junge Flavius die Wahrheit, zumal es niemals seinem Naturell hatte entsprochen, auf den Cenae seines Vaters, des Cornelius oder jüngst im Hause des Sulpicius die Augen aller durch geistreichen Witz oder neuesten Klatsch auf sich zu ziehen.
"Oh, das kenne ich! Bei meinem Vater ist es ähnlich. Alte Männer mit grauen Bärten und noch graueren Themen. Einfach grauenhaft!"
Der Stereotyp seniler Debatten war dem flavischen Jüngling in der Tat nicht unbekannt, selbst wenn die römische Mode, obschon nicht wenige der letzten Imperatoren ihren Philosophenbart gepflegt hatten, eine eher inexistente Gesichtsbehaarung favorisierte. Dennoch autorisierte sein aristokratischer Habitus ihn nicht, derartig verächtlich sich über staatstragende oder gelehrte Dispute zu äußern, welche nicht selten das Zentrum abendlicher Gesellschaften in der Villa Flavia Felix hatten formiert.
"Nun, es lässt sich selbstredend auch einiges lernen von jenen Gesprächen. Politik, Rhetorik, Beziehungen-"
Ein wegwerfender Gestus kommentierte Anaximanders Haltung hinsichtlich derartiger Sujets, noch ehe er seine Beweggründe darlegte:
"Jaja, das sagte mein Vater auch immer. Aber da bevorzuge ich die Weisheit Epikurs, der über weitaus mehr Anhänger verfügt als mein Vater. Vor allem über weitaus glücklichere! Was nützt mir Politik und Klüngeleien? Am Ende des Tages bereiten sie mir doch mehr Unlust als Lust..."
Jene Replik derangierte Manius Minor sichtlich, denn sowohl hatte er im Nachgang der Lektionen des Aristobulos bisweilen ebendies bedacht, als auch musste er konzidieren, dass Manius Maior und all jene quiritischen Potentaten durchaus niemals den Eindruck erweckten, wahrhaftiges, dauerhaftes Glück in ihren Ränkespielen und Eitelkeiten zu gewinnen. Resümmierte er die Prämissen, welche sein Vater ihm, obschon er selbst ihnen in den präponderanten Stunde niemals war gefolgt, seit Kindertagen gelehrt hatte, so war doch weder das eigene Bedürfnis, noch das Glück an sich jemalig eine Kategorie gewesen, die auch nur am Rande annotabel erschien. Stets hatte man ihn ermahnt, Familie, ja selbst den schnöden Staat der Wahrheit vorzuziehen und niemals, dass Wahrheit in irgend einer Relation zu Glück oder Saturiertheit stand. Epikur, ja jedwede hedonistische Haltung war stets mit Geringschätzung betrachtet, jedes Behaupten der eigenen Wünsche nach Intimität und Geborgenheit in der Fülle vermeintlicher Zwänge und Obliegenheiten erstickt worden, sofern sie nicht eben zum Ruhme der Familie oder zum Nutzen für den Staat gereichten. Obschon noch immer die Schamlosigkeit, mit welcher die Partizipanten jener Festivität reinen Wein in ihre Schlünder gossen und trotz der frühen Stunde sich dem Rausche hingaben, dem flavischen Jüngling fremd und abstoßend erschien, erschien es doch im Kontext epikureischer Gelehrsamkeit weitaus akzeptabler denn die asketische Verbohrtheit seiner Heimat. Insonderheit da Manius Maior ohne Zweifel eine derartige Veranstaltung, verbunden mit ihrer subversiven ideologischen Grundlage, auf Schärfste missbilligt hätte, fasste Manius Minor final den Beschluss, in jene Praktiken einzuwilligen:
"Wohl wahr, wohl war. Dann lasst uns trinken!"
Beherzt ergriff der junge Flavius seinen Weinbecher und leerte ihn mit einiger Mühe in einem Zuge, womit er, wenn auch aus divergierenden Motiven, erstaunte Blicke Anaximanders und Patrokolos' erntete. Dies indessen entging ihm nicht nur ob seiner Fehlsicht, sondern ebenso aufgrund einer Hitzewallung, die ihn nach jener infamiliaren Intensität seines Konsum durchzog und damit einen Vorgeschmack auf die nunmehr folgenden Segnungen der Trunkenheit offerierte. -
Inmitten prächtiger tropischer Pflanzen, deren Provenienz selbst dem mondänen Manius Minor unbekannt war, fand der junge Flavius endlich eine vergnügte Schar bekränzter Jünglinge, welche auf Klinen sich bequemt hatten, über denen widerum aber auf einem Sockel eine güldene Büste des Epicurus, floral geschmückt gleich den Partizipanten jener Festivität von Fleisch und Blut, die wiederum erstlich keinerlei Notiz von den Ankömmlingen zu nehmen schienen.
Erstlich, nachdem der Ianitor mit lauter Stimme verkündete:
"Wir haben Gäste!"
, sank der auditive Pegel des heiteren Geplappers ein wenig, obschon aufs Neue niemand sich zu den flavischen Gästen umwandte, ehe endlich mit sichtlichem Bemühen ein augenscheinlich berauschter Mann sich wankend seiner Kline entwand und mit einigen Schritten auf sie zutrat. Sein Haar war sorgfältig geölt, seine Augen geschminkt (doch leicht verschmiert), sein Äußeres androgyn, sodass beinahe er den jungen Flavius an seinen lieben Vetter Iullus gewahrte (doch selbstredend nur im Entfernten, da dieser niemals in derart üblem Zustand sich hatte ertappen lassen, was angesichts der noch frühen Tageszeit wohl einen Ausweis seiner Selbstzucht repräsentierte, welchen vorzuweisen jener Genosse nicht imstande war).
"Chaire, junger Mann! Wie heißt du?"
, salutierte er erstlich Patrokolos und offenbarte dabei nicht lediglich eine irrige Ästimation der Relation seiner beiden Gäste, da er den Diener vor dem Herrn adressierte, sondern auch eine bereits leicht behäbig gewordene Zunge, welche ihn in seiner Artikulation nicht unwesentlich hinderte.
"Patrokolos, Domine. Aber dies hier ist mein Herr-"
, mühte der Sklave seine Position zu klarifizieren, doch schon hatte der augenscheinliche Gastgeber sich mit einer surprenant behänden Wendung zwischen die beiden postiert und seine Arme um die auf höchst ungleicher Positur sich befindlichen Schultern geschlungen, um sogleich dem jungen Flavius, garniert vom Odeur übermäßigen Weinzuspruchs, seine Schlüsse zu offenbaren:
"Dann musst du Achilleus sein, nicht wahr?"
Und amüsiert von jener Konklusion rief er sogleich, strahlend einem Favus gleichend, laut vernehmlich und für sämtliche Gäste aus:
"Darf ich vorstellen? Achilleus und Patrokolos!"
Nunmehrig verstummten die Unterredungen doch noch und zahllose Hälse reckten sich endlich ob der mysteriösen Präsentation, woraufhin sogleich sich einiges Gelächter erhob, da manch einem die Ironie jener Paarung, eines hochgewachsenen, überaus ansehnlichen Patrokolos, der einen untersetzten Achilleus von rundlicher Statur geleitete, mitnichten war entgangen, während andere augenscheinlich jenen plumpen Jux nicht zu erfassen vermochten, sondern schlichtweg sich dem Amüsement ihrer Freunde anschlossen, was dem jungen Flavius weniger ob der konkreten Verhöhnung seiner Statur, welche ihm ob seiner Perplexität, nicht wie es dem Usus entsprach als Spross seines uralten, hochangesehenen Geschlechts präsentiert zu werden, entging, sondern lediglich ob der unpräparablen Lacher der gesamten Gesellschaft die Schamesröte ins Antlitz trieb.
"Kommt rüber, ihr Helden!"
, rief eine vertraute Stimme, welcher der zur Cachierung seiner Fehlsicht in der Identifikation derartiger Impressionen wohlexerzierte junge Flavius sogleich zu assignieren vermochte. Der Kommilitone, welcher ihn überhaupt erst hierher geladen hatte, war augenscheinlich tatsächlich ebenfalls ein Gast und verspürte nunmehr vorgeblich die Pflicht, seinen Gast aus jener misslichen Lage zu befreien. Dankbar ergriff der Jüngling jene Option und schob sich bar weiterer Kommentierung, gefolgt von Patrokolos, hinüber zu dem Studenten, welcher auf den Platz neben sich deutete.
"Nehmt Platz! Bedient euch!" -
Augenscheinlich war jenem Beamten des Cursus Publicus die Dringlichkeit der flavischen Schreiben trotz Patrokolos' engagierter Rede entgangen, denn keine Reaktion evozierten Worte und Vorlagen.
"Verzeihung, diese Angelegenheit wäre durchaus dringlich!"
, gemahnte der Sklave daher.Sim-Off: Nun wurden 50 Sz. überwiesen. Diesmalig wahrhaftig.
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Der Dies Natalis Epicuri war gekommen, weshalb die Lektionen des Aristobulos an diesem Tage waren entfallen (allfällig zelebrierte auch dieser jenen höchsten Festtag der Epikureer im Zirkel seiner Freunde), was wiederum zur Folge hatte, dass der Exaltiertheit des jungen Flavius den gesamten Tag über keine Ablenkung einen Einhalt zu gebieten vermocht hatte. Den halben Morgen hatte der Jüngling gemeinsam mit Philippos, dem Kellerer des Sulpicius, und Patrokolos Weine verkostet (selbstredend in winzigen Dosen), da er bisherig wenig Passion für den Rebensaft hatte entwickeln können und somit auch niemals einen Favoriten bestimmt, und letztlich sich für einen Falerner-Wein aus dem Keller der Domus Sulpicia entschieden, der nach dem Dafürhalten Manius Minors zumindest ein gewisses Maß an Lokal-Kolorit versprühte und damit gegenüber den achaiischen Weinen zu präferieren war. Somit transportierte Patrokolos heutig nicht lediglich eine Lampe für den Heimweg, sondern ebenso eine versiegelte Amphore jenes kostbaren Weines, als sie durch die Straßen gingen, um jenes überaus anonyme Gastmahl aufzusuchen, zu welchem man sie so überraschend geladen hatte.
Fortunabel erwies sich die strikt geometrische Ordnung Alexandreias, als sie recht leicht den betreffenden Straßenzug erreichten, in welchem den Angaben zufolge die Festivität ihren Ort hatte. Da Namensschilder wie Hausnummern hiesig ebenso unbekannt waren wie in der Urbs verblieb ihnen zuletzt dennoch nichts, als an einer beliebigen Pforte zu klopfen und sich bezüglich der Nachbarschaft zu erkundigen. Selbstredend übernahm Patrokolos jene Obliegenheit, während der junge Flavius, noch immer ein wenig misstrauisch, sich an der Hausecke zurückhielt und dortig die Rückkehr seines Dieners erwartete.Als dies endlich geschah, vernahm der Jüngling in Ermangelung einer visuellen Impression der ambivalenten Mimik seines Sklaven lediglich ein nachdenkliches Schnauben, welches kommunizierte, dass jene Interaktion mit den Einheimischen eine gewisse Irritation hatte hinterlassen.
"Was ist?"
, fragte Manius Minor somit voller suspektem Vorwitz.
"Der Ianitor war irgendwie...eigenartig."
"Wie 'eigenartig'?"
"Ich glaube, er mag diesen Dionysios nicht sehr."
Die Suspektität wandelte sich in einen Anflug von Panik, als der Jüngling die übelsten Schlüsse aus der Faktizität eines wenig angesehenen Mannes in seinem Vicus imaginierte.
"Sollten wir lieber wieder nach Hause gehen?"
Doch wieder war es Patrokolos, der die Zuversicht seines Herrn zu eregieren vermochte, als er tröstend sprach:
"Ach, Unsinn, Domine! Dionysios ist sicherlich ein Schüler des Epikur und du weißt doch selbst, dass die nicht immer in höchstem Ansehen stehen!"In der Tat vermochte diese Ästimation den jungen Flavius zu kalmieren, sodass sie wenige Augenschläge später (der missmutige Ianitor hatte nämlich dennoch den korrekten Weg zu der destinierten Lokation gewiesen) vor der betreffenden Pforte standen und Patrokolos erneut zu klopfen hatte, während sein Herr wiederum sich in der Reserve hatte positioniert, um in jener sicheren Distanz die Situation zuerst zu evaluieren, ehe er sich in adventuröse Unwägbarkeiten stürzte oder gar einem Irrtum war aufgesessen. Aus der Ferne vermochte er zudem die Geschehnissse weitaus besser visuell zu verfolgen, die sich nun ihm darboten, als eine hagere Gestalt, gehüllt in ein scharlachrotes Gewand und bekränzt mit einem polychromen Blumenkranz, in ausgelassener Stimmung Patrokolos salutierte:
"Chaire. Zum Geburtstag?"
"Genau. Also vielmehr mein Herr."
, gab Patrokolos weitaus verhaltener zurück und wandte sich suchend zu dem Annunzierten, der sich bereits in Bewegung hatte gesetzt, in Ermangelung einer zeitigen Warnung mit seinem zügigen Schritt sich beinahe in der losen Kante einer Bodenplatte verhakte, doch fortunablerweise das Gleichgewicht fand und so lediglich strauchelte, anstatt zu stürzen.
"Na dann kommt 'rein!"
, explizierte der vorgebliche Ianitor und legte in jovialer Manier seine Hand auf die Schulter des untersetzten Patriziers, welcher vor Derangement ein wenig zusammenzuckte, mangels Orientierung ob der lokalen Gepflogenheiten jene servile Impertinenz jedoch gewähren ließ, um sogleich in den Garten hinter dem Hause sich geleiten zu lassen. -
Das Haus des Dionysios erscheint äußerlich überaus unscheinbar, exakt gebaut wie sämtliche übrigen Anwesen, die sich im zweiten Block hinter dem Museion aneinanderreihen. Dahinter befindet sich jedoch das Domizil eines selbsternannten Jüngers des Epikur, der häufig zu rauschenden Festen in seinen ausgedehnten Garten lädt. Weshalb nicht sämtliche seiner Kohabitanten in beständiger Einmütigkeit mit ihm leben.
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Voller Interesse folgte der junge Flavius den Lehren des Aristobulos von Tyrus und stets war er erstaunt, welche dem gewöhnlichen Dafürhalten bisweilen geradewegs konträren Einsichten jener ihnen Tag für Tag offerierte. Als der Jüngling nach einer jener Lektionen soeben gedachte, sich gemeinsam mit Patrokolos von der Stelle zu begeben, wandte ein weiterer Akroat sich zu ihnen und neigte sein Haupt zu dem jungen Flavius, was selbstredend diesem die Interpretation der Mimik zur Gänze impossibilisierte. Indessen bedurfte der Schalk, welcher aus der Stimme der Hellenen sprach kaum der Interpretation, als dieser sprach:
"Wir feiern den Geburtstag Epikurs im Haus des Dionysios. Du bist herzlich willkommen! Bringe deinen Lieblingswein mit und komme nicht nach der neunten Stunde, zwei Blocks hinter dem Museion!"
Voller Irritation ob der inprävisiblen Invitation vermochte Manius Minor nicht eine eilige Replik zu formulieren, obschon er zwar jenes Jünglings, welcher stets mit großem Vergnügen und bisweilen mehr oder minder humoristischen Kommentaren, stets flankiert von verhaltenem Lachen seiner Kommilitonen der Lektion war gefolgt, ihn jedoch niemals eines guten Wortes, eines vertrauten Blickes oder auch nur eines artigen Grußes hatte gewürdigt. Jene Okkasion verstrich indessen in atemberaubender Velozität, da jener Invitator sogleich sich wieder ab- und seinen Gefährten zuwandte, um mit jenen fröhlich schwatzend der Stoa den Rücken zu kehren.Dort verblieb inmitten der scheidenden Studenten ein gänzlich konfundierter Manius Minor, welcher unter den zahllosen Gastmählern in seiner Vaterstadt niemals eine derartig informale Einladung hatte erhalten, insonderheit eine solche mit der mirakulösen Annotation der eigenen Mitnahme kulinarischer Spezialitäten.
"Was mag dies bedeuten?
, adressierte er somit Patrokolos, welcher als sein Auge nicht lediglich die physisch-visuelle, sondern ebenso die soziale und psychische Welt für ihn aufzuschließen pflegte, da jener doch in Komparation zu diesem die reale, bisweilen brutale, bisweilen jedoch auch erfrischend simple Welt weitaus weniger alien war, nachdem das Leben eines Leibsklaven des flavischen Besitzes sich nicht allein auf die wohlbehüteten vier Wände aristokratischer Haushalte zu beschränken pflegte, sondern er regulär sich allein oder mit weiteren Bediensteten in der Urbs und anderswo hatte verlustieren und damit die Wunder des gemeinen Lebens hatte entdecken dürfen. Auch hier vermochte er somit einen kalmierenden Ton anzuschlagen und schlichtweg zu erklären:
"Das weiß ich auch nicht, Domine. Ich vermute aber, es ist eine Feier für Studenten im privaten Rahmen. Ich würde dir empfehlen, es einfach zu versuchen."
Eine empirische Ergründung jenes Mysteriums erschien dem jungen Flavius reichlich riskant, da doch manches konnte geschehen, saß er bei dessen Interpretation einem Irrtum auf. So mochte er sein Gesicht verlieren, wenn man ihn zum Narren hielt und er...
Doch was mochte bei Lichte besehen überhaupt geschehen? In Ermangelung einer Vertrautheit mit plumpen Scherzen, bei welchen dickliche Knaben durch übermütige Altersgenossen hinters Licht geführt zu werden pflegten, die freilich in dem eher menschenscheuen Lebensstil des jungen Flavius niemalig einen Platz hatten gefunden, verblieb beim Spintisieren des Jünglings letztlich lediglich die Gefahr eines Irrtums, welcher hingegen an der Pforte jenes Hauses des Dionysios zweifelsohne leichtlich war zu klarifizieren und ohne sich nur im Geringsten in Verlegenheit zu bringen zu lösen war, da er schlicht seinen Diener konnte vorschützen, ohne selbst in Erscheinung zu treten genötigt zu sein.
"Nun, auf einen Versuch mag es ankommen."
, sprach er somit versonnen, eine amüsierte Bemerkung seines Sklaven evozierend:
"Domine, der spiritus loci scheint bereits zu wirken. Du wirst noch zum Empiriker werden!"
Der Jüngling spiegelte die ihm verborgenen Regungen der facialen Muskeln seines Compagnon und mit einem Lächeln auf den Lippen verließ er endlich die Stoa, beseelt von dem aufwühlenden Gedanken, erstmalig seit wohl einer halben Dekade die Initiative beim Schluss von Bekanntschaften zu ergreifen. Sofern man die Akzeptanz einer Invitation zu einer ihm gänzlich unbekannten Gesellschaft derartig mochte definieren. -
Den vorigen Tag hatte der junge Flavius in der Tat mit dem Memorieren der aufgetragenen Sentenzen verbracht, welche Patrokolos dank seiner Flinkheit noch zur rechten Zeit in der Bibliothek hatte zu kopieren vermocht, ehe der Ansturm der übrigen Akroaten sich über selbigen ergossen hatte. Obschon das Einprägen im Rhetorenstudium niemals ihm war zum gravierenden Probleme geworden, ja er sogar noch von seiner Expertise aus seinem Grammatikstudium zu zehren vermochte, wo er zur Cachierung seiner Fehlsicht bisweilen Texte schlichtweg auswendig gelernt hatte, so hatte hiesiger Fall sich als ein wenig diffiziler erwiesen, da zum einen die wortgetreue Einprägung von Sentenzen ohne jedes Metrum sich nach derart langer Zeit doch als anspruchsvoll sich erwies, zum anderen indessen der Sinn mancher Sätze sich dem Jüngling hatte entzogen, womit er parallel zum Memorieren stets mit halbem Sinne sich einer Dechiffrierung jener mirakulösen Wendungen hatte gewidmet.
Dennoch mochte er an jenem Tage, als er voller Vorwitz aufs Neue die Stoa betrat, zu den wohlpräpariertesten Studenten zählen, welche sich versammelt hatte. Selbstredend ängstigte ihn dennoch die prompte Adressierung, sodass er vor Schreck erblasste, ehe er doch gänzlich komplikationsfrei den erwünschten Lehrsatz rezitierte:
"Es wäre nicht möglich, die Angst in Zusammenhang mit den wichtigsten Dingen aufzulösen, wenn man nicht begriffen hätte, was die Natur des Ganzen ist, sondern in Angst vor allem lebte, was die Mythen erzählen; daher wäre es nicht möglich, ohne Naturphilosophie ungetrübte Freude zu genießen."
Furcht bildete das Sujet jener Weisheit und offerierte damit eine Regung, die auch Manius Minor nur allzu häufig in ihren Klauen hielt. Insofern steigerte jene Introduktion die Erwartungen des Jünglings, welche Seelenarznei nun ihm würde dargeboten werden. -
Mochte Sulpicius augenscheinlich kein Freund des quiritischen Festkalenders sein, so nannte er doch ein Lararium sein Eigen, wo auf einer Nische hinter dem eher schlichten, hellenischen Altarsockel die Statuetten zweier tänzelnder Jünglinge, augenscheinlich die Personifikationen der sulpicischen Laren, sowie ein weiteres Figürlein aus poliertem Silber, angetan mit einer Toga und bekrönt mit Lorbeer, die mannhafte Schaffenskraft des Hausherrn symbolisierten. Similär zum Fehlen der Hausherrin entbehrte das häusliche Heiligtum indessen einer Iuno, weswegen der junge Flavius, der heutig seiner geliebten Schwester zu gedenken gedachte, lediglich auf die Kraft seiner Imagination war verwiesen.
Deplorablerweise erweckten die Gedanken an Totengötter in Manius Minor stets Remineszenzen an die Gespinste seiner Nachtmären, sodass er, erfüllt von Furcht, den Bärtigen, das dahingeraffte Ehepaar oder die schrecklichen Bilder jener übrigen Lemuren zu erblicken, kaum es wagte die Augen zu schließen, sobald er sich mühte das Jenseits zu kontaktieren. Nichtsdestotrotz war es vonnöten, nicht nur seiner geliebten Mutter, sondern ebenso nunmehr seine kaum minder verehrte Schwester durch gerechte Gaben zu ehren, weshalb er am Morgen ein schwarzes Zicklein hatte erworben, welches dem Urteil Patrokolos' zufolge kein Makel anhaftete, sodass es nicht lediglich als schmackhafter Braten für den Abend, sondern ebenso als gefälliges Opfer für die Unsterblichen und insonderheit die immortalen Manen seiner Anverwandten mochte dienen. Von Cornutus hatte der Jüngling sich schließlich Diogenes als weitere Assistenz erbeten, sodass sie nun zu dritt sich um den entzündeten Altar scharten, wo Flammas Flamme in ihrem Gedanken erleuchten sollte.
Schwarz wie das Opfertier war auch die Toga, die der junge Flavius zur Repräsentation seiner Trauer hatte erworben, wobei der pragmatische Patrokolos proponiert hatte, den Stoff nach Ende der präskribierten Trauerzeit zu nutzen, um einen aristokratischen Chlamys daraus zu schneidern, womit Manius Minor auf pragmatische Weise den Gebräuchen seiner Ahnen wie der Weisung Manius Maiors gemäß angemessen ausstaffiert den Abschied von seiner Schwester konnte begehen.
"O Manes Flaviae Flammae!"
, intonierte er in formaler Weise sein Gebet und streute Weihrauch auf die Kohlen inmitten des Altares, ehe eine persönliche Note sich unter die Anrufung mischte:
"Flamma, geliebte Schwester!
Stets warst du ein heller Schein in unserer Familie, deine Schönheit und Anmut erstrahlte in ganz Rom! So kurz waren wir wieder vereint nach Jahren des Krieges und Exils, so herzlich war unser Zusammentreffen und unsere Gemeinschaft. Und just dieser düstren Tage war es, dass du nach jener allzu knapp bemessenen Zeit, Persephone gleich, ein Raub des Pluto wurdest!"
Seine wohlpräparierten Worte rissen den Jüngling in einen Sog der Emotionen und ließen Tränen in seine fehlsichtigen Augen steigen, sodass er fahrig lateinische und hellenische Namen vermischte, ehe er, von heftigem Schmerz ergriffen, verstummte. Ein kurzes Ringen um Fassung war vonnöten, ehe er mit belegter Stimme kontinuierte:
"Nimm... meine Gaben. Den Wein und die Kuchen, so süß wie du! Dieses Öl, das dein Feuer verzehren mag! Und diese Rose, die Pflanze der Aphrodite, der du so ähnlich warst."
Die Komparationen und Assoziationen strömten schlicht aus seinem Munde, während hektisch Patrokolos ihm die jeweiligen Gaben reichte, sodass sie nach und nach auf den Altar zu platzieren waren. Zuletzt verblieb die Rose, deren Duft der junge Flavius andächtig einsog, ehe er sie in das rauchende Zentrum des Altares legte, wo sie, verborgen unter dem Wohlgeruch des Weihrauches, knisternd sich schwärzte.Dann war das exzeptionelle Hauptopfer an der Reihe, welches einem häuslichen Kulte mochte exageriert erscheinen, das ob des Schmerzes, zugleich jedoch des sinistren Anliegens Manius Minors diesem doch war recht und billig gewesen. Die Präsentation der Gabe indessen hätte wohl, wäre sie der lebenden Flamma dargeboten worden, womöglich ein gewisses Maß an Missbilligung evoziert, als der Jüngling unbedacht artikulierte:
"Nimm auch diese Ziege, so makellos und wohlgestalt wie dein sterblicher Leib. Sie werde dein und wenn ihre Vitalia als Rauch aufsteigen und wir ihr Fleisch verzehren, mögest du ein letztes Mal unsere Tischgenossin sein."
Eine Examination des Tieres war ob der Fehlsicht des Opferherrn in diesem Falle zu übergehen, sodass lediglich ein wenig Wein aus der Opferkanne über dem Haupte des Tierleins das Zicklein den Manen weihte.
"Nimm an dieses Opfer, wie Mutter und all unsere Ahnen dich in den Gefilden der Seligen annehmen! Nimm an und wache über deine Brüder, die noch auf Erden wandeln! Sei ihr Beistand im Leben und der Tod deiner Mörderin Aurelia Prisca! Reiß sie hinab in die Tiefen der Unterwelt und befreie deine Familie von ihrem Fluche! Wie dieses Zicklein das Leben aushaucht, so soll auch sie ihren letzten Atemzug tun!"
Similär zur Eidesformel beim Stein des Iuppiter verbalisierte verbalisierte der junge Flavius sein Anliegen in voller Klarität, obschon er sich zur Sicherheit der lateinischen Sprache bediente, welcher das Gesinde Sulpicius' (seines Wissens) nicht mächtig war, sodass lediglich Patrokolos die Tragweite seiner Worte mochte umreißen.
Gar hatte Manius Minor erwogen, selbst das Opfermesser zu führen, doch war ihm der Gedanke spritzenden Blutes und das wehrlose Zappeln jenes überaus pittoresken Wesens in seinen Händen derartig abstoßend erschienen, dass letztlich er jene Obliegenheit doch Diogenes, welcher bisweilen auch in der Culina aushalf, hatte aufgetragen.
"Töte es!"
, befahl er daher nunmehr auf Hellenisch und Diogenes griff, das lange Messer parat, jenes sein Schicksal nicht detektierende, innocente Wesen, das dem Sklave bisherig brav an seinem Strick war gefolgt. Jämmerlich begann es zu meckern, doch die Kraft des Sklaven übertraf die allzu späte Einsicht seines gewaltsamen Todes, sodass wenige Augenschläge später der aus der Kehle des deplorablen Wesens spritzende Lebenssaft nicht nur die präparierte Schale, sondern erstlich den Boden, dann den Altar und sämtliche Beteiligten benetzte, als wolle es klarifizieren, dass das Blut der Verfluchten auf alle hiesig Anwesenden würde herabkommen, sollten die Unsterblichen ihrem Wunsche entsprechen.Manius Minor indessen verspürte lediglich grimmige Entschlossenheit, da jenes unschuldige Wesen selbst in seinem Sterben ihn noch allzu sehr an seiner Schwester gemahnte, die similär zu jenem zum Opfertier war geworden, welches jedoch keine gerechte Gabe der Pietas wie hier, sondern ein abscheuliches Menschenopfer der Gier, welches Götter und Menschen gleichermaßen unter ihr Verdikt stellten, darstellte.
"Verschone deine unschuldigen Brüder und torquiere nur die, die an deinem Tode die Schuld tragen!"
, fügte der Jüngling schließlich halblaut an, als er der Heimsuchungen nicht nur durch die Passagiere seines Fluchtwagens aus Rom, sondern ebenso durch seine arme Mutter gedachte, und formte mit seiner Rechten die manus cornuta. Die Larven plagten ihn in mehr denn suffizienter Zahl, sodass er bei aller Zuneigung doch erhoffte, vom Geist der Flamma spargiert zu bleiben. -
"Welch faszinierender Gedanke, Domine!"
, verlautbarte der sichtlich verblüffte Patrokolos, als er an der Seite seines Herrn aus der Stoa, wo beide soeben den Lektionen eines Philologen über die Erkenntnisse des Eratosthenes bezüglich der Kritik tradierter Texteditionen hatten gelauscht, ins Freie trat, um sich im satten Grün des wohlgepflegten Rasens niederzulassen und zu pausieren.
"Durchaus, durchaus! Niemals hätte ich vermutet, welche Insekuritäten die Tradition großer Autoren begleiten!"
"Nun, das drängt sich mit einem solchen Schatz an Texten und Editionen vermutlich auf!"
Er blickte hinauf zu dem imposanten Bibliotheksbau, in dessen Schatten die beiden nunmehr ihrer Gewohnheit gemäß campierten, sodass Manius Minor seinen Gedanken konnte nachhängen, während der Diener seine Notizen rekapitulierte, obschon der Jüngling diesmalig keineswegs sich in Träumereien verlustierte, sondern vielmehr noch immer gebannt von dem soeben Erlernten sich verwunderte, dass niemals er hatte erwogen, dass die literarischen Pretiosen in der flavischen Bibliothek womöglich keine authentischen Werke, sondern durch Nachlässigkeiten von Kopisten und Traditoren verfälschte Abschriften repräsentierten.
"Womöglich sollten wir die Bestände der Bibliotheca Flavia korrigieren, wenn sich nun bereits die Okkasion bietet."
Sogleich präsentierten sich vor dem Auge seiner Imagination zahllose Texte, welchen seit frühester Kindheit er mit gesonderter Passion hatte gelauscht, den Mären vom listenreichen Ulixes ebenso wie die Komödien des Menander.
"Doch wo sollte man beginnen? Dein Vater müsste uns die Texte zur Überprüfung zusenden, wir müssten sie jeweilig separat kontrollieren! Welch eine Herkulesaufgabe!"
"Ob auch an der römischen Literatur Textkritik zu üben wäre?"
"Warum nicht? Wenn Aristophanes, der hunderte Jahre in der Vergangenheit lebte, unsicher ist, warum sollte es sich bei Ennius anders verhalten?"
Im Geiste begann der junge Flavius bereits, die Bibliothek zu durchforsten, dabei gleich mehrere Bibliothekare zu okkupieren, um sämtliche Editionen eines speziellen Werkes herbeizuschaffen, die sodann zu vergleichen waren. Zweifelsohne würde manche Inklarität des Textes, manch verwunderlicher Bruch zu glätten, womöglich gar aus den uralten Rollen des flavischen Bücherschatzes ein gänzlich unbekannter Autor zu destillieren sein, der womöglich gar dem flavischen Geschlechte anhing und seiner Gens neben politischem auch literarischen Ruhm würde vermachen!
Inmitten jener Träumereien wurde ihm jedoch mit einem Male gewahr, dass eine derartige Arbeit seinerseits lediglich durch Aufsicht und das Lauschen auf die Propositionen seiner Diener würde zu bereichern sein, da er mit eigenem Auge doch keinen der Texte zu lesen imstande war, was gerade bei einer intensiven Konfrontation mehrerer nahezu identer Editionen ein unüberwindliches Hindernis mochte darstellen. Die Perspektive indessen, in mühseliger Detailliertheit Texte miteinander zu konfrontieren, erschien dem jungen Flavius nach einigem Reflektieren doch nicht mehr allzu delektabel, zumal bereits einiger Aufwand würde zu betreiben sein, um zu ermessen, welche Opera der flavischen Bibliothek einer solchen Revision bedurften.
Womöglich würde es doch suffizieren, die authentische Kopie eines Klassikers als Präsent in die Heimat zu senden, sodass seine Anverwandten in jener reduzierten Weise von seinen Studien in Rom mochten prophitieren.
"Wir sollten in der Bibliothek recherchieren, welche lateinischen Klassiker sie führt!"
, offerierte Manius Minor somit endlich eine praktikable Perspektive, obschon ihm wohlbewusst war, dass insonderheit sein Vater der hellenischen Literatur nicht minder abhold war denn der römischen. Er war freilich auch nicht das primäre Objekt, welches zu delektieren er gedachte.
"Ich fürchte, ihre Zahl wird größer sein, als wir jemals auch nur sichten werden können."
Aufs Neue blickte Patrokolos zu dem aufragenden Bauwerk, diesmal indessen mit kritischer Miene. Versonnen nickte der junge Flavius.
"Womöglich vermag einer der Bibliothekare uns ein lohnendes, weniger populäres Werk lateinischer Prosa zu rekommendieren."
Jene Reduktion der ehrwürdigen Stätte der Gelehrsamkeit zu einem Laden delektabler Literatur verblieb als dürftiges Fazit der imposanten Einsichten, welche der Philologe dem jungen Flavius und seinem Diener hatte gewährt. Was den beiden Studenten verblieb, war letztlich ein akkurates Duplikat der wohl ältesten Abschrift der Tragödie 'Equos Troianos' des Livius Andronicus, welcher zumindest als der Schöpfer der lateinischen Dichtung doch ein akzeptables Souvenir ihrer sprachwissenschaftlichen Einlassungen repräsentierte. -
Mühte der junge Flavius sich noch, die ersten Lehrsätze nachzuvollziehen, so verlor er sich recht baldig in den Gedanken über die Relation von Lust und Anstand, von Sicherheit, Königtum und Ansehen, während der Magister seine Rezitation unperturbiert kontinuierte und einen Lehrsatz dem nächsten ließ folgen, was selbst Manius Minor letztlich zur Gänze disturbierte, während seine Kommilitonen, die nicht den Luxus eines Dieners, welcher für sie sich mühte, die Worte zu notieren, genossen, wohl gänzlich in Desperation mochten versinken.
Selbst die Pause inmitten des Opus gebot lediglich einen kurzen Moment des Aufatmens und erweckte die Appetenz des Jünglings für den einundzwanzigsten Lehrsatz, welcher indessen keinesfalls evident ihm erschien, sodass er aufs Neue diesem nachhing und unter der beständigen Rede des Philosophen sämtliche Hoffnung, das Opus gänzlich zu erfassen, getrost ließ fahren, da ohnehin Patrokolos' Synopse ihm würde gestatten, die übrigen Lehrsätze in Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt zu reflektieren. Zumindest war er zur nächsten Interruption des Redeflusses zu dem Schlusse gelangt, dass die Einsicht in jenen bedachten Lehrsatz insofern attraktiv sich erbot, als er seiner Sozialisation gemäß in überaus geringem Maße dem Kampfe war ergeben (obschon der Kriegsdienst durchaus ihm reizvoll mochte erscheinen), sodass einige Unrast ihn erfasste, baldig mehr über jene mirakulöse Philosophie zu erfahren, was indessen am heutigen Tage wohl nicht mehr mochte geschehen, da Aristobulos sofortig sich verabschiedete und eine disturbierte Menge an Studenten in Konfusion hinterließ."Hast du dir alles gemerkt?"
, fragte ihn unerwartet ein augenscheinlich hellenischer Jüngling, welcher hinter ihm war platziert gewesen, woraufhin der junge Flavius, irritiert ob jener Ansprache, erstlich ein wenig zögerte, ehe er schließlich auf Patrokolos, der nunmehrig ihm entgegen sich bewegte, verwies und replizierte:
"Mitnichten. Mein Diener Patrokolos hier notiert für mich das Wesentliche."
"Dein Glück. Mir bereitet der Kurs jetzt schon ein wenig Unlust."
, erwiderte der Student und trat dann zu einer weitere Gruppe, in deren Gesellschaft er dem Ausgang der Stoa zustrebte, die rhomäischen Gaststudenten hinterlassend."Hast du sämtliche Sätze notiert?"
, erkundigte somit Manius Minor sich, nachdem Patrokolos an seine Seite war getreten. Der Sklave indessen wiegte negierend das Haupt hin und her und erklärte:
"Das war unmöglich, Domine. Dieser Aristobulos war einfach zu schnell!"
"Aber wie soll ich die Sätze nun memorieren?"
, gab der junge Flavius ein wenig desperat zurück, da weniger der Umfang der Sätze, deren Summe kaum die Ansprüche des Rhetorenunterrichts übertraf, zumal er ob seiner Hypermetropie ohnehin sein Gedächtnis aufs Vorzüglichste zu schulen gelernt hatte, sondern deren korrekte Notierung als Quelle seines Memorierens ihm Sorge bereitete, nachdem Patrokolos niemals als Sekretär war ausgebildet worden und somit das schnelle Diktat lediglich autodidaktisch während seines Leibdiener-Daseins sich hatte angeeignet.
In der Tat schien diese Problematik auch Patrokolos zu okkupieren, denn sinnierend kniff er die Augen zusammen, was Manius Minor bei seinem Vertrauten trotz der Fehlsicht dank der minimalen Differenzen seines Schemen zu identifizieren imstande war, ehe er endlich offerierte:
"Die Lehrsätze des Epikur sind gewiss keine Geheimlehre, über welche nur Aristobulos verfügt! Auch er muss sie irgendwo gelernt haben! Wo also, wenn nicht aus den Beständen der Bibliothek?"
Nachdenklich blickte der junge Flavius den übrigen Akroaten nach, die über die Härte des Kurses klagend ihrerseits sich dem nach und nach verlustierten.
"Dann sollten wir nicht verweilen. Zweifelsohne wird anderen diese Eingebung ebenfalls kommen, sodass das Manuskript womöglich nicht mehr verfügbar ist!"
"Ja, beeilen wir uns!"
, konfirmierte Patrokolos und gemeinsam machten Herr und Diener sich auf, in der Bibliothek die erste Lektion zur Lehre des Epikur nachzubereiten, wie es einem gewissenhaften Studenten wohl anstand. -
Patrokolos, der Leibsklave des jungen Flavius höchstselbst überbrachte die Briefe seines Herrn an der kaiserlichen Poststelle. Die ersten drei, sämtliche besonders sorgsam verschlossen und doppelt versiegelt und mit dem identen Adressaten versehen, dem sie gemäß der Notiz zu eigenen Händen waren zuzustellen, dem Beamten reichend, erklärte er:
"Diese Schreiben sind auf separaten Schiffen nach Rom zu transportieren. Es ist äußerst wichtig, dass mindestens eines von ihnen sicher und so schnell als möglich den Adressaten erreicht! Ich bin gern bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen."M' Flavius Scato, Villa Flavia Felix, Roma - ad manus proprias*
M' Minor Scatoni verito suo s.p.d.
Ich schreibe dir aus einem Motiv, welches dich zweifelsohne irritieren und in Konfusion wird stürzen, doch ist es mir unumgänglich, dich in jene Materie einzuweihen, um größten Schaden von der Familia Flavia Romae im Allgemeinen und der Familia Flavia Graccha im Besonderen abzuwenden. Obschon manches der folgenden Zeilen womöglich erstlich deine Ablehnung wird evozieren oder gar dir als substanzloses Hirngespinst mag erscheinen, bitte ich dich inständig, selbige sorgsam zu bedenken und ihnen um meinetwillen, der ich zutiefst in jene Misere involviert bin und somit über Einsichten verfüge, die einem Fernstehenden verborgen bleiben, Glauben zu schenken.Alles dreht sich um meine Stiefmutter Aurelia Prisca, die seit einiger Zeit zu unserer Familia zählt. Obschon sie, wie zweifelsohne bereits offenbar geworden sein dürfte, von fragwürdigem Charakter und maßlosem Hochmut zerfressen, gelang es ihr, meinen Vater in eine fatale Verbindung zu locken, die nicht nur seiner eigenen Person, sondern seiner gesamten Familie zum äußersten Schaden gereicht:
Du wirst dich erinnern, wie mein Vater noch vor der Eheschließung coram familiae mir befahl, Rom den Rücken zu kehren unter dem Vorwande, mich vor Umstürzen im Zuge des Thronwechsels zu defendieren, obschon mein Aufbruch erst nach Öffnung der Tore und damit einer Beendigung des Ausnahmezustandes wäre zu bewerkstelligen gewesen, sodann unter der dubitablen Annahme, meine Studien würden im fernen Alexandria besser gedeihen denn im Caput Mundi, wo Redekunst und Rechtswissenschaft statt brotloser Künste und Philosophie zu Kronen des Bildungswesens gelangten. Warum er indessen darauf brannte, mich aus der Stadt verbannt zu sehen, war darin begründet, dass wenig zuvor ich ihm, bewegt von Liebe zum Vater, freiheraus meine Missbilligung seiner Eheschließung mit jener gierigen Person aus minorischem Geschlechte, welche zweifelsohne einzig von dem Ehrgeize ist getrieben, das flavische Vermögen durch geschickte Winkelzüge in ihre Obhut zu bringen, ins Antlitz sagte. Da diese berechtigte Kritik eines dem familiären Erbe verpflichteten Sohnes das Ohr der Aurelia erreichte, mühte sie sich, meiner, der sie zur rechten Zeit hatte offenbart, ledig zu werden und nötigte meinen Vater, mich zu enterben und zur Cachierung jener Ungeheuerlichkeit aus Rom zu exilieren.
Nachdem die Hochzeit dergestalt undisturbiert war vollzogen, schritt sie, wie ich unlängst musste erfahren, sogleich ans Werk, die legitimen Erben des Vermögens ihres Gatten Schritt für Schritt zu neutralisieren, wobei der erste Streich durch meine Enterbung bereits war vollzogen, sodass nunmehr meine geliebte Schwester das Los ereilte, unbemerkt beseitigt zu werden. Obschon mir unbekannt ist, wie jener schreckliche Kindermord wurde bewerkstelligt, bin ich der untrüglichen Ansicht, dass es sich derart hat zugetragen, was zu beweisen höchst vonnöten ist.Dies ist es auch, warum ich dich mit derart grässlichen Verdachtsmomenten zu behelligen habe, da es mir aus der Ferne versagt ist, jenes schändliche Verbrechen zu examinieren und Beweise für die Schuld meiner Stiefmutter zu sammeln. Ich bitte dich also inständig, in Diskretion Nachforschungen über das Ableben meiner Schwester anzustellen und mir eifrig zu berichten, respektive bei adäquater Beweislast eine Klage gegen sie zu erheben. Wie ich bis hierher vernehmen durfte, brilliertest du ja zuletzt als Tresvir Capitalis und bist somit mit derartigen Obliegenheiten ohne Zweifel bestens vertraut.
Von weitaus größerer Bedeutung indessen ist, dass mein verbliebener, unschuldiger Bruder Titus so gut als möglich vor den Nachstellungen meiner Schwiegermutter wird bewahrt, weshalb ich dich noch mehr anflehe, für diese Erfordernis Sorge zu tragen, indem du dich beständig über seinen Verbleib erkundigst und zuwege bringst, was immer für die Gewährleistung seiner Sekurität du für adäquat erachtest!
Selbst wenn du meine berechtigten Inkriminierungen für übertrieben erachten solltest, so bitte ich dich dennoch, um meinetwillen zumindest letzterem Ansuchen nachzukommen, da doch eine intensiviertes Interesse an deinem Vetter weder dir, noch ihm zum Nachteile wird gereichen, wie immer die Faktenlage sich mag gestalten.Ich gebe das Schicksal meiner Stirps, meine eigene Zukunft und das Leben meines geliebten Bruders, des letzten Garanten für das Überdauern der Flavia Graccha, in deine Hand, da ich untrüglich um deine Treue zu unserer Gens und zu unseren imperialen Ahnen, dein Pflichtbewusstsein und deine Umsicht weiß, wie du dir im Gegenzug meiner ewigen Dankbarkeit bis ans Ende meiner Tage darfst versichert sein.
Mögen unsere Ahnen und sämtliche Unsterblichen über dich wachen!
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Nachdem die Hochzeit dergestalt undisturbiert war vollzogen, schritt sie, wie ich unlängst musste erfahren, sogleich ans Werk, die legitimen Erben des Vermögens ihres Gatten Schritt für Schritt zu neutralisieren, wobei der erste Streich durch meine Enterbung bereits war vollzogen, sodass nunmehr meine geliebte Schwester das Los ereilte, unbemerkt beseitigt zu werden. Obschon mir unbekannt ist, wie jener schreckliche Kindermord wurde bewerkstelligt, bin ich der untrüglichen Ansicht, dass es sich derart hat zugetragen, was zu beweisen höchst vonnöten ist.Dies ist es auch, warum ich dich mit derart grässlichen Verdachtsmomenten zu behelligen habe, da es mir aus der Ferne versagt ist, jenes schändliche Verbrechen zu examinieren und Beweise für die Schuld meiner Stiefmutter zu sammeln. Ich bitte dich also inständig, in Diskretion Nachforschungen über das Ableben meiner Schwester anzustellen und mir eifrig zu berichten, respektive bei adäquater Beweislast eine Klage gegen sie zu erheben. Wie ich bis hierher vernehmen durfte, brilliertest du ja zuletzt als Tresvir Capitalis und bist somit mit derartigen Obliegenheiten ohne Zweifel bestens vertraut.
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M' Minor Scatoni verito suo s.p.d.
Ich schreibe dir aus einem Motiv, welches dich zweifelsohne irritieren und in Konfusion wird stürzen, doch ist es mir unumgänglich, dich in jene Materie einzuweihen, um größten Schaden von der Familia Flavia Romae im Allgemeinen und der Familia Flavia Graccha im Besonderen abzuwenden. Obschon manches der folgenden Zeilen womöglich erstlich deine Ablehnung wird evozieren oder gar dir als substanzloses Hirngespinst mag erscheinen, bitte ich dich inständig, selbige sorgsam zu bedenken und ihnen um meinetwillen, der ich zutiefst in jene Misere involviert bin und somit über Einsichten verfüge, die einem Fernstehenden verborgen bleiben, Glauben zu schenken.Alles dreht sich um meine Stiefmutter Aurelia Prisca, die seit einiger Zeit zu unserer Familia zählt. Obschon sie, wie zweifelsohne bereits offenbar geworden sein dürfte, von fragwürdigem Charakter und maßlosem Hochmut zerfressen, gelang es ihr, meinen Vater in eine fatale Verbindung zu locken, die nicht nur seiner eigenen Person, sondern seiner gesamten Familie zum äußersten Schaden gereicht:
Du wirst dich erinnern, wie mein Vater noch vor der Eheschließung coram familiae mir befahl, Rom den Rücken zu kehren unter dem Vorwande, mich vor Umstürzen im Zuge des Thronwechsels zu defendieren, obschon mein Aufbruch erst nach Öffnung der Tore und damit einer Beendigung des Ausnahmezustandes wäre zu bewerkstelligen gewesen, sodann unter der dubitablen Annahme, meine Studien würden im fernen Alexandria besser gedeihen denn im Caput Mundi, wo Redekunst und Rechtswissenschaft statt brotloser Künste und Philosophie zu Kronen des Bildungswesens gelangten. Warum er indessen darauf brannte, mich aus der Stadt verbannt zu sehen, war darin begründet, dass wenig zuvor ich ihm, bewegt von Liebe zum Vater, freiheraus meine Missbilligung seiner Eheschließung mit jener gierigen Person aus minorischem Geschlechte, welche zweifelsohne einzig von dem Ehrgeize ist getrieben, das flavische Vermögen durch geschickte Winkelzüge in ihre Obhut zu bringen, ins Antlitz sagte. Da diese berechtigte Kritik eines dem familiären Erbe verpflichteten Sohnes das Ohr der Aurelia erreichte, mühte sie sich, meiner, der sie zur rechten Zeit hatte offenbart, ledig zu werden und nötigte meinen Vater, mich zu enterben und zur Cachierung jener Ungeheuerlichkeit aus Rom zu exilieren.
Nachdem die Hochzeit dergestalt undisturbiert war vollzogen, schritt sie, wie ich unlängst musste erfahren, sogleich ans Werk, die legitimen Erben des Vermögens ihres Gatten Schritt für Schritt zu neutralisieren, wobei der erste Streich durch meine Enterbung bereits war vollzogen, sodass nunmehr meine geliebte Schwester das Los ereilte, unbemerkt beseitigt zu werden. Obschon mir unbekannt ist, wie jener schreckliche Kindermord wurde bewerkstelligt, bin ich der untrüglichen Ansicht, dass es sich derart hat zugetragen, was zu beweisen höchst vonnöten ist.Dies ist es auch, warum ich dich mit derart grässlichen Verdachtsmomenten zu behelligen habe, da es mir aus der Ferne versagt ist, jenes schändliche Verbrechen zu examinieren und Beweise für die Schuld meiner Stiefmutter zu sammeln. Ich bitte dich also inständig, in Diskretion Nachforschungen über das Ableben meiner Schwester anzustellen und mir eifrig zu berichten, respektive bei adäquater Beweislast eine Klage gegen sie zu erheben. Wie ich bis hierher vernehmen durfte, brilliertest du ja zuletzt als Tresvir Capitalis und bist somit mit derartigen Obliegenheiten ohne Zweifel bestens vertraut.
Von weitaus größerer Bedeutung indessen ist, dass mein verbliebener, unschuldiger Bruder Titus so gut als möglich vor den Nachstellungen meiner Schwiegermutter wird bewahrt, weshalb ich dich noch mehr anflehe, für diese Erfordernis Sorge zu tragen, indem du dich beständig über seinen Verbleib erkundigst und zuwege bringst, was immer für die Gewährleistung seiner Sekurität du für adäquat erachtest!
Selbst wenn du meine berechtigten Inkriminierungen für übertrieben erachten solltest, so bitte ich dich dennoch, um meinetwillen zumindest letzterem Ansuchen nachzukommen, da doch eine intensiviertes Interesse an deinem Vetter weder dir, noch ihm zum Nachteile wird gereichen, wie immer die Faktenlage sich mag gestalten.Ich gebe das Schicksal meiner Stirps, meine eigene Zukunft und das Leben meines geliebten Bruders, des letzten Garanten für das Überdauern der Flavia Graccha, in deine Hand, da ich untrüglich um deine Treue zu unserer Gens und zu unseren imperialen Ahnen, dein Pflichtbewusstsein und deine Umsicht weiß, wie du dir im Gegenzug meiner ewigen Dankbarkeit bis ans Ende meiner Tage darfst versichert sein.
Mögen unsere Ahnen und sämtliche Unsterblichen über dich wachen!
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Sim-Off: * Persönlich zuzustellen
Erst danach holte er noch einen gewöhnlich versiegelten Brief hervor, welcher an die gleiche Adresse, nicht jedoch an den gleichen Adressaten war gerichtet und augenscheinlich keiner dergestalten Spezialtraktation bedurfte:
"Dieser hier ist ganz gewöhnlich zuzustellen."M' Flavius Gracchus, Villa Flavia Felix, Roma
M' patrem suo s.d.
Ich bin erschüttert über den imprävisiblen Verlust meiner geliebten Schwester und es schmerzt mich zutiefst, dass mir ob meines Aufenthaltes im fernen Aegyptus die Partizipation an ihrer Bestattung verwehrt ist. Weder die Philosophie des Museion, noch die Ergötzlichkeiten seiner übrigen Disziplinen vermögen mich über diesen Schmerz hinweg zu trösten.Um ihn besser zu verwinden imstande zu sein, bitte ich dich inständig, mir mehr über die Umstände ihres Ablebens und ihre letzten Tage auf Erden zu berichten.
Ebenso bitte ich dich, ihr Andenken zu ehren und umso größere Acht auf Titus, dein verbliebenes Fleisch und Blut und meinen geliebten Bruder zu geben, aufdass ihm nicht ebenfalls etwas Erschröckliches möge zustoßen.
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Vide ut valeasM' Flavius Gracchus Minor
Sim-Off: Bereits 40 Sesterzen überwiesen. Der Aufpreis respektive Trinkgeld folgt nach Übereinkunft.
-
Es dämmerte bereits und die häusliche Cena war ohne seine Partizipation vonstatten gegangen (was Sulpicius ob der deplorablen Novitäten aus der Urbs mit Verständnis hatte gewährt), als endlich eine Reihe von Briefen in sauberer Abschrift dem jungen Flavius zur Signatur vorlagen. Mehrfach war Patrokolos genötigt worden, diese oder jene Sentenz zu streichen, oder gar gänzlich von neuem zu beginnen, doch nun schien sein Herr saturiert, sodass endlich er zum letzten Male die Postillen zu verlesen hatte:
M' Flavius Gracchus, Villa Flavia Felix, Roma
M' patrem suo s.d.
Ich bin erschüttert über den imprävisiblen Verlust meiner geliebten Schwester und es schmerzt mich zutiefst, dass mir ob meines Aufenthaltes im fernen Aegyptus die Partizipation an ihrer Bestattung verwehrt ist. Weder die Philosophie des Museion, noch die Ergötzlichkeiten seiner übrigen Disziplinen vermögen mich über diesen Schmerz hinweg zu trösten.Um ihn besser zu verwinden imstande zu sein, bitte ich dich inständig, mir mehr über die Umstände ihres Ablebens und ihre letzten Tage auf Erden zu berichten.
Ebenso bitte ich dich, ihr Andenken zu ehren und umso größere Acht auf Titus, dein verbliebenes Fleisch und Blut und meinen geliebten Bruder zu geben, aufdass ihm nicht ebenfalls etwas Erschröckliches möge zustoßen.
Vide ut valeas
"Glaubst du wirklich, ich sollte die Appetenz meines Vaters explizit auf Titus lenken?"
, fragte der junge Flavius nach dem ersten Briefe in einiger Insekurität. Mehrfach hatten sie jene finale Rubrik gestrichen, dann wieder ergänzt, um sie aufs Neue zu extinguieren und so fort, da Manius Minor nicht imstande sich fühlte zu ästimieren, ob Manius Maior als Kollaborateur der Aurelia von deren sinistren Plänen Kenntnis besaß und durch derartige Annotationen gar auf den armen Titus würde gelenkt werden, oder jener, konstringiert im Taumel ihrer Hexereien, schlicht keine Notiz von ihrem Sinnen nahm, womit ein Appell an seine paternale Vigilanzpflicht es seiner Stiefmutter mochte erschwert werden, unbemerkt ihre Pläne zu vollenden.
Indessen hatten er und Patrokolos bereits beide Eventualitäten mehrfach disputiert, weshalb letzterer überaus ennuyiert vermeldete:
"Wie wir bereits feststellten, ist dein Vater entweder eingeweiht, sodass die Ermordung deines Bruders ohnehin Teil ihres Planes ist, oder er weiß nichts und deine Mahnung macht ihn wachsamer. Wobei in ersterem Falle die Pläne der beiden womöglich sogar einen Dämpfer erhalten, da sie daraus erkennen könnten, dass du ihnen auf die Schliche gekommen bist."
Nochmalig runzelte der Jüngling die Stirn, dann nickte er bedächtig.
"Nun gut. Dann die folgende Depesche!"
Patrokolos begann zu lesen:M' Flavius Scato, Villa Flavia Felix, Roma - ad manus proprias*
M' Minor Scatoni verito suo s.p.d.
Ich schreibe dir aus einem Motiv, welches dich zweifelsohne irritieren und in Konfusion wird stürzen, doch ist es mir unumgänglich, dich in jene Materie einzuweihen, um größten Schaden von der Familia Flavia Romae im Allgemeinen und der Familia Flavia Graccha im Besonderen abzuwenden. Obschon manches der folgenden Zeilen womöglich erstlich deine Ablehnung wird evozieren oder gar dir als substanzloses Hirngespinst mag erscheinen, bitte ich dich inständig, selbige sorgsam zu bedenken und ihnen um meinetwillen, der ich zutiefst in jene Misere involviert bin und somit über Einsichten verfüge, die einem Fernstehenden verborgen bleiben, Glauben zu schenken.Alles dreht sich um meine Stiefmutter Aurelia Prisca, die seit einiger Zeit zu unserer Familia zählt. Obschon sie, wie zweifelsohne bereits offenbar geworden sein dürfte, von fragwürdigem Charakter und maßlosem Hochmut zerfressen, gelang es ihr, meinen Vater in eine fatale Verbindung zu locken, die nicht nur seiner eigenen Person, sondern seiner gesamten Familie zum äußersten Schaden gereicht:
Du wirst dich erinnern, wie mein Vater noch vor der Eheschließung coram familiae mir befahl, Rom den Rücken zu kehren unter dem Vorwande, mich vor Umstürzen im Zuge des Thronwechsels zu defendieren, obschon mein Aufbruch erst nach Öffnung der Tore und damit einer Beendigung des Ausnahmezustandes wäre zu bewerkstelligen gewesen, sodann unter der dubitablen Annahme, meine Studien würden im fernen Alexandria besser gedeihen denn im Caput Mundi, wo Redekunst und Rechtswissenschaft statt brotloser Künste und Philosophie zu Kronen des Bildungswesens gelangten. Warum er indessen darauf brannte, mich aus der Stadt verbannt zu sehen, war darin begründet, dass wenig zuvor ich ihm, bewegt von Liebe zum Vater, freiheraus meine Missbilligung seiner Eheschließung mit jener gierigen Person aus minorischem Geschlechte, welche zweifelsohne einzig von dem Ehrgeize ist getrieben, das flavische Vermögen durch geschickte Winkelzüge in ihre Obhut zu bringen, ins Antlitz sagte. Da diese berechtigte Kritik eines dem familiären Erbe verpflichteten Sohnes das Ohr der Aurelia erreichte, mühte sie sich, meiner, der sie zur rechten Zeit hatte offenbart, ledig zu werden und nötigte meinen Vater, mich zu enterben und zur Cachierung jener Ungeheuerlichkeit aus Rom zu exilieren.
Nachdem die Hochzeit dergestalt undisturbiert war vollzogen, schritt sie, wie ich unlängst musste erfahren, sogleich ans Werk, die legitimen Erben des Vermögens ihres Gatten Schritt für Schritt zu neutralisieren, wobei der erste Streich durch meine Enterbung bereits war vollzogen, sodass nunmehr meine geliebte Schwester das Los ereilte, unbemerkt beseitigt zu werden. Obschon mir unbekannt ist, wie jener schreckliche Kindermord wurde bewerkstelligt, bin ich der untrüglichen Ansicht, dass es sich derart hat zugetragen, was zu beweisen höchst vonnöten ist.Dies ist es auch, warum ich dich mit derart grässlichen Verdachtsmomenten zu behelligen habe, da es mir aus der Ferne versagt ist, jenes schändliche Verbrechen zu examinieren und Beweise für die Schuld meiner Stiefmutter zu sammeln. Ich bitte dich also inständig, in Diskretion Nachforschungen über das Ableben meiner Schwester anzustellen und mir eifrig zu berichten, respektive bei adäquater Beweislast eine Klage gegen sie zu erheben. Wie ich bis hierher vernehmen durfte, brilliertest du ja zuletzt als Tresvir Capitalis und bist somit mit derartigen Obliegenheiten ohne Zweifel bestens vertraut.
Von weitaus größerer Bedeutung indessen ist, dass mein verbliebener, unschuldiger Bruder Titus so gut als möglich vor den Nachstellungen meiner Schwiegermutter wird bewahrt, weshalb ich dich noch mehr anflehe, für diese Erfordernis Sorge zu tragen, indem du dich beständig über seinen Verbleib erkundigst und zuwege bringst, was immer für die Gewährleistung seiner Sekurität du für adäquat erachtest!
Selbst wenn du meine berechtigten Inkriminierungen für übertrieben erachten solltest, so bitte ich dich dennoch, um meinetwillen zumindest letzterem Ansuchen nachzukommen, da doch eine intensiviertes Interesse an deinem Vetter weder dir, noch ihm zum Nachteile wird gereichen, wie immer die Faktenlage sich mag gestalten.Ich gebe das Schicksal meiner Stirps, meine eigene Zukunft und das Leben meines geliebten Bruders, des letzten Garanten für das Überdauern der Flavia Graccha, in deine Hand, da ich untrüglich um deine Treue zu unserer Gens und zu unseren imperialen Ahnen, dein Pflichtbewusstsein und deine Umsicht weiß, wie du dir im Gegenzug meiner ewigen Dankbarkeit bis ans Ende meiner Tage darfst versichert sein.
Mögen unsere Ahnen und sämtliche Unsterblichen über dich wachen!
Sim-Off: * Persönlich zuzustellen
"Bittesehr, in dreifacher Ausführung!"
, verkündete Patrokolos endlich und offerierte Manius Minor drei similäre Papyri zur dreifachen Versendung des Schreibens über mehrere Boten, sämtliche bedeckt mit der gleichmäßigen Schrift des Sklaven und Platz für sämtliche Beglaubigungsmittel, die der junge Flavius aufzubieten imstande war.
Dieser nickte befriedigt, bot dann hingegen doch aufs Neue eine insekure Miene, als er fragte:
"Sollte ich nicht besser ihre Hexereien erwähnen, mit welchen sie unserer Defixio entging?"
Patrokolos hüstelte, um eine spontane Neigung zynischen Auflachens zu cachieren.
"Ich denke nicht, dass das Geständnis eines Mordversuches deiner Schwiegermutter sehr zuträglich wäre, falls Scato deinen Anschuldigungen keinen Glauben schenkt. Oder auch, wenn er dir Glauben schenkt. Zumal es diverse Gründe geben mag, warum ein derartiger Zauber seine Wirkung verfehlt!"
Noch immer erschien es Manius Minor höchst mirakulös, dass seine Verwünschung so augenscheinlich effektlos hatte verpuffen können, da doch sämtliche Konditionen, die die Galli auf dem Palatin hatten geboten, waren erfüllt worden, ja selbst die Platzierung der Fluchtafel im aurelischen Atrium ein Optimum an räumlicher Nähe hatte erreicht, womit unfehlbar sie zum Erfolge hätte führen müssen. Doch die flavische Furchtsamkeit beugte sich der Einsicht des Sklaven, zumal Carmina Mala bereits in den ältesten Rechten der Quiriten mit dem Tode waren bestraft, der Muttermord dazu, welcher hier womöglich vorlag, ihm ein gräuliches Ende würde bereiten, so dieses Geständnis an die Öffentlichkeit gelangte.
"Nun, dann belassen wir es hierbei."
Eine Weile der Stille breitete sich zwischen Diener und Herr, bis ersterer einen finalen, desperaten Versuch wagte, letzteren vor der Schmach eines Offenbarwerdens seiner irrigen Phantasmen zu bewahren:
"Bist du sicher, dass du Scato diese... nennen wir sie weitgehenden Vermutungen mitteilen willst, noch ehe du Näheres über Flammas Todesumstände erfahren hast? Vielleicht erweisen sie sich als völlig gegenstandslos, weil ihr... sagen wir... sie einer untrüglich natürlichen Todesursache erlag?"
Beherzt riss der junge Flavius ihm den Stylus aus der Hand und tauchte ihn mit ein wenig zu großem Verve in das Tintenfass auf seinem Beistelltisch, sodass pechschwarze Spritzer sich auf der bronzenen Oberfläche und seinen Fingern verteilten.
"Dies ist keine Option! Die Zeit drängt ohnehin! Lasst uns beten, dass Titus jener Natter nicht bereits zum Opfer gefallen ist, wenn diese Briefe Rom erreichen!"
Ungeachtet der Kontamination durch seine stürmische Tintenaufnahme ergriff der Jüngling nun die dargebotenen Schreiben und setzte sein Signet an jener Stelle, wo er es in seiner Fehlsicht für adäquat erachtete, ohne wie gewöhnlich sich jene durch Patrokolos explizit anzeigen zu lassen.
"Das Schreiben an meinen Vater kannst du unterzeichnen! Und versiegle alle Briefe mit höchster Sorgfalt!"
Mit größter, dem Antlitz des Sklaven leicht zu entnehmender Dissatisfaktion nahm Patrokolos die Depeschen an sich und vollzog den Befehl des Herrn. Die Konsequenzen würde letztlich dieser zu tragen haben. -
Die Analogie seines eigenen Verhaltens zu dem seines Vaters klarifizierte sich Manius Minor allzu deutlich: Gleich Manius Maior, welcher seinen Sohn in Mantua hatte zurückgelassen, um sein Heil im Verborgenen zu suchen, ohne das Schicksal seines Sprösslings zu beachten, war er selbst nach Alexandreia aufgebrochen und hatte seine Geschwister achtlos der Gefährdung durch ihre Stiefmutter ausgesetzt. Gleich jenem hatte auch er sich letztlich lediglich seinen eigenen, gänzlich privaten Ängsten gebeugt und jeden Widerstand ungeprobt lassen erlahmen, als sein ihm erdachtes Schicksal war verkündet gewesen. Und gleich dem Falle seines Vaters erwies auch seine Divergenz zwischen hochtrabenden Vorsätzen, Bruder und Schwester löwengleich zu defendieren, und jenem jämmerlichen Zurückweichen seinen prätendierten Mut, seine Prinzipien und sein vermeintlich altruistisches Sinnen als Schall und Rauch bar jedweder Substanz.
Er war seines Vaters Sohn, zweifelsohne. Eine Flavius wie er. Ein Gracchus wie er. Und ein Feigling wie er.
Der massige Leib des Jünglings erbebte unter einem neuen Schwall jener dolorösen Einsicht.
"Unsinn, Domine. Du hättest sie sicherlich nicht retten können! Und wem hätte es genutzt, wenn du in offenen Streit mit deinem Vater getreten wärst? Er hätte dich fortgeschickt, ob du gewollt hättest oder nicht! Das sagtest du doch selbst!"
, mühte der Sklave sich aufs Neue, die fortschreitende Autodestruktion des jungen Flavius zu hindern, doch wieder wehrte selbiger jede Option der Defension seiner selbst prompt ab:
"Mein Vater ist ein Feigling wie ich! Es wäre minimal zu versuchen gewesen!"
Obschon Patrokolos sich stets eifrigst mühte, innerhalb der intergenerationalen Zwistigkeiten seines jungen Herrn keine Stellung zu beziehen, wagte er nun doch einen Vorstoß in dessen zuweilen ihm verquer anmutende Logik, unter deren Prätext einst auch jene Defixio gegen Prisca war platziert worden:
"Vergiss nicht deine Stiefmutter! Du sagtest selbst, er sei ihrem Einfluss völlig erlegen! Was wäre hier zu gewinnen gewesen?"
Die familiare Titulatur der aurelischen Natter ihrerseits vermochte kaum, den Jüngling zu beschwichtigen, sondern vielmehr erweckte es zu seiner Trauer noch Zorn über jenen Urgrund der gesamten Misere seines Hauses. Sie war es gewesen, die seinen Vater dessen Sprösslingen durch ihr Eindringen hatte entfremdet, zweifelsohne hatte auch sie das Exil des flavischen Stammhalters entschieden und womöglich, ja womöglich gar sich sodann dem nächsten Rivalen ihrer eigenen Brut zugewandt! Welch grässlicher Verdacht! Und doch mochte dies erklären, warum sein Vater in derart knappen Worten einen derart deplorablen Todesfall hatte kommentiert, warum weder Ursachen, noch Umstände jenes Dahinscheidens waren thematisiert worden! Daraus indessen war zu schließen, dass folgend nun der kleine Titus in höchster Gefahr schwebte!
Mit einem Male fiel jedes Selbstmitleid und sämtliche Trauer von Manius Minor ab. Mochte er in Flammas Fall miserabel versagt haben, so war es just ob der nunmehrigen Einsicht seines Fehls die höchste Pflicht, sämtliche Mittel zu aktivieren, um seinen jüngsten Bruder den Klauen der Aurelia zu entreißen!
"Patrokolos, welch wahre Worte! Aurelia ist der Lemur, welcher unsere Familie heimsucht! Sie hat mich vertrieben, hat Flamma gemeuchelt und wird selbiges nun mit Titus versuchen! Wir müssen ihn retten!"
Hastig setzte der junge Flavius sich auf und stieß die lästigen Decken und Kissen von sich.
"Wir müssen unverzüglich nach Rom zurückkehren! Wir müssen Titus entführen und in Sicherheit bringen!"
Patrokolos fixierte seinen Herrn, als sei dieser nunmehr gänzlich der Agonie verfallen (was dessen Hirngespinste ja in der Tat suggerierten), sodass er einige Augenblicke um Worte hatte zu ringen, ehe er erklärte:
"Domine, welch ein Unsinn! Niemals hätte Aurelia... niemals hätte dein Vater es zugelassen, dass seine einzige Tochter getötet wird! Bedenke doch, welchen Irrsinn du sprichst!"
"Er wurde von ihr behext! Sie muss mit Giftmischern und Magoi paktieren, die ihr einen Liebestrank brauten. Sie bewahrten sie zweifelsohne auch vor unserer Defixio!"
Als litten nicht nur die Augen seines Leibes, sondern auch jene seines Geistes an unscharfem Blick, welcher nunmehr sich klärte, fügten sich all jene losen Fäden seiner misslichen Lage zu einem konformen Gespinst, deren Knoten Mächte und Künste bildeten, denen ein aufgeklärter, philosophisch geschulter Aristokrat für gewöhnlich kaum Glauben oder lediglich Beachtung schenkte, welche aber als Motive durch zahllose Komödien und Epen vagierten und somit in der emotionalen Konfusion Manius Minors als nützliche Bausteine sich erboten.
Patrokolos indessen schüttelte nur den Kopf ob so viel Verirrung, sah sich jedoch nicht imstande, seinem Herren, wie es womöglich die weiseste Option wäre gewesen, einige Ohrfeigen zu verabreichen, um ihm den Kopf zurecht zu rücken. Stattdessen hakte er an jener Stelle ein, wo Vernunft und Trugspiel mochten zusammenfinden und ein gemeinsamer Grund bestand, auf welchem der junge Flavius womöglich war zu bremsen:
"Domine, eine Reise nach Italia nun im Winter ist viel zu gefährlich! Was, wenn du Schiffbruch erlittest? Und wohin wolltest du mit Titus fliehen? Willst du Aurelia Prisca in die Hände spielen, indem du Titus selbst aus dem Weg räumst?"
In der Tat drangen all jene legitimen Fragen zu dem jungen Flavius vor, stießen jedoch in einen Raum argumentativer Leere, sodass ratlos er erwiderte:
"Was sonst sollte ich tun?"
Der Sklave seufzte.
"Zuerst solltest du eine Nacht über die Sache schlafen. Kommt Zeit, kommt Rat."
Mitnichten war dieser Rat allerdings der präsumierten Furcht, Titus schwebe in unmittelbarer Gefahr, in irgend einer Weise adäquat, sodass Manius Minor jene Äußerung unkommentiert verpuffen ließ und stattdessen zu spintisieren begann, wer, wenn nicht er, als ein qualifizierter Wächter mochte geeignet sein, seinen Bruder in der Höhle des Löwen vor der aurelischen Viper zu beschirmen. Einem Sklave gebrach es der Potenz, der nunmehrigen Matrone die Stirn zu bieten. Sein Vater stand ja ohnehin unter ihrem Bann. Folglich verblieb nur einer seiner Anverwandten, welcher ins Vertrauen war zu ziehen, wobei Onkel Furianus war zu exkludieren, weil er prinzipiell die Position des Pater Familias gegen seine Zöglinge würde defendieren, Tante Domitilla als nicht mehr in der Villa Flavia Felix residierend ebenfalls ausfiel, Iullus hingegen ob seiner in die Naivität reichenden Innozenz ebenfalls nicht als Träger einer derartigen Responsabilität war zu gebrauchen, obschon er zweifelsohne am leichtesten zu persuadieren wäre gewesen. Zuletzt verblieb somit Scato, dessen Loyalität zur Familie indubitabel, dessen Stärke und Autonomie hingegen durch die ersten Schritte auf dem Cursus Honorum gleichsam waren erwiesen.
"Wir müssen Scato einen Brief schreiben! Oder besser drei!"
, entschied der junge Flavius somit nach einigem Schweigen. Patrokolos, welcher gehofft hatte, sein Herr sei während jener Stille zur Ruhe gelangt, entgleisten die Züge. Dennoch erhob er sich zaghaft und holte Papyrus, Tinte und Stylus hervor. -
Wenige Zeit später fand sich der junge Flavius doch in seinem vertrauten Schlupfwinkel, dem Cubiculum im Obergeschoss des Hauses, zusammengekauert und verkrochen unter einer Decke wieder, um sich vor dem Schmerz zu verbergen, der doch jede physische Barriere leichtlich durchdrang und in immer neuen Schüben in seinem Geiste eine derartige Konfusion evozierte, dass nach seinem Abklingen lediglich Desperation als einzige Emotion in ihm verblieb: Flamma, seine geliebte Schwester war verschieden! Niemals wieder würde er ihre Anmut von Ferne zu bewundern imstande sein! Niemals seine Unterredungen mit ihr vollenden können! Und niemals würde er sie ins Vertrauen ziehen und mit ihr eine Konspiration gegen ihren schwächlichen Vater schmieden, um trotz seiner Exilierung und ihrer femininen Schwäche zumindest ihrem Bruder Titus ein adäquates Schicksal zu ermöglichen. Insonderheit jener finale Gedanke verharrte schließlich in seinem mäandernden Geiste und vollzog dabei eine Metamorphose zur autodestruktiven Akkusation seiner selbst, da letztlich er selbst es war, der beim Schutze seiner Geschwister sich als Versager hatte erwiesen.
"Es ist meine Schuld, Patrokolos."
, klagte er somit dem inzwischen schweigend vor seinem Bette ausgestreckten Diener, der zum innumerabelsten Male an diesem Tage sich mühte, seinen Herrn zu kalmieren:
"Unsinn, Domine. Sie ist hunderte Meilen entfernt, vermutlich fiel sie einem hässlichen Fieber oder einem unglücklichen Unfall zum Opfer!"
"Und doch ist es meine Schuld! Ich hätte mich dem Exil meines Vaters nicht beugen dürfen! Ich hätte meine Geschwister niemals im Stich lassen dürfen! Ich bin ein ebensolcher Feigling wie mein Vater!"
Jene Einsicht, dem paternalen Dämonen niemals entronnen zu sein, traf Manius Minor neuerlich wie ein Peitschenhieb und neue Tränen füllten seine bereits rötlich verschwollenen Augen. -
Hing er soeben noch seinen Gedanken an die Anverwandten im fernen Roma nach, so gewahrte den jungen Flavius die weitere Evolution des weisen Epikur seiner Freunde, welche in der Tat auch ihm selbst als imponderable Pretiosen seines Lebens galten, die jedoch seit seiner Ankunft hier in Alexandreia keines Kontaktes mehr waren gewürdigt worden. Entsprechend verspürte er erstlich die Neigung, sich zu erheben um Patrokolos zu instruieren, eine Bemerkung zu notieren, dass er aufs Dringlichste einen Brief an seinen geschätzten Vindex, ebenso indessen an den guten Lucretius Carus zu verfassen hatte, um diesen bezüglich seiner Verfasstheit zu informieren und damit an seinem exilischen Leben partizipieren zu lassen.
Indessen geboten ihm Anstand und Respekt vor dem Philosophen, den Lehrbetrieb nicht aufgrund derartiger Privata zu disturbieren, zumal, wie der Jüngling rasch zu seinem Troste erkannte, Patrokolos jenes Faktum der Bedeutung der Freundschaft zweifelsohne würde notiert haben, sodass ihr Repetitorium ihm neuerlich die Gelegenheit würde bieten, sich seiner Freunde zu Hause zu erinnern. Nunmehr indessen erweckten erstlich das Ende Epikurs, folgend indessen dessen primäre Lehrsätze seine Appetenz, denn obschon keine korporalen Leiden ihn derzeitig torquierten, so plagten ihn doch seelische Schmerzen umso mehr, welche, wie er bei Benennung des vierten Lehrsatzes bedachte, durchaus als chronisch war zu titulieren, sodass die vermeintliche Einsicht des Weisen einerseits Irritation ob ihrer aktuellen Uneinsichtigkeit evozierte, andererseits eine delektable Verheißung implizierte, durch philosophische Methode jenes Schmerzes sich zu entziehen.
-
Die Abscheu gegen die neuerlich ihn torquierenden Träume drückten die Verfasstheit des jungen Flavius an jenem Morgen zutiefst, weshalb er bereits zum Ientaculum durch den übermäßigen Konsum von Honigkuchen, welche er mit bleizuckergesüßtem Wein hinabspülte, darüber hinwegzutrösten sich mühte, ehe er endlich voller Trübsinn den Weg ins Museion antrat, nachdem Patrokolos ihn hatte persuadiert, sein Leiden durch die Zerstreuung während seiner Studien zu diminuieren.
In der Tat waren die nokturnalen Qualen ihm entfallen, als er am frühen Nachmittag in die Domus Sulpicia retournierte und fröhlich mit seinem Diener eine amüsante Begebenheit während der Lektion des Platonikers Strabon beschwatzend durch die Pforte schritt, welche Diogenes ihm hatte geöffnet, wobei er in gewohnter Beflissenheit berichtete:
"Kyrie, du hast einen Brief aus Rom erhalten. Von deinem Vater!"
Diese Nennung seines Genitoren bereits war indessen geeignet, die unbefangene Heiterkeit des jungen Flavius zu trüben, da sogleich Remineszenzen an seinen Traum erstanden, da selbiger ob der seit seiner Ankunft in Alexandreia bestehenden Verschonung vor jenen Heimsuchungen mit dem düsteren Rom aufs Engste war assoziiert. Dennoch ahnte er selbstredend nicht, welch grässliche Novität selbige Notiz ihm würde eröffnen, weshalb sein Gemüt zwar gedämpft, sein Vorwitz hingegen ungetrübt verweilte und er nach wenigem Zögern befahl:
"Hole ihn sogleich hervor!"
Ohne eine nähere Inspektion des Siegels erbrach der Jüngling sodann die Rolle, welche der griechische Sklave von einem Tischlein hinter der Pforte hervorholte, inspizierte kurz deren überaus knappen Inhalt und reichte sie sodann an Patrokolos zur Lektüre, welche ihm ja deplorablerweise war verwehrt, weiter.
"Es scheint nur eine knappe Notiz. Worum handelt es sich?"
, annotierte er diesem, da die augenscheinliche Kürze des Schreibens seine Indiskretion nur intensivierte, wo es doch nicht um einen gewöhnlichen Rapport über die Vorgänge innnerhalb der Familia Flavia Romae, sondern zweifelsohne um eine schlichte Information sich handelte, die keinerlei Kontextualisierung bedurfte, was vermuten ließ, dass es ein politisches oder gesellschaftliches Ereignis betraf, dessen Bedeutung schlicht evident war. Einen Augenblick erwog er die Potentialität, dass seine Tante Domitilla ihrem neuen Gatten womöglich einen Erben geschenkt habe, wurde sodann gewahr, dass es sich ebenso um einen Halbbruder seiner selbst mochte handeln. Jener Schrecken indessen verflog jedoch sogleich, da sein Manius Maior ihn zweifelsohne bereits über die Gravidität der Aurelia hätte informiert, weshalb er ohne konkrete Ahnungen der Rezitation lauschte, während er zugleich sich seines Himation entledigte:
" Mein Sohn, nur allzu gerne würde ich dir noch einmal erfreuliche Neuigkeiten-"
, begann Patrokolos ganz unbefangen, stoppte dann jedoch und riss die Augen auf, was selbstredend Manius Minor verborgen blieb, sodass der Jüngling nicht recht imstande war, jenes Stocken zu interpretieren und irritiert forderte:
"Lies weiter!"
Vernehmlich sog der Sklave die kühle Luft der Empfangshalle ein und aus, ehe er mit nunmehr belegter, ja flehentlicher Stimme replizierte:
"Du solltest dich setzen, Domine."
Die Weise jener Aussprache genügte, um schlimmste Befürchtungen in dem jungen Flavius zu erwecken, denn obschon Patrokolos stets war bemüht, seinen Herrn vor allen Widrigkeiten des Lebens, begonnen bei einem losen Stein auf dem Pflaster bis hin zu Kalamitäten beim Philosophen-Studium, zu bewahren, so ließ doch ein derartiges Verhalten Gravierendes erwarten. Dessenungeachtet verspürte er eine irrestistible Unrast, den Inhalt jenes suspekten Schreibens zu erfahren, sodass er keinesfalls imstande sich sah, das Lauschen jener Nachricht auf einen ruhigen Moment in trauter Zweisamkeit des Cubiculum, wo er, gleichsam in die Watte der Vertrautheit gepackt, am schonendsten mit ihrer Verarbeitung mochte beginnen, zu prokrastinieren und seine Ordre repetierte:
"Lies weiter!"
Mit zitternder Stimme, die höchste Pein kommunizierte, setzte sein Diener daraufhin dem Schicksale sich ergebend erneut an und begann zu lesen:
"nur allzu gerne würde ich dir noch einmal erfreuliche Neuigkeiten berichten aus deiner Heimat, doch muss ich dir deplorablerweise mitteilen, dass deine Schwester-"
Neuerlich stockten Patrokolos' Worte und er schluckte, was dem jungen Flavius Raum gab, den Fortgang der Nachricht zu antizipieren, während die Lippen seines Dieners jene schreckliche Realität infallibel Wort für Wort konfirmierten:
"-in das Elysium übergetreten ist. Hier wie dort in der Ferne deines Aufenthaltes bleibt nicht mehr als ihrer Iuno ein Opfer zu bringen, auf dass sie Frieden finden mag."
Manius Minor erstarrte. Kälte legte sich um sein kleines Herz inmitten des adipösen Leibes. Flamma war tot! Sein Geist mochte reflexhaft sich mühen, jene grässliche Novität als Irrtum oder sinistre Desinformation infrage zu stellen, doch war dem Jüngling intuitiv wohlbewusst, dass sein Vater ihm derartiges trotz aller Zwietracht, in welcher sie voneinander waren geschieden, nimmermehr hätte zugemutet, wäre es nicht die deplorable, beweinenswerte Wahrheit. Flamma war tot.
"Mögen die Götter über dich wachen und dich beschirmen! Manius Flavius Gracchus."
Als sein eigener Name war gefallen, blickte der junge Flavius, der ganzen Gravität und Erschröcklichkeit jener Hiobsbotschaft so lange als möglich ausweichend und sich daher auf reale, dem Leben verhaftete Fragen klammernd, fragend zu seinem Diener:
"Nichts weiter?"
Patrokolos hatte den Brief bereits sinken gelassen und trat auf ihn zu, schien einen Augenblick zu erwägen, ob er seinen Herrn zum Troste herzen sollte, doch da dieser die Initiative nicht ergriff, verharrte er endlich unschlüssig und replizierte:
"Nichts weiter. Das ist der gesamte Brief."
Vor dem mentalen Auge Manius Minors materialisierte sich mit einem Male jene Kälte, die in den Fluchtträumen ihn stets erfüllte, glaubte er den toten Blick des Bärtigen, die grässlichen Fratzen des dahingerafften Paares im Rücken, doch ergriff er jenen rettenden Strohhalm der Distraktion, jenen unerhörten, doch inkomparabel mit dem Horror des Todes seiner Schwester zu ponderierenden Umstand, dass sein Vater ihm eine derartige Nachricht über ihr Ableben ließ zukommen, sodass er in einiger Empörung rief:
"Nichts weiter? Kein warum? Kein wo? Kein wie?"
Gerechter Zorn, ja Hass blitzte auf in den Augen Manius Minors und empört reckte er die Faust zum Himmel, doch dann obsiegte der Schmerz des Eigentlichen, jene schlichte Einsicht des Verscheidens seiner Schwester, independent von den konkreten Umständen, ob sie einer Krankheit oder einem Unfall oder einen Fluch der Götter mochte zum Opfer gefallen sein, indifferent, ob sie in Rom, in Baiae oder den Albaner Bergen das Zeitliche mochte gesegnet haben. Flamma war tot.
Jener Schmerz fuhr ihm in die Glieder, krümmte ihn, raubte ihm den Atem und entlud sich endlich in einem leisen, einem geprügelten Köter gleichen Winseln, während zugleich sein Blick sich noch weiter denn gewöhnlich durch bittere Tränen trübte.
Nun endlich fasste Patrokolos sich ein Herz, trat heran und umschlang seinen Herrn mit den Armen, als vermochte er ihn mit jenem hilflosen Gestus vor der grausigen Welt zu beschirmen. -
~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~
Er stapfte durch dichten Nebel, dem Espenlaube gleich zitternd und fröstelnd, da doch seine Degout evozierende Tunica mitnichten war geeignet, ihn vor der abscheulichen Kälte zu bewahren, obschon ihr widriger Odeur durch den süßlichen Duft des Todes wurde übertüncht, welcher der der Fracht jenes Karren entströmte, den er unter Ächzen bewegte, während zuvorderst des Gefährtes sein Vater dem Libitinarius die Lampe hielt. Das morbide Bukett indessen evozierte in ihm eine kaum mehr zu bändigende Blümeranz, die die Misslichkeit der Lage weiters zu intensivieren geeignet war. Blickte er von der endlos behäbig dahinfließenden Straße auf, zeichnete sich vor dem trüben Himmel eine Kumulation von Leichnamen ab, von welchen ein lebloses Haupt mit ungepflegtem Barte sich ihm auf ängstigende Weise approximierte, sobald ein Unebenheit des Obens den Karren erzittern ließ.
Schritt um Schritt nötigte er sich vorwärts, setzte all seine durch Hunger und Durst exhaustierten Kräfte ein, um den Wagen zu bewegen und zugleich nicht selbst über einen losen Stein des Pflasters zu seinen Füßen zu stürzen.Die Ermattung seines Nackens nötigte ihn endlich doch, aufzublicken, woraufhin ihn die toten Augen des Bärtigen seinen Blick erwiderten. Mühte er sich, die schauerliche Inspektion zu ignorieren, gesellte sich zu der tempestatischen, äußeren Kälte eine innere Kälte des Grauens.
"Bleib stehen, wir sind da!"
, befahlen endlich die gesprungenen Lippen und gleich dem Spruch eines Magiers war er genötigt, inne zu halten, um furchtsam um sich zu blicken, wo aus dem Nebel Grabmonumente der großen Familien Roms sich materialisierten, direkt zu seiner Rechten jenes wohlvertraute Mausoleum der Flavii. Inprävisabel kehrte seine Erinnerung angesichts jener Szenerie zurück: Sogleich würde er des verstorbenen, zum Leben erwachten Paares ansichtig werden, sodann würden die Verblichenen aus den Gräbern um ihn sich regen, zuletzt würde seine Mutter auftreten, um ihn mit sich in den Orcus zu reißen, wo all jene Gestalten in Ewigkeit ihn würden torquieren.
Die Perspektive jener grässlichen Vorgänge allein war geeignet, seine Furcht in Panik zu elevieren, sodass er sogleich in einem Schrei seiner Agonie Ausdruck zu verleihen genötigt fühlte:
"Neeeiiii..."~ ~ ~
"...iiin!"
, rief Manius Minor aus und schreckte hoch. Doch keineswegs kalmierte die Erkenntnis, einem Traume entflohen zu sein, seine Panik, denn mitnichten fand er sich in der ihm wohlvertrauten Liegestatt seines Cubiculums der Villa Flavia Felix wieder, sondern in einem infamiliären Bett, in einem inidentifikablen Raume! Übermannt von seinen Emotionen stieß er somit die Decke vom Leib und strampelte in Abscheu um sich.
"Domine! Domine! Beruhige dich!"
, drang endlich ein vertrauter Reiz an sein Ohr, der ob seiner Zuneigung zu dessen Emittenten, seinem geliebten Patrokolos, ihn inne halten und um Klarifizierung flehen ließ:
"Patrokolos, wo sind wir?!"
"Wir sind in Alexandria, im Hause des Sulpicius! Beruhige dich, Domine!"
, replizierte die kalmierende Stimme und aktivierte damit den Sensus Realitatis des jungen Flavius, dem gleich der fatalen Einsicht inmitten seines Traumes schlagartig seine exilbedingte Situiertheit wurde bewusst:
"Die Träume sind zurück!"