Gesichtszüge vermochte der junge Flavius ob der Entfernung, in welcher die Tür sich von seinem Stand, oder vielmehr Sitzpunkt befand, selbstredend nicht zu identifizieren, doch war es auch nicht vonnöten, die Physiognomie des Besuchers mit der des älteren Aurelius abzugleichen, da sich jener selbst als Abkomme von diesem offenbarte. Auch die possierlich-infantile Imitation blasiert-adulter Gestik blieb ihm verborgen, womit zu es jedwedes Anlasses zum Befremden entbehrte und dem ohnehin wenig forschen Manius Minor nur eine wahrheitsgemäße Replik auf die gestellte Antwort verblieb.
"Ich bin Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des gewesenen Praetors Manius Flavius Gracchus."
sprach er der Routine, jedweder Frage unmittelbar Aufmerksamkeit zu schenken, entsprechend. Dennoch fühlte er sich von dem Fremden in seinem Refugium attackiert, weshalb er seinerseits mit nicht unkritischem Untertone erwiderte
"Und was tust du hier, Aurelius...Durus?"
Letztere Partie des Namens wurde geradezu fragend gedehnt ob des Faktums, dass jener Cognomen nicht eben häufig anzutreffen war. Die einzige Person, welcher der Knabe sich erinnerte, die diesen getragen hatte, war eben jener tiberische Consular, welcher ihn seinerzeit, als sein Augenlicht noch nicht getrübt gewesen war, bisweilen das Haupt getätschelt hatte. Was aus ihm geworden sein mochte, wo er zweifelsohne ebenfalls ein aufrechter Verfechter der Res Publica war, von welchem sein Vater stets voller Respekt gesprochen hatte und welcher ob dessen wohl niemals wie ein Fahnenflüchtiger seiner gesamten Familia den Rücken gekehrt hätte, um sich selbst zu retten und doch sein Fortleben in Kindern und Kindeskindern in höchste Gefahr zu bringen.
Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor
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Als Nutzung der erquicklichen Horti Flaviani, welcher an das Anwesen der Flavii zu Rom umgab, waren, wie der flavische Knabe selbstredend wusste, das Lustwandeln, die Lektüre leichter Literatur oder intime Zwiegespräche providiert, was indessen von ihm ergänzt wurde von bisweiligen Spielen, darunter durchaus auch solchen, welche eine gewissermaßen sportliche Aktivität integrierten. Für körperliche Ertüchtigung im eigentlichen Sinne aber gab es das Gymnasion oder die Palaestra, welche im Gegensatz zu ersterem Locus einer Funktion als Hort der Ruhe und Muse völlig entbehrte und der Nutzer dort folglich auch nicht parentale Zurechtweisungen ob der Lautstärke des eigenen Treibens riskierte.
"Im Garten muss man stets Ruhe bewahren. Sport stört dort nur!"
erklärte er deshalb, als sie endlich seiner Ordre nachkam und die Tür öffnete. Davor stand erstaunlicherweise ein Knabe, augenscheinlich eher im Alter seines Bruders Titus denn seinem eigenen, welcher mit neugierigen Augen in das Cubiculum blickte.
"Wer bist du?"
fragte der junge Flavius mehr vorwitzig denn inkommodiert, obschon er bereits ahnte, dass es sich um eben benannten Durus handeln musste, welcher der Sohn seines Mentors und nunmehrigen Curators war. -
Nun war es an dem jungen Flavius, ihm gänzlich fernliegende Okkupationen zu evaluieren, denn niemals in seinem Leben hatte er auch nur einen Geschirrberg außerhalb des Triclinium erblickt, einen Stößel geführt, Brot bereitet oder selbst einen Korb getragen, da eben all dies im flavischen Haushalt den Unfreien überlassen war. Selbstredend erschien diese Perspektive ihm überaus evident, sodass er freiheraus zugab:
"Ich weiß nicht, das habe ich noch nie gemacht. Eher wie Sport in der Palaestra."
Aus jenem Kontext zumindest, welchen er selbst bereits über sich ergehen hatte lassen müssen, war ihm ein annäherndes Vernehmen bekannt und offerierte sich als zweifelsohne jedem bekannt.Dann kam sie aber neuerlich auf jenen mysteriösen Knaben zu sprechen, welcher sich hier aufhalten mochte. Dass dessen Vater, der Legatus, indessen beschäftigter war als sein eigener, erweckte Remineszenz en an das Schwadronieren eines Tullius Cicero und weiterer über ihren Einsatz zugunsten der Res Publica, welche im Zentrum aristokratischen Lebens und Strebens lag. Unter dieser Perspektive war es eine schlichte Impossibilität, coram publico zuzugeben, dass der eigene Vater weniger beschäftigt und damit mit geringerem Einsatz der Allgemeinheit diente.
"Mein Vater ist Senator Roms und gewesener Praetor. Auch er hat sehr viel zu tun, nur jetzt ist er eben mit mir auf der Flucht und-"
Diesmal entdeckte der Knabe seine Lässlichkeit, sodass er inmitten des Satzes stockte und mit einem Wink zu Verstehen gab, dass Marei ihm die Tür öffnete, wobei er hin- und herschwankte zwischen der Verdrossenheit ob seiner Unachtsamkeit und der Neugier, wer wohl nun der weitere Besucher sein mochte, welcher klopfte, ihm aber zumindest die Option offerierte, das Gespräch zu unterbrechen. -
Wie auch zuvor offerierte das Mädchen eine Melange bereits vertrauter Beschäftigungsoption, wie sie bereits zahllose andere Unfreie vergeblich dargeboten hatten, sowie eine Probe infantiler Naivität, welche den Knaben mehr konsternierte denn zu einem adäquaten Dialog anregte. Insbesondere der Umstand, dass dem Mädchen die Symptome einer Überlastungsmyopathie augenscheinlich unbekannt waren, wo doch Sklaven nicht selten ennuyanten, lang andauernden körperlichen Tätigkeiten ausgesetzt wurden, welche jene zweifelsohne evozierte, verwunderte ihn in hohem Maße.
"Reiten ist anstrengend und wir ritten binnen kürzester Zeit von Rom bis hierher. Die Glieder ermüden und schmerzen davon rasch."
Dies traf selbstredend in besonderem Maße auf mäßig exerzierte Reiter wie den jungen Flavius zu.
"Aber der Schmerz hat sich bereits gelegt, da unsere Reise zurück liegt und mein Vater mich vor seiner feigen Flucht durchaus ins Balneum mit sich genommen hatte."
Gänzlich war es Manius Minor nun entgangen, auf seine Worte zu achten, sodass er unbewusst seine Verbitterung über die inakzeptable parentale Performanz verbalisiert hatte.
"Und endlich ist es mir, wie ich schon sagte, untersagt, das Gebäude zu verlassen und meines Wissens nach liegt die Lagertherme außerhalb des Praetorium, nicht wahr?"
Letzteres sprach er mit einem anklagenden Unterton, da ihm die Norm völlig evident erschien, dass Unfreie ihren Herren stets mit höchster Aufmerksam zu folgen hatten und Inattention folglich gänzlich inakzeptabel war. -
Konsterniert fixierte der Knabe seine Besucherin, welche unvermindert munter ihren Gedanken verbalen Lauf ließ mit einer Sorglosigkeit, welche erim Verlaufe der letzten Monate eingebüßt hatte. Ein derartiges Maß an Inkomprehension indessen derangierte ihn nur noch weiter, weshalb er erwiderte schroff
"Mir ist es untersagt, das Praetorium verlassen. Und in der Tat ist mir der Sinn für das Reiten verlustig gegangen nach endlosen Stunden im Sattel, jeden Tag aufs Neue, unberührt der Schmerzen vom Vortage!"
Diese Information mochte er wohl guten Gewissens dem Mädchen anvertrauen, während der Verbleib seiner Familie oder Ähnliches zweifellos in den Bereich des väterlichen Interdiktes fielen, an welches er sich trotz seiner maßlosen Desillusion gebunden fühlte, allein um unter Beweis zu stellen, dass er die Pflichten seines Hauses, zu denen zuvorderst der Gehorsam gegen die Maiores zählte, auf bessere Weise verwirklichte als Manius Maior. -
Mitnichten entsprach es seiner Autoperzeption, sich als "kleiner Junge" zu titulieren, viel weniger, eine derartige Anrede vonseiten einer Unfreien zu akzeptieren, immerhin zählte er bereits zwölf Lenze und würde binnen weniger Jahre die Toga Virilis verliehen bekommen und seine Geschicke der Res Publica zur Verfügung stellen. Dessenungeachtet schätzte er noch immer den Gebrauch von Spielzeugen, insbesondere seines geliebten Caius, jener hölzernen, in Laufe der Jahre durch intensiven Usus überaus abgenutzten Miniatur eines Nilkrokodils, welches sein claudischer Onkel ihm vor Jahren zukommen hatte lassen.
Und so schwankten seine Affinitäten, zum einen hin zu schroffer Refutation eines derartig ungebührlichen Habitus, welchen jene Marei offenbarte, zum andern aber zu einem gewissen Vorwitz, welcher drängte, die offerierten Spielgeräte zu akquirieren, um die trüben Tage in Einsamkeit mit Leben zu füllen. Nach den Tagen der Isolation und der Verdrossenheit bahnte sich hingegen endlich ein dritter Weg die Bahn und der Wunsch, seinen deplorablen Status einer Person mitzuteilen, traf ausgerechnet jenes vorwitzige Sklavenmädchen:
"Wie sollte es mir gehen, wo ich gänzlich verlassen bin? Mein Onkel liegt im Sterben, meine Mutter und Geschwister weilen an einem unbekannten Ort, mein Vater hat mich zurückgelassen! Seit Tagen und Monaten verlebe ich eine degoutierliche Zeit, ob zu Pferde oder inkludiert in dieses Haus, gefangen wie ein Tier und vertrieben aus der Stadt meiner Familia!"
Er zog seine Füße an den inzwischen wieder rundlich gewordenen Leib und umschlang sie mit den Armen, während sein Blick klagend zu seinem Besucher sich wendete, als wäre dieser seinerseits responsabel für all jene Umstände, welche dem Knaben das Gemüt beschwerten. -
Zitat
Original von Marei
"Vale bene, dominus." sprach der Obersklave und schloß die Tür hinter sich. Gleich würde sie sich selber zur Tür schleichen und einen Blick hinein werfen.. gleich.. es handelte sich nur noch um wenige Sekunden.. gleich... Ja! Jetzt war der Obersklave ganz um die Ecke gebogen. Marei jubelte innerlich auf, nicht entdeckt worden zu sein und eilte zur Tür. Ohne anzuklopfen trat sie ein und lehnte sich sofort nach dem Türeschliessen ans Türblatt. "Heh Kleiner.. ich weiß, dass du da bist." flüsterte sie mit freundlicher Stimme. "Ich bin die Marei."
Seine These einer parentalen Flucht aus Mantua und jedweder Verantwortung hatte die übrigen Bewohner des Castellums, welche mit dem Knabe in Kontakt traten, nicht überzeugt, doch in ebenso geringer Weise hatten deren Beschwichtigungen, Manius Maior befinde sich auf einer höchst wichtigen und geheimen Mission, bei jenem nicht gefruchtet. In der Folge mied er auch den Kontakt zu Aurelius Ursus und dessen Familia, zog sich in sein Cubiculum zurück und besuchte bestenfalls bisweilen seinen Onkel Flaccus. In großem Maße fristete er sein Dasein im Schlafe, im Genuss von Viktualien und dem Hören von Geschichten, welche Sklaven zu rezitieren hatten.Ob dessen suchten mit Regelmäßigkeit besorgte Sklaven ihn auf, erkundigten sich nach seinem Wohlbefinden und bemühten sich, den jungen Gast zu anderen Aktivitäten zu motivieren, was selten gelang. Kurz nachdem der junge Flavius aber den Versuch, ihm ein erquickliches Ballspiel zu offerieren, welches er schon ob seiner Fehlsichtigkeit nicht zu praktizieren vermochte, refutiert hatte, öffnete die Tür sich ein weiteres Mal. Schon war der Knabe versucht, eine unwillige Bemerkung auszustoßen, als er eine infantile Stimme vernahm.
Obschon der Legatus über seinen Sohn verfügte, welcher im Alter eher seinem Bruder Titus glich, hatte Manius Minor diesen niemals zu Gesicht bekommen. Indessen wusste er um die Existenz unfreier Kinder in der Familia Aurelia, worauf die unwirsche Adresse indessen nicht hinwies.
"Was willst du?"
fragte er endlich und reckte sich ein wenig, ohne die sitzende Position auf dem Bette zu verlassen. In der Tat identifizierte er dank der gewissen Entfernung eine Person mit einem schwarzen Schopf, die dem Genus ihres Namens zufolge weiblichen Geschlechts sein musste. -
Zitat
Original von Manius Flavius Gracchus
Mein Sohn,so du diese Zeilen liest, werde ich bereits weit fort sein, und es liegt in den Händen der Götter, ob wir uns je wiedersehen. Es haben sich Gegebenheiten in Rom gewandelt, welche womöglich uns und dem gesamten Imperium noch zum Vorteile können gereichen, ob dessen es meine Pflicht ist zu versuchen, dies herbei zu führen. Der Weg zurück nach Rom mag voller Gefahren sein - insbesondere in Anbetracht meines derzeitigen Status -, und auch dort ist die Aussicht auf Erfolg allfällig nur sehr gering, doch so marginal meine Chance auch sein mag, so unbedeutend ist meine eigene Person in Anbetracht des Wohles des Imperium Romanum und unserer Familie, ob dessen ich dies Wagnis muss eingehen.
Solange ich fort bin, Quintus Flaccus nicht bei Gesundheit und weitere Anverwandte nicht in erreichbarer Nähe, wirst du dich den Weisungen des Titus Aurelius Ursus fügen. Er ist ein viabler Mann, welcher zweifelsohne für dein Wohn nach besten Möglichkeiten wird Sorge tragen.
Was auch geschieht, Minimus, erinnere dich stets daran, dass du ein Flavius bist, und dass ich stolz auf dich bin.
Mögen die Götter stets ihre wohlwollenden Hände über dich halten!
Dein Vateredit: Link
~~~ Gefangen in Morpheus' Reich ~~~
Er kauerte im Unterholz, gepeinigt von den Dornen immergrüner Gewächse, welche hier im Schatten der Bäume gediehen, und spähte an der Seite seines Bruders hinaus auf die Lichtung, auf welcher seine Mutter, eine Wölfin, die Fährte eines Tieres witterte, welches ihr zur Speise dienen und damit zugleich ihre Milchquellen zugunsten ihrer Adoptivsöhne erwecken sollte. Wie nicht selten, so erhob sie aber lediglich ihr Haupt und trottete sogleich einem Busch mit Beeren entgegen, welcher sich ihr als vegetarische Alternative darbot und ihrer Abneigung riskanter Waghalsigkeiten, welche eine Jagd stets mit sich brachte, entgegenkam.Dann aber vernahm der Knabe Schritte samtiger Pfoten und eine Katze schlich auf die Lichtung. Ihr voluminöser Leib schien beinahe die Erde zu touchieren und ihr Haupt war kahl, was in allem einen überaus abstoßenden Anblick bot. Doch anstatt dieses miserable Wesen durch wölfische Drohgebärden in die Flucht zu schlagen, stimmte die Wölfin ein Winseln an. Sie griff ihre Adoptivjungen am Nacken und zog sie vondannen, doch die Katze folgte ihr auf dem Fuße. Mit stupender Behendigkeit sprang sie über die kleine Familie hinweg und stellte sich in die Bahn.
Die Wölfin indessen, ungeachtet der Enge, in welche sie getrieben war, stimmte kein Knurren an, mit welchem sie den Kontrahenten mit Leichtigkeit vertrieben hätte. Stattdessen verlautbarte er, der Säugling, welcher unsanft abgesetzt worden war, ein herzerweichendes Klagen, welches rasch auch sein Zwillingsbruder an seiner Seite intonierte. Ihre animalische Mutter indessen senkte ihr Haupt, fiepte einem Jungtier gleich und bot jene Gestik dar, welche eine Unterwerfung zweifelsohne anzeigte. Die adipöse Katze richtete sich stolz auf, dann präsentierte sie stolz ihre Fänge, untermalt von einem Fauchen, das die Wölfin schlichtweg in die Flucht schlug.
Das Heulen der Zwillinge schwoll an zu einer lautstarken und zweifelsohne weithin hörbaren Klage, die ihre Adoptivmutter jedoch nicht zur Rückkehr zu bewegen vermochte. Stattdessen schlich die Katze auf das Bündel der beiden Knaben zu, beugte sich zu ihnen hinab und präsentierte ihren gierigen Rachen, ehe sie mit zermalmender Kraft zustieß.
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Der Knabe fuhr voll Schrecken aus dem Schlafe. Romulus und Remus waren ob der Feigheit der Wölfin die Opfer jener furchterregenden Katze geworden, Faustus würde bestenfalls ihre bleichen Säuglingsknochen vorfinden und Rom niemals begründet werden!Erst nach einiger Zeit erkannte der junge Flavius, dass er mitnichten ein todgeweihter Säugling, sondern der Spross eines edlen Geschlechtes im Exil eines Legionscastellum war, dass er in seiner Ruhestatt weilte und die ersten Sonnenstrahlen eines warmen Sommertages durch die Fensterläden spitzten. Dennoch mochte der Schrecken ihm nicht aus der Gliedern fahren und er blickte um sich. Augenscheinlich hatte sein Vater bereits das Weite gesucht, vermutlich um seinem Habitus entsprechend einen Spaziergang durch das Praetorium zu unternehmen, welcher fast scheinen mochte, als wolle er durch die stetige Okkupation mit derartigen Aktivitäten die Nähe seines Sohnes meiden.
So zuckte der Knabe achtlos mit den Schultern, wischte sich den Schweiß von der Stirne (jene Nachtmären, welche ihn kontinuierlich heimsuchten, vermochte er inzwischen auf weitaus bessere Weise beiseite zu wischen, als ihm das vor Monaten noch gelungen war), entstieg seiner Bettstatt und entledigte sich seines schweißgetränkten Nachthemdes, welches er achtlos zu Boden fallen ließ. Zwar gebrach es dem legatischen Haushalt an einer suffizienten Anzahl von Sklaven, um die regelrechten Flüchtlingsströme aus Roma umfassend zu versorgen, ihnen also etwa eine adäquate Anzahl an Leibsklaven zur Verfügung zu stellen, welche sofort nach dem Erwachen bereitstanden, um die Gäste einzukleiden, doch zumindest würde im Laufe des Tages ein Unfreier erscheinen, um die Betten aufzuschütteln und das Nachtkleid zu wechseln.
So musste Manius Minor sich, wie auch in den vergangenen Tagen ihres Aufenthaltes, selbst nach der bereitliegenden Tunica greifen, diese sich überziehen und mittels eines Gürtel raffen, was er erst hier in Mantua von seinem Vater gelernt hatte, da eine derartige Aufgabe in der Villa Flavia Felix durch Sklaven bestellt wurde. Indessen verweilte er vorerst barfüßig, da ihm das Zubinden der Sandalen noch immer gewisse Misslichkeiten bereitete, zumal er heute nicht auf die parentale Unterstützung in Form repetetiver Explikationen zum Verbinden der Riemen verzichten musste.
Dessenungeachtet erspähte er eine unbekannte Tabula auf dem parentalen Bette, trat neugierig näher, um zu sehen, ob es sich wohl um ein Exzerpt eines literarischen Werkes handele, wie Manius Maior bisweilen eines anfertigte. Dies hätte in seinem behaglichen Heim im fernen Rom zweifelsohne nicht den Hauch eines Interesses geweckt, doch ob der stetigen Gleichförmigkeit der Tage im Exil, des Mangels an allen Dingen, welche ein kindliches Leben lebenswert gestalteten, gab er seinem schwachen Trieb der Neugierde nach und ergriff das Schriftstück, vermochte aber ob seiner Fehlsichtigkeit lediglich eine konturlose Fläche auszumachen. Erst weites Hinwegstrecken und größte Anstrengung ließen ihn einzelne Lettern ausmachen, endlich den Text entziffern.
Was er aber las, erweckte größte Furcht in dem Knaben, denn sein Traum hatte sich in die Realität gewandelt: Er war gänzlich allein und den Drohungen der Wildnis schutzlos ausgeliefert, worüber auch schöne Worte und Mahnungen nicht hinwegzutäuschen vermochten. Sein Hasenfuß von einem Vater, jene Schande für das flavische Geschlecht, für alle Patres Romae, für die Maiores und die ganze Welt, hatte das Weite gesucht, um alles zu verraten, was er seinen Sohn jemals gelehrt hatte, nur um seine schäbige Haut zu retten. Die Furcht wandelte sich in gerechten Zorn und in ohnmächtigem Groll warf Manius Minor das Schreiben mit größter Wucht gegen die Wand, von welcher es abprallte und hinter dem parentalen Bett verschwand.
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Schon regte sich leise Hoffnung in dem Knaben, als der Vater den Namen seines Vettern artikulierte, als erwecke er hierdurch Remineszenzen an seine Bestimmung, welche er doch selbst beständig an seinen Sohn weitergegeben hatte. Doch rasch zersprang sie einer Blase gleich, als Manius Maior neuerlich in Tränen ausbrach, als sei er kein adulter, wohlangesehener Senator, Praetorier und Pontifex, sondern ein Altergenosse seines Jüngsten, denn selbst Manius Minor beschämte inzwischen ihr Vergießen.
Augenscheinlich kam es aber weitaus erschütternder, denn zu der spontanen, weiberhaften Offenbarung innerster Gefühle gesellte sich nunmehr auch noch die totale Kapitulation vor all jenen Ansprüchen, welche eines Patrizier würdig waren und seine Existenzberechtigung repräsentierten. Was verblieb, war ein gebrochener Mann, ein gleichsam sklavisches Wesen bar jeder Würde, das sich davonschlich wie ein geprügelter Hund.
Zurück blieb ein gänzlich verstörter Flavius, der, zusammengekauert wie ein Welpe, dem trottenden Schritt seines einstigen Idols hinterherblickte, dessen Konturen nicht nur ob seiner Hypermetropie, sondern auch aufgrund seiner beklagenswerten Desillusionierung, welche sich in liquider Form durch die Tränendrüsen ihren Weg bahnte, stetig verwischten. So wie er den physischen Leib weniger und weniger auszumachen vermochte, so gelang es ihm in demselben Maße nicht mehr, die admirable Gestalt mit ihrem scharfen Verstand, ihren klaren Prinzipien und ihrem umfassenden Wissen um den Mikrokosmos Familie und Politik wie den Makrokosmos des gesamten Orbis Terrarum, welche er so lange als klaren Fluchtpunkt in seinem Leben glühend verehrt hatte, zu fassen.
"Papa..."
formten seine Lippen noch zuletzt jenen Kosenamen, wessen er seit geraumer Zeit sich nicht mehr bedient hatte in der Meinung, er gezieme sich eines Jünglings nicht mehr, coram publico seinen Vater auf diese Weise zu adressieren. Nun hingegen war er zu einem Symbol geworden für den einstigen Heroen seiner Infantilität, welchen so schmerzlich er schon vermisste seit jener Stunde, als sie die Villa Flavia Felix hinter sich gelassen hatten, wo der parentale Verfall begonnen haben mochte, ablesbar an Wortlosigkeit und einem besonderen Maße an Unnahbarkeit. Nunmehr hatte sich jenes Ideal nicht nur vom Leibe Manius Maiors abgetrennt, sondern selbst dieses Gefäß hatte Manius Minor verlassen. Zurück blieb ein verdrossenes, bis zum Scheitel mit Kummer angefülltes, gänzlich hilfloses Bündel Furcht, welches sich in eine Ecke kauerte, das bunte und doch triste Farbenspiel, welches seine Fehlsicht ihm darbot, anstarrend. -
Die parentale Narration, welche das wahrhaftige Angesicht des Senates enthüllte, ihn als Gremium politisch opportun handelnder Akteure entlarvte, erschrak den jungen Flavius zutiefst, öffnete ihm einen ersten Zugang zur Realität jener hohen Politik, welche er bislang lediglich idealisiert und historisiert in den Werken großer Autoren, allen voran eines Titus Livius erkundet hatte. Dass diese Versammlung der Ältesten indessen auch Speichellecker beherbergte, welche einem unrechten Manne anhingen, hatte er bisher in jene düstere Vergangenheit projiziert, mit welcher spätestens Flavius Vespasianus als strahlender Princeps ein Ende gemacht hatte. Doch viel deplorabler noch präsentierte sich die Lage, dass gar sein eigener Onkel Furianus in die Klauen jenes abscheulichen Tyrannen geraten war, was man ebenso bis zu diesem Moment sorgsam vor ihm verborgen hatte.
"Onkel...Flavius?"
entfuhr es ihm entsprechend, gänzlich andere Namen übergehend, welche ihn ohnehin kein imaginäres Bild asoziieren ließen, somit gänzlich nichtssagend waren.Augenscheinlich ließ gar Manius Maior, sein binnen kürzester Zeit vom strahlenden Helden und Idol zu einem bedauerlichen, Furcht verbreitenden Feigling dahingeschmolzener Vater, jedweden Mut sinken. Dies aber mochte nicht in das Bild Manius Minors von seiner stolzen Gens sich einfügen, welche ihm stets als mächtig, weise und tugendhaft war präsentiert worden, welche stets in jenem großen Spiel der Throne seine Figuren zu setzen gewusst und ihr Ziel nicht aus den Augen verloren hatte. Mitnichten war er bereit, sich nach all jenen Strapazen, welche er auf sich genommen hatte, die Gesellschaft detestabler Leichen, den Schmerz endloser Ritte, die beständige Furcht vor Entdeckung und zuletzt die ennuyanten Tage in völliger Isolation, um sich nun dem Fatum zu fügen, um apathisch seinem Untergang entgegenzutreten. War die Gens Flavia nicht zu Ruhm und Ehre, gar zum Kaiserthron gelangt, gerade weil sie das Spiel der Soldaten und Legionen aufs Meisterlichste beherrschte? Hatte man ihm nicht die Berichte vom Jüdischen Kriege, der Kühnheit des Divus Vespasianus, der Weisheit des Flavius Felix, der die Flotte dirigiert hatte, und der Stärke des Flavius Aristides, seines Onkels, an langen Abenden in schillerndsten Farben ausgemalt? Sollte all dies Lüge gewesen sein?
"Aber...Onkel Aristides!"
interjizierte er ob dessen, rang um Worte und ergänzte endlich
"Wir müssen etwas tun! Die Virtus gebietet es!"
Das war alles, was er von der teils redundaten Belehrung eines Artaxias oder seines Grammaticus, aber auch sämtlicher Verwandter bewahrt hatte: die Tugend allein war eines Flavius würdig, und vor allem offenbarte sie sich in Situationen, welche aussichtslos erscheinen mochten wie jene, in welcher Mucius Scaevola durch seine schlichte Unbeugsamkeit die Etrusker zum Abzug bewegt hatte, oder jene, in welcher Horatius Cocles allein deren furchterregendem Heer die Stirn geboten hatte! Im Angesicht all jener bitterer Enttäuschung, welche die letzten Tage und Wochen über ihn ausgegossen hatten, wollte er sich nun nicht kampflos unter das Joch der Niederlage beugen!
"Dafür leben wir doch, Vater! Oder nicht?"
fügte er endlich an, neuerlicih mit leisem Zweifel behaftet. Am Ende mochte in der Tat auch alles lediglich eine Mär, welcher er aufgesessen war, gewesen sein... oder doch nicht? -
Der Prolog, mit welchem Manius Maior erstlich auftrat, um den generalen Kontext zu erhellen, erschien Manius Minor noch verfolgenswert, ließ ihn erkennen, dass es ein größtmöglicher Fehler in der Regierung innewohnte, gleich der Tyrannis eines Nero oder gar eines Domitianus, in dessen Adern deplorablerweise flavisches Blut geflossen war. Indessen glitten die Deklamationen bisweilen wieder in mitnichten entwirrliches Gerede herab, offenbarten die große parentale Seelenpein und errichteten die Drohkulisse eines wahnhaften Mannes, welcher klarer Worte nicht mehr fähig war. Schon war der junge Flavius geneigt, zu bekräftigen, dass er keinerlei Absicht hege, den Vater irgendeiner Tat zu bezichtigen, welche er augenscheinlich so vehement, Bruchstücken einer Defensio gleich, refutierte, da jenem ruchlosen Vescularius, dessen Idoneität zur Herrschaft nicht zum ersten Mal in flavischer Runde als fragwürdig deklariert wurde, eben sämtliche Missetaten anzulasten waren, bis hinauf zum gräulichen Mord am Kaiser selbst. Ihm das Handwerk zu legen war zweifelsohne eine Tat der Virtus, wegen welcher verfolgt zu werden schändlich war für die gesamte Res Publica. Inwieweit indessen beide Aspekte sich vereinten, wie die Bestrebungen der senatorischen Coniuratio mit dem Tode Valerians zu kontextualisieren waren, entzog sich dem Vestand des jungen Flavius. Und doch ahnte er, dass es um alles ging, dass sich sämtliche Prämissen flavischen Handelns, Res Publica, Familie und Wahrheit vereinten und jenen Imperativ formulierten, den usurpierenden Imperator zu stürzen. Indessen galt es aber noch, die konkreten Handlungen zur Erlangung jenes Zieles zu ergründen:
"Was tun wir jetzt? Weiß der Senat von alldem nichts?"
fragte der Knabe darum in unerschütterlichem Vertrauen in jenen Ältestenrat, der seit der frühesten Res Publica den Staat lenkte und stets in größter Weisheit gehandelt hatte, dem selbst sein Vater und zahllose weitere Flavii angehörten. Augenscheinlich war es an ihm, das Recht wiederherzustellen. -
Meines Wissens nach existierten durchaus Werbe-Officia in großen Städten, in welchen sich Einzelne verpflichten konnten, von wo aus sie dann eine Reise zu ihrer Einheit antraten (die Vokabel "Probatus" bezeichnet tatsächlich einen solchen Gemusterten, welcher zu seiner Einheit unterwegs ist). Dafür erhielt man auch ein Reisegeld.
Jene Option vermag sich dir bieten.
Im Übrigen ist zu bemerken, dass ein Libertinus bereits das römische Bürgerrecht besitzt, lediglich vermindert um die Wahrnehmung seiner politischen Rechte (welche erst seine Nachkommen erhalten). Als solchem ist es folglich nicht möglich, eine neue Gens zu begründen, da ein Libertus quasi der Gens seines Freilassers angehört.
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War er anfänglich der Supposition erlegen, sein Vater habe ihn nicht vernommen, erfolgte etwas weitaus grässlicheres, denn in haltloser Agonie kommentierte Manius Maior die infantile Nachfrage mit schallendem Gelächter, welches mitnichten als eine adäquate Replik erscheinen konnte ob der unbedingten Seriosität der Umstände. Augenscheinlich obsiegte nun gänzlich die Agonie und Desperation, welche sich nun auch verbalisierte. Dennoch war auch die Begründung eine Novität, denn zwar war es dem Knaben durchaus bekannt, worum es sich bei einer Proskription handelte, welche bei der Behandlung der ruhmreichen Historie des Titus Livius Erwähnung fand, indessen nicht, dass ihre eigenen Namen auf derartigen Listen verewigt waren, dass man ihnen offiziös nach dem Leben trachtete.
Vielmehr ängstigte ihn indessen der neue Habitus eines Irrsinnigen, welcher ihn unvermittelt ergriff, sodass dem jungen Flavius ein furchtsames Quieken entfuhr, um dann seinen Blick nicht abwenden zu können von dem bärtigen Antlitz, welches so nahe gekommen war, dass er es trotz jeder Fehlsichtigkeit scharf erkennen konnte. Dies vermochte indessen kaum die Obliegenheit einzuschärfen, welche man ihm anlastete, welche all dem widersprach, was sein Vater und seine Lehrer ihn gelehrt hatten, was gar höchstes Römertum zu definieren schien. Trotz seiner Jugend wusste er um die Strafe, welche das Parricidium strafte und gemeinhin als Säcken tituliert wurde, gänzlich zu schweigen davon, dass es ihm aufs höchste widerstrebte, sein strahlendes Idol, den geliebten und venerabilen Vater, welcher stets ihn mit Liebe und Anerkennung bedacht hatte, hinzuschlachten. Und doch legten der infamiliär feste Griff, das deviante Verhalten und die Manie einen Schleier über sein Gegenüber, sodass Manius Minor dieses kaum mehr als den erkennen ließ, welches ihm lieb und teuer war.
"Warum ist all das geschehen?"
fragte er endlich, da ihm jene Tragödie sich nicht erschließen mochte, er nicht verstehen konnte, wie jener verhasste Vescularius seines Vaters Leben und das eigene zerstört hatte, wo sie kaum bekannt waren. Alles gründete auf eine Causa, welche es zu entdecken galt, um jedwedes Problem zu seiner Lösung zu führen, so lehrten es die Philosophen... -
Jene drückende Furcht, welche auf Manius Minor vor Manius Maior lastete, ließ ihn trotz der Tränen und jeglicher Desperation mit wachem Geist jede parentale Regung erfassen, entsprechend dem natürlichen Reflex, welchen der Knabe von jenen Ahnen, welcher sich niemand jemals erinnerte, da sie weder Schrift noch Kultur besessen, vielmehr ein tierisches Dasein gefristet hatten, geerbt hatte, um angesichts letaler Bedrohung zum Kampfe oder zur Flucht zu schreiten, sodass er das Flüstern vernahm, ohne ihm indessen aufrichtigen Glauben zu schenken. Zu sehr war sein Geist betrübt wegen dieser Eruption siedenden Zornes, welcher ihn zu unverschuldet niedergestoßen hatte.
So zuckte er in der Tat, als der Vater sich ihm näherte, erhoben sich Nackenhaare und jede Faser des Leibes, bereit hinfortzustürmen. Als der potentielle Aggressor indessen die Politik zur Sprache zu bringen gedachte, evozierte dies eine Konfusion, welche die infantile Tension zu verringern geeignet war, da der Knabe dieses Sujet mitnichten mit einem spontanen Wutanfall an einem von Rom weit entfernten, durchaus sicher sich gerierenden Orte bei einem objektiv erquicklichen Brettspiele zu asoziieren vermochte.
Als der alte Flavius sich endlich neben seinem Sohne positionierte, wagte dieser keine Bewegung, sondern starrte erwartungsvollen Blickes sein ehemals großes Idol an, unfähig, seine Konfusion zu verbalisieren. Nach einigem Schweigen, welches dem Knaben ebenfalls unerträglich wurde, rang er sich unter größter Mühe schließlich eine Frage ab:
"Welche Misere?" -
Obschon die Ankunft im Castellum dem Knaben freudige Perspektiven interessanter Explorationen eröffnet hatte, waren die folgenden Tage zu einer weitaus bittereren Enttäuschung geworden, als er in seinen kühnsten Träumen zu erwarten gewagt hatte. Zwar vermochte er seinen Leib von den Strapazen der Flucht zu rekonvaleszieren, doch emotional wie intellektuell übertraf die Isolation jene der vergangenen Tage beiweitem. Manius Maior gerierte sich abweisender und inquieter denn je, verweigerte jedweden Dialog und strafte damit seine eigenen Worte, in Mantua jenes lückenhafte Bild der wahren Umstände zu ergänzen, Lügen. Indes wagte Manius Minor es seinerseits kaum, sein Recht einzufordern ob der Tatsache, dass er mit brennender Sorge die Unrast seines Vaters zu beobachten gezwungen war, weshalb er neuerlich auf die bewährte Strategie, jedwede Regung seiner Emotionen in seinem Ínnersten zu begraben, zurückgriff.
Auch die parentale Intervention, sich die Tage der Gefangenschaft durch Spiel zu verkürzen, nahm er klaglos hin und verspürte gar eine gewisse Freude daran, als Fortuna ihr Haupt ihm zuwandte und nicht dem bedauerlich erscheinenden Vater, als er nahezu jedes Spiel für sich entscheiden konnte, obschon es ihm kaum möglich war, die Worte des Spielbrettes zu entziffern.
All jene Zuversicht schwand jedoch an jenem Tage, als sein Vater unvermittelt die Beherrschung verlor und seinen eigenen Sohn mit harschester Kritik übergoss. Niemals hatte sich eine derartige Ungnädigkeit an ihm entladen, mitnichten vermochte er dies geeignet einzuordnen, sondern begann sofort, die Schuld an diesem unerklärlichen Geschehen nicht seinem geliebten Vater, dessen Verhalten mitnichten seiner Natur entsprach, sondern sich selbst zu attribuieren, gar seine Triumphe im Spiele als ihre Ursache zu identifizieren und sich des impertinenten, fehlenden Verzichtes auf bewusst herbeigeführte Niederlagen zu schelten. Weitere Reflexionen waren ihm indessen nicht möglich, denn schon sprang Manius Maior ihn an, was den Knaben ebenfalls zu ruckartigem Erheben veranlasste und rückwärtig stolpern ließ, während auch schon neue Injurien auf ihn eindrangen, seine Gewissheit des parentalen Vetrauens in ihn und seine Kapazitäten mit einem Paukenschlag zerschlugen und seine Gefühle der Defizität weiter anheizten. Als er endlich gar in manischem Wahn an seiner Bulla sich vergriff, stürzte der Ruck den Knaben beinahe zu Boden, was lediglich durch das ebenso unvermittelte Ablassen gerettet wurde.
Dennoch war mitnichten die Wirkung der Attacke kassiert, vielmehr stürzte sie weiterhin den jungen Flavius in arge Bedrängnis und arge Konfusion, wie all dies einzuordnen wäre. Mit einem weiteren Schritt hatte er die von seinem zu einem beängstigenden Ungestüm herangewachsenen Vater gegenüberliegende und damit weitest entfernte Wand erreicht, wo er niedersank und seine Augen sich mit Tränen füllten. Bar jeden Mutes kauerte er so und hoffte, der parentale Zorn möge so rasch passieren, wie er aufgekommen war, ihm nicht seinen letzten Quell der Liebe und des Vetrauens rauben. Die Frage nach einer geeigneten Gottheit kam ihm in den Sinn, welcher in derartigen Situationen ihm Trost zu spenden willig war, doch nichts mochte ihm diesbezüglich vor dem Geiste erscheinen, sodass er gefangen blieb in seiner misslichen Lage, die Tränen der Furcht auf den Wangen spürend und den verschwommenen Schemen seines wütenden Vaters zu fixieren, in welchem nun in gewissem Maße wieder etwas Ruhe einzukehren schien.
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Auf überaus inkommode Weise, welche bestenfalles vom Status Flaccus' übertrumpft wurde, war auch dem jüngsten Flavius der letzte Weg ihrer Odyssee gelungen, auf welchem ihm der Sattel des Decurio, welcher für Passagiere in geringem Maße Eignung besaß, malträtiert hatte. Dies wie auch die Misslichkeiten der bisherigen Reise hatten sich vermindert, als die mächtige Festung, welche die Legio I Traiana als ihr Heim betrachtete, sich vor ihnen erhoben hatte, die Wachen sie bar jeder Nachfrage oder Kontrolle passieren hatten lassen und damit Raum gaben für das Lagerleben, welches der Knabe in dieser Form niemals entdeckt hatte.
Auf ihrem Weg entlang der schnurgeraden Via Principalis bot sich Manius Minor erstmalig das impressive Bild eines Heerlagers, offerierten die stetig gleichförmigen Baracken selbst seinen geschädigten Augen, welche im Fernen kaum Konturen auszumachen vermochten, einen Eindruck von der gewaltigen Masse der Krieger, die hier lebte. Zugleich drangen akustische Novitäten an sein Ohr, hier das Klappern von Caligae ganzer Centuriae auf dem Straßenpflaster, dort die rauen Stimmen der Centuriones, welche ihren Männern Kommandos zuriefen, an anderer Stelle wiederum die Geräusche einer Schmiede, das Schwerterklirren von Trainingsexerzitien oder das Murren von Legionären, welche als Milites Gregarii in schweren Transportaufgaben eingesetzt waren. All dies erregte den Knaben aufs Höchste und aufs Neue bedauerte er seine Hypermetropie, welche es ihm verwehrte, über die Wahrnehmung rötlicher und gräulicher Schemen hinaus all dies visuell in seiner vollen Pracht zu erfassen.
Immerhin konnte er dank seiner Edukation vonseiten Artaxias', welche durchaus militärhistorische Opera wie jenes des Divus Iulius umfasst hatten, das exzeptionell herausstechende Gebäude im Zentrum des Lagers als Principia identifizieren und damit auch auf die Funktion des dahinter liegenden Baus, welchen sie ansteuerten, zu schließen. An einer Porta, welche augenscheinlich nicht der zentrale Eingang des stattlichen Wohnbereichs des Legaten war, half man ihm endlich aus seiner inkommoden Position und seinen Onkel Flaccus stützend, trat er ebenfalls ein.
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Den Griff des Gladius umfasst folgte der Knabe den drei Adulten hinab durch die Wirtsstube in den Stall, wo sie neuerlich ihre Reittiere zu besteigen hatten. Dank der parentalen Hilfe gelang es ihm rasch, den Platz hinter dem Decurio einzunehmen, von wo aus er den ob des deplorablen Zustandes beklagenswerten Modus des Aufsitzens aufseiten Onkel Flaccus' begutachtete. Dank der gewissen Distanz zu jenem Geschehen vermochte er gar die Gesichtszüge der Verwandten zu erahnen, was indessen angesichts der blassen, geradezu verhärmten Miene des jüngeren Flavius von geringer Erfreulichkeit war.
Endlich präsentierte der Decimus noch letzte Instruktionen, welche bei Manius Minor eine gewisse Admiration evozierten, da ihm die Rafinesse militärischer Kommando-Technologie in seinem bisher ach so behüteten und unbedarften Leben niemals nahe gebracht worden war, obschon Onkel Antistes als Heroe des Partherkrieges bisweilen an den flavischen Triclinia Erwähnung gefunden hatte. Augenscheinlich war der Kasus bei den übrigen Flavii aber similär gelagert, denn in den allseitigen Konfirmationen schwang ein Erstaunen in nicht geringem Maße mit.
So ergriff der jüngste Flavius den Rumpf des Offiziers und schloss die Augen, wodurch ihm der jedem Menschen eigene Geruch in die Nase bewusst wurde, welcher hier eine Melange von Stall, Schweiß und dem nach flavischen Maßstäben minderwertigen, zu oft getragenen Kleidungsstoffen bildete. Aber schon spürte er unter seinen Beinen die kraftvollen Bewegungen des Pferdes, welches sie, so Fortuna ihnen ein letztes Mal geneigt war, in die rettende Sekurität der Castellum-Mauern tragen sollte.
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Die Perspektive, sich im ungestümen Galopp an die Rückenpartie des fremden Decurio zu krallen, erschrak den Knaben neuerlich und aktualisierte die Gewissheit, dass jedwede Sekurität noch immer zahlreiche Meilen entfernt lag, sich geradezu ihrem Zugriff zu entziehen schien. Als dann die Gladii Erwähnung fanden, welche sie bis hierher mit sich transportiert hatten, ohne irgendeinen Gebrauch davon zu machen mit Ausnahmen jener Exerzitien, welche der junge Flavius unter parentaler Aufsicht gegen Onkel Flaccus vollführen hatte müssen, ehe letzterer vom Fieber gefangen worden war, welche sich aber neuerlich als diffizile Praktik erwiesen hatten ob des Faktums, dass es Manius Minor in seiner Fehlsichtigkeit schwerlich möglich war, gezielte Stöße zu führen.
Nun aber ergriff er seine Waffe gleich einem todesmutigen Soldaten, hängte sie sich über die Schulter und folgte dann Manius Maior durch die Tür, um die, wie er hoffte allerletzte Etappe ihrer wilden Flucht anzutreten.
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Ob der harschen Ansprache biss der Knabe sich voll Schrecken auf die Lippen, da es ihm selbstredend präsent war, dass ihre Namen nicht bekannt werden durften, augenscheinlich selbst nicht im Angesicht der nahenden Rettung. Dadurch bedrückt verzichtete er auch auf weitere Proteste ob seines unzutreffenden Kosenamens, sondern nickte lediglich auf die Präsentation des Decurios hin.
So warf er noch einen traurigen Blick auf den noch immer fiebernden Onkel Flaccus, mit dem er weitaus lieber das Pferd geteilt hätte als mit jenem Offizier, erwiderte dann aber
"Ja, Vater. Verzeih mir."
und schloss sich dann dem Decurio an. -
Die Replik des Vaters vermochte den Knaben zu beruhigen, was indessen rasch wieder gestört wurde, als er des Soldaten ansichtig wurde, welcher sich hinter Manius Maior durch die Tür schob. Obschon er sich gewahr hätte sein müssen, dass dieser, wenn er einen Legatus Legionis aufsuchte, potentiell mit einem Angehörigen des Militärs zurückkehren würde, so war er doch noch immer gänzlich von jener Furcht besetzt, welche er in den vergangenen Tagen vor jedwedem potentiellen Repräsentanten des Staates verspürt hatte. Doch wischte dies die parentale Deklaration der Sekurität hinfort, sodass er sich bei Nennung seines Kosenamens bemüßigt fühlte, dies zu korrigieren, da es ihm missfiel, von Fremden derartig despektierlich adressiert zu werden, zumal er sich selbst mitnichten mehr als klein betrachtete.
"Ich heiße Manius Flavius Gracchus Minor!"
platzte es so geradezu aus ihm heraus, uneingedenk der Tatsache, dass sie vor dem gemeinen Volk noch immer sich verborgen halten sollten, um nicht die Aufmerksamkeit der Schergen des Vesculariers zu erwecken.