Beiträge von Claudia Romana

    Romana schob mit einem undeutbaren Lächeln ihren Kopf zurück, sodass sie gleich noch ein wenig größer wirkte. “Vielleicht hast du Recht, und wenn ich nicht die wäre, die ich wäre, würde ich sicherlich mehr ausprobieren. Das Problem ist aber, diese Fragestellungen sind allesamt akademisch“, meinte sie mit gewählten Worten. “Vestalinnen dürfen keinen Schmuck tragen.“ Nun gut, sie waren angehalten, keinen zu tragen, ein explizites Verbot gab es nicht. Aber Romana hielt sich sogar an die ungeschriebenen Regeln ihrer Schwesternschaft, ihre religiöse Devotion, die manche für Superstitio halten könnten, ließ nichts anderes zu. Immerhin gab er ihr Recht, dass sie zu ihrer Präsenz nichts mehr hinzufügen musste – die Claudia stach ohnehin von der Natur her aus jeder Menschenmenge heraus, außer vielleicht, es war eine Menschenmenge von riesigen Barbaren, unter die sich Romana ohnehin nie begeben würde.


    “Seitlich abspringen? Gut, wird schon gehen...“ Romana war keine Akrobatin, die mit gazellenhaften Darbietungen zu überzeugen wusste, und niemand wusste das selber als sie, weswegen sie dem Absprung mit einem ein wenig mulmigen Gefühl entgegensah.


    Sie blickte kurz nachdenklich drein, als ihr Vater ihr seine Gedanken unterbreitete. Sicher stimmte das, nur war Lucius ein Nichtsnutz, und Romana hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, dass aus ihm noch etwas werden würde. Ihr Lieblingsvetter, Quintus Lepidus, hatte da schon mehr Portential, nur hatte er sich in letzter Zeit, trotz Vigintivirates, rar gemacht.


    Dann öffnete sie ihre Augen ein bisschen mehr. “Du möchtest also doch vielleicht als Ädil kandidieren? Das wäre ja wundervoll!“, freute sie sich. “Ich meine, stell dir vor, was HUCH!“ Es war nämlich gekommen, wie es kommen hatte müssen – Romana hatte den Absprung übersehen, war ins Leere hineingetreten und ruderte wie wild mit ihren Armen herum, um nicht um- und hinunterzufallen. Das Nächste, was sie erpacken konnte – den Arm ihres Vaters.

    Romana hatte es schon bezweifelt, doch Narcissa strafte dem Gedanken Lügen – die Aurelia war tatsächlich und wirklich in der Lage zu lächeln! Eine leichte Befürchtung hatte die Claudia ja schon gehegt, dass Narcissa den ganzen Tag wie ein Bock einherschaute. Diesen Gedanken konnte sie nun ad acta legen. Romana entgegnete das Lächeln. “Sehr gut“, machte sie, als die Aurelia ihren Vorschlag gar wohl auffasste, und deutete in eine Richtung hin, wo die Menge weniger dicht war, weg vom Umzug, hin zu einem Ort, wo Romana beschauliche Plätze wähnte. Besorgt aber glitt ihr blick nach oben, als sie sah, wie ein Stein über die Menge flog. Das war ja gemeingefährlich! Nichts wie weg von hier, auch wenn sich Romana innerlich sehr ärgerte, dass ein paar Kerle sich herausnahmen, diese religiöse Zeremonie so dermaßen zu entweihen.


    Romana nickte, als die beiden Frauen sich ihren Weg aus der Menge herausbahnten, oder besser, sich von ihren Custodes respektive Liktor einen Weg herausbahnen ließen. Dann hatte sie also richtig gelegen. “Ah, Tiberia Arvinia. Eine sehr nette, hübsche Frau, mit ihr hat dein Bruder gewiss einen guten Fang gemacht. Aber ich habe jetzt schon ewig nichts mehr von ihr gehört. Hmm.“ Vielleicht hatte sich Arvinia so zurückgezogen, weil ihr Verlobter selbiges gemacht hatte?


    Sie legte ihre Stirn in Runzeln, und es zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, als Narcissa erzählte, was Orestes so trieb. Ein Augur, der seinen Aufgaben als Augur nicht nachkam? Nun gut, das wäre nichts, wovon man noch nie etwas gehört hätte. Viele berühmte Auguren der Geschichte – Pompeius Magnus, Tullius Cicero, Licinius Lucullus, Marcus Antonius – waren durch komplett anderes bekannt als ihr Augurentum. Dass Aurelius Orestes den Worten der Aurelia nach aber auch in seinen Familienpflichten versagte, mochte da schwerer wiegen. Sie blinzelte für einen Augenblick verblüfft über die Pflichtvergessenheit, die die Aurelia ihrem Bruder unterstellte. Aber gut, so mochte es gehen. Wenn sie an Lucius dachte... was tat der für seine Familie? Er bewegte nicht einmal eine Arschbacke, um den ruhmreichen Namen der Claudia weiterleben zu lassen. Es war ein Trauerspiel. Wieso versuchte er sich nicht einmal an einem Vigintivirat? Romana verstand es nicht, und es mochte nicht das erste Mal, dass eine Welle des Frustes in ihr hochschoss, dass sie eine Claudia Romana, und kein T. Claudius Romanus geworden war. Sie hätte sicher nie ihre Familie so hängen lassen wie Lucius, oder wohl auch Orestes.


    Den Gedanken wischte sie innerlich weg mit einer enervierten Handbewegung, die ihr einen Moment später Leid tat, denn es war nun möglich, dass Narcissa dies auf sich selber beziehen könnte. Die junge Frau hörte derweil ihrer Tirade zu, ohne in irgendeiner Weise darauf zu reagieren; an ihrem Gesichtsausdruck konnte Romana nichts absehen. Dann jedoch stellte die Aurelia eine Frage, die wenig mit Romanas Rede zu tun hatte, und die die Claudia überrumpelte. “Öh.“ Der Grund, warum sie sich den Vestalinnen angeschlossen hatte, war einer, den Romana nicht gerne erzählte, nur Wenige wussten darüber Bescheid.


    “Setzen wir uns doch erst einmal.“ Sie deutete auf eine Bank, die dankbarerweise gerade jetzt nun vor ihnen aufgetaucht war, als ob ein gnädiger Gott sie für die beiden Frauen aus den Boden hätte wachsen lassen.


    “Also, Aurelia. Jetzt möchte ich dir eine Gegenfrage stellen: wie kommst du darauf, dass ich mich freiwillig gemeldet habe und nicht, wie die meisten Vestalinnen, vom Los gezogen worden bin?“ Sie legte den Kopf leicht schief, als sie auf eine Antwort wartete.

    Noch etwas muss ich einwerfen – die Soldatisierung des Reiches. Am Ende hatte die Soldateska enorm viel Macht. Es hing alleine vom guten Willen des Militärs ab, ob ein Kaiser sich behaupten konnte oder nicht. Es gab im späteren Reich nur wenige Kaiser, die sich länger als ein paar Jahre halten konnten, die meisten wurden eh ermordet.

    Da Romana spürte, dass dieses Thema von ihrem Vater nicht mehr angeschnitten werden wollte, nickte sie nur noch mit einem freundlcihen Lächeln, beschloss aber, es auch nciht mehr anzusprechen. Ihr missfiel Eigenlob nicht einmal wirklich, aber vor ihrem Vater sich selber zu beweihräuchern musste nicht wirklich sein. So hakte sie innerlich das Thema ab, und sich selber bei ihrem Vater ein.


    “Gut, machen wir das. Ich bin ja schon gespannt.“ Tatsächlich fand sie Architektur nicht einmal so langweilig, und das Schicksal ihres Elternhauses war ihr alles andere als egal, also war sie durchaus bereit, sich zeigen zu lassen, wie diese Bauarbeiten voranschritten. Überrascht von dem wohl demonstrativ raschen Tempo, welches ihr Vater anschlug, tat sie ihr Möglichstes, mitzuhalten – gut, dass sie das mit ihren langen Beinen konnte.


    Als er jedoch ihre Meinung kommentierte, blickte sie ihn leicht fragend an. “Öhm. Hmm. Frauen sind auch Individuen.“ Ihren Augenmerk lenkte sie auf den feinen Marmor, den ihr Vater mit einer fast schon zärtlichen Berührung streichelte. Und warum auch nicht? Der Marmor war das Feinste, was man im römischen Reich finden konnte. Er erinnerte sie an das edle von schwarzen Adern gezierte Weiß, welches im Atrium Vestae zum Beispiel im Lararium anzufinden war.


    Ihr Vater lachte über eine ihrer Bemerkungen und fragte nach, was genau sie damit meinte. Romana grinste schief zurück. “Wenn ich mich so vorstelle, mit dicken Klunkern und Perlen, die von meinen Ohrläppchen und meinem Hals herunterbaumeln – das... das bin einfach nicht ich. Es steht mir nicht. Bei winzigen, zarten Wesen trägt so etwas sicher zur Präsenz bei; aber sage mir nicht, dass ich nicht so schon genug Präsenz habe.“ Sie zuckte die Achseln.


    Ihren Vorschlag, den man schon eine Bitte nennen konnte, wirkte ihr Vater aber alles andere als begeistert. Seine Frage versuchte sie diplomatisch abzutun. “Och, ich dachte nur, ein Amt würde dir wieder einmal gut zu Gesichte stehen.“ Dann blickte sie sich um, wie um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte. “Schau, Vater. Es geht jetzt nicht so sehr um dich oder um mich, es geht um die Gens. Möchtest du nicht allen zeigen, dass die Claudier, die Abkömmlinge von Kaisern, Helden und unzähligen Consuln, noch imstande sind, etwas zu leisten?“


    Sie seufzte kurz, als ihr Vater innerlich abzudriften schien. “Oder aber ein Platz in irgendeinem Priestercollegium. Was würdest du davon halten?“

    Das Christentum, so denke ich, war ein erheblicher Grund für den Zusammenbruch des Reiches deshalb, weil es eine Religion darstellte, die komplett anders war als der alte Polytheismus. Unterm Polytheismus lebten verschiedenste Völker mit verschiedensten Göttern friedlich zusammen – denn die Römer waren sehr bereit, andere Götter mit den ihren gleichzusetzen (Interpretatio Romana) oder infach in ihr Pantheon einzugliedern. Der Gedanke war – wenn der Gott verehrt wird, muss er existieren, und fertig.


    Unterm Christentum wurde das anders. Kurz gesagt entstanden drei Probleme. Erstens: Apostasie. Viele Römer hingen noch immer dem Polytheismus an, diese wurden gnadenlos verfolgt. Zweitens: Häresie. Viele ketzerische Sekten entwickelten sich, z.B. Arianismus, Monophysitismus, etc. Kämpfe der christlichen Sekten untereinander absorbierten viel Zeit und Energie. Drittens: Schisma – z.B. Donatismus. Dasselbe wie oben, hatten waren Schismen politische Implikationen, die beim schon existierenden Trubel in der Politik eines draufsetzten.


    Diese Probleme wären keine gewesen, wenn das Christentum nicht das Christentum gewesen wäre. Das Christentum verlangt, dass das Wort Christi sich auf der ganzen Welt verbreitet, die Polytheisten hatten bei ihren Kriegen nie religiöse Motive. Also gab es nun einen Haufen neue Gründe, um die eigenen Bürger zu verfolgen, Kriege (nämlich Religionskriege) zu führen und Ressourcen hineinzustecken.


    Kurz: das Christentum war ein Luxus, den sich das römische Reich nicht leisten konnte.

    Das Lob tat gut. Romana mochte Lob, aber nur von Personen, von denen sie wusste, dass diese es ehrlich mit ihr meinten. Ihr Vater war einer davon. Sie lächelte, auch wenn die Frage eine potentielle Zwickmühle darstellte. Wie sollte sie nun antworten? Die Antwort suggerierte schon im Vorhinein, dass Menecrates sie als etwas Besseres als seine anderen Kinder hielt. Nun, um der Ehrlichkeit Genüge zu tun, welches andere Kind von Claudius Menecrates hatte in seinem Leben soviel erreicht wie sie selber? Ihr Bruder war irgendwann einmal Aedituus gewesen in Hispania, ihre Schwester Prisca war selbiges in Sicilia – es ärgerte sie ein wenig, dass sie nie etwas von ihr hörte. Das war nicht das selbe wie Vestalin zu sein.


    “Bitte, denke nicht, dass du bei den anderen etwas falsch gemacht hast. Es ist nur so...“ Manlierblut sticht Lucretierblut aus. Daran gab es nichts zu diskutieren. “...gib ihnen Zeit. Wir alle sind noch jung, und es liegt in der Natur der Schwesternschaft der Vestalinnen, früh schon aufzusteigen. Bei meinen Geschwistern sind die Bedingungen ganz andere!“ Sie hoffte, das jetzt halbwegs diplomatisch gerettet zu haben.


    Bei den Worten ihres Vaters über Gracchus musste sie jedoch lachen. Sich auf gefällige Art ins Abseits stellen, darin mochte sie selber Spezialistin sein. “Da hast du wohl Recht“, blieb ihr ncihts anderes übrig, als beizupflichten. Nein, sie würde nicht so anfangen, wie der Flavius zu palavern... obwohl, sie wusste nicht recht, was mit ihr sein würde, wenn sie einmal Obervestalin war. Von einer solchen erwartete man sich ja auch eine etwas, hmm, gewähltere Ausdrucksweise.


    Während sie noch immer, ganz langsam, durch das Atrium schlenderten, und Romana noch immer hin und weg war, begann ihr Vater auch schon zu sprechen. Bei seinen Worten vergaß Romana fast ihr vorheriges Erstaunen, und schaute ihn ganz groß an, während sie sich wieder gezwungen sah, etwas halbwegs Bescheidenes zu erwiedern.


    “Nun, du musst wissen, mit Frauen ist es so – unter uns gibt es so große und viele Unterschiede wie bei den Männern. Es gibt auch Männer, die sich mit prunkvoller Kleidung und Ringen schmücken, und ebenso Frauen, die das ablehnen. Ich selber denke, Schmuck macht mich dick. Wirklich! Als Vestalin dürfte ich eh keinen tragen. Kleidung – ich habe schlechte Erfahrungen damit gemacht, etwas anderes als meinen Ornat zu tragen. Was Wohnungseinrichtungen und Vorhänge angeht, du weißt, ich bin schon immer ein Gewohnheitstier gewesen. Du brauchst keine eigenartigere Sprache für uns zu erlernen, als wir es müssen für euch Männer.“ Sie lächelte kurz, befeuchtete dann leicht ihre Lippen mit ihrer Zunge und überlegte kurz. Was könnte sie brauchen? “Weißt du, Vater... weißt du, was schön wäre? Wenn du dich wieder ein bisschen öffentlich betätigst. Vielleicht nimmst du wieder ein Tribunat an? Oder kandidierst als Ädil?“ Fragend schaute sie ihn an.

    Die Silberkette, an der die Aurelia nervös herumzunesteln begann, fiel Romana sofort auf. Der Name der Besitzerin war auf einer Plakette eingraviert, sie hätte eigentlich so schon vorher den Namen der jungen Frau erraten können. Sie bemerkte auch, wie die „Kleine“ sich auf die Zehenspitzen stellte, um relativ zu Romana etwas größer zu erscheinen. Die Vestalin konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen. “Wenn es dir angenehmer ist, kann ich ja in die Hocke gehen. Oder wir können uns irgendwo hin setzen.“ Sie war es ja gewohnt, dass man immer mit einem gewissen Maß an Ungläubigkeit auf ihre Größe reagierte. Manchmal war es etwas nervig, aber die Claudia wusste es mit Humor zu tragen. Denn es war doch immer gut, aus der Menge hervorzustechen und keine graue Maus zu sein. Also redete sich Romana regelmäßig ein, ihre Größe war etwas, auf das sie stolz sein konnte, denn so ließ sich das Ganze immer gut ertragen. Narcissa schien etwas verstört über Romanas Ansage bezüglich des Pontifex Maximus, doch sagte sie nichts weiter dazu, sodass Romana das Thema nicht weiterhin verfolgte.


    Auch auf ihre Reaktion auf den Namen Corvinus bekam sie keine Gegenreaktion, auf ihre Frage nach ihrem Bruder sehr wohl. Aurelius Orestes. Den Namen kannte sie woher. Wer hatte ihn ihr gegenüber schon erwähnt? Es war... “Arvinia. Tiberia Arvinia. Er ist ihr Verlobter, nicht wahr?“ Eine Schwester würde das sicherlich wissen. “Aber... er war Augur? Jetzt nicht mehr? Was ist geschehen?“ Hat man ihn rausgeworfen? Ging er? Oder ist er gar gestorben? Eingedenk, dass Letzteres durchaus ein realistischer Gedanken war, machte sie schon gleich vorbeugend ein betroffenes Gesicht. Was mochte ihm passiert sein?


    Sie hob ihre Augenbrauen leicht, als Narcissa ihre offen gesprochenen Worte etwas ungläubig aufnahm, und lächelte. Drastische Worte, ja, das stimmte, das waren sie, aber Romana wollte nicht mit Wattebällchen werfen. Scharfe Munition war viel besser, fand sie.


    Und schließlich kamen auch die Worte aus dem Mund von Narcissa. “Leben frei gestalten können...“ Mei putzig! Die Kleine war so naiv, dass Romana gerührt-mütterlich lächelte. “Also denkst du, du wirst dein Leben frei entscheiden können, wenn du verheiratet wirst, an irgendeinen besitzergreifenden Mann, der aufpasst, dass seine Frau ja auch nichts tut, um seine Ehre zu beflecken, der dich zu Geschlechtsverkehr zwingt, der dich unterjocht. Gut, du kannst auch einen liberaleren Mann bekommen, aber darauf kannst du sicher nicht wetten, das liegt nicht an dir. Nennst du das freie Gestaltung deines Lebens?“ Sie schüttelte mit einem gewissen Unglauben ihren Kopf so energisch, dass ihre Haare herumflogen, und sie sie erst zurechtstreichen musste.


    “Als Vestalin hingegen hast du die Freiheit, dein Leben zu gestalten! Du kannst Karriere machen! Und du musst ja auch nicht den ganzen Tag lang im Atrium Vestae sein und Gefangene spielen – als Schülerin bekommst du genug Ausgang, und als ausgebildete Vestalin kannst du sowieso frei entscheiden, was du mit deiner Freizeit tust, ob du sie dem Kult widmest oder deinem sozialen Leben.“ Dass jene Freizeit manchmal extrem knapp bemessen war, sagte Romana nicht, denn das war auch nur eine Kehrseite der Medaille – in manchen Zeiten des Jahre gab es tagelang nichts zu tun außer Feuerwache und Türdienst. “Du kannst zur Obervestalin werden, der mächtigsten Frau Roms nach der Augusta! Die Möglichkeiten, dein Leben frei zu gestalten, wie du es ausdrückst, sind phänomenal, wenn du Vestalin bist! 30 Jahre lang, oder auch mehr, hast du natürlich Pflichten, aber auch Macht, sowohl göttlicher wie auch weltlicher Natur, die du dir zunutze machen kannst. Du wirst eine Ausbildung bekommen, die ihresgleichen sucht. Und alle werden dir mit Respekt begegnen.“ Bis auf Vescularius Salinator. “Das klingt für mich viel eher nach Selbstverwirklichung, als bis zur Stunde deines Todes irgendwo in einer Villa zu hocken, ein hübsches Gesicht zu machen und dann irgendwann tot umzufallen, ohne eine spürbare Marke in der Geschichte hinterlassen zu haben. Denkst du nicht auch?“

    Sim-Off:

    Und jetzt war mal ich mit der Vergesslichkeit an der Reihe, tschuldigung.


    Sie hörte sich ihn an, und konnte es nicht vermeiden, dass sich ihre Augen immer mehr zusammenkniffen. Er wusste nicht, ob das so wohlüberlegt wäre? Sicher hatte er dann einen besseren Plan! Aber was dann kam, ließ Romana erbleichen. Salinator, den Kaiser im Griff haben? Das war unmöglich, Salinator war ein normaler Plebejer, und der Kaiser war, nun ja, der Kaiser! Undenkbar, dass der Kaiser einen solchen Pausenkasper wie den Vescularier beachtete! Gerade wollte sie etwas sagen, da schlug Sermo eine rapide Hundertachtziggradwendung ein. Sie sollte also doch?
    “Ach, ich soll also doch“, echote sie ihren Gedanken. Kurz nagte sie an ihrer Unterlippe, eine nervöse Geste, auch wenn sie sich solche Gefühle andersweitig nicht anmerken ließ. “Aber, ich meine... jetzt im Ernst, Sermo. Ich weiß, welche Gerüchte laufen. Es lauft auch das Gerücht, dass Außerirdische von anderen Sternen tagtäglich aus den Straßen Roms Leute entführen, und dass die Titanen – oder waren es doch die Giganten? – im Begriff sind, sich zu erheben und die Erde zu zerstören. Denkst du wirklich, dass das so ist? Also, dass der Kaiser von Salinator kontrolliert wird? Ich will deine ehrliche Meinung haben“, verlangte Romana. Sermo hatte immerhin vor, in die Politik einzusteigen, war ja schon in Ostia in der Politik. Er kannte sich da sicher besser aus als eine... nun ja... eine Frau. Denn obwohl Romana keine herkömmliche Frau war, als eine solche war es ihr verwehrt, in die Politik einzusteigen, und ihr früheres Interesse für Politisches war mit der Zeit geschwunden, war der Interesse für Religiöses gewichen – auch wenn man diese beiden Sachen in Rom nciht immer einwandfrei trennen konnte.

    Romana, immer mehr beeindruckter von den wulstigen Wortgebilden des Gracchus, war um die Antwort nicht verlegen. “Diese Schreine sind für Vesta, also so etwas wie Ableger des Haupttempels.“ Sie trat einen Schritt in das durchaus schmale Zimmer hinein – wenn Corvinus und Gracchus böse wären, könnten sie nun die Tür einfach zuwerfen und verriegeln, und die Vestalin würde festsitzen – und klopfte leicht mit dem Knöchel ihres rechten Zeigefingers auf das Metall des Feueraltars. “Hochwertigster gallischer Stahl. Rostet kaum. Er wird immer wieder von den Sklaven gereinigt und von Rost freigehalten“, erklärte sie. “Wir haben aber keine Statuetten von Vesta, im ganzen Atrium Vestae nicht. Das heilige Feuer ist genug Fokalpunkt, dass die Göttin ihre Augen immer hier behält“, sagte Romana und trat ein bisschen hastiger als nötig wieder aus dem Nebenzimmer hervor. “Das wäre also das Tablinium. Gehen wir jetzt am Besten gleich zum Triclinium.“ Sie trat aus dem Tablinium hervor, bog nach links ab, und geleitete die Pontifices wieder durch ein paar Flure, zum Triclinium.


    “Hier“, machte sie, als sie dort angekommen waren. Und was sollte man sagen? Es war halt ein Triclinium, in welchem die Vestalinnen speisten. “Wir halten hier zusammen unsere Essen, morgens, zu Mittag und am Abend. Dabei ist das Triclinium eigentlich nie ausgelastet – wir sind nur 6, und meistens hat jemand von uns auch noch Türdienst und Wache am Feuer, manchmal sind es auch 2, die übers Feuer wachen. Unsere Essensversorgung ist durchaus gut – wir werden vom Staat gesponsert“, lächelte Romana. Die beiden anderen waren Patrizier, also waren es nicht deren Steuereinnahmen, die die Vestalinnen verschlangen.


    “Wenn es hierzu keine Fragen gibt, zeige ich euch die Bäckerei - ja, wir haben eine, und sie ist uns wichtig -, und dann das Bad. Dann noch die Exedra des Gebäudes, und wir hätten dann das Wichtigste schon gesehen – außer, ihr wollt die Obergeschosse noch sehen. Im ersten Stock wohnen wir, die Vestalinnen, in unseren Cubicula. In den Stöcken weiter oben lebt die Sklavenschaft. Dort befindet sich auch auch der allgemeine Wirtschaftstrakt, die Culina ist aber im Erdgeschoss, direkt neben dem Triclinium. Interessant ist es nicht“, warnte sie die beiden Männer.

    Romanas Lippen umspielte ein schiefes Grinsen. Kleines. Nicht, dass es die Realität widerspiegelte, sie so zu nennen, aber trotzdem hatte sie es gerne, dass ihr Vater sie mit solch liebevollen Begriffen betitelte. Denn dass er klein nicht im physischen Sinne gemeint hatte, war eh klar. “Stimmt. Ich bin schon immer eine Claudia gewesen“, machte sie stolz. “Und werde es auch immer bleiben. Denn eine höhere Ehre, als in unsere Gens hineingeboren zu werden, kann eine Frau in Rom kaum noch erlangen.“ Da mochten andere Gentes sich noch so brüsten über ihre Abstammung, der Claudia konnte niemand das Wasser reichen. Den Claudiae auch nicht.


    Sie zuckte die Achseln. “Es ist nur mit magnifiziöser Derangierung, dass meine unkonditionelle Zustimmung ich dir muss geben“, ahmte sie die wunderliche Ausdrucksweise des Pontifex nach. “So wie der spricht, das wird mir nie aus dem Kopf gehen. Ich glaube, er hat zuviele alte Bücher gelesen.“ Sie grinste keck. Niemand anderem als ihrem Vater gegenüber würde sie solch eine Meinung äußern – vielleicht nur ihren engsten Freundinnen.


    Kaum hingesetzt, wollte ihr Vater aber nun doch wieder aufstehen. Also spielte Romana brav Stehauffrauchen und erhob sich wieder. “Nein, du hast dich wirklich gut in Form gehalten“, log Romana, die immer wegen der Gesundheit ihres Vaters hatte, jenem vor. “Wir sollten mal eine Runde ums Atrium drehen. Hmm?“ Ihr kam das nicht allzu unintelligent vor als Idee.


    Die nächste Ansage ihres Vaters veranlasste sie doch dazu, ihre Augen aufzureißen. Ein Geschenk bot ihr Vater ihr an? Die Claudia lächelte. Die Großzügigkeit ihres Vaters! Bei solchen Anlässen könnte sie ihn wirklich alles abverlangen, aber so etwas fiel ihr ja nicht im Traum ein. “Du bist so großmütig! Aber was sollte ich schon wollen? Hmm...“ Geld? Wozu bräuchte sie denn das, ihr wurde im Atrium Vestae eh alles geboten. Ein Familienfest? Nun ja, das war eh schon lange angekündigt, und außerdem riss sie sich nicht gerade drum, ihrem doofen Bruder die ganze Zeit gegenüberzusitzen, ihn anzuglotzen und dabei freundlich dreinzuschauen. Ein Stück Land, vielleicht in ihrem geliebten Etrurien, käme gelegen, aber ob ihr Vater da mitmachen würde? Überlegend schaute sie ihn an, vielleicht etwas ratlos.

    Serrana war tatsächlich peinlich berührt. Sie schien es zumindest zu sein. Romana hörte sich die Entschuldigung an, entgegnete aber gar nichts. Sie nickte nur knapp. Das Thema verfolgte sie nicht deshalb nicht weiter, weil es sie nicht störte und sie eine vergeberische Ader heute hatte, sondern viel eher, weil sie sich vorgenommen hatte, das – in Romanas Augen – nur noch kurz bemessene Leben der Iunia nicht allzu schwer zu machen, und deshalb auch mal milde zu sein. Laevina hingegen schien ihre Ermahnung gar nciht ernst zu nehmen. Romana blickte sie bedeutungsvoll an. Laevina! Dich habe ich auch angesprochen, dachte sich Romana, die vielleicht den groben Fehler beging, von sich auf andere zu schließen, aber es nicht gerne sah, dass Laevina ihre Enkelin so angiftete. Eine einfache Zurechtweisung hätte es sicher auch getan.


    “Solange es nicht mehr vorkommt“, machte sie spröde, man merkte ihr aber an, dass sie noch immer ungehalten war. Und sie reagierte wohl auch nur so friedfertig, weil sie gegenüber Serrana nicht böse sein wollte. Ihr kam im Übrigen es sehr, sehr eigenartig vor, dass die Frauen mit ihren Tellern noch immer herumstanden – bis auf Laevina, die den Ihrigen schon geopfert hatte – und herumtratschten. Aber gut, mache mochten wohl die Ausdauer haben, die Speisen so lange in ihren Armen zu halten. Romana müsste nun ja eigentlich auch arbeiten... aber Putzlicht! Eine kleine Pause würde sicher gegönnt sein!


    Die Flavia bestätigte Romanas Vermutung, tatsächlich die Frau des Corvinus. “Ich habe deinen Gatten bei meiner Priesterprüfung kennen gelernt“, warf die Claudia ein. “Ein formidabler Mann.“ Zumindest von dem her, was sie wusste, von dem her, was sie von ihm gehört hatte. Natürlich nahm ihr Vater es ihm sehr übel, dass er damals die Verbindung mit ihrer Adoptivschwester gelöst hatte, aber Romana hatte nie zu viel mit Deandra zu tun gehabt, hatte sich sogar gefragt, warum er sie adoptiert hatte – waren seine eigenen Töchter nicht schon zahlreich und gut genug gewesen? Die Frage der Laevina interessierte sie durchaus, und es konnte ja durchaus sein, dass Celerina bei einem Kult teilnahm. Magna Mater eher nicht. Bona Dea vielleicht, oder Societas Veneris? Eine Tempelverwalterin würde eine Senatorinnengattin wohl nicht sein – obwohl, Serrana war das ja auch. Hinderte sie das nicht, ihren Pflichten als Senatorinnenfrau nachzukommen? War jetzt aber eh schon egal, wenn man sich anschaute, wie wenig Zeit Serrana noch verblieb!


    Zu Celerina hin lächelte sie ganz freundlich, als sie ihre nette Ansage bekam. “Oh. Dir hat man also schon erzählt, dass ich mich den Vestalinnen freiwillig anschloss? Ja, das tat ich. Die meisten freilcih werden durch ein Los erwählt“, erzählte Romana leutselig. “Verantwortung, ja, ich trage sie aber gerne für Rom und die Götter.“ In Romanas Augen glomm es leicht fanatisch auf. “In diesen Zeiten aber tut dies Not! Man sieht barbarische Kulte und peregrine Religionen nach Rom schwappen, und so viele Römer hängen bereits irgendeinem orientalischen oder keltischen Mist an! Am Schlimmsten sind ja die Christen. In meiner Position sehe ich mcih aber noch imstande, diesen Wahnsinn Einhalt zu gebieten! Jede Nacht opfere ich für Rom, auf dass die alte Religion erhalten bleibt. Denn sobald diese schwindet, sind wir dem Untergang geweiht.“ Dass Romanas Worte recht nach Superstitio klangen, war ja nichts Neues mehr. Immerhin konnte ihr niemand nachsagen, dass sie keinen Sinn für Tradtionen besaß.

    Menecrates schien zuerst ein bisschen erschrocken, doch Romana kannte ihren Vater. Er war für solche Scherze zu haben, natürlich, wenn man sie nicht zu weit trieb. Als Soldatenkind – und als solches bezeichnete sie sich sehr gerne – hatte vielleicht auch ein wenig vom Militärischen auf sie abgefärbt. Und nun war sie hier, ihren Vater umarmend, sich von ihm selber, vielleicht etwas linksich, umarmen lassend.


    “Du hat ganz richtig gehört. Ich habe es geschafft. Ich bin jetzt jemand.“ Sie war jetzt mehr wert als eine Aeditua, als eine Matrone, als eine einfache Senatorentochter. Sie war jetzt eine Vestalinnenpriesterin. Als ihr Vater ihr dann verkündete, dass er stolz war auf sie, ging ihr Herz ihr auf. Innerlich, das stimmte schon, war es nicht nur so, dass sie all dies für sich selber tat, für jenes Rom, nach dem ihr Vater sie einst benannt hatte, oder für die Göttin Vesta. Nein, auch für ihren Vater. Was hatte er denn sonst für Kinder? Versager. Romana hatte es weiter geschafft als all ihre anderen Geschwister, und das als Frau. Ja, darauf konnte man stolz sein.


    Sie verspürte seine Lippen auf ihrer Stirn, als er sie väterlich küsste, und ein wohliges Gefühl durchfuhr sie. Familie! Etwas Schöneres gab es doch nicht. Sie sollte erzählen? Gut, auch sie löste sich von ihrem Vater und setzte sich, wie angewiesen, in die Liege.


    “Nun. Meine Prüfung wurde abgenommen von Aurelius Corvinus und Flavius Gracchus. So ein Zufall, oder? Gracchus – ein ein bisschen seltsamer Mensch, sage ich dir – ist Antonias Ehemann, und Corvinus... wollte der nicht mal Deandra heiraten?“ Genaueres wusste sie nicht darüber, ihre Adoptivschwester war ihr immer fremd geblieben.


    “Auf jeden Fall, ich habe beim Tempel der Pax geopfert, und Gracchus hat meine Künste sehr gelobt. Hernach habe ich die beiden auch noch herumgeführt im Atrium Vestae“, plauderte sie über ihre Prüfung.

    Romana lächelte Celerina zu, als diese sie mit dem fachgerechten Titel ansprach. Die Flavierin wandte sich aber sofort wieder der älteren Germanica zu, um mit ihr über ihren entfernten Verwandten zu sprechen. Jungpolitiker schien er zu sein, aha, von denen rannten hunderte in den Straßen Roms herum.


    Doch bevor man noch mehr Worte verlieren konnte über den Flavier, begann Serrana plötzlich zu greinen. Irgendwas meckerte sie, von wegen, dass Laevina sie behandelte wie ein Kind. Romana blinzelte verblüfft, als sie sah, dass Serrana und Lavina sich gegenseitig ankeiften. Tief holte die Claudia Luft und rief, brüllte fast schon: “RUHE!“ Mit einem etwas leiserem Tonfall fuhr sie fort: “Still, ihr beiden. Seht ihr das heilige Feuer nicht? Seht ihr nicht, dass ihr euch in einem Gebäude befindet, dessen häuslicher Frieden unantastbar ist, der nicht durch Streit dekonsakregiert werden darf? Ich will kein Gekeife hier mehr hören, sonst werfe ich euch beide höchstpersönlich raus.“ Ein warnender Blick traf die nun von einer Vestalin öffentlich ermahnten Matronen Serrana und Laevina – was eigentlich eine ziemliche Blamage war. Aber auch so sehr die beiden sich streiten konnten – schließlich war das nicht ihr Brot! – hatte so etwas nicht hier zu geschehen, nicht in ihrem Tempel! Sie würde nie und nimmer zulassen, dass die Pax Deorum durch irgendeine unverarbeitete Enkel-Großmutter-Beziehung gestört wurde.


    Was die Heiraten anging, nickte Romana nur leicht – ja, Calliphana und Centho hatten geheiratet, und ja, sie würde nicht heiraten. Flavia Celerina war, soviel sie selber wusste, die Gattin des Pontifex Aurelius Corvinus, das hatte Calvena ihr erzählt, aber das würde sie nicht selber sagen, Celerina würde das selber sagen können.

    17 Jahre war sie also. Romana betrachtete Narcissa, wie eine Wissenschaftlerin ein interessantes Studienobjekt inspizieren würde, wie ein Mediziner, der einen sezierten Frosch beäugt. Zur Unterstreichung eben dessen fuhr sie sich mit der rechten Hand ans Kinn, setzte Zeigefinger und Daumen dran an, und begann ganz leicht ihr Kinn zu reiben. Es hätte nicht mehr viel gefehlt, und sie hätte ihr linkes Auge vor lauter Konzentration zugekniffen. 17 Jahre, nicht einmal viel jünger als Romana selber. Als sie einen Pontifex ins Spiel brachte, begann Romana zu nicken. “Wenn es ein Pontifex sagt, wird der Kaiser vielleicht darauf hören. Dispense werden vergeben. Und ohnehin hat der Kaiser einiges an religiöser Macht an die Pontifices... devolviert.“ Devolution mochte der richtige Ausdruck sein, Abwälzung. Als ob sich der Kaiser von einer riesigen Last befreit hätte. Romana selber liebte den Kaiser über alles, aber hie und da kam sie nicht umhin, sich zu fragen, was an den Worten wahr war, die Flavius Gracchus einst geäußert hatte. Der Pontifex Maximus sorgte nicht mehr um seine Kinder. Aber... das war unmöglich, nein. Der Kaiser liebte sie! Nur war er noch immer krank... krank, seitdem Romana aufgenommen worden war.


    Schließlich stellte sich die Aspirantin auch vor, und Romana hob beide Augenbrauen. Aurelia Narcissa, eine Aurelia. Jetzt wusste sie, wer der Pontifex war. “Ah. Dann sprachst du vorhin gewiss über Pontifex Aurelius Corvinus. Er hat meine Priesterprüfung abgenommen, gemeinsam mit Pontifex Flavius Gracchus. Ein netter Mensch“, machte sie pflichtschuldigst, obwohl sie eigentlich gar nichts über ihn wusste, außer, dass er sie bestehen hatte lassen. “Wer ist dann dein Bruder?“, wollte sie wissen.


    Mit einem neugierigen Lächeln auf ihren Lippen erwartete sie Narcissas nächste Antwort, doch als sie diese herausstammelte, verebbte dieses. Romana blickte Narcissa ungläubig an. “Du hoffst nicht? Was willst du damit sagen?“, rief sie aus im Tonfall einer Frau, die ihr komplettes Glück im Dienst an der Vesta gefunden hatte, und gar nicht verstand, warum andere das nicht wollten. Dann seufzte sie. “Ich verstehe. Du hast überhaupt keine Lust, nach den Regeln unserer Schwesternschaft zu leben. Im Partikulären bedeutet das, du willst lieber einen Mann haben, es mit ihm treiben, und Kinder kriegen. Stimmt das?“, wollte sie wissen.


    Die nächste Frage war hingegen leicht. “Eine der Sacerdotes, Hortensia Calpetana, hat nach ihren 30 Jahren Dienst den Kult verlassen“, machte sie. Um ehrlich zu sein, konnte sie es ihrer vormaligen Lehrerin kaum missgönnen – die Arme hatte an einer Krankheit zu laborieren, die sie nicht mehr dazu befähigte, ihren Dienst fachgerecht auszuführen.

    Ntürlich hätte Romana sehr vehement widersprochen, hätte die Aurelia ihre Präkonzeptionen ihr gegenüber geäußert. Da sie das aber nicht tat, blickte sie nur weiterhin neugierig die junge Frau an. Und da hörte sie auch schon, was dem Mädchen auf dem Herzen lag – und wusste sofort, ihre Intuition, dass sie hier nachhaken sollte, hatte ihr recht gegeben. Vor ihr stand eine potentielle zukünftige Vestalin!


    “Vestalin also willst du werden“, murmelte Romana. “Beziehungsweise deine Familie will, dass du Vestalin willst. Ah...“ Ein kurzer taxierender Blick wurde auf Narcissa geworfen. “Aber... wie alt bist du denn?“, fragte Romana verwirrt, wusste sie doch, dass es selten war, dass Jungfrauen über 10 Jahre aufgenommen wurden. Nun gut, 15 war noch vorstellbar, bei ihr war das auch so dank kaiserlichem Dispens gewesen, aber die hier war gewiss älter!


    Die Frage der Frau gab ihr selber zu denken. Zeichen oder Zufall? “Das Göttliche ist immer und überall“, antwortete sie ausweichend und blickte der jungen Frau vor ihr in die Augen. Wurde sie etwa auf den Arm genommen? Nein, unmöglich. Dieser Zufall war zu groß, als dass er zu fassen wäre. Wobei, vielleicht wurde es gerade in Rom en vogue, dass man alle junge Mädchen zu den Vestalinnen schicken wollte?


    “Also wirst du vielleicht den Platz ausfüllen, der gerade vakant geworden ist. Hmm. Dann wirst du vielleicht neue Vestalinnenschülerin. Ich denke, auf jeden Fall sollte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin Claudia Romana, Priesterin der Vesta, und wie heißt du, wenn ich fragen darf?“

    Vestalinnen  (Stand: 10.02.2021)


    - derzeit vakant -


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    Decima Messalina


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    Claudia Romana (In Exilium)


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    Papiria Occia *NPC


    Papiria Occia ist wegen ihrer liebevollen, mütterlichen und nahbaren Art vor allem bei jüngeren Vestalinnen sehr beliebt. Auch ihr Wissen ist sehr groß, was sie vor allem bei der Ausbildung eindrucksvoll unter Beweis zu stellen weiß.


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    Lartia Restituta *NPC


    Lartia Restituta ist eine junge Vestalin, die an massiven Schlafstörungen leidet und die ganze Zeit immer unausgeschlafen scheint. Sie ist eher schüchtern und zurückgezogen, und verlässt nur sehr selten das Atrium Vestae.


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    Valeria Maximilla


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    Tiberia Caerellia (In Exilium)


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    Vorsichtig blickte Romana herum, und die Blicke, die die Gewächse im Atrium trafen, waren allesamt erfreute. Sie sahen viel besser aus. Irgendjemand schien sich um sie gekümmert zu haben. Alles in allem machte das Atrium einen viel weniger gelblich-welken Eindruck als das letzte Mal, vielmehr spross nun Grün aus den Töpfen. Romana lächelte.


    Summ. Eine Fliege setzte sich auf Romanas Arm. Die Vestalin versuchte sie zu erschlagen, aber sie endete damit, sich selber auf den Arm zu schlagen, ohne irgendetwas zu treffen. Frustriert ließ sie es sein, auch wenn sie persönlich fand, es ging nicht an, dass eine Fliege eine Claudie belästigte. Wo waren denn die Sklaven mit den Fliegenprackern, wenn man sie brauchte?


    Doch die Belästigung durch nervige Kerbtiere war plötzlich vergessen, als sie die Stimme ihres Vaters hörte. Romana, ja, das war sie. Mit einer fließenden Bewegung erhob sie sich von der Kline. “Die ehrwürdige Sacerdos Vestalis Claudia Romana!“, donnerte sie streng in der Nachahmung ihres Liktors, bevor sie aufjauchzte. “Vater!“ Dem armen Menecrates stürzte seine freudige Tochter entgegen, die den alten Senatoren ganz unvermutet umarmte und einen Kuss gab.


    “Wie schön es ist, dich zu sehen!“ Etwas schamvoll stellte sie fest, dass sie gar nicht mehr wusste, wann sie das letzte Mal hier gewesen war – vor ihrer Priesterprüfung wohl. “Ich habe gute Neuigkeiten. Ich habe meine Prüfung bestanden – jetzt bin ich keine Vestalinnenschülerin mehr, sondern eine Vestalinnenpriesterin!“ Sie strahlte ihren Vater an. Sicher würde sich jener für sie freuen!

    Der Türsklave hatte die Claudia naturlich sofort durchgelassen, nachdem sie sich bei ihm angemeldet hatte. Denn obwohl sie nicht mehr der Patria Potestas ihres Vaters unterstand, sondern des Kaisers, gehörte sie, einmal vom Namen und von der Biologie her, zu der claudischen Familie. Und deshalb hatte sie auch die Pflicht, hie und da hineinzuschauen, was sie leider in letzter Zeit etwas verbasäumt hatte. Schließlich hatte sie aber auch beileibe genug zu tun gehabt! Ihre Prüfung, die Vestalia, das Anrennen gegen Vescularius, jetzt brauchte sie einmal ein bisschen freie Zeit zum Atmen. Und zu diesem Zweck würde sie zu ihren Wurzeln zurückgehen.


    Angekleidet mit ihrem Ordensornat, der weißen Tunica, Stola und Palla, jedoch die Infulae außen vor lassend, war sie in das Atrium getreten und blickte sich um. War denn niemand hier? “Vater?“, rief sie vorsichtig. Nun, wenn er nicht hier war, würde er gleich kommen. Denn schließlich war schon von der Türe her ein Sklave geschickt worden, um ihren Vater zu suchen und sie anzukündigen. Ihr Vater würde doch sicherlich kommen? Schließlich war es leider nicht alle Tage, dass er Romana sah, wohnte diese doch im Atrium Vestae. Als Discipula hatte sie nur selten Ausgang bekommen, aber jetzt, als Sacerdos, hatte sie mehr Freiheiten. Prinzipiell hätte sie auch ohne ihre Ordenstracht kommen können, aber sie hatte sich mittlerweile schon daran gewöhnt – und im Grunde war Romana ein Gewohnheitstier.


    Sie setzte sich also auf eine Liege und wartete.

    Der Flavier schien etwas agaen zu wollen. Oder doch nicht? Nein, er sagte nichts. Wird schon nicht so wichtig gewesen sein, wenn er nichts sagt, dachte sich Romana und schenkte der Miene des stellvertretenden stellvertretenden Pontifex keine Beachtung mehr. Nur war es nun sie, dass sie nun damit zu Ende waren, das Lararium gesehen zu haben. Sie nickte, gab den beiden Pontifices einen Wink und ging mit ihnen weiter bis zum Tablinium, das schöne Lararium nicht einmal zum Abschied noch einmal anschauend, kannte sie es doch zur Genüge von anderen Okkassionen her, welche natürlich stets ritueller Natur waren.


    So schritt die Vestalin mit langsamen, sie durch ihre Länge jedoch hurtig weiterbefördernden Schritten durch die Gänge, bevor sie an die Tür zum Tablinium anklopfte. Kurz wartete sie. “Hmm. Pomponia scheint nicht hier zu sein. Pomponia Pia, die Obervestalin“, erklärte sie den beiden Männern, als ob diese das nicht selber wüssten. “Wir reden uns nämlich alle mit unseren Gentilnomina an. Ich weiß auch nicht, wieso“, meinte sie, als sie die Türe aufmachte. “Dabei sind wir doch eine Schwesternschaft von Töchtern des Kaisers, solch eine formelle Anrede ist doch nur an öffentlichen Plätzen angemessen. Nun ja, die Obervestalin besteht darauf.“ Sie hielt inne, als sie merkte, dass sie wohl zum Plappern angefangen hatte, was ihr eigentlich gar nicht ähnlich sah. Aber sie freute sich noch immer so über ihre Erhebung zu einer Vollvestalin, dass sie von einer geradezu mädchenhaften Fröhlichkeit war.


    Das Tablinium war eine sehr aufgeräumte Räumlichkeit, mit sehr geschmackvollem Mobiliar, von denen vor allem der Schreibtisch hervorstach. “Dies hier ist der Schreibtisch der Virgo Vestalis Maxima.“ Sie deutete drauf, und war froh, dass die Obervestalin offenbar noch aufgeräumt hatte, sodass sich den Pontifices ein Bild an Ordentlichkeit erschloss. “Ihr fragt euch sicherlich, wozu die 6 Türen gut sind.“ Denn an den Seiten, also nicht bei der Vorderwand, wo die Eintrittstür war, und nicht an der Hinterwand, wo ein großes Fenster das Zimmer erhellte, befanden sich 6 Türen. “In den Räumen befinden sich weitere Schreine, sie werden jedoch nur selten benutzt.“ Sie öffnete eine Türe, um den Blick auf einen Foculus, auf dem aber kein Feuer brannte, zu eröffnen. “Sonst gibt es nicht mehr viel zu sehen.“

    Wieso sah die andere so verwirrt aus? Als ob sie nicht eine Vestalin, sondern eine Außerirdische sähe, oder gar eine Halbgöttin. Nicht, dass sich Romana gänzlich ungeschmeichelt fühlen würde, würde dieser Vergleich gezogen werden, aber der Claudia kam die ganze Situation etwas abstrus vor. Gut, sie erwartete Respekt vor ihrer Stellung als Vestalin. Aber gleich dieses Ausmaß an, ja, fast Furcht, welches sie bei der Patrizierin sah? Eigenartig, eine Vestalin war kaum eine Person, vor der besondere Gefahr ausging.


    Was die sichtlich Konfuse nun von sich gab, trug auch nicht gerade dazu bei, dass Romana sich besonders im Klaren über die Situation fühlte. “Öh.“ Verwirrt? Was war an ihr verwirrend. Vielleicht der Umstand, dass du der riesigste Trampel bist, der hier rumläuft, und vielleicht, weil du deine hochheiligen Klamotten anhast, ätzte eine innere Stimme in ihr. Seltsamerweise, denn sie war auf ihren Beruf und in einer eigenartigen Weise auch auf ihre Größe stolz, doch in ihrem Unterbewusstsein gab es eine Seite, die immer versuchte, sie herabzuziehen.


    Aber aus den Worten der jungen Frau vor ihr konnte sie deutlich zwei Sachen herausdestillieren. Erstens, verwirrt, zweitens, jetzt. Sie sollte sie jetzt eigentlich in Ruhe lassen, aber ihre Neugier siegte. “Du bist verwirrt, eine Vestalin jetzt zu treffen... du wärst wohl weniger verwirrt, wäre es ein anderes Mal gewesen?“ Sie legte ihren Kopf leicht schief.