Irgendwo ging ein Licht an. Marei schrie immer noch, aber man konnte schon die Erleichterung darin hören. Jemand wird ihr helfen. Sie mußte es nun nicht mehr alleine durchstehen. Schon fühlte sie sich sicherer, obwohl sich das Untier nun jenseits der Tür aufhält. Denn das hier war bestimmt eine Sache für Erwachsene und nicht für achtjährige Mädchen. Ein Gesicht erschien an der Tür und schaute verschlafen in den Flur. "Was ist denn mit dir?" murmelte es verschlafen. "Ein Ungeheuer! Im Bad!" "Du träumst bestimmt noch, mein Mädchen!" beschwichtigte die Person, schließlich kannte sie auch die Zeit, bei der die Grenze zwischen Realität und Traum noch sehr dünn war. "Was ist denn los?" rief nun auch eine weitere Stimme aus dem Zimmer. "Das Mädchen träumt mit offenen Augen!" rief die erste Frau über die Schulter. "Schon wieder?" Blöde Erwachsene, dachte Marei. "Das ist kein Scherz! Hört ihr es denn nicht?" schrie Marei. Ihre Stimme überschlug sich. "Er wird uns alle töten!"
Jetzt erschien auch die zweite Frau an der Tür. "Ach Marei, geh wieder..." setzte sie an und in diesem Moment splitterte die Badezimmertür. Die Pranke krachte durch die Tür, drehte sich, packte die angebrochenen Seiten und riss daran, um das Loch zu vergrößern. Leichenblass und starr vor Schrecken sahen die Frauen diesem makabren Schauspiel zu. Marei schrie wieder, denn das Loch vergrößerte sich und der Kopf schob sich durch die Tür. Die Schulter folgten und das Biest lachte. Lachte und knurrte. Marei war sich sicher, falls sie das überleben sollte, würde sie sein Lebtag nicht mehr vergessen. Jetzt schrie auch die erste Frau, die zweite stand immer noch leblos in der Tür und Marei fragte sich, wann sie sie wohl retten wollten. "Helft mir doch!!" rief sie verzweifelt. "Helft mir doch!! Cimoon!!" Jetzt bewegten sie sich endlich. Ihr dunkler Freund würde sie retten kommen! Da spürte sie plötzlich einen heißen Schmerz! Marei blickte ruckartig über die Schultern. Das Biest war durch die Tür gekommen und hatte seine Krallen in Marei's Bein geschlagen. Das Untier grub seine Klauen noch tiefer ins Bein und mit der anderen holte er soweit aus, mit der Absicht das Mädchen im Genick zu treffen. Jetzt! Jetzt werde ich gleich sterben... gleich ist es vorbei. dachte das Mädchen und sah den behaarten Arm. Sah ihn auf sich zukommen. Immer näher... immer näher...
Marei wachte auf. In ihrem Bett. Unter der Decke. Schweißgebadet. Ihr Schlafkleid war klamm. Sie zitterte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Benommen blickte sie auf den Stand des Mondscheins. Es war mitten in der Nacht. Es war nur ein Alptraum. Es war nur ein Alptraum, dachte Marei erleichert. Ein Traum. Ihre Mam hatte es ihr einmal erklärt. Wenn man tagsüber etwas Aufregendes erlebte, verarbeitete es das Gehirn dann in der Nacht. Nur stimmen dann manche Dinge nicht. Wie das es Ungeheuer gab. Ach ja! Marei lachte erleichtert auf. Das war ein Ding! Das Sklavenmädchen saß im Bett und lächelte vor sich hin. Sie keuchte noch ein bisschen, war noch aus der Puste. Was für ein Alptraum! Ob sie zur Sicherheit zu Cimon ins Bett schlüpfen sollte? Nur zur Sicherheit? Schließlich ist man auch mit acht noch nicht zu alt um sich an den besten Freund zu kuscheln. Erst recht nicht nach solch einem Traum. Marei schwang ihre Beine aus dem Bett und zündete eine Kerze an. Keine unnötige Rücksichtnahme mehr. Und wenn die anderen aufwachen? Pech!
Die Kerze erhellte das große Zimmer und vertrieb auch den letzten Schatten. Sie schaute sich nochmal sicherheitshalber um. Hinten in der Ecke. Nichts! Unter dem Bett? Auch nichts! Na bitte! Marei ging an die Tür, drückte sie auf und spähte in den Flur. Auch nichts. Ihr Bauch beruhigte sich ein bisschen. Aber nur ein bisschen. Sie verspürte noch ein dumpfes Ziehen. Kein Wunder, dachte Marei, schließlich bin ich ja eben erst aufgewacht! So schnell geht das auch nicht weg. Langsam ging sie den Flur hinunter. Da hinten lag das Schlafzimmer der Männer. Sie dachte an die sichere Wärme ihres großen Freundes unter der Decke. Sie verspürte einen bekannten Druck im Unterleib. Jetzt? Jetzt auf Toilette? Marei schüttelte sich. Unschlüssig stand sie im Flur und schaute zur Toilettentür. Ach was soll`s! War ja nur ein Traum gewesen. Sie drehte sich um und ging schnurstracks durch den Flur, öffnete die Tür und betrat pfeifend das Badezimmer. Ihr Pfeifen klang heute besonders falsch und nicht so laut wie sonst. Eher zittrig. Marei ließ gegen alle Gewohnheit die Tür offen, durchquerte den Raum, stellte die brennende Kerze ab und stellte sich vor die Schüssel. Plötzlich lachte sie über sich selbst. Herr, was bin ich mutig. Ihr Lachen klang befreiend. Sie kicherte sogar dann noch, als sie ihre Unterhose runterzog um sich zu erleichtern. Kicherte und schüttelte über sich selbst den Kopf. Und hinter ihr drang eine Pranke durch den Spiegel...