Besagte Tante Laevina, die sich unter normalen Umständen durchaus für einen ausgeglichenen und entspannten Menschen hielt, war dieser Tage ungemein schlecht gestimmt. Das kurze Hochgefühl, ausgelöst durch die allgemeine Aufregung rund um die Ermordung des Kaisers, war einem schwelenden Grollen auf alles und jeden und vor allem auf ihren Schwiegergroßneffen Valerian gewichen. Sie, eine ehrwürdige Matrone Roms, Mutter dreier Kinder, mehrfache Groß- und inzwischen sogar Urgroßmutter, mitten in der Öffentlichkeit festzusetzen und gegen ihren Willen nach Hause zu schleppen wie einen Sack Mehl, ja konnte es denn eine größere Kränkung und Beleidung geben? Natürlich nicht! Hinzu kam, dass das ignorante Pack in diesem Haus, das sich Familie nannte, bislang noch nicht das kleinste bisschen Verständnis für ihre Situation aufgebracht hatte, wie auch, hatten sich doch vermutlich alle unter ihren Betten versteckt, als zum ersten Mal das Wort "Ausnahmezustand" gefallen war. Ja, Laevina ahnte schon seit langem, dass sie das einzige lebende Mitglied ihrer Gens mit echten Eiern war, aber was nutzte ihr das? Nichts, natürlich. Ach, das Leben war so ungerecht....
In diese und ähnlich positive Überlegungen war die alte Germanica vertieft, als es plötzlich an ihre Tür klopfte, etwas, was sich in den letzten Tagen kaum jemand getraut hatte.
"WAS?" bölkte eine nicht allzu zarte und feminine Stimme, und lud den wagemutigen Besucher auf diese Weise zum Eintreten ein.
Beiträge von Germanica Laevina
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Leider hatte der Biss in den Urbaner-Arm nur kurzfristige Besserung für Laevinas Laune gebracht, denn als der kleine Tross endich die Casa Germanica erreichte, hatte diese bereits unterirdische Bereiche erreicht. Was für eine unendliche Demütigung: erst durch die halbe Stadt auf dem Rücken eines Soldaten geschleppt um dann an der eigenen Haustür von einem dumm feixenden Verwandten in Empfang genommen zu werden, der sich in keinster Weise für sie und ihre Belange einsetzte....
Kaum hatten die Füße der alten Germanica den sicheren Boden wieder erreicht, da ordnete sie mit zwei schnellen Bewegungen Stola und Palla, blaffte dem seit Monaten nicht mehr gesehenen Aculeo ein "Geh mir aus dem Weg, du Schwachkopf." entgegen und marschierte dann an ihm und Calvenas Sohn vorbei ins Haus, ohne die Anwesenheit ihres Schwiegergroßneffen und seiner Männer noch in irgendeiner Weise zu Kenntnis zu nehmen. Quadrata hingegen zögerte noch, ihrer Herrin sofort zu folgen, die Ereignisse der letzten Stunden hatten die alte Sklavin sichtlich überfordert und ein zittriges Bündel aus ihr gemacht. -
Germanicus Umbricius....Laevina war professionell genug, um ihren schicksalsergebenen Gesichtsausdruck beizubehalten, obwohl sie stark versucht war, mit den Augen zu rollen. Noch so ein antriebsloses Geschöpf, das sich eine zeitlang auf Kosten der Familie durchs Leben geschlunzt hatte wie schon so viele vor ihm. Wirklich erinnern konnte sie sich nicht mehr an diesen Verwandten, war das nicht der gewesen, der so eine offensichtliche Schwäche für ihre ewig betende Haselmaus von Enkelin gehabt hatte? Falls ja, dann war er immerhin so freundlich gewesen, sich nicht als einer ihrer, Laevinas, Enkel auszugeben, so wie dieser Schmarotzer vor einigen Jahren, dessen Namen sie so schnell wie möglich wieder vergessen hatte.
"Nun, wenn es unser untadeliges Rechtssystem es so will, dann werde ich das Erbe dieses unglücklichen jungen Mannes natürlich ebenfalls annehmen, Flavius." nickte Laevina bedächtig und scheinbar nach einigem Zögern, während sie in Gedanken bereits Möglichkeiten für die nächste Einkaufstour durchging. Dreihundertunddreißig Sesterzen, das war schon erstaunlich viel für ein inaktives Faultier wie den verblichenen Umbricius und bot einige Alternativen.
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"Meine Gelegenheit wofür?" fauchte Laevina, während sie weiter vor sich hin zappelte und fieberhaft nach einer effektiven Maßnahme gegen den Trampel unter ihr suchte. "Mich im Haus hinter geschlossenen Türen zu verstecken wie der gemeine Pöbel, nur weil einmal in dreissig Jahren ein etwas festerer Wind weht in Rom? Das mag ja vielleicht in der Natur eines Quintiliers liegen, aber wir Germanici sind nicht so erbärmlich! Und du...." der Blick der alten Germanica traf nun unerbittlich den ihrer altgedienten Leibsklavin, die sich soeben kampflos den Krückstock hatte abnehmen lassen. Kampflos, nicht zu fassen! "....du taugst scheinbar nicht einmal mehr zu den einfachsten Handlangerdiensten, sobald mich dieser Schwachkopf hier wieder losgelassen hat, werde ich dich verscherbeln, Quadrata, hast du das gehört? Als Sonderangebot an ein vergammeltes Lupanar in der Subura, wo du bis zu deinem Lebensende den Glibber vom Boden wischen wischen kannst, bis dir die Arme abfallen oder an einen Steinbruch. Na, würde dir das gefallen?" Unfassbar, diese Undankbarkeit! Jahrzehntelang hatte Quadrata bei ihrer Herrin ein gemütliches Leben führen dürfen, und dann so etwas....
Laevina hatte zum letzten Mal eine derartige Mordlust empfunden, als sie die Schwangerschaft ihrer noch unverheirateten Tochter und den dazugehörenden Urheber entdeckt hatte, und so wand und reckte sie sich so lange, bis sie an dem gepanzerten Körper ihres Trägers mit viel Mühe endlich mit dem Kopf in die Nähe eines unbekleideten Stückchens Arm gekommen war und so kräftig wie möglich hinein biss. Ah, das tat gut! -
Vermutlich bewahrte der Überraschungsmoment den jungen und eifrigen Tiro vor größeren körperlichen Schäden, denn Laevina reagierte derart fassungslos auf die Inbeschlagnahme ihres geliebten Krückstocks und die Befehle ihres Schwiegergroßneffen, dass sie sich bereits in luftiger Höhe befand, bevor die ganze Tragweite dieser Ungeheuerlichkeit wirklich zu ihr durchgedrungen war. Dann allerdings auch mit aller Macht.
"Lass mich sofort runter, du räudiger Sohn eines Schweinebauern!" bellte sie, für den Augenblick ihrer so geschätzten Selbstdisziplin zur Gänze beraubt, und versuchte sich mit aller Macht aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sich auf der Schulter des jungen Mannes windend wie ein Aal, drehte sie den Kopf in alle Richtungen, bis sie schließlich den wahren Urheber ihrer aktuellen misslichen Lage ausgemacht hatte.
"Und du.....das du dich nicht schämst, Quintilius.....!"brüllte sie mit einem Stimmvolumen, das jeden Militärausbilder neidisch gemacht hätte. "Sowas hab ich gern, den Kaiser verrecken lassen und sich dann an wehrlosen alten Frauen vergreifen und die dann auch noch vor aller Leute Augen berauben und schikanieren! Eine tolle Truppe seid ihr, wirklich grandios! Und jetzt sag deinem Lakaien, er soll mich sofort wieder runterlassen, du Möchtegern-Sulla, sonst wirst du mich kennenlernen, das schwöre ich dir!" Laevina schnappte lautstark nach Luft und wehrte sich weiter gegen ihre recht aussichtslose Lage, dann fiel ihr Blick auf ihre alte Leibsklavin. "Und du gibst mir sofort meinen Stock zurück, Quadrata, aber zack zack!" Quadrata, die zitternd wie Espenlaub auf ein und der selben Stelle stehengeblieben war, sah entgeistert und todunglücklich zwischen ihrer Herrin, dem Quintilius und dem Krückstock hin und her und hob diesen ganz langsam allmählich in die Höhe. Fünzig Jahre konsequente Konditionierung waren halt doch nicht innerhalb weniger Minuten einfach auszulöschen. -
Zitat
Original von Lucius Quintilius Valerian
Er selbst führte einen dieser Zehnertrupps und fing an, den Rand des Geschehens aufzuräumen. Dabei stolperte er fast über Germanica Laevina und ihre Sklavin. "Germanica! Was um aller Götter Willen hast Du hier zu suchen? Geh nach Hause, sofort!" Die Alte hatte wohl einen Knall, hier herumzustehen! Dabei hatte sie auch noch diesen überaus zufriedenen Gesichtsausdruck, als würde sie so etwas wie Angst überhaupt nicht kennen. Im Gegensatz zu anderen Frauen, teils sogar mit kleinen Kindern auf dem Arm, die sich verängstigt an Häuserwände drückten und offenbar nicht wußten, wohin sie sich wenden sollten, um unbeschadet hier herauszukommen.Ja, Laevina genoss das Chaos, den Trubel und die allgemeine Panik tatsächlich, zumindest bis zu dem Moment, als sich einer dieser hohlbirnigen Uniformträger vor ihr aufbaute, ihr die komplette Sicht nahm und sie dann auch noch anbölkte. Derart empört war die alte Germanica über diese Art der Ansprache, die sie selbstverständlich bei gegebenem Anlass (und der ergab sich seeeehr häufig) jedem anderen Mitmenschen zukommen ließ, aber auf sich selbst bezogen absolut indiskutabel fand, dass sie besagten Centurio erst einige Sekunden später wirklich erkannte.
Unnötig zu erwähnen, dass das Laevinas Stimmung in keinster Weise hob, im Gegenteil."Ich hab mich wohl verhört, Quintilius Valerian!" antwortete sie mit einer ausgesprochen scharfen Version ihrer Stimme, die schon unter normalen Umständen nicht wirklich warm genannt werden konnte und funkelte ihr Gegenüber an. "Ich bin eine freie Bürgerin Roms und stehe hier, weil es mir so passt. Und hüte dich gefälligst, mir irgendwelche Befehle zu geben. Das kannst du daheim mit deiner Frau machen, falls die sich das gefallen lässt!" Einmal, aber dafür recht lauststark knallte Laevinas Krückstock auf den Boden, während Quadrata an ihrer Seite zusammenzuckte, und dem jungen Centurio einen entschuldigenden Blick zuwarf. Sie persönlich war nämlich ungemein erleichtert über dessen Erscheinen und hoffte, bald wieder in die Sicherheit der Casa Germanica zurückkehren zu können.
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"Ach, ist das herrlich. Nun sag doch, Quadrata, ist das nicht herrlich? Hach, was bin ich froh, dass ich mich doch noch entschieden habe zum Markt zu gehen, was wäre mir sonst alles entgangen. Du nicht auch?" sagte ein Stück von der allmählich unruhig werdenden Menschenmenge entfernt eine alte Frau zu einer anderen. Die Angesprochene, deutlich einfacher gekleidet als die Sprecherin und offensichtlich deren Bedienstete wirkte um einiges unentspannter als die Andere und nickte nur stumm, mit weit aufgerissenen Augen zu den sich zusammenballenden Massen hinübersehend und sich ein wenig enger an ihre Herrin herandrückend.
"Nun sei aber mal nicht albern, Quadrata, altes Mädchen, uns passiert schon nichts, solange wir uns achtsam benehmen und die Ohren und Augen aufhalten. Das ist überhaupt das wichtigste: aufpassen, dass einem nicht das geringste entgeht, jedes Detail kann in so einer Situation zukunftsweisend sein, lass dir das gesagt sein, Quadrata! Hach, wer hätte gedacht, dass ich altes Weib noch mal einen Kaiserwechsel mitbekomme, und dann noch so einen interessanten," fuhr die alte Dame mit leuchtenden Augen fort und klopfte vergnügt mit ihrem Krückstock auf das Straßenpflaster, während um sie herum der Tumult merklich zunahm. "Naja, zugegeben, der Kaiser war ein schlapper Sack, aber das er gleich so abtritt, damit konnte man doch nun wirklich nicht rechnen. Wer das wohl war? Ach, wir werden es schon erfahren, Quadrata, irgendwann werden sich die jenigen schon zu erkennen geben. Dann wird es spannend, Quadrata, das sag ich dir. Ein Hauen und Stechen und nur der mit dem meisten Biss wird sich letzten Endes durchsetzen und sich wieder in kaiserlichen Purpur hüllen. Ach, ist das herrlich...." Während sich der Kommentar der zitternden Sklavin in einem unverständlichen Gemurmel erschöpfte, schien die andere Frau für einen Moment lang ganz weit weg zu sein und ihre Augen leuchteten erneut auf. "Weißt du, was sogar möglich wäre, Quadrata? Dass wir endlich mal wieder einen Imperator mit richtigen Eiern kriegen! So wie Vespasianus damals, nachdem sie Vitellius, diesen Schwachkopf, an einem Haken durch Rom gezogen und in den Tiber geworfen hatten, erinnerst du dich noch? Ach, das waren noch Zeiten damals, aber das hier, das ist auch nicht schlecht. Wir bleiben auf jeden Fall noch länger hier, keine Diskussion, Quadrata..." -
"Ja, in der Tat, und uns Sterblichen bleibt nur, uns dem göttlichen Willen zu unterwerfen." beantwortete Laevina das doch recht professionelle Salbadern des Flavius mit dem gebührenden Maß an Schicksalsergebenheit und frommer Inbrunst in der Stimme. Sie vertrat eine ganz eigene Meinung zum Wert und Nutzen der Götter für die Allgemeinheit, hatte jedoch nicht die geringste Absicht, den ihr bislang noch wohlgesonnenen Staatsdiener zu verprellen, zumal dieser scheinbar gerade auf dem besten Wege war, ihr Alters-Geldsäckel ein wenig zu befüllen.
"Meines Wissens nach ist aus der Linie meines Schwiegervaters mittlerweile niemand mehr am Leben, so traurig das auch klingen mag." bekräftigte sie die Vermutung des jungen Mannes und überschlug in Gedanken bereits, wieviel ein Armeeangehöriger wohl zu vererben hatte. Vermutlich nicht allzuviel, aber Kleinvieh machte bekanntlich auch Mist, und als alleinstehende alte Frau musste man schließlich sehen, wo man blieb!
Sim-Off: Laevina wird simOn natürlich liebend gern jegliches Erbe an sich raffen, simOff müsste das dann jedoch an einen anderen gehen, da sie kein WiSim-Konto besitzt
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"Es gibt keinen Grund sich dafür zu bedanken, wie ich bereits schon einmal sagte." erwiderte Laevina abwinkend und erhob sich nun ebenfalls. Natürlich hätte sie sich in Grund und Boden geärgert, wenn der junge Mann ihre Gesprächsbereitschaft als Selbstverständlichkeit betrachtet und sich nicht gebührend bei ihr bedankt hätte, aber diese Gefahr war ja inzwischen bereits mehrfach gebannt und die alte Germanica ausreichend gebauchpinselt, um diesen Besuch gutgelaunt und entspannt zu beenden. "Das kann ich gern tun, allerdings wird es wohl deutlich leichter zu realiseren sein, mich in der Casa Germanica anzutreffen als dich im Haus deiner Familie. Mögen die Götter dich bei deinem Dienst für unser Reich behüten, Decimus, aber gib ebenso selbst auf dich acht, denn Fortuna macht auch vor Pflichtbewusstsein und Mut nicht halt, diese Lektion habe ich in der Vergangenheit lernen müssen. Quadrata hier wird dich zur Porta geleiten, soll ich dir noch ein paar Sklaven für den Heimweg mitgeben?" Letztere Frage war natürlich rein rhetorisch, denn ein Soldat, der sich von Bediensteten eskortieren ließ, hätte in Laevinas Augen schlagartig einiges an Glaubwürdigkeit verloren. Schade eigentlich, dass sie keine weitere Enkeltochter zu verheiraten hatte, aber vielleicht war der Decimus ja lange genug bei seiner Classis beschäftigt, bis ihre Urenkelin alt genug war....
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QuadrataNachdem Quadrata den gewünschten Germanicus über seinen Besucher informiert hatte, kehrte sie zur Porta zurück und öffnete diese nun ganz.
"Der Senator wird deinen Herrn im Oecus empfangen. Wenn du mir bitte folgen würdest..."
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QuadrataDa der Senator immer ein wenig unwirsch auf Quadratas Blitzanmeldungen zu reagieren schien, wartete sie heute ganze drei Millisekunden länger als sonst, bevor sie nach dem Anklopfen den Kopf durch seine Bürotür steckte. "Dominus, ein gewisser Iulius Proximus hat ein Anliegen an dich, er wartet im Oecus." Sprachs und verschwand wieder, um endlich in Ruhe an oberster Stelle Bericht erstatten zu können.
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Quadrata"Nimm doch bitte Platz, Senator Germanicus Sedulus wird jeden Augenblick hier sein." verkündete Quadrata, nachdem sie den iulischen Hausgast in den Oecus geführt hatte. "Kann ich dir noch irgendetwas bringen lassen? Etwas zu trinken vielleicht?"
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"Germanicus Ocrea ist tot, sagst du?" hakte Laevina mehr der Form halber nach, und ihr Gesichtsausdruck wechselte blitzschnell von höflich interessiert zu überrascht betrübt. "Wie launisch das Schicksal doch ist, dass es die jungen Triebe vom Baum reisst und die alten und mittlerweile nutzlosen Äste stehen lässt, aber darauf haben wir Sterblichen ja leider keinen Einfluss." Ein ausgesprochen passendes und hübsches Bild, wenn man mal davon absah, dass Laevina mehr als zufrieden damit war, dass es an ihrer Stelle mal wieder irgendeinen unbekannten Jungspund in den Orcus gerissen hatte, denn hätte der auch nur ansatzweise den Nutzen für seine Gens besessen, den Laevina sich selbst zusprach, dann wäre doch sicher etwas mehr über ihn bekannt geworden!
"Es ehrt dich, Flavius, dass du derartige Mühen in deine Nachforschungen gesteckt hast, und ich glaube, ich weiß, warum sich diese als so schwierig erwiesen haben. Hundertprozentig sicher bin ich mir nicht, aber meine mich erinnern zu können, dass der Bruder meines verstorbenen ersten Mannes, Gnaeus Germanicus Corbulo, einen unehelichen Sohn dieses Namens hatte. Vielleicht hat er den ohne das Wissen der Familie irgendwann noch anerkannt, das könnte ich mir zumindest durchaus vorstellen." Achja, der gute alte Corbulo, was war der doch für ein Schwerenöter gewesen, der schneller aus seinem Lendenschurz gesprungen war, als man bis drei hatte zählen können! Vermutlich hatte er neben seiner rechtmäßigen Ehefrau noch halb Germanien befruchtet, in dieser Hinsicht war Laevinas Schwager Zeit seines Lebens ausgesprochen ambitioniert gewesen, ganz im Gegensatz zu seinem Bruder, den man zum Beischlaf förmlich hatte tragen müssen. -
Die Blemmyrer? Wer beim Hinkebein des Vulcanus waren denn die Blemmyrer? Laevina gönnte sich genau zwei Sekunden, um ihr nicht gerade beeindruckendes Allgemeinwissen zu durchforsten und kam dann zu dem Entschluss, dass es wichtigere Dinge zu wissen gab, als den Namen einer für die Geschicke der Welt (oder besser gesagt der Germanica Laevina) komplett unwichtigen Bande von Teppichklopfern. Den Namen dieses Praefecten zum Beispiel, der ebenso unverzüglich wie alle anderen Informationen dieses Gesprächs seinen Weg in Laevinas geistigen Speicher fand, bevor sie ihren Besucher mit einem dankbaren Kopfnicken und einem kleinen resignierten aber dennoch tapferen Seufzer bedachte. "Es freut mich sehr das zu hören, Decimus, und ich wünschte, mehr junge Menschen würden diese Ansicht teilen. Dass dies nicht immer der Fall ist, hab ich im Laufe der Jahre immer wieder feststellen müssen, vor diesen Erfahrungen ist man nicht mal in der eigenen Familie gefeit." Die alte Germanica war innerlich bereits auf die obligatorischen Abschiedsfloskeln eingestellt, doch dann gelang ihrem Besucher etwas, was normalerweise so gut wie nie geschah: er überraschte Laevina komplett. Er wollte sie erneut besuchen, wenn er das nächste Mal in Rom war? Freiwillig und ohne besonderen Anlass? Die anfängliche Irritation wurde von einem anderen Gefühl abgelöst, das Laevina mit einigem Entsetzen als so etwas wie Freude identifizierte. Sie wurde alt, ja das war es wohl, alt und sentimental und damit zwangsläufig schwach, aber mit etwas Glück würde sie dieses kleine dunkle Geheimnis vor ihrer Umwelt bis zu ihrem Exitus irgendwie geheimhalten können. Was natürlich nicht beinhaltete, das Angebot des jungen Decimers auszuschlagen, schließlich wäre das doch im höchsten Maße unhöflich, oder etwa nicht?
"Oh, das wäre mir durchaus recht." stimmte sie daher huldvoll und bemüht, nicht allzu begeistert zu erscheinen, zu. "Natürlich habe ich meine Pflichten hier im Haus meiner Familie, aber die lassen mir durchaus noch Raum, um ab und zu mal Besuch zu empfangen. Du wirst in jedem Fall hier in der Casa Germanica willkommen sein, Decimus." -
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Quadrata"Möchte dein Herr zu Senator Germanicus Avarus oder zu dessen Neffen Senator Germanicus Sedulus? Oder ist es ihm gleich, welcher der beiden Herren ihn empfängt?" hakte Quadrata sicherheitshalber nach, da sie den Besucher ungern beim falschen Familienmitglied abliefern wollte.
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QuadrataAh, endlich mal wieder ein neues Gesicht, das sich an der Porta der Casa zeigte. Quadrata musterte den offensichtlich aus guten Verhältnissen stammenden Besucher so unauffällig wie möglich und gründlich wie nötig (schließlich hatte sie ja ausführlich Bericht zu erstatten) und nickte diesem dann freundlich zu.
"Salve, Herr. Was kann ich für dich tun?"
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Laevina, die den größeren der beiden von ihr bewohnten Räume bereits vor geraumer Zeit zu einer Art Empfangszimmer umfunktioniert und mit diversen "Leihgaben" aus dem Rest der Casa Germanica repräsentabel hergerichtet hatte, hatte mittlerweile die Unterlagen aus Nola von Quadrata wegräumen lassen und sich selbst mit einem milde interessierten Gesichtsausdruck in ihrem bequemen Lehnstuhl niedergelassen, als würde sie den lieben langen Tag nichts anderes machen als Patrizier in ihren Gemächern zu empfangen.
"Salve, Flavius, es ist mir eine Freude, dich in der Casa Germanica willkommen zu heißen. Nimm doch bitte Platz..." sie machte eine einladende Handbewegung in Richtung eines weiteren Sessels und betrachtete den jungen Mann dabei unauffällig. Irgendwie kam ihr sein Name bekannt vor, aber woher nur? "In deiner Funktion als Decemvir litibus iudicandis, sagst du? Inwiefern kann ich dir da behilflich sein?" Ob es wohl mal wieder ein weit entferntes Familienmitglied dahingerafft hatte? Vermutlich, und Laevina wäre jede Wette eingegangen, dass derjenige nicht einmal halb so alt geworden war wie sie selbst. Die Jugend von heute hatte einfach keinen Biss mehr...
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"Der neue Kommandant der Classis ist ein Octavius? Darf ich dich fragen, wie sein vollständiger Name lautet?" Laevina hatte die unerbetene Erinnerung an lang vergangene Zeiten und begrabene Hoffnungen inzwischen als alterbedingten Aussetzer verbucht und konzentrierte ihre gesamte Aufmerksamkeit wieder ausschließlich auf die Gegenwart, der es durchaus noch das eine oder andere abzutrotzen gab, und wenn es nur Wissen über Zeitgenossen war, die ihr oder ihrer Familie irgendwann einmal vielleicht von Nutzen sein konnten. Was nun die Gens Octavia anging, so beschränkten sich Laevinas Kenntnisse auf Octavius Macer, den derzeit einzigen Vertreter dieser Familie im Senat. Und war die Kleine, die ihr umtriebiger Jung-Verwandter Aculeo seinerzeit nächtens im familieneigenen Garten befummelt hatte, nicht auch eine Octavia gewesen? Wenn Laevinas Informationen stimmten, und das taten sie fast immer, dann war besagtes Mädchen bereits vor geraumer Zeit verstorben. Ein Grund mehr darüber froh zu sein, dass es zu keiner Hochzeit gekommen war, denn schwächliches Blut war Gift für eine gesunde und ambitionierte Gens wie die Germanica.
Laevina tat den Dank des Decimers und sein Angebot mit einem bescheidenen Lächeln und einer abwehrenden Handbewegung ab, speicherte letzeres jedoch sofort und gründlich ab. Im Moment gab es keinen Grund darauf zurückzukommen, aber wer wusste schon, was die Zukunft bringen und als wie kostbar und wünschenswert sich die Hilfe dieses Mannes vielleicht irgendwann einmal entpuppen würde. "Nichtigkeiten? Unsinn, der Tod eines Familienangehörigen" (und sei es auch jemand wie dieser ominöse Decimus Verus) "ist niemals eine Nichtigkeit, Decimus. Von dem traurigen Anlass abgesehen hat dein Besuch meinen Tag sicherlich bereichert." Eine Aussage, die zu Laevinas eigener Überraschung ausnahmsweise sogar der Wahrheit entsprach. Es war in der Tat eine Wohltat, zur Abwechslung einmal mit einem guterzogenen und angenehm anzusehenden jungen Mann zu plaudern, statt sich tagein tagaus nur mit weltfremden Enkelinnen, renitenten Schwiegerenkeln, einer wachsenden Zahl an unerzogenen Kleinst-Germanicern und einer Schar grenzdebiler Sklaven herumzuschlagen, und das, wie schon seit Jahren, ohne auch nur ein einziges Wort des Dankes dafür zu bekommen! Fragen hätte sie durchaus noch einige gehabt, aber die Gefahr, dadurch den Eindruck eines klatschsüchtigen alten Weibes zu erwecken, war entschieden zu groß. Laevina seufzte leise vor sich hin und schüttelte dann den Kopf. "Nein, ich denke, ich sollte dich nicht länger von den Verpflichtungen abhalten, die du unserem Reich gegenüber eingegangen bist, Decimus. Du hast sicher besseres zu tun, als deine Zeit mit einer alten Frau zu verschwenden." -
Turnusmäßig saß Laevina wieder einmal an den Abrechnungen ihres Landguts in Nola und war aufgrund der unübersehbaren Flüchtigkeitsfehler bestenfalls mittelgut gestimmt. "Ein Flavius? Willst du mich etwa veralbern, du elender Wurm?" fauchte sie den bedauernswerten Sklaven an, obwohl sie seit Jahrzehnten keinerlei derartig selbstmörderische Bestrebungen innerhalb des Hauspersonals hatte beobachten können. "Dann lass ihn gefälligst nicht auf der Straße festfrieren sondern bring ihn her, aber zack zack, wenn ich bitten darf!".Mal schauen, was dieses Adelspflänzlein von ihr wollte, ein wenig Abwechslung bedeutete dieser Besuch allemal.
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Kein Kontakt also zwischen Decimus Verus und seinem Neffen, ein Umstand, der diesen der alten Germanica noch einmal sympathischer machte. Natürlich hütete sie sich im Interesse der doch sehr angenehmen Gesprächsatmosphäre, dies auszusprechen und beschränkte sich auf ein diesmal aufrichtiges Kopfnicken. "Nun, wenn ein Versuch deinerseits gscheitert ist, gibt es meiner bescheidenen Meinung nach keinen Grund, warum du dein Gewissen weiterhin damit belasten solltest, Decimus, denn Fortuna hat es offensichtlich nicht anders gewollt." Laevinas Blick blieb kurz an den Torques auf der Brust des jungen Mannes hängen, und plötzlich war sie froh, dass dessen Haar braun und nicht schwarz und seine Augen ebenso braun und nicht blau waren und dass der Schemen eines anderen jungen Mannes in Uniform nur für einzigen winzigen Moment in der Luft zu hängen schien, bevor Laevina die Augen zusammen kniff und ihn wieder vertrieb. "Ich werde meinen Neffen bitten, mit dir in Kontakt zu treten, Decimus. Nach Misenum sagst du? Bist du ein Mitglied der Classis?"