Beiträge von Aulus Tiberius Ahala Tiberianus

    Bescheuert. Natuerlich war es das. Bescheuert, und das im hoechster Vollendung, jetzt hier auf diesem Pferd die Strasse entlang zu preschen, anstatt es sich in Mantua weiterhin schoen zu machen, wie er es bereits seit Monaten getan hatte. Seit dem Tag, an dem er gemeinsam mit Flora dort angekommen war, vollkommen erschlagen und erschoepft von ihrer Flucht mit dem elenden Ochsenkarren, der sie von Misenum aus Richtung Norden gebracht hatte, sicher zwar, aber dafuer unsaeglich langsam und ungemuetlich. Allein dieses mehrwoechigen Martyriums wegen war Ahala der Meinung gewesen, dass eine lange, sehr lange Rekonvaleszenz durchaus angemessen war, ja, ihm regelrecht zustand nach all seinen Muehen. Und so hatte Ahala das getan, was er immer schon am besten konnte: sich erholt, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Allzu schwer war das im Praetorium der Legio I und unter deren Schutz nicht gefallen, endlose Badegaenge und sportliche Aktivitaeten, um die alte Fitness wieder herzustellen hatten einander abgeloest, ebenso wie viele ernste aber auch durchaus erfreulichere lange Gespraeche mit seiner Cousine Septima und deren Mann, Aurelius Ursus, dem Legaten der Legio I. Und dann war da natuerlich auch in all der Zeit Flora gewesen, die Witwe von Ahalas Vater Durus und damit seine Stiefmutter. Seine Stiefmutter, mit der er ebenfalls einige Zeit verbracht hatte, wenn auch nicht unbedingt sprechenderweise, und die mittlerweile unmittelbar vor ihrer Niederkunft stand. Mit einem Kind, das der nachgeborene Erbe des Manius Tiberius Durus sein wuerde, zumindest dem Namen nach, was Ahala zunaechst einmal reichte, denn er zog es schon seit er von Floras Schwangerschaft erfahren hatte vor, sich im Interesse seines Seelenfriedens ueber deren exakte Urheberschaft nicht allzuviele Gedanken zu machen. Warum auch, schliesslich kam sein Vater auf diese Weise zumindest posthum noch zu einem leiblichen Kind und Erben, und er selbst war fein raus. Wieder mal. Ja, es war eine recht erholsame Phase gewesen, damals, direkt nach ihrer Ankunft in Mantua, und vermutlich war Ahala selbst mehr ueberrascht als viele andere, als er irgendwann anfing, sich nicht mehr wirklich wohl in seiner Haut zu fuehren. In Anbetracht der Tatsache, dass Muessiggang in Verbindung mit groesstmoeglichem Komfort und kleinstmoeglicher Verantwortung seit seiner fruehesten Jugend DAS unumstoessliche Credo in Ahalas Leben gewesen war, empfand er es als regelrecht verstoerend, als er sich, waehrend die ersten dunklen Wolken des beginnenden Buergerkriegs ueber dem Imperium zusammenzogen und auch in Mantua erste Vorbereitungen getroffen wurden , zunehmend unwohl zu fuehlen begann. Oja, Muessiggang war etwas wundervolles, doch hatte er auch jahrelang einen zusaetzlichen Reiz durch die Herausforderung, die Kontrolle seines gestrengen Vaters auszuhebeln und so geschickt wie moeglich zu umgehen, gewonnen. Doch diese Kontrolle war jetzt fort, seit Monaten schon, und Ahala stellte zu seinem eigenen Entsetzen fest, dass sich zunehmend eine diffuse Unzufriedenheit in ihm breitmachte. Ein Unwohlsein, das sich nicht mehr ohne weiteres dadurch uebertuenchen oder gar beseitigen liess, dass er spielte, trank und mit seiner Stiefmuter schlief, bis der Medicus kam. Ein Unwohlsein, das darueber hinaus noch ungemein verstaerkt worden war, als Lukios, der getreue Sekretaer des alten Tiberius, dessen Sohn nach langer Suche endlich in Mantua gefunden und diesem von den letzten Stunden seines Vaters berichtet hatte.
    Aulus Tiberius Ahala Tiberianus, einstmals als Tiberius Celsus bekannt, war weder grueblerisch noch feinsinnig genug veranlagt, um bewusst festzustellen, dass er sich in der ersten ernstaften Sinnkrise seines Lebens befand, die keine Anstalten machte, sich mit den voranschreitenden Vorbereitungen fuer den Abmarsch der Legio I zu verfluechtigen, sondern staerker wurde, je naeher ebendieser rueckte. Es waere keine grosse Sache, nicht mitzukommen, sondern ein wachsames Auge auf Septima, deren Sohn und vor allem auf Flora zu haben, die immerhin s.... ein Kind bekam. Wundern wuerde es vermutlich auch keinen, schliesslich war Ahalas Ruf inzwischen auch in Mantua hinlaenglich bekannt, und niemand erwartete wirklich ernsthaft etwas von ihm. Niemand ausser ihm selbst, eine Erkenntnis, die gemuetstechnisch ohnehin schon etwas angeschlagenen Ahala dazu brachte, sich am Vorabend des Abmarsches der Legion derart zu betrinken, dass er den folgenden Tag komplett verschlief und sich dann drei weitere Tage die Seele aus dem Leib kotzte. Am vierten dritten Morgen dann hatte er ein langes Bad genommen, in Windeseile das Notwendigste gepackt und hatte sich dann mit seinem Pferd daran gemacht, der Legion seines angeheirateten Cousins zu folgen. Natuerlich ohne sich vorher von Septima und Flora zu verabschieden, denn auch wenn auf einmal ein kleines Mass an neugewonnenem Verantwortungsbewusstsein in Ahala erwacht war, so erstreckte sich dieses noch lange nicht auf alle Bereiche seines Lebens, in denen der Weg des geringen Widerstandes und eine ausgepraegte Konfliktscheue nach wie vor das Sagen hatten. Nein, er hatte stattdessen einen Brief hinterlassen, in denen er seine Motive hoffentlich halbwegs verstaendlich erklaert hatte, und Flora wuerde ihn und seine Entscheidung, irgendetwas, was auch immer tun zu muessen, dabei sein zu muessen, in welcher Form auch immer, sicher verstehen. Vermutlich. Vielleicht. Und falls nicht, dann wuerde er sich damit beschaeftigen, wenn er zurueckkam, wann auch immer das sein mochte. Jetzt galt es erstmal, Ursus' Truppen einzuholen und sie davon abzuhalten, ihn direkt stante pede wieder zurueck nach Mantua zu schicken, in die Untaetigkeit, die er so viele Jahre lang so sehr geschaetzt hatte, und die ihm ploetzlich so unerfreulich unangehm geworden war.

    "Nun ja, eigentlich stand das Tribunat ja ohnehin schon seit längerem oben auf meiner Liste, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich unter derartigen Umständen zum Militär stoße." Ahalas Bemühen um einen etwas auflockernden Scherz endete eher kläglich mit einem schiefen Grinsen und einem weiteren Schluck Wein. Und gleich darauf dem nächsten, der noch viel größer hätte ausfallen können, hätte sein Weinbecher denn mehr hergegeben. Floras Schwangerschaft hatte er nach ihrer spektakulären Verkündigung für ein Weilchen recht gut verdrängen können, doch jetzt hatte er erneut das Gefühl, dass ein riesiger Amboss über seinem Kopf schwebte, kaum kleiner als der, den die Aussicht auf ein weiteres Leben in Verfolgung und weitab aller gewohnten Gemütlichkeit erschaffen hatte.
    "Ähm ja, genau." kommentierte Ahala daher bemerkenswert lahm, während er betont ausdruckslos auf irgendeinen Punkt in Ursus' Officium starrte, nachdem er kurz einen Blick mit Flora gewechselt hatte. Wie günstig, dass gerade seine durchaus geschätzte Cousine Septima erwähnt worden war, die würde sicher eine hervorrgande Ablenkung hergeben.
    "Es geht ihr nicht gut? Das tut mir leid." Keine leere Worthülse diesmal, denn Septima lag Ahala wirklich am Herzen, vermutlich, weil sie ihm in gewisser Weise ähnlich war. Nur doof, dass jetzt schon wieder um Schwangerschaften ging, das Thema schien ja wie eine dunkle Wolke über ihm zu hängen...
    "Wenn du nichts dagegen hast, Ursus, dann werde ich Septima besuchen, das heißt, sobald ich mich baden und umziehen konnte, sonst wird sie mich schwerlich ertragen können. Dann werde ich sicher auch die Gelegenheit bekommen, euren Sohn kennenzulernen."

    Im Gegensatz zu Flora war Ahala nicht wirklich überrascht, als Ursus eine mögliche baldige Weiterreise andeutete, schließlich würde der mit seiner Legion an anderer Stelle von größerer Wichtigkeit sein als hier in Mantua. Was natürlich nicht bedeutete, dass dem Tiberier diese Auskunft gefiel, doch wie schon so häufig in seinem Leben gelang es ihm auch jetzt, weitergehende Grübeleien zugunsten seines momentanen Ist-Zustands vorläufig beiseite zu schieben. Ohne große Umstände ließ er sich auf den zweiten Stuhl sinken und stürzte einen Becher Wein hinunter. Götter, wie ihm das gefehlt hatte auf diesem elenden Karren...


    "Ich bin mir sicher, dass es in Vaters Sinne ist, wenn wir von nun an in deiner Nähe bleiben." sagte er dann an Ursus gewandt und warf einen leicht bedauernden Blick in seinen leeren Becher und dann hinüber zu Flora. "Wie geht es eigentlich Septima? Ich hab sie schon so lange nicht mehr gesehen, habt ihr nicht mittlerweile ein Kind?"

    'Sicher scheint auch zu sein, daß Durus tot ist...' Ursus erzählte noch eine ganze Menge mehr, und doch war es dieser eine Satz, der sich in Ahalas Kopf wie in einer Endlosschleife wiederholte und wiederholte und alles andere ausblendete. Im Grunde war es nicht mal wirklich eine Überraschung, das, was er selbst bei seiner Ankunft in Rom vor der Villa Tiberia gesehen hatte, ließ im Grunde gar keinen anderen Rückschluss zu, und trotzdem war es etwas anderes, es als Tatsache aus dem Mund eines anderen Menschen zu hören. Er war also tot, sein Vater, eine Vorstellung, die Ahala schwer fiel, war dieser ihm doch immer schier omnipräsent und allmächtig erschienen. Für den Adoptivsohn war es im Laufe der Jahre fast zu einer Art Sport geworden, sich der allgegenwärtigen väterlichen Aufsicht und Kontrolle so gut wie möglich zu entziehen, doch die Erkenntnis, dass da von nun an keinerlei Kontrolle mehr sein würde, löste in Ahala vor allem Unbehagen aus. In Kombination mit dem schlechten Gewissen wegen der verpatzten Warnung und der Erkenntnis, dass zur Zeit sein komplettes Dasein, inklusive gesellschaftlichem Status, Vermögen und Ansehen, in Schutt und Scherben lag, kein besonders gutes Gefühl...Zu seiner Verwandten Arvinia hatte Ahala kein sehr enges Verhältnis gehabt, dennoch deprimierte ihn die Vorstellung, dass auch ihr Leben bereits ein Ende gefunden hatte, noch zusätzlich.
    "Ich denke, Vater hat sich selbst das Leben genonnen." mutmaßte er schließlich mit leicht krächzender Stimme. "Er war kein Mann, der sich das Heft aus der Hand hätte nehmen lassen, schon gar nicht in so einer Situation." Ahalas Hand strich kurz und etwas unbeholfen über Floras Haar, dann ließ er die Arme wieder sinken und hatte plötzlich das Gefühl, als würde die geballte Müdigkeit der letzten Tage und Wochen über ihm zusammenbrechen. "Hast du was zu trinken da, Ursus? Ich glaub, ich kann jetzt wirklich einen Schluck gebrauchen..."

    "Schrecklichste Berichte? Floras Tod wahrscheinlich? Was meinst du damit?" hakte Ahala nach, obwohl er sich seltsam sicher war, dass er die entsprechende Antwort gar nicht hören wollte und statt dessen sicherheitshalber nochmal einige Sekunden Gnadenfrist herausholte, indem er zunächst Ursus' Frage beantwortete.
    "Flora hat Recht, allzuviel zu berichten haben wir nicht, es sei denn, du interessierst dich für die Besonderheiten einer mehrwöchigen Reise auf einem Ochsenkarren. Was die Sache in Misenum betrifft...." Ahala stoppte und warf einen Blick in die Runde, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich im Officium allein waren. Dem war so, aber das ganze trotzdem noch ein zu ummänteln konnte sichern icht schaden. "Ich war dort, um...die Nachrichten aus erster Hand zu erfahren und an Vater weiterzuleiten. Leider war unser Helfer vor Ort zu eifrig und hat einen Tag eher als geplant seine Dienste geleistet. Das war natürlich übel, und da ich dann auch noch aufgehalten wurde, hatte ich keine Chance mehr, Vater rechtzeitig zu erreichen." So, da war er wohl jetzt, der entscheidende Moment, in dem selbst der in diesen Dingen höchst erprobte Ahala keinen Rückzieher mehr machen konnte. "Hast du irgendetwas von ihm gehört, Ursus? Ich hab es nicht mehr in die Villa Tiberia hineingeschafft, als ich endich in Rom ankam, stand ein riesiges Rudel Praetorianer vor der Tür, deshalb hab ich mich auf den Weg zurück nach Misenum gemacht, um Flora zu holen."

    "Herzlichen Dank, wirklich zu großzügig." kommentierte Ahala in recht bissigem Tonfall an den cornicularius gewandt, fasste Flora am Unterarm und zog sie mit sich in Ursus' Officium. Nach wie vor stank es ihm ungemein, dass jeder Wasserträger und Fußsoldat ihn neuerdings ansah als wäre er gerade aus der Kloake gekrochen. Früher hatte er es durchaus amüsant gefunden, wenn sich seine Tarnungen als derart erfolgreich herausgestellt hatten, aber da hatte er die ganze Zeit im Hinterkopf gehabt, dass seine Alias-Existenzen nur kurzfristig und ein Spiel waren. Und von Spiel war das, was Flora und er in den letzten Wochen miterlebt hatten, meilenweit entfernt und weder ihr noch ihm sonderlich gut bekommen.
    Im Büro angelangt, fiel Ahalas Blick sofort auf die vertraute Gestalt von Septimas Gatten, doch neben ungemeiner Erleichterung stellte sich noch ein zweites, deutlich unangenehmeres Gefühl der Unruhe und bangen Erwartung ein. Auf ihrer Reise hatten sie unnötige Kontakte zur Bevölkerung so gut wie möglich vermieden und deshalb auch keine Chance gehabt, wirklich etwas über die genauen Zustände in Rom und vor allem über das Schicksal von Durus und der restlichen Familie zu erfahren, doch der Aurelier würde in seiner Funktion als Legat zweifellos mittlerweile informiert worden sein, im guten oder auch schlechten....
    "Salve, Aurelius Ursus, danke, dass deine Männer uns hereingelassen haben. Ich glaube, ich habe mich noch nie so gefreut, dich zu sehen."

    "Achja?" Ahala warf, nachdem er den Karren abgestellt hatte, einen nur mäßig interessierten Blick in die Richtung, in die der Wachposten verschwunden war und zuckte dann mit den Schultern. "Keine Ahnung, mir ist nichts aufgefallen, allerdings schaue ich mir Männer auch nicht so genau an und Soldaten sehen für mich ohnehin alle gleich aus. Ich find's eher schlimm, dass sogar jeder einfache Tiro offenbar zehnmal erholter und gepflegter ist als wir. Götter, für ein heisses Bad könnte ich mittlerweile töten, hoffentlich kommt dieser Vogel bald zurück...." Der fromme Wunsch wurde erfreulicherweise einige Minuten erfüllt, und Ahala baute sich mit einem Seufzen vor dem Soldaten auf und breitete die Arme aus. "Tu, was du nicht lassen kannst, du wirst garantiert nichts interessantes finden. Und ob du's glaubst oder nicht, eine innere Stimme sagt mir, dass der Legat sich vielleicht doch die eine oder andere Minute für uns abzwacken wird, meinst du nicht auch, liebstes Eheweib?"

    Ahala, der in Gedanken schon bis zum Hals im warmen wohlduftenden Wasser eines Balneums lag, knurrte unwillig, als er die Antwort des Wachpostens hörte. Nachvollziehbar war diese natürlich, vermutlich sahen Flora und er mittlerweile aus, als hätten sie niemals woanders gelebt als auf diesem Karren, mit dem sein Hintern in der Zwischenzeit fast verwachsen zu sein schien. Kein leichtes Brot für einen so eitlen Menschen wie Ahala, der in den guten alten Tagen seiner Existenz als Sohn eines Consuls einen recht beachtlichen Teil seiner Zeit der Optimierung seines Aussehens und seines Körpers gewidmet hatte.
    Weit war es gekommen, wenn einen jetzt schon die einfachen Fußsoldaten ansahen wie einen Furunkel auf zwei Beinen, und noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätte sich Ahala unglaublich darüber aufgeregt. Jetzt jedoch, nur wenige Meter von dem seit Wochen ersehnten Ziel entfernt, war er einfach zu müde, um sich noch wirklich ärgern zu können.
    "Moment mal...." sagte er zu dem Posten, wandte sich der wie immer neben ihm sitzenden Flora zu und löste rigoros das goldene Armbändchen von ihrem Handgelenk, deretwegen sie sich zu Beginn der Reise furchtbar in die Wolle bekommen hatten, weil Flora es gegen seinen Willen mitgenommen hatte. Nichts besonderes eigentlich, wenn man davon absah, dass auf der Vorderseite der Löwe der Aurelii und auf der Rückseite Floras Name eingraviert war. Vielleicht konnte es ihnen ja jetzt wider Erwarten hilfreich sein...
    "Bring das hier bitte zum Legaten." sagte er an den Soldaten gewandt und drückte diesem das Armkettchen in die Hand. "Aber gib es keinem anderen als ihm persönlich, hörst du? Ich weiß, dass wir aussehen wie die Schweine, aber der Legat wird uns trotzdem empfangen wollen, dessen kannst du sicher sein."

    "Nein, das bist du nicht. Leider!" brüllte Ahala zurück, ließ Floras Arm dann aber doch los. Lupae....was für herrliche Geschöpfe....Jung, schön und talentiert, zumindest wenn man wie der Tiberius nicht aufs Geld achten musste, redeten einem nach dem Mund, schmeichelten dem Ego und das Beste überhaupt: nach getaner Arbeit verschwanden sie sang- und klanglos auf Nimmerwiedersehen, ohne weitere Ansprüche oder gar Beschwerden anzumelden. Herrlich, konnte es perfektere Frauen auf Erden geben? Klar war Flora auch schön und auch alles andere als untalentiert, aber die Kunst der Stille war nun wirklich nicht ihr Ding, ganz im Gegenteil. Und was war das jetzt noch? Schwanger? Ahala war bereits im Begriff, die Arme gen Himmel zu werfen und augenrollend "das war ja wieder klar, auch das noch...." von sich zu geben, als die vollständige Tragweite der "stiefmütterlichen" Botschaft sein Hirn erreichte und er schlagartig drei Hauttöne heller wurde, obwohl er gerade noch mit rotem Kopf herumgezetert hatte.
    "Wie...was...schwanger?" stieß er wenig eloquent hervor und starrte Flora an wie das Kalb auf dem Mond. "Aber ich...ähm...ích meine, also du...es ist doch nicht...." Ahala brach mitten im Satz ab und warf einen hilflosen Blick zu Veleda hinüber, als könnte die resolute Sklavin ihn aus seiner aktuellen Erstarrung lösen."Puh....also ähm...ich denke, Vater wird sich sicher sehr freuen, aber wir sollten jetzt endlich sehen, dass wir hier weg kommen, meinst du nicht auch? Wäre auch besser für..ähm...das...naja, nun lasst uns mal wieder vorran machen, sonst kommen wir nie nach Mantua....Ich geh dann mal einen Ast suchen..." sprach's und verschwand im nahen Unterholz, froh dem Karren, der jetzt eine ganz neue Art der Bedrohung beherbergen zu schien, zumindest für einige Momente entfliehen und den Kopf wieder frei bekommen zu können.

    Unter normalen Umständen war Ahala eigentlich recht schmerzfrei, wenn seine eigene Person Ziel von Beleidigungen war. Die meisten hatte er sich ohnehin in seinem "zweiten" Leben eingefangen, wenn er des Nachts in den Kneipen von Syracusae und später in Rom unterwegs gewesen und seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgekommen war. In solchen Nächten war ohnehin alles an ihm abgeprallt, entweder durch die Würfel, die Lupae oder den immer vollen Weinkrug in seiner Hand. Hier in diesem elenden Schlammloch gab es jedoch nichts davon, nicht einmal die zweifelsfreie Aussicht, nach überstandenem Abenteuer im eigenen, hochkomfortablen Bett aufzuwachen und von einer Horde Sklaven umhegt zu werden, und das war es vermutlich, was Ahalas Dickfelligkeit endgültig dahinschmelzen ließ wie Fett in der prallen Sonne.
    Die Sklavin und deren durchaus sinnvollen Vorschläge weiterhin ignorierend eilte er, so schnell er das in seinem angeschlagenen Zustand konnte, hinter Flora her und hielt diese am Arm fest. "Ein Arsch, ja? Vielen Dank für die Blumen!" blaffte er sie an und zog sie ein Stück zu sich zurück. "Und weißt du, was du bist? Eine weinerliche Kuh, dieses ständige Gejammer und Gemecker kann man ja nur aushalten, wenn man ein Gemüt hat wie dieser Ochse hier. Oder halt so steinalt ist wie Vater..."

    Blond und ewig grinsend hin oder her, Floras Leibsklavin war tatsächlich die einzige, die sich in dieser Situation zu einer sinnvollen weil praktischen Betätigung bemüßigt sah. Ganz im Gegensatz zu ihrer Herrin, die jetzt mit überschnappender Stimme zu zetern begonnen hatte, zumindest kam das bei ihrem mittlerweile doch deutlich überreizten Reisegefährten so an. Er selbst machte allerdings auch keine Anstalten, Veleda zu Hilfe zu eilen, schließlich forderten sein angeschlagenes Ego und zwei schmerzhaft pochende Zehen sofortige Genugtuung.
    "Ich hab uns in diese Situation gebracht? Na wundervoll, vielen herzlichen Dank aber auch!" blaffte Ahala zurück, nachdem er von seinem Baumstamm aufgesprungen und zwei Schritte auf Flora zugehumpelt war. "Ich hätte dich auch in Misenum sitzen und den Praetorianern überlassen können, verdammt, das hätte mir eine Menge Zeit und Mühen erspart. Aber nein, ich Depp muss natürlich angehechelt kommen, nur um mir von der großen Dame Vorwürfe machen zu lassen. Der Karren passt dir also nicht, he?" Ahalas Arm schnellte in die Höhe und deutete auf ihr armseliges Reisegefährt, während er Flora wütend anfunkelte. "Und die Wildnis auch nicht, welch Überraschung. Lass mich raten, wie du gereist wärst, wenn man dich gelassen hätte: in der dicksten Sänfte, die Vater in Misenum stehen hat, am besten noch mit dem Familiensiegel an allen Seiten, damit unserer Augusta hier in den Herbergen auf dem Weg auch die besten Räumlichkeiten freigeräumt werden. Meine Herren, ich fass es nicht, kannst du auch mal über dein Schminkkästchen hinausdenken? Wenigstens dieses eine Mal?"

    Hatte er erwartet, dass die Laune, die er zu Beginn der gemeinsamen Flucht gehabt hatte, noch schlechter würde werden können? Nein, hatte er nicht. Mann, hatte er sich da vertan....
    Mittlerweile hatte Ahala schon derart viele Stunden auf den schwankenden Ochsenarsch vor ihm gestarrt, dass er jedes einzelne Haar und jeden einzelnen Kackfleck im Dunkeln hätte wiedererkennen können, und die beruhigende Wirkung des ersten Tages stellte sich bei diesem Anblick auch längst nicht mehr ein. Nein, inzwischen gab es nichts mehr, dass ihn von ihrer beschissenen (welch passendes Bild) Gesamtlage ablenken geschweige denn aufheitern konnte.
    Harte, rumplige Tage auf dem Karren, gefolgt von harten, rumpligen Nächten unter dem Karren und das Ganze in dieser Saukälte und einer klammen Nässe, die stündlich weiter bis in die Knochen vorzudringen schien.
    Ja, Ahala befand sich gerade mitten in dem ersten großen Realitätsschock seines bislang so konfortablen Lebens. Was würde er jetzt nur geben, für ein paar Minuten in den Thermen, ein gutes Essen und ein paar Becher Wein....Sogar sein muffiges Büro aus alten Vigintivir-Zeiten schien ihm jetzt aus der Distanz wie das reinste El Dorado. Schön, es war langweilig dort gewesen, aber ruhig und trocken, und das Gejammer anderer Leute hatte sich auf die Sprechzeiten beschränkt. Nicht, dass Flora übermäßig viel jammerte, im Grunde sprach sie auch nur das aus, was er selbst dachte, aber Ahala, dem Meister der einstündigen Lupanar-Beziehungen wurde die ständige Anwesenheit der beiden Frauen allmählich zunehmend anstrengend. Ja, Flora war ein flotter Käfer, und ja, er war sehr gern mit ihr ins Bett gegangen, und ja, im Grunde mochte er sie auch vermutlich mehr, als es ihm wirklich bewusst war, aber sie ständig neben sich hocken oder liegen zu haben, wurde ihm zunehmend zuviel. Unnötig zu erwähnen, dass das beidseitige Bedürfnis nach Sex in den letzten Tagen ohnehin längst in Matsch, Moder und Ochsenscheisse versumpft war.
    Und so grummelte Ahala vor sich hin, schleppte sich jeden Tag erneut in dem deprimierenden Wissen auf den Kutschbock, dass Mantua, die gelobte Stadt, noch unendlich weit von ihnen entfernt war und versenkte seinen Tunnelblick einmal aufs neue auf den Ochsenarsch.
    Zumindest war das bis zum gestrigen Tage so gewesen, denn an diesem Morgen war selbst das nicht mehr möglich, ihr grandioses Reisegefährt steckte nämlich im Schlamm fest.
    Ahala, den jetzt endgültig die winzigen Reste seiner Contenance verließen, stieß einen Fluch aus, trat gegen eins der eingesunkenen Wagenräder, wobei er sich gleich zwei Zehen verstauchte, und fluchte gleich noch einmal, bevor er sich auf einem Baumstumpf niederließ und den Kopf in beiden Händen vergrub. "Ich weiß es nicht. Sag du's mir doch." war das einzige, was man dann aus seinem Munde hörte, gefolgt von einigen höchst unfeinen Ausdrücken, als Ahala versuchte, seine angeschlagenen Zehen zu bewegen.

    "Ja, ganz gewiss wird er das." nickte Ahala automatisch, starrte dabei jedoch unverwandt auf das gemächlich vor seiner Nase hin und herwackelnde Hinterteil des Ochsen. Diese Bewegung hatte in seiner Monotonie irgendwie etwas beruhigendes, gar einschläferndes, und Ahala ertappte sich bei dem Wunsch, einfach nur eine Weile in Stille dasitzen und starren zu können, ohne an Durus und dessen Schicksal zu denken, weitere Pläne zu schmieden oder Dinge zu erklären, die er selbst kaum in ihrer ganzen Tragweite überblickte. Ja, ein wenig Ruhe wäre schön, nach Tagen voller Hetzerei, mit dickem Schädel (und das noch nicht mal vom Alkohol..) und der permanenten Ungewissheit. Ob Flora vielleicht auch....? Nein, scheinbar nicht, "Mutter" stieß Frage um Frage hervor, doch Ahala hatte nicht die geringste Lust, diese alle zu beantworten. Nicht, weil er nicht verstanden hätte, warum Flora sie stellte, aus ihrer Sicht war ihr Interesse vollkommen logisch und nachvollziehbar. Nein, er wollte schlichtweg ein wenig Ruhe und Frieden, um ein Weilchen ungestört in Selbstmitleid baden und sich dann irgendwann wieder am Riemen reissen zu können. Nicht auszudenken, wenn diese Fragerei so weiter ging bis Mantua....
    "Flora, tu mir einen Gefallen, und frag mich nicht so viel." sagte er schließlich und bemühte sich um einen freundlichen und geduldigen Ton. Nachdem er einen Blick nach hinten zu der Sklavin geworfen hatte, senkte er die Stimme noch einmal und beugte sich näher zu Flora hin. "Wir werden nach Mantua zu Ursus gehen, soviel kann ich dir sagen, und wer weiß, vielleicht werden wir dort den einen oder anderen von Vaters "Freunden" ebenfalls antreffen. Deren Frauen wussten von der ganzen Sache vermutlich ebenso wenig wie du, davon kannst du ausgehen. Ich denke, Vater wollte dich damit damit aus der Schusslinie halten und was hätte es auch gebracht, wenn du davon gewusst hättest? Glaub mir, mir wäre lieber, ich hätte auch nichts davon geahnt, aber leider hänge ich bis zu den Ohren mit drin."

    Bevor sie endgültig aufgebrochen waren, hatte Ahala es noch irgendwie bewerkstelligt sich notdürftig zu waschen und zumindest den Großteil des Gestanks loszuwerden, der seit einiger Zeit sein treuer Begleiter geworden war. Das kalte Wasser war natürlich kein Vergleich zu dem konfortablen Bad, das er um diese Tageszeit normalerweise immer nahm, aber da er von derartigem Luxus bis Mantua vermutlich ohnehin nur würde träumen können, konnte er sich genauso gut auch gleich jetzt daran gewöhnen. Sich daran gewöhnen, wohl bemerkt, nicht sich angesichts der verzweifelten Situation damit zufrieden geben, dafür steckte zuviel vom verwöhnten reiche-Leute-Sohn in Ahala, dessen Selbstmitleid mittlerweile schon chronische Züge annahm.
    Ungeduldig verfolgte er die letzten Aktivitäten und Vorbereitungen der tiberischen Sklaven, er selbst hatte schließlich ohnehin schon genug getan, und trieb dann ihren Zugochsen an, nachdem Flora und deren Sklavin zu ihm auf den Karren gestiegen waren. Götter, was für ein Tempo....vermutlich würde er zu Fuß schneller in Mantua ankommen...Ruckelnd und zuckelnd und sehr gemächlich rollte der Obstkarren aus dem Stadtgebiet von Misenum hinaus, und auch Ahala atmete erleichtert auf, als sie die Soldaten hinter sich gelassen hatten. Ganz so furchtbar schlecht schien ihre Tarnung also nicht zu sein, kein Wunder, wenn er nur halb so mies aussah, wie er sich fühlte, dann konnte ihn kein normaler Betrachter ernsthaft für einen wohlhabenden Patrizier halten.
    Floras Frage hätte Ahala beinahe überhört, so leise hatte sie sie gestellt, aber da ihm klar gewesen war, dass sie früher oder später kommen musste, bekam er sie doch mit und ein dicker Stein schien sich in seiner Magengegend zusammenzuballen.


    "Ich weiß es nicht, Flora, wirklich nicht." antwortete er wahrheitsgemäß und ebenso leise und starrte unbewegt nach vorn auf die Straße. "Die Praetorianer waren im Haus, und wenn er nicht fliehen konnte, dann werden sie ihn wohl mitgenommen haben und verhören ihn jetzt." Ahala spürte eine ungeahnte Sorge um seinen alten Herrn in sich aufziehen und fast zeitgleich nicht zum ersten Mal schlechtes Gewissen, weil er diesen in Rom zurückgelassen hatte ohne auch nur den Versuch zu machen, ihn aus der Villa Tiberia herauszuholen. "Aber Vater ist ja ein zäher Kerl, er wird das schon überstehen." fügte er dann mit deutlich mehr Zuversicht, als er wirklich empfand, hinzu. Flora wirkte ohnehin schon mehr als angeschlagen, und wenn sie sich zu viele Sorgen machte, würde sie die lange Reise ganz sicher nicht überstehen. "Und vielleicht ist er ja auch noch rechtzeitig aus dem Haus gekommen, möglich wäre es ja immerhin." Nicht nach dem, was Ahala vor der Villa Tiberia zu Gesicht bekommen hatte, aber auch das behielt er tunlichst für sich.

    Meine Güte, war dieses Weib stur...Ahala überschlug kurz in Gedanken die Kosten-Nutzen-Rechnung einer weiteren Diskussion und kam zu dem Entschluss, dass es im Interesse eines baldigen und erfolgreichen Aufbruchs sinnvoller war, Flora in diesem einen Punkt nachzugeben, auch wenn er selbst nach wie vor Zweifel an der Zuverlässigkeit dieses bezopften und scheinbar ständig grinsenden Geschöpfes hatte.


    "Na schön, wir werden sehen...." brummte er und ließ Flora den Vortritt auf dem Weg zur Tür. Als deren Sklavin ihr folgen wollte, hielt er diese jedoch am Oberarm fest und zog sie zu sich zurück.


    "Nur über deine Leiche, ja?" zischte er Veleda zu und rüttelte sie dabei leicht. "Das kannst du haben, das versprech ich dir. Mach nur eine falsche Bewegung da draussen, und ich brech dir das Genick. Deine Herrin vertraut dir, und das ist dein Glück. Ich tue es nämlich nicht, aber du hast jetzt Gelegenheit genug, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Streng dich also an." Ahalas Hände lösten sich wieder vom Arm der Sklavin, dann verließ er selbst das Zimmer. Noch vor einer Woche, hätte er sich vermutlich nicht vorstellen können, derartige Kommentare von sich zu geben, aber vor einer Woche war sein Leben auch noch deutlich angenehmer gewesen. Die Zeit der selbstzufriedenen Genügsamkeit und Gammelei war für's erste vorbei, und zwar gründlich.

    Gut, das war jetzt wohl wirklich schonungslos gewesen. Dafür aber auch wirkungsvoll, denn Flora verlor zwar den Rest ihrer ohnehin schon recht käsigen Gesichtsfarbe, stellte dafür aber auch die Proteste und Fragen ein und fing endlich an sich umzuziehen. Ahala machte sich keine Illusionen, dass dieser Zustand allzu lange anhalten würde, aber vielleicht schafften sie es zumindest bis auf den Karren und die Straße gen Norden, bevor es Flora auffiel, wie viele Fragen bislang noch offen waren.
    Für den Augenblick zufrieden, wenn auch alles andere als entspannt, beobachtete er seine Stiefmutter und deren Sklavin kurz bei den Vorbereitungen und wollte die beiden gerade allein lassen, um sich um die Organisation eines passenden Gefährts zu kümmern, als eine ihrer Anweisungen ihn zurückschnellen ließ.


    "Was soll das heissen, sie kommt mit?" fragte er mit einem Seitenblick auf die blonde Sklavin. "Die können wir nicht mitnehmen, wer weiß, ob man ihr vertrauen kann. Stell dir vor, sie springt unterwegs vom Wagen und verpfeift uns, dann sehen wir beide aber verdammt alt aus, kann ich dir sagen." Am besten und sichersten wäre es vermutlich, wenn er dieser Veleda gleich hier den Hals umdrehte. Aber Ahala war zwar ein ziemlicher Fachmann, was Schlägereien und kleinere Scharmützel anging, aber das kaltblütige Ermorden eines Menschen, und sei es auch nur eine Sklavin, überstieg seine Skrupellosigkeit dann doch deutlich.

    Verdammt, warum konnte sie denn nicht einfach tun, was man ihr sagte? Wenigstens dieses eine Mal... Ahala stieß ein resigniertes Stöhnen aus, zog seine Hand jedoch nicht zurück, sondern blieb reglos stehen, bis die Sklavin den Raum verlassen hatte und ihre Schritte in der Ferne verklungen waren.
    Sie wollte die Wahrheit wissen? Na schön, dann bekam sie sie eben, so viel wie nötig und so kurz und schmerzlos wie möglich, damit sie endlich Frieden gab und sie aus dieser verdammten Villa herauskamen und sich auf den Weg machen konnten.


    "Du weißt, dass der Kaiser und seine Familie ermordet worden sind?" Ahala sprach sofort weiter, schnell und rücksichtslos, ohne auf eine Antwort zu warten. "Nun, das war Vater. Er hat eine großangelegte Verschwörung organisiert, um Rom vom Vescularius und seiner schwachen Kaisermarionette zu befreien und durch einen fähigeren Mann zu ersetzen. Irgendetwas ist schiefgegangen, ich wollte Vater warnen, doch ich bin zu spät gekommen, vor der Villa Tiberia wimmelte es bereits von Praetorianern. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier auftauchen, auf der Suche nach weiteren Hochverrätern, also fängst du jetzt an zu packen, ja?" Dass seine Erklärung eine weitere Frage unvermeidlich machte, war Ahala klar, dennoch scheute er sich, sie bereits vorab zu beantworten. Je länger er sich diesem Gedanken nicht stellen musste, desto besser.

    Dass Flora ziemlich elend aussah, fiel sogar Ahala auf, der schon von Natur aus nicht gerade der sensibelste Beobachter war und just in diesem Moment noch weniger Blick für die Gefühle und Nöte anderer hatte als normalerweise schon. Ob sie wohl krank war? Keine guten Vorraussetzungen für eine überstürzte Flucht nach Mantua, um die sie aber mangels Alternativen nicht herumkommen würden. Nein, Flora war eindeutig nur ein Schatten ihrer selbst, blass und erschöpft aussehend, kaum eine Spur von dem wilden und vor Lebendigkeit überschäumenden jungen Mädchen, mit dem er in den letzten Wochen und Monaten mehrfach im Bett gelandet war. Und das nicht wirklich gegen seinen Willen, wenn er ehrlich war. Die Aurelia war schon ein verdammt flotter Käfer, und weder sie noch er hatten ernsthaft versucht, gegen die sich zwischen ihnen immer weiter aufbauende Spannung anzugehen, bis sie schließlich irgendwann über einander hergefallen waren, ohne auch nur eine Minute darüber nachzudenken, dass sie nach römischem Recht strenggenommen Mutter und Sohn waren. Ganz abgesehen davon, dass Flora die Frau seines Vaters war, der von dieser Liaison den Göttern sei Dank nichts mitbekommen hatte, weil er viel zu sehr mit der Vorbereitung seiner umstürzlerischen Pläne beschäftigt gewesen war.
    Bei dem Gedanken an Durus überkamen Ahala Schuldgefühle von einer ihm bislang nicht bekannten Intensität, und er verbannte diese Gedanken so schnell wie möglich in die hinterste Ecke seines Bewusstseins. Später würde er in Ruhe darüber nachdenken, ja später, wenn Flora und er bei Ursus in Sicherheit waren und er vielleicht hatte erfahren können, was aus seinem in Rom gebliebenen Vater geworden war.
    Ihre Bemerkung wäre für normalerweise die perfekte Vorlage gewesen, um mit ihr eins ihrer spielerischen Streitgespräche zu führen, an denen sie beide soviel Freude hatten, aber in diesem Moment war selbst Ahala nicht mehr nach Scherzen zumute.


    "Ich weiß." sagte er daher nur und griff unwillkürlich mit einer Hand an den schmerzenden Kopf, bevor er noch einen Schritt auf Flora zu machte , dann jedoch wieder stehen blieb. "Flora, wir müssen hier weg. Sofort. Ich werde dir alles erklären, wenn wir aufgebrochen sind, aber jetzt haben wir keine einzige Minute zu verlieren." Er musterte ihr kostbares Kleid, den Schmuck und die sorgfältige Frisur und schüttelte dann den Kopf. "Und zieh dich um. Nichts von deinen Sachen, lass dir eine Tunika von einer der Sklavinnen bringen und mach das Haar anders. Einen Knoten oder einen Zopf, und kein Schmuck, hörst du? Ich werde in der Zwischenzeit auf dem Gut einen Karren organisieren und ein Pferd, das diesen Namen auch verdient. Schnell jetzt...." Er machte eine aufscheuchende Handbewegung und wandte sich bereits wieder Richtung Tür. Es gab noch einiges zu tun

    Na wundervoll, da hetzte man sich ab wie ein Idiot und von wem wurde man abgefangen? Von diesem blonden Wunder der Intelligenz......"Sie ruht sich aus, wie schön, so nett hätte ich es auch gern mal wieder, aber leider haben wir dafür nun mal so gar keine Zeit." fuhr er die Sklavin an, mit der er normalerweise eigentlich gar keine Probleme hatte und folgte ihr schnellen Schrittes durch das Haus, vor lauter Betrübnis über das Elend seiner aktuellen Situation nur die Hälfte von dem erfassend, was sie da gerade alles von sich gab. "Stell dir vor, ich bin auch gereist, und das gleich zweimal. Und ganz bestimmt nicht so feudal wie deine Herrin in ihrer Sänfte. Oder ist ihr das Kissen verrutscht und hat ihr die Laune verdorben? Sie braucht Ruhe, mannomannomann...."