Beiträge von Aurelia Narcissa

    Anders als erwartet und gewollt fehlt die Zeit fürs IR neben dem Studium. Ich bitte daher meine beiden IDs -Aurelia Narcissa und Iulia Cara - ins Elysio zu verschieben.
    Herzlichen Dank an alle, die mit mir geschrieben haben und deren Geduld ich letztendlich so sehr ausgereizt habe!


    Alles Liebe und Gute!

    Dankbar nahm die junge Frau den Becher mit verdünntem Wein entgegen und nahm einen großen Schluck. Die Flüssigkeit lockerte ihre Kehle und sie fühlte sich auf Anhieb besser. Wie viel wusste eigentlich Decima von der Angelegenheit? Sie war nun die Auctrix und saß damit am Knotenpunkt jeglicher Informationen, die im Imperium zusammen lief. Irgendetwas wusste sie bestimmt. Narcissa schätzte sie als sehr taktvolle, aber auch neugierige Frau. Hoffentlich glaubte sie nicht, die Aurelia war nur gekommen, um die Berichterstattung der Acta auszuspionieren, um geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
    Hinsichtlich des Schicksals ihrer Familie beschäftigte sie aber noch ein ganz anderer Aspekt. War es vielleicht ein Zeichen der Götter gewesen, die den Untergang der Aurelii einläuten wollten? Die Vorkommnisse hatten durchaus das Potential die Grundfesten der Familie nicht nur zu erschüttern, sondern auch einzureißen. Der Stand ihrer Geburt, das Adelsprädikat, würde sich insoweit nicht als Schutz, sondern vielmehr als beschleunigender Faktor erweisen. Adel verpflichtete.
    Narcissa nahm einen zweiten Schluck. Das Getränk verschaffte ihr neue Klarheit. Seit wann hegte sie solche Gedanken! Sie mochte gläubig sein, aber nicht abergläubisch. Einen solchen Effekt hatte ihre persönliche Entscheidung, sich den Vestalinnen anzuschließen, also schon, dass sie unsinniges Zeug dachte. Die Familie hatte Auguren und Pontifici hervorgebracht! Die Götter hatten keinerlei Grund dazu, die gens zu verdammen.
    „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, Ein leises Lächeln kräuselte ihre Lippen, als die Ältere sie ganz vertraut ansprach und damit erneut an jene Gesprächsebene anknüpfte, auf der sie sich in Seianas Buchladen bewegt hatten. „Du hast nichts anderes getan, als dein Beileid auszusprechen. Das war sehr taktvoll!“ Im Gegenteil wäre es sogar eher ignorant gewesen, wäre sie einfach schweigend darüber hinweg gegangen. „Die Ereignisse werden meine Familie wohl noch eine ganze Weile beschäftigen“, erklärte sie ihre bittere Einsicht. Die junge Frau schwieg einen Moment, ehe sie abermals das Wort ergriff: „In letzter Zeit scheinen sich Todesfälle ohnehin zu häufen“, verwies sie auf den Tod des Aeliers.

    „Absolut“, antwortete ihm die junge Aurelia ohne Zögern. Zwar war die Geschichte zunächst über Aurelius Corvinus ins Rollen gebracht worden, doch war es ihr Bruder im Einvernehmen mit der Mutter der Zwillinge gewesen, die sich Narcissa als Vestalin gewünschte hatten. „Oder besser gesagt mein Bru-“, Sie biss sich auf die Lippen, als ihr der halbe Satz schon entfleucht war. Orest war mit einer Tiberia verlobt gewesen. Diese Verlobung war gelöst worden. War es ratsam, eine Verbindung herzustellen? Es war zu spät. „Mein Bruder ist für meine Schwester und mich verantwortlich.“ Wenn sie Glück hatte, dann kam sie doch noch um die Nennung des Namens herum. Zumindest vorerst.

    Sein Lächeln und seine indirekte Ermutigung lösten ein wenig Narcissas Anspannung. Schon einmal hatte der Tiberier sie nach ihren Beweggründen gefragt gehabt. Ihre Antwort auf der sponsalia ihres Verwandten war aber eher unkonkret geblieben, nicht zuletzt deshalb, weil sie sich unsicher darüber gewesen war, was sie überhaupt dem Pontifex antragen konnte. Genau genommen war es ursprünglich nur ein Wunsch ihrer Familie gewesen; Ein Wunsch, den sie lange verweigert hatte. Bis sie der Claudia begegnet war, die ein überaus gewachsenes Überzeugungspotential besaß.
    „Ich muss zugeben, dass es ursprünglich nicht meine eigene Eingebung war“, setzte Narcissa vorsichtig an, „und ich war auch nicht sehr begeistert davon...“, darauf bedacht weiche Worte zu verwenden. Worte wie „Verweigern“, „widerstreben“ hätten ihn wohl schon sofort dazu gebracht, sie der Tür zu weisen. „Zumindest bis mir wie aus dem Nichts heraus bei den Nonae Caprotinae eine Vestalin begegnete. Das hat mich gelinde gesagt ziemlich verstört. Es war so unglaublich: So kurz nachdem man mir den Vorschlag nahe gelegt hat und dann ausgerechnet in dieser Menschenmenge!“ Narcissa spürte wie das alte Bewusstsein, dass es sich um einen kaum zu glaubenden Zufall handelte, den Zweifel daran und die erschrockene Feststellung, dass es womöglich so gewollt gewesen war, sie durchströmte. „Danach habe ich die Nacht mit Nachdenken verbracht, ehe es mich früh morgens zum Hausaltar zog. Kaum stand ich davor, als das erste Licht des Tages auf den Altar fiel – das ließ für mich nur einen Schluss zu. Und der hat mich nun zu dir gebracht“, schloss sie ihre Ausführung.

    Der Ianitor führte die beiden Frauen durch die Villa geradewegs in das große tablinum, in welchem der Hausherr, umringt von seinen Angestellten bereits auf sie wartete. Narcissa, neugierig wie sie war, hatte sich taktvoll in der fremden Umgebung umgesehen und wandte den Blick nun, ein Lächeln auf den Lippen, dem Tiberier zu. Einen Moment war sie sichtlich irritiert angesichts der Gefolgschaft, die er um sich geschart hatte, ehe sich Narcissa wieder fing. Er hatte sie ja nach der salutatio zu sich bestellt und die fiel bei einem wichtigen Mann wie dem ehemaligen consul gewiss entsprechend groß aus. Deshalb wohl auch die vielen Schreiber.
    "Salve Tiberius", erwiderte sie seine Begrüßung und trat näher, während sich Lysandra in den Hintergrund zurückzog. Jetzt kam es auf sie an.
    "Der Termin ist für mich vollkommen in Ordnung - ich bin eher froh und sollte dir dafür danken, dass du dir für mich Zeit genommen hast. Du hast gewiss viel zu tun..." Ihre äußere Ruhe trog über ihre innere Aufregung hinweg. Tatsächlich fühlte sich die Aurelia ziemlich unsicher und wusste nicht so recht, wie sie dieses Gespräch führen sollte.

    Lysandra, Sklavin der aurelischen Zwillinge, hatte in ihren zahlreichen Jahren schon einiges gesehen und erlebt, aber der Ton, den dieser Mann gegenüber einer alten Frau anschlug war wirklich unhöflich. Mochte er so blass und verschlafen sein wie ein durchsichtiges Leinenhemd!


    "Ich weiß...", antwortete sie schneidend. "Meine Herrin, Aurelia Narcissa hat einen Termin bei Tiberius Durus - Nach der Salutatio!"
    Sie reichte ihm die entsprechende tabula, auf dem alles festgehalten war.




    Ad
    Aurelia Narcissa
    Villa Aurelia
    Roma


    Lukios Aureliae Narcissae s. d.
    Mein Herr empfängt dich morgen nach der Salutatio in seinem Haus. Er erwartet dein Kommen!


    In Nomine M' Tiberii Duri


    Lukios
    SCRIBA PERSONALIS

    Die „Verluste“ hatten einen dunklen Schatten über die gens Aurelia geworfen. Nicht der Tod Corvinus´ und Celerinas an sich – was natürlich schon an sich schlimm genug war – sondern vielmehr die Umstände, die dazu geführt hatten. Die Ereignisse im Hain, von denen Narcissa nur schemenhaft über Dritte erfahren hatte und Corvinus Selbstmord. Ihr wurde unwillkürlich schlecht, als sie an den Morgen in der Villa zurückdachte, an den Geruch des Blutes und des Schreckens und an die schattenhaften verstörten Gesichter ihrer Verwandten. Tod war nicht unüblich, aber eben etwas ganz anderes, wenn man ihm im eigenen Haus begegnete. Dass auch Seiana indirekt von einem zweiten Tod betroffen war, nämlich dem des Aeliers, von dem man gehört hatte, er habe sich die Felsen hinunter gestürzt, wusste sie nicht.
    Für sie jedenfalls hatte sich zumindest in Gesellschaft einiges verändert. Zuweilen fühlte sie sich Blicken ausgesetzt fühlte, die sie mit einer Mischung aus Mitleid und Empörung betrachteten, sobald sie sich namentlich vorstellte. Flavia Celerina mit den Geschehnissen im Hain würde in der Erinnerung der Menschen hängen bleiben und den Namen ihrer Familie behaften. „Ich glaube, ich könnte doch etwas vertragen...“, meinte sie unvermittelt, etwas bleich um die Nase. Die Gedanken machten ihre Kehle trocken und ihre Zunge pappig, als hätte man ihr Stoff oder etwas ähnliches in den Mund gestopft, der verhinderte, dass sie frei sprach.

    Schon als Narcissa an diesem Morgen aufgewacht war, hatte sich ihr Magen ganz flau angefühlt. Das hatte sich im Verlauf der frühen Moregnstunden, mit der Ahnung, dass sich etwas fundamental ändern würde, dass sie einen Schritt auf einem Weg machte, auf dem nur schwerlich noch ein Rückzug möglich war, auch nicht sonderlich geändert. Jetzt stand sie so fein gemacht, wie es ihrer Meinung nach noch für sie selbst erträglich gewesen war, vor dem Tor der Villa Tiberia und sah zu, wie Lysandra, die sie zu ihrer Unterstützung mitgenommen hatte, anklopfte, um sie beim Pontifex anzumelden. In diesem Moment war sie wirklich froh, das sie das nicht selbst tun musste. Die Aurelia sah sich gedanklich stocksteif vor der Tür stehen, die Hand erhoben, aber ganz und gar versteinert, unfähig sich zu rühren. Verfluchte Aufregung. Glücklicherweise war sie ein Naturtalent darin ihre Empfindungen durch scheinbare Ruhe zu überspielen. Hoffentlich behielt auch ihr Bauch seinen Inhalt für sich...


    Lysandra: *klopf* *klopf*

    Zitat

    Original Aurelia Flora, Tiberius Ahala, Tiberius Durus



    ...und zum Glück war Lucilla nicht da. Andererseits bezweifelte Narcissa, dass die ältere Dame ihre Tochter an jeden X-beliebigen Mann hier verk – verheiratet hätte. Selbst für sie musste es das non plus ultra sein. Nur patrizischen Geblüts zu sein konnte bei einem geschätzten Prozentsatz 95 Prozent in diesem Raum nicht das einzige Kriterium sein. Ebenso war Vermögen vorausgesetzt. Was wirklich zählte aber waren Ansehen und vor allem politischer Einfluss. Keiner der Anwesenden passte daher aus ihrer Sicht besser ins Konzept als der junge Tiberier, dem schon seiner Herkunft wegen eine rosige Zukunft bevorstand. Und dazu war er auch noch attraktiv. Ob Flora das wohl erkannte? Warum nicht das Notwendige mit dem Angenehmen verbinden und sich selbst den Passenden suchen. Schon einmal hatten sie in der Geborgenheit Floras´ Zimmers darüber gesprochen. Allerdings waren sie damals beide reichlich emotional gewesen. Beiläufig suchte sie nach irgendwelchen Anzeichen von Sympathie in Floras Gesicht, ehe sie bemerkte, in welche Bahnen ihre Gedanken genommen hatten. Nämlich jene ihrer rational berechnenden Mutter, die ihre Eiseskälte stets hinter dem Mantel der überschäumenden leicht zu Hysterie neigenden Mütterlichkeit verborgen hatte. „Faszination ist doch ein guter Anfang...“, meinte sie ruhig. Die Rationalität mit der sie dem Thema Ehe auf einmal begegnete erschreckte sie nicht, es war schon immer ein Wesenszug gewesen. Jetzt hatte sie den Eindruck als hätte sie nach dem Auf und Ab der Gefühle und Befürchtungen endlich wieder zu sich gefunden. Sie beschloss ihre Schwester dem Tiberier zu überlassen und wandte sich dem senior zu: „Du sagtest, du hättest dich ebenso mit Architektur beschäftigt? In welchem Rahmen?“

    Von der Aufregung am Rande des Festes zwischen der ihr unbekannten Iunia und dem Duccier nahm Narcissa nur ganz peripher etwas wahr. Ein junger Mann gesellte sich zu ihnen, der sich zu ihrer Überraschung als Sohn des Pontifex´ entpuppte. Kantige Gesichtszüge, scharfe Augen und mit einem zeilenlangen Namen ausgestattet erschien er ihr in seiner eher zweckmäßiger Kleidung eher weniger wie der Sohn eines hochrangigen Patriziers. Aber sie selbst bot in ihrem Hang zu schlichter Gewandung auch nicht gerade das Vorzeigebild einer Adeligen. "Ein Termin wäre wunderbar...", antwortete Narcissa, mit der Musterung des jüngeren beschäftigt.
    Sie schmunzelte, als Tiberius auf ihr offensichtliches Zwillingsdasein hinwies. Ja, der Mann sah doppelt. Flora kam freundlicherweise jedweder Verwechslung zuvor und klärte die Fronten. In der Art wie sich ihre jüngere Schwester vorstellte hörte sie mehr als nur die reine Überraschung, dass der junge Mann vor ihnen, der auch in ihren Augen nicht wie ein Leser aussah, einen Virtuv las. Sie konnte die Gedanken Floras beinnahe nachbilden. Architektur hingegen war nicht die Stärke der Aurelia. Allenfalls das Leben des Vitruvius Maximus war von Interesse. Und auch der ältere Tiberier schien nicht sonderlich begeistert, auch wenn er der Meinung war, dass es nicht schadete.
    „Interessierst du dich denn sehr für Architektur oder war es nur eine beliebige Wahl?“ Sie war sich noch etwas unsicher, ob Ahala die Bücher tatsächlich gelesen hatte. Es wollte nicht recht zu ihm passen.

    Die Darstellung einer Göttin zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, ohne dass sie sich dieser Tatsache bewusst gewesen wäre. Sie war in grazilen Linien gearbeitet. Das Kleid fiel sanft, gerade so, als habe es ein fürsorglicher Sklave gerade erst so hindrappiert, dass es seine vollkommene Wirkung entfalten konnte. Der Künstler musste hora um hora gesessen haben, den Körper aus einem massiven Stück Marmor heraus zu meißeln. Der Schweiß seiner Leidenschaft war förmlich riechbar. Leidenschaftlich, das war auch das letzte Gespräch mit der Decima gewesen. Die Aurelia konnte nicht leugnen, dass ab einem gewissen Punkt mehr ihre subjektiven Wünsche gesprochen hatten, nämlich als Frau mehr Einfluss auf die Geschehnisse der Geschichte zu haben, als ihre ihr Grenzen zuweisende Vernunft. Sie war weit über den Rahmen des üblichen hinausgegangen. Hatte sich weit vorgelehnt. So weit, dass es ihr im Endeffekt unschicklich erschienen war und sie sich gezwungen gesehen hatte, sich zu entschuldigen. Viel war seitdem geschehen. Ein wenig mulmig war ihr gewesen, als sie sich auf den Weg gemacht hatte, hatte sie immer noch das Gefühl, dass irgendetwas zwischen ihnen stand. Dennoch hatte sie sich gleichsam gefreut. Die Decima schien ihr ein Mensch von Tiefe. Und diese Menschen hatten sie schon immer angezogen. In gewisser Weise hatte sie sogar den Eindruck, dass sie sich glichen. Allerdings auf eine ganz andere Weise, als mit Flora.
    -
    Narcissa, die stets der Meinung gewesen war, dass Vollkommenheit eher ein Ideal als ein Zustand war, fand sich in eingehender, gedankenloser Musterung einer BÜGELFALTE wieder, als eine bekannte Stimme die Ruhe durchschnitt und Decima Seiana das tablinum betrat. Sie erhob sich aus Höflichkeit, während die ältere Frau auf sie zu strebte und lächelte ihr eine Begrüßung zu. „Salve Decima! Herzlichen Dank für deine Einladung!“, Der kleine Sklavenjunge hatte sie bereits gut versorgt und mit Wasser ausgestattet. Eigentlich hatte sie keinen großen Hunger und eigentlich hätte sie das Angebot der Decima nun aus reiner Höflichkeit angenommen, doch weil sie an die Ehrlichkeit ihres letzten Gespräches anknüpfen wollte, zog sie es vor, in diplomatischer Weise dort anzuknüpfen. „Im Moment nicht, aber vielleicht später…“, Ganz anders verhielt es sich mit der Sklavin. Narcissa war kein Unmensch, in vielerlei Hinsicht war sie sogar eine ganz unkonventionelle Sklavenbesitzerin. „Du kannst dich gern zurückziehen…“, sprach sie das Mädchen auf Seianas Vorschlag hin an. Sie nickte schweigsam, sammelte Nadeln und Wolle auf und machte sich von dannen, einem zweiten Sklaven nach draußen zu folgen. Die beiden Frauen setzten sich unterdessen, justierten sich einen gemütlichen Sitz. Narcissa fühlte sich überraschend fremd. Mit der Absicht, eine Verbindung zu ihrer letzten Begegnung herzustellen, fragte sie: „Wie erging es dir denn in den letzten Zeit?“

    Mit neugierigem Blick betrat die Aurelia einem kleinen dunkelhaarigen Jungen folgend das tablinum der Casa Decima Mercator. Der Empfangsraum war geschmackvoll und wohnlich eingerichtet, ganz der Familie entsprechend, die einige bekannte Männer hervorgebracht hatte, wie Kriegsherren, Senatoren, Ärzte, Advokaten, und von der man immer wieder auch etwas in der Acta lesen konnte. Der Sklavenjunge bot ihr an, in einem Weidenkorb Platz zu nehmen und dort zu warten, während er seine Herrin holen würde. Zuvor aber erkundigte er sich noch nach ihren Getränkewünschen. Narcissa war nicht sonderlich durstig, dennoch orderte sie Wasser. Der Junge nickte und verschwand. Die Aurelia blieb dennoch nicht allein zurück. Ihre eigene Sklavin hatte sich unterdessen in den Hintergrund zurückgezogen, wo sie ein paar lange Nadeln hervorgezogen hatte und sich die Zeit mit Stricken vertrieb. Eigentlich empfand sie es als höchst unsinnig einen Sklaven zu solchen Gelegenheiten mitzuschleppen. Rein des Anstands wegen fühlte sie sich dazu verpflichtet. Ihre Gedanken schweiften langsam ein Stück ab, als sie die Kunstgegenstände betrachtete, die man hier und dort aufgestellt hatte. Wie es wohl der kleinen Marei ging?

    Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus...


    Die junge Aurelia quittierte die Bemerkung des Pontifex mit einem Lächeln und auch die Tatsache, dass er die Schwestern verwechselt hatte. Zuweilen war es recht amüsant und manchmal legten es die eineiigen Zwillinge gerade zu darauf an, dritte in Verwechselspielchen zu verwickeln. Ihr Alter stellte in dieser Angelegenheit tatsächlich ein Problem dar. Andererseits vertraute sie jedoch viel zu sehr darauf – irrationaler Weise – dass die Dinge ihren Wünschen nach verlaufen würden. Viel zu deutlich sah sie den Weg vor sich, den sie zu gehen hatte. Das war für Narcissa ungewöhnlich, die eigentlich ein überaus rationaler Mensch war, der sich jetzt aber von göttlichem Zutun geleitet und getragen fühlte. Da war ihr ursprünglicher Gedanke, der ihre Überlegungen erst eingeleitet hatte – nämlich dass sie als Vestalin ein Leben von höchst möglicher Selbstbestimmung führen konnte im Einklang damit, Sinn in ihr Leben zu bringen und nicht in irgendeinem Haushalt untätig zu versauern, wie es ihr an der Seite eines Ehemannes wohl beschieden gewesen wäre – eher zweitrangig. Das Mädchen hatte sich um 180 Grad gedreht. Von ihrer anfänglichen Abneigung musste der Mann vor ihr nichts wissen.
    „Sagen wir, es hat in der letzten Woche zwei sehr eng beieinander liegende Ereignisse gegeben, die mich davon überzeugt haben, dass es meine Aufgabe ist der Göttin zu dienen. Aber ich glaube, das würde jetzt zu weit führen...“, erklärte sie diplomatisch. „Ich gebe dir gern bei einem persönlichen Termin genauere Antwort. Aurelius Corvinus meinte ohnehin, dass ich mich brieflich auch an dich wenden solle...“

    „Bona dea! 13 mina? Das ist aber schon ein ganz schönes Gewicht!“, machte die junge Aurelia große grüne, überraschte Augen. Sie war wirklich erstaunt. „Es ist bestimmt anstrengend so ein Schild auf die Entfernung mit sich tragen zu müssen!“,
    Beruhigt nahm sie zur Kenntnis, dass der Soldat vor ihr tatsächlich bereit war, sich auf sie einzulassen. Aber wie um alles in der Welt sollte sie ihn dazu bringen einen Schritt vorzutreten? Nur einen ganz kleinen, gerade so, dass Flora genug Platz an ihm vorbei zu huschen. Immerhin hatte sie einen Soldaten ganz außen am Rand angesprochen. Da würde es ja wohl möglich sein. Aber wie nur?
    „Darf ich vielleicht einmal halten?“, fragte sie mit einem Gesicht der personifizierten Unschuld.

    Das Zeremoniell war voran geschritten und die Anwesenden gingen dazu über dem zukünftigen Brautpaar ihre Glückwünsche auszusprechen. Das Geschehen tangierte die junge Aurelia hinsichtlich eigener Zukunftsfantasien oder Sorgen nicht wirklich, vielmehr erlebte sie es ganz bequem aus der gelassenen Perspektive eines beobachtenden Menschen heraus, dessen eigene Pläne in eine andere Richtung verliefen und die nicht Gefahr liefen mit ähnlichen Ereignissen irgendwann einmal zu kollidieren. Wenn es die Götter wollten.


    Der Tiberier trat ganz unvermittelt in die kleine Welt, die sich die Zwillinge erobert hatten, um dem Lauf der Dinge zu folgen. Tiberius Durus. Der Name war ihr ein Begriff. Natürlich. Unter gleich zweierlei Aspekten. Der erste war recht unrühmlich für die gens Aurelia, aber sie hatte seinen Namen auch schon bereits in Zusammenhang mit dem cultus deorum gehört und ihn sogleich in die Kategorie „wichtige Männer“ gesteckt. Sie konnte die Gedanken in seinem Blick lesen, mit dem er sie musterte und sie für eindeutig älter als sieben befand. Ein feines Lächeln kräuselte ihre Lippen. Amüsiert und überrascht zugleich, dass sie keinerlei Unruhe oder Aufregung empfand als er seine genauere Funktion innerhalb des Kultes definierte. Das da war ein „sehr wichtiger Mann“…zumindest wenn man Vestalin werden wollte.
    „Ich bin ein wenig über das Alter hinaus, in welchem man normalerweise zur Vestalin berufen zu werden pflegt…“, fügte sie der Antwort ihrer Schwester gestehend hinzu. „Aber ja, ich möchte in die Priesterinnenschaft eintreten.“

    „Floraaahaaa!“, machte Narcissa quietschvergnügt, als ihre jüngere Schwester sie stürmisch umarmte, sodass ihr einen Moment die Luft wegblieb. Die Aurelia befand sich eindeutig noch im Geschwindigkeitsrausch, der besser war als jeder suffige Wein. Auch ihre eigenen Wangen waren über den Knochen immer noch zart rot, gefärbt von der Aufregung und der Begeisterung. Beide Zwillinge boten einen ziemlich zerzausten und staubigen Eindruck. „Das war mit Abstand der beste unvernünftige Vorschlag seit langem!“ Aretas fuhr mit dem Gespann an ihnen vorbei in den Stall, um sich um die Tiere zu kümmern. Sie sah ihm nach, wie er im Halbdunkel verschwand. So schlecht war sein Vorschlag nicht einmal. Wohlstand hatten sie ja beide. Allerdings war die gens Aurelia schon durch die Aurata vertreten, deren princeps ihr Cousin Titus war und der wäre gewiss nicht davon angetan, wenn sich die beiden jungen Frauen in seine Geschäfte einmischten.


    „Ich würde sagen, wir machen uns auf in die Therme?“, Die Aurelia fühlte sich immer noch ganz diffus und federleicht. Die Fahrt hatte sie regelrecht beflügelt. Sie zog gerade ihre Tunika aus ihrem Gürtel, ein sauberer petro-blauer Streifen zeigte, wo das Kleid nach oben gezurrt gewesen war, als Aretas wieder zu den jungen Patrizierinnen stieß. Mit einem kurzen Blick, den Narcissa nicht richtig deuten konnte, glitten seine Augen über sie beide hinweg. Sie erwiderte und sah dann zu Faustina hinüber.

    Oh tempora, oh mores – das dachte Narcissa in dem Moment auch. „Ich kann besser reden…“, wiederholte sie in Gedanken, während sie darüber nachsann, was um alles in der Welt sie den Soldaten erzählen sollte, um ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „Lass mich voran gehen, du gehst unauffällig an der Seite entlang – tu einfach so als wolltest du ein paar Pistazien kaufen gehen!“, wisperte sie Flora so leise zu, dass es die Sklaven um sie herum nicht vernehmen konnten.


    Dann schritt sie selbst voran. Erst noch zögerlich, als wäre sie unsicher, ob sie sich den Soldaten wirklich nähern konnte und dann bestimmter, von Neugierde angezogen. Sie spürte die wie sich ihr die Blicke unter den Helmen zu wandten. >Oh Mann…was tue ich denn hier…Nur nicht anmerken lassen…<, Sie verspürte den Wunsch sich nach Flora umzusehen, aber sie waren schon als Zwillingspaar viel zu auffällig. Vorsichtig kam Narcissa noch ein paar Schritte näher, bis sie direkt vor einem der Männer stand, der sich hinter einem der Schilde verbarg. Es war fein gearbeitet und so blank geputzt, dass sie sich schummrig darin spiegelte. Das Metall gab einen leisen Glong von sich, als sie dagegen klopfte. „Wie schwer ist das?“, fragte sie den Soldaten, die Gedanken nach vorn gerichtet.

    Narcissa hatte keinen Sinn für Klamotten, Schmuck, Haare hochstecken. Eine Zeitverschwendung, der sie nur allzu gern aus dem Weg ging. Nur manchmal funktionierte das eben nicht. Gut, wenn Flora da das Heft in die Hand nahm und sich nicht nur für sich selbst auf die Suche machte, sondern auch Narcissa im Blick behielt (die dann hinterher regelmäßig geschockt war über das, was Flora anschleppte). Die Aurelia war schon längst fertig gewesen, als Flora gerade eben aus den Thermen gekommen war. Patschnass wohl gemerkt. Also saß sie in einem Weidenkorb, eine Schriftrolle in der Hand, hatte gewartet, während sich Lysandra um Floras Haare gekümmert hatte und hatte die Prozedur mit gelegentlichen Blicken überwacht. Es dauerte und dauerte und dauerte…“Jaaaah, du siehst wunderbar aus!“, meinte sie mit einem leicht gereizten Tonfall und füge ein „Wie immer“, hinzu.


    Im Eiltempo ging es dann zur Villa Flavia. Es tummelten sich schon einige Gäste im Atrium, herausgeputzt und ihren Wohlstand zur Schau stellend. Mit einem raschen Blick überflog sie die Meute. „Komm lass uns Lupus begrüßen…“, schlug sie vor und hielt auf ihren Verwandten zu….