Beiträge von Aurelia Narcissa

    "Das ist eindeutig zu viel für diesen Stoff, guter Mann. Für diesen Preis sollte das Gewebe von weitaus besserer Qualität sein. Seht her! Wie dieser hier...", Narcissa deutete auf ihr eigenes Gewand. Der Händler, mit dem sie soeben um ein paar Bahnen fliederfarbenen Stoffes gefeilscht hatten, setzte schon zu einem Widerspruch an, als die Zwillinge von einer Schar junger Männer angesprochen wurden, die sichtlich zu weit in den Becher geschaut hatten.
    Sie hob die Augenbrauen und mustere den blonden Patrizier vor sich kritisch. Anders als ihre Schwester brachte sie dieses vermeindliche Kompliment nicht sonderlich aus der Ruhe. Immerhin, so nahm sie nach der Betrachtung des jungen Mannes an, war es ganz und gar im Rausch des Weines dargebracht. Von wegen In Vino Veritas! Zudem empfand auch sie so etwas wie einen natürlichen schwesterlichen Beschützerinstinkt, der dann ansprang, wenn sie den Eindruck hatte, Flora fühle sich unsicher...
    "Das hat dir wohl eher Bacchus als Venus eingeflüstert...", bemerkte sie mit einem amüsierten Lächeln. Sie meinte es tatsächlich nicht böse und wollte den Fremden vielmehr necken. Zu Menschen, die am hellichten Tage betrunken - so nahm sie an - durch die Straßen spazierten, musste man schließlich besonders freundlich sein;)

    Viel zu spät wurde ihr bewusst, dass ihre Schwester ihr einen kleinen Streich gespielt hatte. "Bona dea! Es schmeckt scheußlich!" Vorwurfsvoll blickte sie ihre Schwester an und nahm den Becher mit verdünntem Saft entgegen, den sie bei einem der Sklaven geordert hatte. Hastig trank sie ein paar Schlucke, um den bitteren Geschmack auf der Zunge auszulöschen. Doch sie schmeckte den Sud auch dann noch, als wäre er eingebrannt, als sie den Becher halb geleert hatte. "Das kann ich mir denken - mit diesem Sud kann man bestimmt Löcher in Stein ätzen", beschwerte sie sich bei ihrem Zwilling, der sie nach wie vor mit einem unschuldigen Lächeln bedachte. Nur das es nicht so unschuldig war, wie Narcissa nun wusste. "Du bist wirklich unglaublich!", tadelte sie weiter, nun mehr aber lächelnd, nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatte. - sehr lange konnte sie ihrer Schwester ohnehin nicht böse sein. "Gegen deine Kopfschmerzen", fügte sie mit einem schelmischen Augenzwinkern hinzu. Beide hatten sie am gestrigen Abend Wein getrunken, aber Flora hatte sie darin dann doch übertroffen, dementsprechend stark mussten die Kopfschmerzen sein.


    Bevor sie der Tiberia antwortete nahm sie vorsichtshalber nochmals einen Schluck Saft. "Es wäre jedenfalls viel einfacher, direkt nach dem Namen zu fragen...Aber auch für uns ist es manchmal nicht so einfach. Der erste Tag hier in der Villa war mitunter ein regelrecht Seilakt. Wir wussten nie genau, mit wem wir es zu tun hatten, wenn uns einer unserer Verwandten ansprach. Da war dann Dipolmatie gefragt."


    Sie hoffte, dass ihre Verwandten nicht eines Tages tatsächlich ernsthaft erwogen ihnen Schilder zu verpassen - schließlich brachte es dann und wann auch Vorteile nicht erkannt zuwerden. Andererseits entstanden manchmal aber auch komische Situationen, wenn ein Gegenüber glaubte, die Zwillinge trieben ihren Scherz mit ihm. Sie sah unauffällig hinüber zu Titus. Er machte allen Anschein, als habe er sich von dem ungewollten Scherz erholt.

    "Und die Moral..." Narcissas Augen verschlangen hungrig ein Wort nach dem anderen. Sie hallten in ihren Gedanken nach und entfalteten dort ihre ganze Schönheit in Farbe, Klang und Bild. Schon seit sie das Licht des Tages geweckt hatte, war sie in diesen Fabelband versunken und befand sich nun in den letzten Zügen. Sie liebte es hier zu sein, zwischen den warmen Decken, während draußen nasskaltes Winterwetter sein Dasein fristete. Wo sich ihre Schwester im Moment befand, wusste sie nicht, vermutlich schlief sie noch, erschöpft von den Ereignissen und Eindrücken der Tage. Ganz anders Narcissa. Sie fühlte sich hellwach, aufmerksam! Und sie brauchte mehr Wörter! Sie entkletterte den Decken, zog sich eilig ihre Palla über und griff dann nach dem Buch. Den Blick auf die letzten Zeilen gerichtet, schritt sie in Richtung der Bibliothek. Sie musste nicht aufsehen, um den Weg zu finden, denn in den letzten Tagen war sie ihn schon oft gegangen. Nämlich dann, wenn sie sich allzu verloren fühlte in dem großen Rom. Der Duft der Schriftrollen gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe. Nach wie vor auf die Wörter konzentriert betrat sie den Raum, glaubte sie doch, ihn leer vorzufinden. Zwar wusste sie von dem einen oder anderen Verwandten, dass auch er/sie gerne las - wie etwa Titus - in der Regel traf sie in der bibliotheca aber selten jemanden an.
    Sogleich überkam sie jedoch ein äußerst merkwürdiges Gefühl - und schaute auf. Zwei Paar Augen musterten sie - sie sah zurück. Einige Atemzüge verstrichen, in der ihr zwei Dinge bewusst wurden. Zum einen, dass sie mit ihrer wilden Lockenpracht, die noch vom Schlaf her absolut ungebändigt waren, nicht gerade das Idealbild einer aurelischen Tochter darstellen musste. Zum anderen, dass sie wohl in einem äußerst ungünstigen Moment hier herein geplatzt war. Eine leise Spannung lag in der Luft und im Gesicht der beiden Sklaven, die vor ihr saßen, konnte sie ablesen, dass es kein fröhliches Gespräch gewesen war, das sie geführt hatten. Ihr Blick fiel auf den geschwollenen Bauch der blonden Sklavin. Sie war hochschwanger. War das vielleicht der Grund ihrer Unterhaltung gewesen? Eine leise Röte überzog ihre Wangen. "Salvete...",sagte sie verlegen in die Stille hinein....

    "Keine Angst?", wiederholte sie etwas überracht in Richtung ihrer Schwester die Worte des Germanicus. "Sehen wir so aus, als hätten wir Angst?", meinte Narcissa amüsiert und schüttelte dann lachend den Kopf. "Na Rom ist schon eine Stadt fü sich...." Gut gelaunt ergriff sie die Hand ihrer Schwester..."Ich glaube, der einzige, der sich fürchten muss, ist Manius, wenn du einmal mit "bummeln" anfängst!"
    Sie zwinkerte ihrem Zwilling verschwörerisch zu: "Keine Sorge, in meinem Schrank ist noch genug Platz, um die Kleider aufzunehmen, die bei dir nicht mehr hineinpassen..." Narcissa kannte ihre Schwester einfach zu gut, um nicht zu wissen, was ihr durch den Kopf ging. Aber auch sie hatte heute große Lust um ein wenig einkaufen zu gehen.
    "Na komm, ich glaube dahinten habe ich einen interessanten Stand mit Stoffen gesehen....", sagte sie und zog ihre Schwester auf die andere Seite der Straße, hinein in das Gewimmel aus Menschen...

    "Nun gut, ich gestehe: Ich übertreibe etwas", grinste Narcissa amüsiert. "Eigentlich musste Lysandra sie sogar immer förmlich ins Haus zerren...", Sie meinte es jedoch nicht böse. Falls Marcus sich ihrem Willen widersetzen sollte - was sie nicht glaubte, so würde sie ihrer Schwester auf jeden Fall helfen.


    Sie machte dann doch ein verwirrtes Gesicht, als sich Titus wieder an sie wandte. "Du liebst Pflanzen und den Garten?", fragte er sie.
    "Titus", begann Narcissa zögerlich..."Ich glaube, du hast uns nicht richtig verstanden...Sieh selbst..."...Sie streckte ihm freundlich ihr Handgelenk entgegen, an dem das feingeschmiedete, silberne Armbändchen mit ihrem Namensschild baumelte: "Ich bin Narcissa und das ist Flora..." Sie hoffte, dass ihr Verwandter ihr ihre Direktheit nicht böse nahm - aber offensichtlich glaubte er tatsächlich, dass sie einen Scherz mit ihm trieben. Dabei wollten sie sich das doch noch für ganz andere Gelegenheiten aufsparen.

    Es gefiel Narcissa gar nicht als sie bemerkte, dass Lysandra es tatsächlich fertig gebracht hatte, sie beide nahezu identisch einzukleiden. Was hatte sich die Sklavin nur dabei gedacht?! Die Menschen verwechselten sie auch so schon oft genug - dazu brauchte es nicht auch noch dieselbe Palla! Sie überspielte ihren Unmut, indem sie Tiberia zulächelte, während sie antwortete: "Es gibt in der Tat nicht viele, die uns auseinander halten können...Unsere Mutter konnte es und die Köchin in Terentum"- Zu unserem Leidwesen, fügte sie in Gedanken an..."Dennoch, die meisten haben uns auch noch nach Jahren verwechselt. Selbst Lysandra gelingt es nicht immer." Letzteres war eindeutig ein Vorteil. "Als wir geboren wurden, bekamen wir deshalb diese Armbänder mit unseren Namen darauf, damit es einfacher war, uns zu unterscheiden", Sie hob leicht ihre rechte, um deren Gelenk ein fein geschmiedetes Silberkettchen mit einer schmalen Plakette baumelte.


    Sie hielt es für eine nette Geste von ihrer Schwester, als diese ihr den Becher mit einer für sie undefinierbaren dunklen Brühe hinhielt. Vertrauensvoll nahm sie ihn entgegen und trank abwesend einen Schluck, während sie Tiberia dabei beobachtete wie sie sich fürsorglich um Titus kümmerte. Sie war wirklich eine gute Wahl gewesen. Man konnte die Zuneigung, die die beiden verband spüren. Ob das nun tatsächlich auch der Fall war, oder sie nur ihrer Pflicht als Ehefrau nachkam, vermochte Aurelia im Moment noch nicht zu sagen. Schließlich kannte sie die Tiberia kaum. Fürs erste schien sie ihr aber sympatisch zu sein - und sie bewunderte ihren Apptit. Ihr eigener Magen fühlte sich nach wie vor aufgebracht an. Ihre Gedanken wurden aber sofort unterbrochen, als sie den bitteren Geschmack schmeckte, der ihre Zunge zu verätzen drohte. Sie konnte sich nicht beherrschen und verzog angeekelt das Gesicht. "Was ist denn das?!", keuchte sie entsetzt.

    "Nun, dann viel Glück in Ostia Paullus Germanicus Aculeo!", entgegnete Narcissa freundlich. Die Sklaven hinter den beiden, schienen sich zu entspannen. Offensichtlich war dieses kleine Intermezzo vorüber. Sie blickte dem jungen Germanicus noch einen Augenblick nach, wie er in der Menge verschwand und wandte sich dann an Flora: "So, was meinst du? Sollen wir noch eine Weile über den Markt schlendern? - Du wolltest schließlich noch nach ein paar neuen Stoffen schauen - oder hättest du Lust auf ein entspanntes Bad?"

    Das Wasser klatschte leicht gegen die steinernen Wände, als Narcissa langsam die Stufen des Badebeckens im Balineum empor stieg. Zwei junge Sklavenmädchen warteten bereits mit Handtüchern in den Händen auf sie und hüllten sie in den weichen Stoff ein. Die Wärme des Wassers hatte sie träge und entspannt zugleich gemacht. Tropfnass blieb sie stehen, während die beiden Mädchen jene Dinge hinrichteten, sie gleich benötigen würden.
    Was für eine Nacht war das gewesen! Noch immer hüpften verkleideten Soldaten und ein sinkendes Floss durch ihre Gedanken, sah sie eine glückliche Tiberia Septima neben einem ebenso glücklichen Titus Aurelius Ursus und einen Marcus Aurelius Corvinus, der gemeinsam mit einem Tiberier und ihrem Bruder einen Becher Wein nach dem anderen getrunken hatte. Ein feuchtfröhlicher, aufregender Abend!
    Die Mädchen brachten ihre Kleidung heran, eine weiße Tunika, eine blassgelbe Palla, die sie vorher noch die in ihrem Leben gesehen hatte (und die Lysandra ihr offensichtlich unterschieben wollte) und einen Ledergürtel mit Goldelementen. Noch immer versuchte Lysandra sie dazu zu bringen, sich "modischer" zu kleiden - heute morgen war ihr das alles gleichgültig. So ließ sie es zu, dass die Sklavinnen sie auf einen Stuhl manövrierten und sich dann an ihrem Haar zu schaffen machten. Lysandra war jetzt im Moment zweifelsohne mit ihrer Schwester Flora in einen Kampf verwickelt. Sie konnte ihre Schwester förmlich sehen, wie sie sich trotzig noch weiter in die Kissen eingrub und der Sklavin ein "Ich hasse dich!" entgegen schleuderte. Leise musste sie schmunzeln - und beschwerte sich sogleich bei einem der Mädchen, das etwas unwirsch an ihren Haaren gezogen hatte - nicht sehr förderlich für die Schmerzen, die leise aber beständig in ihren Schläfen pochten. "Verzeiht Domina!", beeilte es sich schnell zu sagen und schluckte einen leisen Fluch bezüglich der wilden Lockenpracht hinuner, die es zu bändigen hatte....


    Eine Weile später machte sich schließlich auch die junge Aurelia zum Triclinum auf. Schon einige Schritte entfernt vernahm sie zahlreiche Stimmen und hörte ein melodisches, lautes Lachen, das unverwechselbar das des Titus Aurelis Ursus´ war. "Guten Morgen - oder besser "Guten Mittag"?", begrüßte sie lächelnd alle, als sie den Raum betrat. Dank des Bades fühlte sie sich frisch und munter - auch wenn sich ihr beim Anblick des Frühstückes eher der Magen umdrehte. Für feste Nahrung war sie noch nicht ganz bereit. So orderte sie Wasser und verdünnten Saft bei einem der Sklaven und gesellte sich dann zu ihrer Schwester. Sie sah alles andere als fit aus und sie musste lächeln. "Na, gut geschlafen?", flüsterte sie amüsiert. Aber auch die anderen Familienmitglieder machten keinen sonderlich wachen Eindruck, mit Ausnahme von Tiberia Septima, die genauso wie am gestrigen Abend strahlte.
    "Es war ein großartiges Fest!", meinte sie in Richtung Titus.

    Narcissa erkannte, dass sie Ursus Frage wohl etwas missverständlich aufgenommen hatte, ließ sich davon aber nicht sonderlich aus der Ruhe bringen - immerhin rettete Flora sie ja aus der Situation. Die Schwestern arbeiteten tadellos zusammen.
    Etwas Unrecht tat Flora ihrer älteren Schwester dann aber doch. Natürlich hatte sie Recht, dass Narcissas Leideschaft dem Lesen galt. Aber das war nur die eine Seite, denn ebenso gern mochte sie die Natur und liebte es in der warmen Jahreszeit im Garten - lesend oder schreibend - unter schattenspendenden Bäumen zu sitzen. Und sie war neugierig, beobachtete gern und mochte es zu entdecken. Tatsächlich war es aber sehr oft Flora, die den ersten Impuls gab. Sie widersprach ihr daher nicht, sondern beliße es dabei. Warum Dinge unnötig verkomplizieren.
    "Es war für Lysandra meistens nicht sonderlich leicht, Flora zurück ins Haus zu bringen. Sie musste sie meistens zwingen...", ergänzte sie lächelnd mit Hinblick auf ihren Zwilling.
    "Marcus wird dann wohl in Flora eine Gleichgesinnte finden...", erwiderte Narcissa. Sie selbst mochte zwar Pflanzen zwar ganz gern anschauen, kannte sich diesbezüglich aber kaum aus. Ihre Schwester hatte ihr da einiges mehr vorraus: "Zuhause in Terentum hatte sie auch ein kleines Beet" und zu Flora gewandt sagte sie: "Weißt du noch, dieses heftige Sommergewitter? Du bist einfach nach draußen gerannt, weil du deine Pflanzen schützen wolltest. Mutter und Lysandra haben dir hinterher geschrien..." Sie ließ den Part aus, dass sie selbst ihrer Schwester gefolgt war, um ihr zu helfen. Hinterher waren sie beide völlig durchnässt gewesen. Das war auch das einzige Mal gewesen, dass sie wirklich ernsthaft Fieber bekommen hatten.


    "Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper...", stimmte sie Titus zu. "Ich nehme an, wir werden uns wohl des öfteren in der Bibliothek treffen..." Narcissa ahnte nichts davon, dass der Aurelier insgeheim glaubte, sie würden ein Spiel mit ihm spielen...

    In der Woche vom 13.02 bis zum 22.02 ist es für mich schwierig ins Internet zu kommen, was wohl dazu führen wird, dass ich kaum oder gar nicht auf Posts antworten werde...uh, ich freu mich schon wieder auf den 23ten;)
    Bis dann!

    Erleichtert darüber, dass sich das Gespräch nun allmählich anderen Dingen zuwandte, griff Narcissa Titus Faden auf. "Wohl zu unserer eigenen Schande haben wir hier tatsächlich noch nicht sehr viel angestellt..." Sie lehnte sich entspannt in den Weidenkorb zurück und faltete die Hände über ihrem Milchbauch. Ihre Mutter hatte sie des Öfteren gescholten, zu viel Milch sei ungesund, aber sie würde die weiße, einfach Flüssigkeit sogar den lecker riechenden Küchlein vorziehen, die direkt vor ihrer Nase standen. Du bist doch keine Katze!, hatte Lucilla gesagt. Tatsächlich hatte es die junge Aurelierin schon einmal in Betracht gezogen, sich eine eigene Milchkuh zuzulegen...aber das waren Gedanken, die nichts mit dem Gespräch zu hatten. Etwas Bewegung war nachher aber auf jeden Fall notwendig, um sich des Bäuchleins zu entledigen, dass sie zu sehen glaubte, das aber für äußere Betrachter gar nicht sichtbar war.
    "Der gestrige Tage verging wie ein Augenschlag. Manius hat uns noch die Villa gezeigt - wir haben dich in der Bibliothek ja getroffen - und im Garten sind wir dann auf Marcus Aurelius Corvinuns gestoßen", fasste sie rasch die Ereignisse des vergangenen Tages zusammen und gestand dann etwas verlegen in Richtung Flora: "Um ganz genau zu sein, Flora hat ihn getroffen und ich bin gegen ihn gestoßen. Ich war in meinem Zimmer eingeschlafen und noch nicht ganz wieder im Reich der Lebenden, als ich nach Flora suchte...."

    "Na Ostia?", Narcissa machte ein überraschtes Gesicht. "Warum das?" Erst vor kurzem in Rom angekommen, war es für sie einfach undenkbar die Ewige Stadt zu verlassen. "Besuchst du Verwandte?" - war da noch der verständlichste Grund.
    Narcissa bemerkte das Grinsen auf seinen Lippen, als er von seinem Bruder sprach. Er war ihm wohl sehr zugetan - etwas das sie gut verstehen konnte und ihn ihr nochmals sympathischer machte.
    "Ist er ein solcher Wildfang?", entgegnete sie lächelnd. So langsam wurde sie etwas offener. Das Treiben um sie herum hielt nach wie vor an, umbranntete sie wie das Meer und war mindestens ebenso laut. Zwei Senatoren schritten sich leise unterhaltend an ihnen vorbei. Narcissa blickte ihnen kurz nach, ehe sie sich wieder Paullus zuwandte.

    Titus schien für kurze Zeit in Gedanken versunken zu sein, was sie als negativ wertete. Nächstes Mal, nahm sich Narcissa insgeheim vor, würde sie mehr auf ihre Worte achten.
    Schon oft hatte sie sich mit ihrer Schwester über das Thema Heiraten unterhalten, vornehmlich dann, wenn sie sich nach einem Fest noch allein in einem ihrer beider Zimmer zusammen gesetzt hatten, um über die Ereignisse zu diskutieren. Ihre Mutter hatte schon recht früh begonnen ihnen potentielle Ehemänner vorzustellen und natürlich war das auch einer der Gründe gewesen, weshalb die alte Lucilla ihre beiden Töchter nach Rom entsandt hatte. Sie wusste von Floras Befürchtungen, an einen, sie würde sagen "alten dicken greisen Senator", verheiratet zu werden, und sie wusste auch, dass ihre Schwester das Leben zunächst noch genießen wollte. Auch ihr ging es vornehmlich so. Dass Manius sich alle Mühe geben würde, wenn - ja, wenn - er denn eines Tages beschliesen würde, sie verheiraten zu wollen, da war sie sich vollkommen sicher. Schon allein weil er fürchten musste, ihrer beider Mutter würde sich obschon eines verunglückten Ehepartners trotz ihrer Artritis nach Rom begeben, um ihn zu Recht zu weisen. Trotz aller Strenge und Nörgeleien, Lucilla vergötterte ihre Töchter. Aber was hieß hier schon "glücklich" - war es nicht die Pflicht einer patrizischen Tochter, mit dem glücklich zu sein, was für die Familie gut war? Sie hielt sich bedeckt, das hier war ganz und gar nicht ihr Feld. "Das wird er sicherlich", erwiderte sie, fügte dann jedoch noch hinzu, um keine Stille entstehen zu lassen: "Du scheinst dich auf deine Ehe zu freuen?!". Ein leises Lächeln auf den Lippen, schließlich wusste man ja nicht gleich auf ihrem Gesicht sehen, was ihr durch den Kopf ging.

    „Dann ist es für dich ja sozusagen wie ein Nachhause kommen....“, bemerkte Narcissa leise lächelnd. Sie hielt sich nach wie vor etwas bedeckt, empfand die Sklaven, die wie eine Mauer hinter den beiden standen, etwas belastend. Offensichtlich hatten die Zwillinge mit ihrem Charme nicht nur bei ihren Familienmitgliedern Erfolg und weckten dort so etwas wie Beschützerinstinkte, sondern auch bei den Sklaven. Ihre Schwester war dagegen wie gewohnt das quirlige Leben selbst.
    Sehr angenehm empfand sie jedoch, dass der junge Mann vor ihnen seinerseits keinen Aufstand um ihrer beider Ebenbildlichkeit machte. Sie versuchte also sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Du hast einen Bruder? Wie alt ist er denn?“...Doch noch ehe er antworten konnte, schob sie besorgt nach: „Wir halten dich aber hoffentlich jetzt nicht auf?“

    Die kleine Marei nickte, eilte rasch davon, um Narcissas Bitte nachzukommen und ließ die Großen wieder uner sich zurück.
    Aufmerksam lauschte die junge Aurelierin der Ausführung ihres Verwandten. "Ich verstehe...", erwiderte sie und für einen Moment schien es, als würde sie dem nichts hinzufügen, fuhr dann aber doch etwas gedankenverloren fort: "Ich glaube es ist heutzutage schwierig das Gehör des Kaisers zu finden. Nicht nur von den patrizischen Familien wird er umschwärmt, sondern auch von den plebeischen. Und für ihn wird es wohl schwierig sein unter all jenen Stimmen die richtige zu wählen, um ihr Gehör zu schenken..." Mitten in ihren Gedankengang schob sich as Bild ihrer Mutter wie sie nach einer hitzigen Diskussion am Abendbrottisch schroff und mit erhobenen Zeigefinger zu ihr gesagt hatte: Mädchen haben sich nicht zu politischen Angelegenheiten zu äußern. Sie betätigen sich künstlerisch, betreiben Plauderei, gehen einkaufen und kümmern sich um ihre Erscheinung - aber die Politik geht sie nichts an! Hastig schob sie mildernd nach: "Aber das wichtigste ist ja, dass er von uns unterstützt wird - und die Aurelia leistet dazu gewiss einen nicht zu überschätzenden Beitrag..."


    Sie war dann sehr froh, als Titus sogleich fortfuhr - allerdings nur einen kurzen Augenblick, denn als Titus das Wort "Heiraten" im Bezug auf sie beide verwendete, da verschluckte sie sich beinnahe an einem weiteren Schluck Milch. Das Wort war für Narcissa so weit entfernt wie das weit gelegenste Meer, beinhaltete es doch sich eines Tages von Flora zu trennen - und das war nun wirklich ganz und gar undenkbar. "Keine Sorge, Titus, für den Moment haben wir zumindest noch vor, dieser Villa erhalten zu bleiben", sie kaschierte mit einem offenen Lächeln. "Was dein Versprechen betrifft - da nehme ich dich dagegen beim Wort!"

    Die beiden Sklaven schienen ihre Aufgabe tatsächlich sehr ernst zu nehmen – etwas zu ernst für Narcissas Geschmack, die nach jener anfänglichen Zurückhaltung und Ehrfurcht im Angesicht der Größe und Lebendigkeit Roms jegliche Scheu verloren hatte. Die Neugierde hatte sie ergriffen. Da waren zwei stattliche Sklaven, die sich wie ihre Onatrix Lysandra in Männerform aufspielten nicht sehr förderlich. Vermutlich hatte die Sklavin sie geimpft, die beiden ja keinen Augenblick aus den Augen zu lassen und sie vorgewarnt.
    „Nein, eigentlich haben wir ihn dabei, um unsere Einkäufe zu tragen“, entgegnete sie ruhig, und legte dem muskelbepackten Kerl dann eine Hand auf den Arm, um ihm zu bedeuten, dass es in Ordnung war, dass sie nicht glaubte von jenem Paullus Germanicus angefallen zu werden. Es war als scherzhafte Erwiderung gedacht, klang dann aber doch so, als meinte sie es ernst. Erst dann wandte sie sich an den jungen Mann vor ihr, den sie mit einem schnellen unauffälligen Blick maß: Er war ausgesprochen groß für sein junges Alter, die Kleidung etwas abgerissen, aber unter den braunen Haaren schaute ihnen ein durchaus hübsches offenes Gesicht mit markanten Zügen entgegen. Er wirkte sympathisch. „Salve!“, grüßte Narcissa nun auch und lächelte ein etwas zurückhaltendes Lächeln. Der Sklave hatte ihre Euphorie gedämpft. Hoffentlich würde das jetzt nicht immer so ablaufen, wenn sie jemandem Fremdes begegneten. „Ja? Aus welchem Teil des Imperiums kommst du denn ursprünglich?...Wir beide“, sie warf ihrer Schwester Flora einen raschen Blick zu, deren Gesichtsfarbe sich allmählich wieder normalisierte: „kommen eigentlich aus Terentum...“

    Narcissa stolperte ihrer jüngeren Schwester hinterher. Gerade war sie noch mit dem Blick einem Mann gefolgt der einen Schwindelerregenden Turm aus Brotlaiben in einem Korb balancierte und dabei einer Gruppe Kindern auswich, die ihm wie eine Horde Hunde entgegen rannte. Sie fühlte sich erschlagen von all den Eindrücken. Von all den Farben und Gerüchen und den vielen Menschen. Wohin zu erst? Was zu erst versuchen, schmecken, riechen, sehen? Elegant übersprang sie eine kleine Pfütze, die sich auf dem Weg gebildet hatte und folgte ihrer Schwester hinein in das wilde Getümmel. Blicke folgten ihnen. Die beiden Sklaven blieben ihnen auf den Fersen, unsichtbar, aber allgegenwärtig. Es würde ihnen nichts passieren. Sie würden nicht verloren gehen in all diesem Durcheinander. Allmählich wurde auch sie wach, ließ sich von der Begeisterung Floras anstecken. „Die sind großartig! Meinst du, die würden Orestes gefallen? Wir haben ihm noch gar kein Willkommensgeschenk übergeben!“, entfuhr es ihr, als sie den Käfig mit den Vögeln betrachtete, die fieppsend auf ihren Stangen hockten. „Oh! Und dort!“, Sie wies hinüber zu einem Stand mit exotischen Früchten und zog Flora voran. Ein Trupp der cohortes urbanae kreuzte ihren Weg und sie hielten abrupt, um die Männer vorbei zu lassen.

    Narcissa fing Floras Verschwörerlächeln auf und nickte unauffällig eine Zustimmung. Ursus bemerkte tatsächlich nicht, wie sie ihn schon jetzt auf spielerische Art testeten. Nun, sie waren eben jung - da galt es die Grenzen auszuloten. Zumal man ja schließlich immer wissen musste, an wen man sich wenden konnte, wenn man etwas durchsetzen wollte.


    Mareis Vorstellung entlockte ihr ein kleines Grinsen. Tatsächlich sah das Kind vielmehr wie ein kleiner Junge aus, doch ihre Stimme war ganz und gar die eines Mädchens. "Sei gegrüßt", entgegnete sie nach wie vor freundlich, sann im Geiste aber schon darüber nach, wie sie ihrem Verwandten am besten nahe legen konnte, dass er sie nach wie vor verwechselte. Gleichzeitig würde den beiden aber genau diese ständige Verwechslung ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Diese Verwirrspiele könnten durchaus lustig werden!


    "Die Aurelia scheint sehr einflussreich zu sein, wenn sie einen so großen Klientenkreis besitzt...wie nah steht sie dem Kaiser, wenn mir diese Frage erlaubt ist?", antwortete sie, nahm sich eines der kleinen Küchlein und winkte Marei zu sich her. "Bringst du uns noch ein enig frische Milch?", sagte sie leise und drückte dem Mädchen unauffällig das Küchlein in die Hand.
    "Manius sagte das, ja...aber es ist wirklich schön, dass es in der Zukunft noch eine weitere Hochzeit geben wird! Herzlichen Glückwunsch!", wandte sie sich erneut an Titus. Ehrlichkeit sprach aus ihrem Gesicht. "Wer ist sie denn, die Glückliche?" Und in Richtung ihrer Schwester fragte sie: "Vielleicht können wir ja auch deiner zukünftigen Frau später bei den Vorbereitungen helfen - was meinst du, Flora?",

    Die Reaktion ihrer Schwester entging ihr natürlich nicht. Instinktiv spürte sie ihren leisen Unmut. Es kam schon hin und wieder vor, dass Flora mit äußerungen vorpreschte und isie ihrer Schwester dann wie die Feuerwehr hinterhereilte, um etwas Wasser über den Brand zu gießen. Dasselbe geschah aber auch, wenn sie in ihren besonderen Phasen auf einmal von Eifer gepackt wurde. So retteten sie sich immer wieder gegenseitig aus heiklen Situationen. Für den Moment jedenfalls war Narcissa der Meinung, dass die Familie noch früh genug herausfinden würde, was für eigensinnige Geschwister nach Rom gekommen waren.


    Dass sie Titus zum Reiten brachten, obschon es nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte, war eindeutig als Erfolg zu verbuchen - wwas bedeutete, dass er wohl auch in Zukunft empfänglich für die Bitten der beiden sein würde. Flüchtig tauschte sie mit Flora einen Blick und strahlte dann Titus begeistert an. "Picknick klingt großartig..." Und in ihrem Eifer setzte sie nach: "Hoffentlich wird das Wetter bald besser!"


    "Vielen Dank für das Angebot, Titus...", dankte sie artig. Sie nahm sich noch etwas Milch und beobachtete wie ein kleines Mädchen ein ganzes Tablett mit Küchlein herein balancierte. EInmal schien es beinnahe herunterzukippen, als das Mädchen auf seine Füße schauen wollte. "Danke schön", wandte sie sich lächelnd an Marei, ehe sie ihrem Verwandten antwortete: "Nein, leider nicht. Bis auf Manius, Marcus und dich noch niemanden. Es scheint gerade so, als wären sie alle wie vom Erdboden verschluckt. Die Mitglieder der Aurelia müssen wahrlich sehr beschäftigt sein, wenn sie noch nicht einmal Zeit zum Frühstücken finden...." Sie nippte an ihrem Becher voll Milch. "Titus, gibt es irgendwelche wichtigen Ereignisse, einmal von den Wahlen abgesehen, die in den nächsten Wochen ins Haus stehen?", erkundigte sie sich interessiert....

    „Dann musst du dir aber einiges merken können, kleine Marei…”, entgegnete Narcissa, „Und hier gibt es bestimmt vieles, dass man sich merken kann und muss…”, Das Mädchen wusste ganz bestimmt etwas über die Bewohner dieses Hauses zu erzählen. Sie hatte einen überaus wachen Geist. Zudem schien sie Narcissa recht gesellig zu sein. Das Herz lag Marei auf der Zunge. „Das kann gut sein. Ich glaube er ist sehr mit politischen Dingen beschäftigt…”, Sie ließ ihren Blick gedankenverloren über die abgedecikten Pflanzen gleiten. Für einen kurzen Moment lang, ergriff sie ein merkwürdiges Gefühl der Fremde…..


    Marcus war auctor der Acta Diurna und dazu noch Pontifex…da war es nicht verwunderlich, dass er sich oft außerhalb der Villa befand. Eine innere Stimme ließ sie dann aber doch aufhorchen. Sie hatte Celerina bisher noch nicht kennen gelernt – überhaupt hatte sie seit sie hier in Rom angekommen war, noch nicht allzu viele Familienmitglieder kennen gelernt. Daher war es eine wirklich gute Gelegenheit sich ein wenig von Marei erzählen zu lassen, um schon Mal erste Anhaltspunkte zu bekommen, wer ihre Verwandten waren. Die Sklaven wussten das bestimmt am besten von allen hier in der Villa, weil sie direkten Kontakt mit ihren Herren hatten. Die meisten zumindest. „Wie kommst du darauf, dass Celerina ihren Mann erfunden hat? Braucht sie das denn? Mag sie ihn denn nicht?”…Eigentlich ging es sie ja nichts an, aber neugierig war sie trotzdem. Über die Einzelheiten, die Marei ihr berichtete musste sie schmunzeln. Das kleine Mädchen war wirklich sehr aufgeweckt. Bestimmt hatte der Wirbelwind schon den einen oder anderen Sklaven zum Verzweifeln gebracht, der damit betraut worden war, auf sie aufzupassen. Das Mädchen brachte eindeutig frischen Wind und mischte das Haus auf. Sie fragte besser nicht danach, weshalb Titus ein flaches Bett besaß…vielleicht hatte er ja gesundheitliche Probleme. „Du isst wohl gern”, stellte sie stattdessen fest. „Versteckst du dich denn oft unter irgendwelchen Betten? Celerina ist eine gute Herrin?”Sie spürte wie die Wärme ihren Dienst tat und sie allmählich aufwärmte. Zufrieden ließ sie sich noch weiter in den Korb sinken und legte die Hände auf die Schriftrolle auf ihrem Schoss, während sie Marei beobachtete wie sie ihre Puppe im Arm hielt. „Wie heißt denn deine Puppe? War es auch die Köchin, die sie dir gemacht hat?” Bei dem Gedanken ans Spielen musste sie abermals lächeln. „Mit meiner Schwester habe ich” bei dem nächsten Wort zögerte sie etwas…”Zuhause in Terentum manchmal gespielt als wir noch etwas kleiner waren…Unseren Bruder haben wir noch einer langen Zeit gestern das erste Mal wieder gesehn.”