Die Iulia warf Corona ein Lächeln zu. Sie mochte die Verwandte. Zumindest ein gutes hatte diese Reise gebracht: Sie waren sich näher gekommen und hatten sich besser kennen gelernt. Vieles teilten sie, waren dabei aber auch ganz und gar Individuen, die sich gegenseitig halfen und ergänzten. Während der Reise, wenn sie des abends in ein Gasthaus eingekehrt waren, um die Nacht geschützt zu verbringen, hatten sie manchmal die Köpfe zusammen gesteckt und Cara hatte sich geduldig von ihrer Verwandten Nachhilfestunden im Nähen geben lassen. Mit Coronas Hilfe hatte sie sich nicht einmal mehr so dumm angestellt.
„Ah ja natürlich! Salve! Komm nur näher!“, winkte Cretica die Iulia heran und sog dann erschrocken die Luft ein. „Bona dea! Bist du groß geworden – und hübsch!“ Sie lachte auf und schüttelte über sich selbst den Kopf. „Das hörst du vermutlich fast jeden Tag, was? Ja, ich weiß…wir Alten…aber lasst euch gesagt sein, Mädchen…das Altern merkt man natürlich daran, dass einem das Gehen schwerer fällt, die Gelenke schmerzen und“, an dieser Stelle musste sie tatsächlich husten, was einige Bedienstete im Hintergrund dazu veranlasste besorgt einen Schritt näher zu kommen, „man wird öfter krank. Aber, wirklich erkennen tut man es nur an den Jungen um einen herum, die heranwachsen zu schönen Blumen und stattlichen Bäumen…Jaja…“ Eigenmächtig nahm sie Coronas Hand, tätschelte sie und sah mit ihren Wasserblauen Augen zu der jungen Frau auf, als suche sie irgendetwas in ihrem Gesicht. „Wie geht es dem guten Lucius, Mädchen…und deiner Mutter, Corona?“
Das Gespräch wurde von einem Räuspern unterbrochen. Automatisch wandte die Aquilia den Kopf in die Richtung, aus der das Gespräch kam. Ein junger Mann stand dort. Offensichtlich ein Sklave. Um ihn zu erkennen, musste sie jedoch die Augen zusammen kneifen, so gut waren sie dann schließlich auch nicht mehr. Das Gesicht kam ihr bekannt vor. Kantig, mit einer schmalen, ausgeprägten Nase. Aber wo? Wo nur hatte sie es schon einmal gesehen? Während sie noch darüber nachsann, entließ Corona ihn, damit er sich ausruhen konnte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, als verlöre sie den Boden unter den Füßen. Er war es. Lucia hatte den Mann überall mit hin geschleppt. Ihr wurde ganz schwindlig. Er in der Nähe ihrer Tochter!
„Mutter, geht es dir gut?“, Caras Gesicht erschien vor ihr. Ein besorgter Ausdruck lag darin. „Du bist ganz bleich…“
„Nein – nein! Schon gut…“, Cretica zwang ein Lächeln auf ihre Lippen und straffte sich. „Nur der Kreislauf…Crates“, wandte sie sich an einen blonden Mann, der ihr am nächsten stand. „Bitte bringe mir etwas zu trinken. Und auch den beiden jungen Damen und ihrer Reisegesellschaft. Ich bin mir sicher nach der langen Reise können sie einen Schluck Wasser gut gebrauchen.“ Der Mann nickte und entfernte sich.
Cara unterdessen war von der Schauspieleinlage ihrer Mutter nicht sonderlich überzeugt. Irgendetwas schien sie zu beunruhigen. Etwas, das mit Nicocholus zu tun hatte. Sie nahm sich vor, Corona, der sie nun mit gehobenen Brauen einen Blick zu warf, der signalisieren sollte „Ich weiß auch nicht was sie hat“, später danach zu fragen, wie sie an den Griechen gekommen war. Vielleicht hatten sie sich ja bereits schon früher einmal getroffen – was zwar nicht erklärte, warum ihre Mutter so merkwürdig reagiert hatte, aber sie zumindest einen Schritt weiter bringen würde.