Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    "In der Regia also.", stellte Flaccus fest, auch er hatte es für das Beste gehalten, sich direkt am Brennpunkt des religiösen Geschehens in Rom zu treffen, wollte die Entscheidung jedoch ganz der Aeditua überlassen. Diese war anscheinend erfreut darüber, zu sehen, wie entschieden der Flavier bereits von seiner Hingabe zu Apollon sprach. Dann offenbarte die Iunia Flaccus ihre Schwangerschaft und dass sie lediglich den theoretischen Teil seiner Ausbildung würde übernehmen können und ehrliches Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. Auch Flaccus war etwas enttäuscht, dass ihn Serrana, von der er im Laufe des Gesprächs einen sehr sympathischen Eindruck gewonnen hatte, lediglich theoretisch unterweisen würde, doch es beruhigte ihn, dass auch den praktischen Unterricht eine sehr erfahrene Aeditua übernehmen würde.


    Voll Tatendrang entgegnete er Serrana: "Ich freue mich bereits, sie kennenzulernen. Wann kann ich in der Regia sein, damit wir den Unterricht beginnen?" Er wollte möglichst bald loslegen, um nicht noch länger untätig in der flavischen Villa herumsitzen zu müssen.

    Dankbar nahm der junge Flavier das Angebot an und ließ sich auf einem der Sessel nieder. Es waren anscheinend wirklich nur organisatorische Belange, die besprochen werden sollten - zumindest vorerst. "Was die Frage der Räumlichkeiten betrifft,", begann Flaccus, "kannst du gerne entscheiden, was für dich passender erscheint oder mit dem geringeren Aufwand verbunden ist." Flaccus war der Aeditua schon dankbar, dass sie ihm überhaupt Unterricht erteilen würde, über die konkreten Umstände zu entscheiden wäre das Letzte, was ihm in den Sinn käme.


    Flaccus musste grinsen, als Serrana von seinen zeitlichen Möglichkeiten sprach. "Meine zeitlichen Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt! Ich bin noch zu kurz in Rom, um schon ausufernden gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen zu müssen. Die meiste Zeit verbringe ich also beim Studium in der Villa. Du siehst, auch hier kann ich mich ganz nach deinen Möglichkeiten richten." In der Tat war Flaccus im Moment fast schon unterbeschäftigt, hatte er doch wirklich keinerlei Verpflichtungen und unbegrenzte Freizeit.


    Nun wurde es allerdings interessanter, fragte die Iunia, wie auch schon der Pontifex, ihn doch nach seiner präferierten Gottheit. Natürlich antwortete er ohne zu zögern. "Seit ich ein kleines Kind war und vor allem in den letzten Jahren, die ich in Griechenland verbringen durfte, haben mich unzählige Ereignisse und die immer stärker entbrennende Leidenschaft zur Musik und Poesie an einen Gott gebunden: Apollon. Meine Wahl steht also zweifellos fest: Ich unterwerfe mich dem Gott der Weissagung und der Künste, des Lichts, der Reinheit und der Heilung, dem Phoibos, dem Smintheus, dem Musagetes, dem Sohn des Zeus und der Leto und Bruder der Artemis." Wenn es um Apoll ging, war Flaccus nicht mehr zu halten. Er musste sich fast schon mit Gewalt einbremsen, damit sein Wortschwall nicht das Ausmaß eines homerischen Hymnus erreichte - den Pathos hatte er ohnehin. Etwas verlegen lächelte er die Iunia an.

    Flaccus verneigte sich ein wenig, als die Iunia eintrat. Er hatte sie in seiner kurzen Zeit in Rom noch nicht kennen gelernt, doch sie durfte wohl ungefähr in seinem Alter sein und war eine schöne junge Frau. "Salve Aeditua. Pontifex Aurelius Corvinus ließ mir die Nachricht zukommen, dass du meine Ausbildung übernehmen wirst und bat mich, dich aufzusuchen, um Organisatorisches zu besprechen.", erklärte der Flavier seinen Besuch, obwohl Corvinus sicherlich ohnehin bereits mit Serrana gepsrochen hatte.

    Am ganzen Weg zur Casa Germanica hatte Flaccus versucht dem etwas dämlichen flavischen Sklaven die Worte einzutrichtern, mit denen er ihn ankündigen sollte. Nun würde sich zeigen, ob seine Mühen mit Erfolg gekrönt würden.


    "Salve! Mein dominus, Quintus Flavius Flaccus, möchte die aeditua Iunia Serrana sprechen.", brachte der Sklave hervor und vergaß die Hälfte der eingeübten Worte, nämlich dass es um den Cultus deorum ging, und um Flaccus' Unterricht etc.


    Nichtsdestotrotz erfüllten die Worte ihren Zweck, schließlich beinhalteten sie zumindest Flaccus' Namen und den der Iunia.

    Als Flaccus den Brief des Pontifex mit dem Namen seiner Ausbilderin, einer gewissen Iunia Serrana erhalten hatte, schnappte er sich ohne Umschweife einen stämmigen flavischen Sklaven, der ihn zu der Casa der Germanicer führen sollte, war die Iunia doch Gattin des Senators Sedulus und wohnte darob in der Casa Germanica. Auf dem Weg machte er sich Gedanken, wie die Priesterin wohl sein würde und wie der Unterricht verlaufen könnte.


    Als sie die Porta der Casa erreichten, die Flaccus im Vergleich zum flavischen Anwesen nahzu lächerlich klein vorkam, schickte er den Sklaven vor, um an die Tür zu klopfen und ihn anzukündigen.

    Als Flaccus seine Meinung bezüglich des römischen und griechischen Theaters kundtat, war er schon fast überzeugt, dass der Auerlier ihm widersprechen würde. Trotzdem war er im Moment weder in der richtigen Stimmung, noch hatte er ausreichend Zeit um eine langwierige Diskussion über dieses Thema vom Zaun zu brechen. Das Stück, das Aurelius Corvinus dann anführte, Kresh, war dem Flavier nicht bekannt. Es schien von nicht allzu großer klassischer Qualität zu sein, zumindest hatte sein Lehrer, Nikodemos ihm die Lektüre des Werks nicht empfohlen. Ob der Tatsache, dass er bis zu seiner kürzlichen Ankunft in Rom durch seinen Aufenthalt in Griechenland nahezu nichts von etwaigen Familienaktivitäten erfahren hatte, war es auch kein Wunder, dass ihm dieses Stück nicht bekannt war.


    "Es tut mir leid," entgegnete er also dem Aurelier, "doch dieses Stück kenne ich nicht. Es wurde wohl bereits vor einiger Zeit aufgeführt, als ich noch in Griechenland weilte."


    Um ehrlich zu sein, wurde Flaccus das Gespräch mit dem Pontifex schön langsam ungemütlich, also versuchte er es höflich zu einem positiven Ende zu bringen.


    "Nun möchte ich deine Zeit aber nicht länger in Anspruch nehmen." der junge Flavier erhob sich. "Was meine Ausbildung betrifft, so erwarte ich nun deine Nachricht bezüglich der Wahl des Lehrers." Flaccus hoffte, den Aurelier durch seinen abrupten Aufbruch nicht vor den Kopf zu stoßen, allerdings war dessen wertvolle Zeit sicherlich knapp bemessen und als Pontifex hatte er ohne Zweifel auch wichtigere Geschäfte zu erledigen als mit zukünftigen Discipuli zu plaudern.

    "Ganz genau. Mein Herz schlägt für die großen griechischen Tragödien, im Vergleich dazu wohl alle römischen Bemühungen, Ähnliches zu schaffen als inferior betrachtet werden müssen. Aber auch anderen Gattungen der Lyrik kann sich mein Herz nicht verschließen ... und die Musik!", wenn es um Flaccus artifizielle Interessen ging, geriet er nur allzu leicht ins Schwärmen, verwendete er doch viel Zeit darauf, die griechische Lyrik zu studieren und sich auch selbst darin zu üben.


    Die Ludi Apollinares würden dem jungen Flavier wohl in der Tat ganz besonders gut gefallen, im Moment jedoch war er noch zu kurz in Rom, um schon eine mögliche Begleitung zu den Spielen kenngelernt zu haben.

    Das Interesse des Pontifex nach Flaccus' genauen Verwandtschaftsbeziehungen schien mit der knappen Auskunft ausreichend befriedigt zu sein. In der Tat hätte es den jungen Flavier gewundert, wenn sein Ausbildner bereits zu diesem Zeitpunkt festgestanden wäre. Nichtsdestotrotz war es einen Versuch wert gewesen. Vielleicht gab es ja Priester, die nur darauf warteten, junge Menschen zu unterweisen, man wusste ja nie. Allerdings schien der Aurelier bereits eine Person in Betracht gezogen zu haben, schließlich sprach er von einem Priester seiner Wahl, von dem es noch eine Rückmeldung zu erhalten galt.
    "Ich danke dir, dass du dich meines Vorhabens annimmst und hoffe meinen Lehrer schon bald treffen zu können." erwiderte Flaccus höflich. "Wenn es daran käme, eine Gottheit den anderen vorzuziehen, so würde meine Wahl zweifellos auf den Musagetes fallen: Apollo.", Flaccus musste keine Sekunde überlegen, so wichtig und tiefgreifend die Entscheidung auch für eine eventuelle spätere Karriere sein mochte. Wenn er einen der Götter in Griechenland zu lieben gelernt hatte, dann war es Apollon, der Beschützer der Künste und der Musik, Gott der Reinheit, des Lichts, der Heilung, der Weissagung, allerdings auch des Todes und der Vernichtung. Flaccus blickte den Pontifex an, wie dieser seine Wahl aufnehmen würde, schließlich zeigte sich auch hier allzu deutlich das so unrömische Gemüt des jungen Flaviers. In der Tat konnte er nur wenig mit Krieg, Unterwerfung und Rache anfangen, viel lieber beschäftigte er sich mit den Künsten, der Kultur der Philosophie.

    Der Aurelier zeigte sich mit Flaccus' Vorhaben einverstanden, schien jedoch noch Interesse an seinem Verwandtschaftsverhältnis zu einem bestimmten Flavier interessiert zu sein: Piso. Inwiefern dieses Interesse noch mit dem ursprünglichen Zweck des Gesprächs, Flaccus' Eintritt in den Cultus Deorum, in Verbindung stand war zweifelhaft. Nichtsdestotrotz beantwortete Flaccus die Frage natürlich: "Mein Großvater war ein Bruder von Pisos Vater, doch warum ist das von Belang? " In seiner kurzen Zeit in Rom hatte der junge Flavier noch nicht besonders viel von den Freundschaftsverhältnissen der einzelnen patrizischen Familienmitglieder zueinander mitbekommen. Was für ihn jedoch von viel größerem Interesse war, betraf seine bevorstehende Ausbildung. "Hast du bereits jemanden in Betracht gezogen, der meine Ausbildung übernehmen könnte?" fragte er Corvinus.

    Flaccus nahm den Weinkelch, der ihm gereicht wurde dankbar an. Auch er bezweifelte stark, dass es für einen Außenstehenden möglich sein könnte sich in das äußert komplexe Geflecht der beiden patrizischen Familien glaubhaft einzuflechten. Nichtsdestotrotz wäre er nur ungern ohne Empfehlungsschreiben vor den Pontifex getreten. Jener schien übrigens, ohne Flaccus näher zu kennen, von dessen Fähigkeiten so überzeugt zu sein, dass er ihm gar vorschlug nicht als discipulus sondern gleich als aedituus in den Cultus einzutreten. "Das Angebot ehrt mich, doch ich möchte lieber zuerst mein Wissen und meine praktische Erfahrung vertiefen, bevor ich ein so wichtiges Amt wie das eines Tempelverwalters ausübe.", entgegnete Flaccus dem Vorschlag des Aureliers.

    Endlich erschien der Senator und Flaccus erhob sich. "Salve Pontifex." erwiderte er den Gruß. Flaccus ließ sich mit dem Aurelier auf der gepolsteren steinernen Bank nieder und begann sein Vorhaben darzulegen:


    "Ich bin Quintus Flavius Flaccus, Sohn des Cnaeus Flavius Flaccus, der wiederum ein Sohn des Appius Flavius Bellienus und der Aurelia Agrippina war. Vermutlich kennst du mich nicht, denn ich bin erst vor kurzem aus Campania nach Rom gekommen. Zuvor habe ich einige Jahre in Athen zum Studium verbracht. Mein Weg führt mich zu dir, weil ich Discipulus im Cultus Deorum werden möchte. Mein Großonkel Gracchus hat mir dieses Schreiben mitgegeben, das meine Aussagen verifizieren sollte."



    M. Aurelius Corvinus, Villa Aurelia, Roma


    M' Flavius Gracchus Pontifex Pontifici M Aurelio Corvino s.p.d.


    Jener junge Mann, Quintus Flavius Flaccus, welcher mit dieser Nachricht dich aufsucht, ist ein Sohn des Cnaeus Flaccus, Enkel des Appius Bellienus und somit Großneffe meinerselbst, wiewohl weitläufig Verwandter deiner Gemahlin Celerina. Im Bestreben, der Pflicht seiner Herkunft nachzukommen und dem Imperium Romanum zu Diensten zu sein, lenkten seine Schritte nach vortrefflicher Ausbildung kürzlich erst ihn in die Hauptstadt. Wie zahllose Mitglieder unserer Gens vor ihm, so ist auch Quintus Flaccus nun bestrebt, dem Wohle des Imperium durch den Dienst an den Göttern gutzutun, wiewohl er bestrebt ist, sein vorhandenes Wissen zuvor auf beste Weise zu mehren, seine Kompetenz zu vervollkommnen, und darob sich entschieden hat als Discipulus in den Cultus Deorum einzutreten.
    Aus diesem Grunde wäre ich dir sehr verbunden, würdest du bei seiner Zuteilung einen kompetenten Ausbilder ihm weisen, dass seinem ehrgeizigen Vorhaben keine Schranken gegeben sind.


    Mögen die Götter dir und den deinen stets wohlgesonnen sein!


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    Gespannt blickte der junge Flavier Corvinus an, wie er sein Ansuchen aufnehmen würde.

    Flaccus ließ sich vom aurelischen Ianitor in das Atrium der Villa führen, und ließ sich auf der angebotenen Sitzgruppe nieder. In seinen Händen hielt er das Schreiben, das er von Gracchus erhalten hatte und als ein Sklave ihm etwas zu trinken anbot, lehnte er dankend ab, zu nervös war er wegen der Unterredung mit dem Pontifex, die wohl wegweisend für seine weitere Zukunft sein würde. Ungeduldig wartete er das Erscheinen desselben ab.

    "Salve." erwiderte Flaccus den Gruß des dunkelhäutigen Ianitors, "Mein Name ist Quintus Flavius Flaccus, ich bin hier, um mit dem Pontifex Marcus Aurelius Corvinus zu sprechen. Ist er anwesend?" Hoffentlich war er das, sonst war der Weg umsonst gewesen, auch wenn er vergleichsweise kurz gewesen war. Doch der junge Flavier hasste es auch nur wenige Minuten seiner kostbaren Zeit zu vergeuden. Also blickte er den Sklaven etwas ungeduldig an, um zu sehen, wie es um Aurelius Corvinus stand.

    Gracchus schienen seine Entscheidungen im Großen und Ganzen zu gefallen, was Flaccus ermutigte fortzufahren: "Für ein solches Schreiben bezüglich meiner Abstammung wäre ich überaus dankbar, denn: Vox audita perit, littera scripta manet! Ich denke wenn ich bei Aurelius Corvinus mit diesem Schreiben vorspreche, wird man mich mit offenen Armen empfangen, sind doch starke Bande zwischen der aurelischen und der flavischen Familie geknüpft." Zumindest glaubte Flaccus sich erinnern zu können, von mindestens einer Hochzeit zwischen den beiden Familien gehört zu haben, was auch nicht weiter verwunderlich wäre, ist es doch in Patrizierkreisen üblich starke interfamiliäre Bande zu schließen.

    Von der Schola Atheniensis hatte Flaccus bereits viel gehört, es wunderte ihn also nicht, als Piso das Gespräch auf eben jenes renommierte Institut brachte. "An der Schola Atheniensis möchte ich auf alle Fälle studieren," entgegnete er Piso und an Gracchus gewandt, dem Piso gekonnt den Ball betreffend Aurelius Corvinus zugeworfen hatte, "Und um mein religiöses Wissen auszubauen, werde ich wohl auch als Discipulus einsteigen, um einmal höhere Ämter im Cultus deorum ausüben zu können."


    Bezüglich des Tirocinium Fori erwähnte Piso nun den Namen Tiberius Durus, der offenbar einer der wirklich mächtigen Männer in Rom war. "Nun, dann werde ich mich wohl eher an Tiberius Durus als an Purgitius Macer wenden." Eigentlich war Flaccus erleichtert, zumindest Hoffnung auf die Möglichkeit eines Tirocinium Fori bei einem Tiberier zu haben. Der Gedanke, sich einem Plebejer, so mächtig er auch sein mochte, unterzuordnen hatte ihm ohnehin nicht behagt. Obwohl er fernab der großen Städte aufgewachsen war, hatten seine Eltern ihm doch ein gewisses Bewusstsein zur Oberschicht zu gehören eingeflösst, welches bei ihm ein kleines Maß an Arroganz gegenüber der gewöhnlichen Plebs bewirkte. Er verhielt sich zwar nicht hochmütig und nie würde ihm ein abschätziges Wort einem Plebejer gegenüber über die Lippen kommen, doch seine innere Einstellung veranlasste ihn, jenen Menschen zumindest mit ein bisschen Distanz entgegenzutreten.


    Schließlich wandte er sich wieder Furianus zu, um zu sehen, wie sein Wunsch, den Arvales Fratres beizutreten vom Magister der Bruderschaft aufgenommen werden würde.