Beiträge von Quintus Flavius Flaccus

    Beziehungen stellen bekanntlich das Um und Auf einer aussichtsreichen politischen Karriere dar. - Selbst wenn diese noch in den Kinderschuhen stecken mochte. Und Beziehungen wollten gepflegt werden. Denn die Summe aus kleinen Aufmerksamkeiten zur richtigen Zeit, geschickt platzierten Worten und scheinbar selbstlosen Taten war es schließlich, welche jenes diffizile Geflecht der Zuneigung zu bilden und am Leben zu erhalten vermochte.


    Am frühen Morgen, einige Tage nach der Rückkunft von jener ebenso heiklen wie gewichtigen Reise in den Norden, fand sich der junge Flavius Flaccus, gekleidet in das strahlendste Weiß einer toga candida im Hause seines einstigen Tutors, des Consulars Purgitius Macer ein. Jenes war natürlich bevölkert von der grex togata des Senators, welche ihren Patron in alltäglichen Angelegenheiten um Rat und Unterstützung zu ersuchen trachtete. Wiewohl der Flavier es unterließ, sogleich bis zum Stuhl des Purgitiers aufzurücken, um dessen Verhalten bei der salutatio zu studieren, wie er es in der Zeit seines tirociniums getan hatte, so platzierte er sich doch im vorderen Bereich der Bittsteller, sodass Macer ihn früher oder später gewiss bemerken würde. - Wohl eher früher, da der junge Mann in dem reinen Weiß seiner Toga doch gehörig von der umstehenden Gruppe an gewöhnlichen Bürgern sich abhob.

    Bereits am ersten Morgen nach seiner Rückkunft in die Stadt fand sich ein gewisser junger Flavius auch am Esquilin ein. Da er sich mittlerweile, obwohl er zwar noch kein Amt bekleidet hatte, doch als einen der bedeutendsten Klienten des Pontifex und Consulars Tiberius Durus ansah, erschien er nicht bereits im düstersten Morgengrauen in der Villa Tiberia, sondern zu einer durchaus bereits im Bereich des Eträglichen liegenden frühen Stunde, gewandet in die strahlend weiße toga candida, war er schließlich nun endlich ein candidatus zum Vigintivirat und einen der anstrengenden Reise zum Trotz recht erfrischten Eindruck erweckend. Und so musste er in der Tat kaum warten, ehe er zum Hausherrn vorgelassen wurde, welchen er mit einem angedeuteten Nicken und freundlichen Worten begrüßte. "Salve patronus." Wohlweislich unterließ er es, das morgendliche Gespräch bereits in irgendeine Richtung zu lenken, zumal es in diesem öffentlichen Rahmen ohnehin nicht möglich war, frei über die Reise nach Germanien zu sprechen. Seine anstehende Kandidatur würde da wohl ein unverfänglicheres Thema abgeben. Abwartend überließ der junge Mann es also dem alten Senator, das Gespräch zu lenken.


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    Consuli Marco Livio Tuberoni
    Casa Livia
    Roma - Italia


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    Q' FLAVIVS FLACCVS MARCO LIVIO TVBERONI S.



    Ich, QVINTVS FLAVIVS CNAEI FILIVS APPII NEPOS COLLINA TRIBV FLACCVS, gebe hiermit meine Kandidatur zum Vigintivirat bekannt. Wiewohl ich das Amt eines tresvir aere argento auro flando feriundo anstrebe, nehme ich natürlich auch jedes andere Amt an, welches der Senat mir in seiner weisen Voraussicht zuteilen könnte. Ferner bitte ich, in dieser Angelegenheit zur rechten Zeit vor dem ehrwürdigen Senat sprechen zu dürfen.



    Mögen die Unsterblichen stets mit dir sein. Vale.




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    Eine knappe Antwort des Annaeers machte klar, dass jener nicht daran interessiert war, das Gespräch weiter fortzusetzen. Etwas reserviert nickte der junge Flavius und erhob sich. Da der Legatus Augusti ohnehin einen Boten schicken wollte, war es wohl auch nicht nötig, ihn von der Entscheidung der coniuratio in schriftlicher Form in Kenntnis zu setzen. Dennoch höflich und respektvoll erwiderte er die Verabschiedung. "Vale legatus Augusti" - die Stimmung war das ganze Gespräch hindurch lau geblieben, und sollte sich auch nun nicht weiter erwärmen, abkühlen jedoch auch nicht. Mit einem knappen Nicken wandte sich Flaccus schließlich zur Tür, um das officium des Statthalters zu verlassen, in der Aula zu den Seinen zu stoßen, und zeitnah auch die Stadttore von Mogontiacum in Richtung Heimat zu passieren.

    Neben der Erleichterung, die das Verhalten und die Worte des Sklaven im Blick des jungen Flaviers bewirkten, hatte sich auch noch eine andere Empfindung der dunklen Augen bemächtigt, die für gewöhnlich so wach im Antlitz des Mannes funkelten. Es war dies ein Hauch von Stolz, der in seinem Blick lag. Stolz aufgrund des aufrechten und ehrenhaften Charakters des Dalmaten, Stolz auf die gute Beziehung, die erst langsam aufkeimend doch schon erste Knospen trug, in zukünftigen Tagen aber noch ehrlicher, noch tiefer, noch wahrhafter zwischen den beiden Männern blühen sollte. Dennoch war der Blick des Sklaven ernst. Die Umstände waren ernst, und falscher Leichtsinn konnte nicht nur den Erfolg der Mission gefährden, sondern im schlimmsten Fall auch den Tod der Männer bedeuten. Und abermals nickte Luca, wie immer nicht unterwürfig, sondern in seiner stolzen, aufrechten Art, als er dem jungen Flavius erneut bekräftigte, dass jener sein Vertrauen nicht in den Falschen gesetzt hatte, da er versprach, all seine Anstrengung und Kraft darauf zu verwenden, seinen Herrn nicht zu enttäuschen. Sein letzter Satz allerdings, den er erst nach einem kleinen Moment des Innehaltens über die Lippen brachte, berührte Quintus tief in seinem Innern. Einen Augenblick wandte er den Blick ab zum Fenster und dem pechschwarzen Himmel, ehe seine dunklen Augen Luca erneut, direkter denn je, fixierten, und er mit etwas belegter Stimme sprach. "Und ich schätze dich hoch, Luca, Führer der Krieger." Kaum waren diese Worte über seine Lippen gekommen wandte er sich erneut ab, nicht weil er nicht ehrlich gesprochen hätte, sondern weil dieses Gefühl der respektvollen Hochachtung, welches er vor seinem Sklaven empfand, ihn unweigerlich an den alten Nikódemos erinnerte, und Bilder in seinen Kopf drangen, die alte Wunden aufbrechen und die schwarzen Schatten der Melancholie über seine Seele hereinstürmen ließen. Er war an das Fenster getreten, wo er nun stur in den tristen Nachthimmel starrte, als ob in der trostlosen Finsternis Beruhigung für seinen gequälten Geist zu finden wäre. Lautlos löste sich eine einzelne Träne aus dem Kranz seiner Wimpern und wanderte langsam die hohen Wangen hinab, ehe Quintus sie mit einer unwirschen Handbewegung wegwischte, an seine Schlafstatt trat, und, ohne Luca dabei anzublicken, schlicht meinte: "Ich denke, du hattest zuvor recht. Es wäre besser, ich ruhe mich für morgen aus. Teile die Nacht mit den anderen beiden in gleich lange Schichten zur Wache auf, wenn sie zurückkommen." Dann legte er sich nieder, wandte dem Sklaven aber seitlich liegend lediglich den Rücken zu und noch lange verriet unregelmäßiges Atmen, dass der junge Flavier noch zu aufgewühlt war, um Hypnos' Reich tatsächlich anheim zu fallen. Erst nach einer geraumen Weile beruhigte sich der Atem schließlich, und sanft glitt Quintus aus der rauen Wirklichkeit in eine seltsam surreale Traumwelt.

    Tatsächlich machten die jungen Frauen keineswegs den Eindruck, als würde ihnen der Gedanke nicht behagen, ihre zarten Hände nähere Bekanntschaft mit den strapazierten Muskeln der virilen Körper schließen zu lassen, sondern schienen vielmehr, nachdem die vier Männer sich auf die einzelnen Liegen niedergelassen hatten, in beinahe aufgeregter Erwartung untereinander auszuhandeln, wer sich welchen Körpers annehmen durfte. Tatsächlich offenbarte die spärliche Bekleidung der Männer, jedenfalls bei flüchtiger Begutachtung, keineswegs den bestehenden Standesunterschied zwischen ihnen, wenngleich der Flavius doch sichtbar einige Sommer weniger als seine Begleiter zu zählen schien. Ihre blanken Körper erzählten jedoch gänzlich unterschiedliche Geschichten. So waren jene beiden Männer, die sich bereits ihr ganzes Leben im Besitz der flavischen gens befanden, und schon in manch heikler Situation ihre unbrüchliche Loyalität und treue Untergebenheit unter Beweis gestellt hatten, mehr sehnig als muskulös, dennoch in gewissem Sinne athletisch gebaut und von ansprechender Gestalt, wurden sie doch stets angehalten, ihre Körper in der palaístra zu stählen, wenngleich manche Narbe an den kräftigen Armen und breiten Rücken von vergangenen Kämpfen zu erzählen schien. Auch die anderen beiden Körper schienen von unterschiedlichen Schicksalen gezeichnet. So präsentierte sich der eine mindestens ebenso athletisch wie die beiden anderen, doch schien er noch mehr Kraft zu beherbergen. Klar zeichneten sich auf dem flachliegenden Rücken einige Muskelstränge ab, und auch dieser Körper mochte bereits viel erlebt zu haben. Das Kriegshandwerk hatte auch hier die eine oder andere Spur hinterlassen, wenngleich die blassen, nahezu parallel liegenden Streifen, welche als Spuren von forcierter Verwundung, wie sie lediglich durch mehr oder minder freiwilliges Ertragen, niemals jedoch gegen den Kampfeswillen des Opfers zugefügt werden konnte, die Rückseiten der beiden sehnigeren Oberkörper zierten, hier gänzlich fehlten. Dafür wären dem kundigen Betrachter hier unter Umständen die untrügerischen Spuren harter Feldarbeit in der Vergangenheit in den Blick gefallen, welche wiederum alle anderen entbehrten. Der vierte Körper schließlich hob sich bei genauerer Betrachtung zweifellos am deutlichsten von den übrigen ab, und das aus vielerlei Gründen. Zuerst war er jünger, jugendlicher und in gewisser Weise zarter als die anderen, was nicht nur dem geringeren Alter zuzuordnen war. Oberflächlich schien er beinahe makellos, jedenfalls fielen keine deutlichen Spuren des Krieges oder harter Arbeit ins Auge. Waren die anderen Körper von herber, beinahe bitterer Schönheit, so schien dieser süßer, weicher. In seinem ganzen Erscheinungsbild machte der vierte Körper einen unberührten, unbefleckten, beinahe jungfräulichen Eindruck. Er war schlank, nur wenige Muskeln zeichneten sich unter der Haut ab und die Zähheit schien unter einem zarten Mantel der Unschuld verborgen. Hatten die anderen Körper von zahlreichen Abenteuern und harten Prüfungen zu erzählen, so strahlte jener reine und tugendhafte Stille aus.


    So war es schließlich auch die jüngste der Frauen, die etwas scheu und beinahe ehrfurchtsvoll an den jungen Flavius herantrat, als die etwas reiferen Frauen die in gewissem Sinne ansprechenderen Männer bereits unter sich verteilt hatten. Ihre mädchenhaften Züge beherrschten tiefgrüne Augen, deren wacher Blick dem des Flaviers schüchtern auswich, als jener seitlich hochblickte, um die Sklavin zu betrachten, die an seine Liege getreten war. Während die anderen Frauen sich mit kundiger Erfahrung bei den Männern erkundigten, ob es unter Umständen bestimmte Öle gäbe, die sie bevorzugten, schwieg die blonde junge Sklavin betreten. Erst als letzte stellte auch sie diese Frage. "Magst du ...", ein verlegenes Räuspern ließ einen rosigen Hauch auf ihre Wangen huschen, "magst du einen Duft besonders gern?", brachte sie ihre Worte schließlich zu Ende, während die schlanken Finger ihrer rechten Hand, die Quintus aus den Augenwinkeln betrachten konnte, hielt er doch den Kopf mittlerweile wieder gesenkt, nervös die zarten Fläschchen umkreiste, in denen die kostbaren Öle aufbewahrt wurden. "Amarakinon.", erklang die warme Stimme des jungen Mannes, der an den köstlichen Duft des exquisiten Öls dachte, das durch das mitunter beigemengte Zimt besonders kostbar war. Dann kam ihm aber der Gedanke, dass diese Duftmischung in der provinzialen Therme von Mogontiacum allfällig gar nicht zur Verfügung stand, sodass er rasch, um die junge Frau nicht gänzlich in Verlegenheit zu bringen, einige andere Möglichkeiten nachschob. "Oder Kyphi. Susinon und Nardinon mag ich auch gerne." Noch einige bekannte Duftmischungen folgen lassend, erwies sich schließlich, dass seine Besorgnis gänzlich umsonst gewesen war, da die zarten Finger, deren geschmeidigen Bewegungen er fasziniert folgte, bereits eines der Fläschchen geöffnet hatten. Vereint mit dem anregenden Duft drang die sanfte Stimme erneut an sein Ohr, wenngleich diesmal bereits etwas selbstsicherer. "Wir haben wunderbares Amarakinon. Es stammt aus Kyzikon.", erklärte sie und versetzte den Flavier dadurch in einiges Erstaunen, galt doch das Amarakinon aus Kyzikon als besonders exquisit. Auf welch verschlungenen Pfaden das delikate Öl seinen Weg aus der Provinz Asia bis hierher in den Norden des Reiches gefunden hatte, mochte ein Rätsel bleiben, doch der sich zart ausbreitende Duft von Majoran, Kostus, Amomum, Narde, Balsamsamen und Myrrhe ließ an der Qualität der Herkunft keinerlei Zweifel. Die etwas ahnungslosen Worte Lucas allerdings, die von dessen erfahrener Masseurin in niedlicher Weise gelenkt wurden, drangen unterdessen kaum in die bewussten Sphären flavischer Wahrnehmung, schien dessen Geist doch bereits angenehm benebelt und beruhigt von dem erlesenen Duft, der sich sanft im Raum verbreitete. Eine weitere Frage der jungen Sklavin, die mittlerweile kaum mehr schüchtern sondern vielmehr freudig und glockenhell klang, rief Quintus noch einmal zurück seinen Geist auf die Gegenwart zu richten. „ Ach … eigentlich alles.“, murmelte er leise, auf dem schmalen Grat zwischen Erschöpfung, Entspannung und Schläfrigkeit wandernd. Seine Antwort zauberte ein Lächeln auf das feingeschwungene Antlitz der blonden Germanin und ließ sie verhalten kichern, während sie in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung, einen schmalen Streifen des kostbaren Öles das schlanke Rückgrat des Flaviers entlang fließen ließ. Dann schließlich spürte Quintus eine erste, zarte Berührung an seinem Rücken, der, sich beinahe vorsichtig vorantastend, schießlich eine weitere folgte.

    Selbstverständlich lag es nicht im gründlichen Wesen des Flaviers, unvorbereitet zu einem Treffen von derartiger Bedeutung zu erscheinen, sodass seine Antwort auf die Worte des Statthalters - kaum verwunderlich - sehr differenziert ausfiel. Durus hatte den Sohn des regierenden princeps als nicht fähig erachtet, die Nachfolge seines Vaters anzutreten, sondern seinen Tod vielmehr in gleicher Weise dem Vescularius aufzubürden, und mit zahlreichen Argumenten auch den Rest der Verschwörer davon überzeugt, dass Maioranus nicht als möglicher Thronfolger zu betrachten war. Die gewichtigsten dieser Argumente, hatte auch der junge Flavius in seine Antwort einfließen lassen, um dem Legaten die Unmöglichkeit seines Wunsches aufzuzeigen. Jener schien tatsächlich ein Mann der pragmatischen Vernunft zu sein, denn er stellte fest, dass er sich nicht gegen die Entscheidung der coniuratio stellen würde. Dann allerdings trat er mit einer Bitte an Flaccus heran, die jenen aufmerksam zuhören ließ. Vinicius Lucianus war also der nächste von Modestus präferierte Kandidat, den der junge Mann in seinem Namen für das machtvolle Amt vorschlagen sollte. Nicht ahnend, dass jener sich ohnehin bereits selbst als potentiellen Nachfolger den versammelten Verschwörern präsentierte, nickte der Flavius. "Natürlich. Ich werde dem collegium deinen Vorschlag und die Überlegungen überbringen.", erklärte er sich knapp dazu bereit, des Annaeers Wünsche an die Verschwörer heranzutragen, ehe er abermals direkten Kontakt zu den Augen des Legaten suchte. "Soll ich noch andere Dinge in deinem Namen an das collegium herantragen?", erkundigte er sich dann höflich.

    Bedachtsam erklang die Stimme des Sklaven erneut, nachdem jener einige Momente lang über das ungeheuerliche, ganz und gar abstruse und von kaum in Worte zu fassender Brisanz gezeichnete Gesagte nachdachte. Einen Moment lang fürchtete der junge Flavius erschüttert, dass er unter Umständen zu viel gewagt, das Schicksal allzu sehr herausgefordert hatte. Würde Luca, der erst vor wenigen Augenblicken durch einen plötzlichen Ausbruch starker Emotionalität, verbalisiert in der Frage, die klang, als ob sie ihm die wichtigste überhaupt wäre, aufgezeigt hatte, wie viel ihm die rechtliche Freiheit bedeutete, wenn es ans Äußerste kam, und sich ihm eine Gelegenheit böte, sofort die Freiheit zu erlangen, im Gegenzug dafür gegen seinen Herrn wenden? Flaccus konnte förmlich spüren, wie es im Kopf des Kriegers rumorte. Luca war klug, zweifellos hatte er sofort verstanden, dass sein Herr in nichts Geringeres als hochverräterische Machenschaften verstrickt war, und auch, dass diese Information, so er sie zu nutzen wusste, durchaus zu seinem persönlichen Vorteil gereichen könnte, weit über die wiedererlangbare Freiheit hinaus. Unzweifelhaft war es dem Kämpfer auch ein Kinderspiel, den jungen Mann zu überwältigen, ja vermutlich selbst die beiden anderen Begleiter in Schach zu halten, die zu dieser fortgeschrittenen Stunde, vermutlich vom Wein und dem germanischen Bier bereits einigermaßen benebelt, dem nüchternen Kämpfer mit seinem messerscharfen Verstand nicht mehr allzu viel würden entgegensetzen können. Länger und länger dauerte die Stille an, und mit kalten Fingern kroch im jungen Flavier das Schaudern hoch und griff nach seinem Herzen. Deutlich hörbar schluckte Luca und Flaccus‘ Antlitz behielt denselben, beinahe versteinerten Ausdruck bei, der auch in der vorangehenden Pause sich der flavischen Miene bereits bemächtigt hatte. Und so lauschte er den Worten des Dalmaten und sein Blick lag in seinen dunklen Augen, in denen er schlichtweg kein Anzeichen von Verrat zu erkennen vermochte. Aber auch die Worte, die griechisch und beruhigend an das Ohr des jungen Mannes drangen, ließen nicht auf einen Vertrauensbruch des Kämpfers schließen, vermochten so gar Flaccus' Anspannung zu mildern, ehe der aufrichtige Treueeid des Sklaven dessen Herrn endgültig einen gewaltigen Stein vom Herzen fallen ließ. Die letzten Worte verklangen, und Luca nickte voller Offenheit. Da erfasste mit einem Mal solche Erleichterung das Herz des jungen Flavius, solche Freude darüber, dass er in diesem schwierigen Kampf einen aufrechten und tapferen Mitstreiter gewonnen hatte, dass er seinem Sklaven ein Lächeln schenkte voller aufmunternder Dankbarkeit und Wärme. "Und ich danke dir dafür und vertraue dir ohne Zögern mein Leben an." Er wusste, dass es für Luca nicht leicht sein mochte, in dieser Angelegenheit Recht und Unrecht zu trennen, zumal er sich einem Mann verpflichtete, den er kaum noch kannte, einem Römer jedoch, Mitglied eben jenes Volkes, welches ihm die Freiheit, seiner Familie aber das Leben genommen hatte.

    Nur knapp konnte sich Flaccus zurückhalten, um nicht genervt lautstark auszuatmen. Stattdessen behielt er den so völlig belanglosen, kaum emotionalen, vielmehr ein wenig kühlen Ton diplomatischer Gespräche bei. "Natürlich hat man deinem Vorschlag das nötige Gewicht beigemessen, und er wurde lange Zeit in Erwägung gezogen. Seine tatsächlichen Ansprüche auf die Position sind jedoch von zu vernachlässigender Natur." Den einzigen Anspruch, den Maioranus auf den Kaiserthron haben mochte, war seine Abstammung von Valerianus. Zugegebenermaßen war das ein gewichtiger Punkt, doch die Tatsache, dass man den Ulpier als nicht würdig für den Thron befunden hatte, relativierte zweifellos auch den tatsächlichen Anspruch seines leiblichen Sohnes. "Man hält deinen Kandidaten - wenigstens im Moment - keineswegs für unkontrollierbar, das ist es nicht.", erklärte der junge Flavius also geduldig weiter, "Vielmehr ist er schlichtweg zu unerfahren, um die Verantwortung einer derartigen Position zu übernehmen, darüber hinaus ist sein tatsächlicher Aufenthaltsort mehr als fraglich. - Denn hast du ihn etwa in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen? - Er war ein Knabe, der das Licht der Öffentlichkeit mied - damit mag er sich kaum die in dieser Position nicht unentbehrliche Sympathie der plebs holen. Darüber hinaus sind auch seine Beziehungen zum Senat und Militär quasi nicht existent." Beim nächsten Satz beugte sich der Flavier etwas nach vorne und hob seine Stimme kaum merklich an. "Er hat nicht die geringste Chance, diese Position, so er sie denn erreichen sollte, auch gegen andere, ambitionierte Emporkömmlinge zu verteidigen." Sich wieder entspannt zurücklehnend, schoss Flaccus nochmals nach. "Der Ausbruch offener Gewalt im Streit um einen bloßen Sitz im collegium der Fünfzehnmänner liegt doch sicherlich auch nicht in deinem Interesse. Darüber hinaus wäre es ein tatsächlicher Risikofaktor, ihn, selbst unter der Vormundschaft einiger tutores in diese hohe Stellung zu bringen. Ruf' dir immer in Erinnerung, dass wir im Grunde nichts über ihn wissen." Die unausgesprochene Ankündigung eines möglichen Bürgerkrieges hing einem Damoklesschwert gleich unheilvoll drohend über seinen Worten. Dann jedoch überzog ein kalter Schatten das Antlitz des jungen Mannes. "Ist es schließlich unser ehrliches Ziel, dem erklärten Feind des collegiums zu schaden, so ist es unumgänglich, dass den Jüngling dasselbe Schicksal ereilt wie seinen Vater. Nur auf diese Weise können wir ihm die Dinge tatsächlich so zur Last legen, wie das in Erwägung gezogen wurde." Wollte man den Mord an Valerianus nämlich dem Vescularius unterschieben, so blieb nichts anderes, als Maioranus ebenfalls zu töten, denn welchen Grund sollte der Praefectus Urbi hegen, den Imperator, welchen er so perfekt zu beeinflussen vermochte, zu töten, um anschließend dessen Sohn ebenfalls lenken zu müssen? Für Vescularius wäre es nur logisch, sich beider zu entledigen in der Hoffnung, anschließend die kaiserliche Macht an sich reißen zu können.


    Die nächste Frage des Legaten ließ Flaccus jedoch innerlich schmunzeln, denn offenbar hatte der alte Tiberier den Charakter des Annaeers gänzlich durchschaut. Das machte ihn berechenbar. Und das wiederum machte es Flaccus um einiges einfacher. "Das collegium tritt in diesen Tagen zusammen, und es wird zu einem anderen als dem von dir präferierten Entschluss kommen. Solltest du dem Vorhaben jedoch deine Unterstützung, sowohl durch deine senatorische Würde, als auch die Macht, die deine momentane Position mit sich bringt, zuteil werden lassen, so stehe ich persönlich dafür ein und versichere dir, dass die Interessen deiner Familie Gehör finden werden, und deine persönliche Untertützung in angemessener Weise anerkennende Belohnung finden wird." Ein ernster Ausdruck huschte über die Züge des Flaviers, er unterließ es jedoch, dem Annaeer klar zu machen, dass seine Aussichten, sollte der Plan ohne seine Unterstützung oder gar gegen sein Zuwiderhandeln Erfüllung finden, die Aussichten für ihn und die Seinen ungleich schlechter standen.

    Einen Funken des Feuers, welches die so selbstverständlich klingende Antwort des jungen Flaviers bei seinem Sklaven entfacht hatte, glaubte er zu erahnen, als in den wachen, dunklen Augen des Kämpfers das untrügerische Funkeln der Hoffnung sacht aufblitzte. Kaum jedoch konnte er das tatsächliche Ausmaß freudiger Erleichterung erspüren, welches Luca in diesem Moment erfüllen mochte. Doch die bloße Tatsache, dass er gerade diese Frage gestellt hatte, ließ Flaccus erahnen, wie wichtig es dem Dalmaten war, auch vor dem Gesetz als libertus, als freigelassener Mann zu gelten. Lucas Frage und die Zeit, die verstrich, ehe der Sklave selbst mit Bedacht antwortete, gaben dem jungen Flavius die Möglichkeit, selbst ein wenig über das Schicksal der Sklaven nachzusinnen. Denn wiewohl er seine engsten Vertrauten unter ihnen durchaus wertschätzte , ihnen freundschaftlich verbunden war, und mit Weitsicht und Toleranz begegnete, sah er den weitaus größeren Teil der unfreien Bewohner der flavischen Villa tatsächlich lediglich als lebendigen Teil der Einrichtung an. Diese tiefe Kluft, die einen kleinen, vertrauten Teil der Sklavenschaft vom namenlosen und völlig austauschbaren Rest abgrenzte, durchschnitt auch seine Einstellung sowie seinen Umgang mit ihnen. So seltsam dieser Umstand etwa Luca, der mit der römischen Kultur kaum noch vertraut war, auch anmuten mochte, es war jene Einstellung und jenes Verhalten, welches der junge Mann durch die Erziehung und das Vorbild seiner Eltern und der anderen Verwandten mitbekommen hatte. Auf diese Weise geprägt, hinderte das Quintus jedoch nicht im Geringsten daran, eine durchaus tiefe persönliche Verbindung zu einzelnen Sklaven zu pflegen, zumal jene, im Gegensatz etwa zu seinen Anverwandten, ja auch ständig um ihn waren. Dass er Luca ein großes Maß an Vertrauen entgegenbringen wollte, hatte der junge Flavius bereits früh, möglicherweise gar zu früh, beschlossen, obgleich der durch und durch aufrichtige Dalmate dieses Vertrauen bisher noch nicht missbraucht hatte.


    Nachdem er ein wenig nachgedacht hatte, setzte Luca schließlich zu einer Antwort an, und gespannt lauschte Flaccus seinen behutsam gewählten und klugen griechischen Worten. Sein Vorschlag, die Treue, die der Flavier gefordert hatte, zu beweisen, ließ jenen sanft lächelnd nicken. Zweifellos würde er noch genügend Gelegenheit erhalten, seine Loyalität unter Beweis zu stellen, möglicherweise früher als erwartet. Auch als Luca fortsetzte, und davon sprach, dass es eine Ehrensache wäre, seinem Herrn beizustehen, überzeugte das Flaccus einmal mehr davon, dass er sein Vertrauen nicht in den Falschen gesetzt hatte. Einfach und aufrichtig erklärte der Krieger dem jungen Mann seine Verbundenheit und jener begegnete den Worten mit einem zwar ernsten, doch von Wärme und Wohlwollen erfüllten Ausdruck. Mit einem Male wirkte der Sklave ungleich entspannter als zuvor, schien den Worten seines Herrn Glauben zu schenken, und Vertrauen mit Vertrauen zu erwidern.


    Nun sah der junge Flavius den Zeitpunkt gekommen, den Sklaven auch den Grund ihrer Reise betreffend völlig ins Vertrauen zu ziehen. Und so richtete er sich auf, wie auch Luca es zuvor getan hatte, und blickte ihn ernst an. Möglicherweise war es aller Ehrlichkeit zum Trotz keine sonderlich gute Idee, dem Sklaven alles zu offenbaren, doch Quintus spürte einfach, dass er ihm vollkommen vertrauen konnte, und schließlich hatte er bereits sein Leben in die Hände des Kämpfers gelegt, was also hatte er noch zu verlieren? Mit ernster Miene begann er zu sprechen. „Ich möchte dir erklären, welchen Grund unsere Reise tatsächlich hat, und wieso sie so geheim und auch gefährlich ist." Eine kleine Pause, die letzte Möglichkeit um doch noch einzulenken. "Wir reisen im Auftrag einer Gruppe von Verschwörern, die danach trachtet, den momentanen Kaiser und seinen Sohn zu töten, den Mord aber dem Praefectus Urbi anzulasten und in der Folge einen sittentreuen Mann wahrhaft römischer Gesinnung auf den Thron zu bringen.“, erklärte er mit gesenkter Stimme in beinahe absurd nüchterner Sachlichkeit, um schließlich noch hinzuzufügen: „… Zum Wohle Roms.“ Dann allerdings beobachtete er aufmerksam das Mienenspiel und die Reaktion des Sklaven, um zu sehen, ob dieser seinem Herrn soweit vertraute, dass er die Angelegenheit auch ohne weitere Rechtfertigung akzeptieren würde.

    Ein wenig noch wollte der junge Flavius im kühlen Wasser des frigidariums verweilen, ehe die Massage schließlich den Abschluss des ausgedehnten Badeganges bilden würde. So kam es ihm auch ganz gelegen, dass Luca nach einer Weile fragte, wie lange der Aufenthalt hier in Germanien sich hinstrecken würde. Eine gute Frage, deren Beantwortung Flaccus gar nicht so leicht fiel. Alles hing vom Ausgang des bevorstehenden Gespräches ab, und dem Willen des Legaten, sich mit dem Plan der Verschwörer einverstanden zu erklären. Mit einem Schulterzucken meinte er also: „Ich hoffe, dass wir nicht allzu lange bleiben müssen, wenn alles gut läuft, werden wir schon in den nächsten Tagen wieder von Mogontiacum aufbrechen.“ Schließlich würde sich die Rückreise mindestens ebenso lang gestalten, und der junge Flavius wollte so bald als irgend möglich wieder in der Stadt sich einfinden.


    Mit einem aufmunternden „Sehr gut.“ erhob Flaccus sich schließlich aus dem Becken, um sich erneut, wie schon im caldarium mit einem der bereitliegenden reinen Tücher abzutrocknen. Dabei verspürte er in seinen vormals durch die entbehrungsreiche Reise schlaffen Gliedern neue Kraft und Frische und fühlte sich ausreichend erholt für die schwierigen Dinge, die nun kommen mochten. Zunächst jedoch sollte eine Massage die Krönung des Thermenbesuches darstellen, sodass der Flavier gemeinsam mit seinen Männern sich quer durch eine große allgemeine Halle schlängelte, die belebt war vom Knistern der papyri einiger älterer Männer, die sich in bequemen Korbsesseln der entspannten Lektüre erbaulicher Schriften hingaben, und dem Stimmengewirr der übrigen Besucher, die in kleinen Grüppchen überall in der Aula in angeregte Plaudereien verwickelt waren. Am gegenüberliegenden Ende des Saales befand sich ein erhöhter Balkon von einiger Größe, der, über eine hölzerne Treppe erreichbar, einen wiewohl zur restlichen Halle hin geöffneten, so doch im Grunde eigenständigen Raum bildete. Dorthin wandten sich die Schritte des jungen Mannes als jener sich durch die Provinzbürger hindurch seinen Weg suchte.





    Über die hölzerne Treppe erreichten die Männer schließlich jenen halb offenen Raum, der mit einigen bequemen Liegen bestückt, einen überaus ansprechenden Eindruck machte. Am Kopfende des Raumes befand sich ein breiter Tisch, an dem ein etwas dicklicher Mann mit missmutigem Gesichtsausdruck in einer schlichten Tunika saß, welcher offensichtlich die Aufsicht über diesen Bereich der Therme inne hatte. Diesem reichte einer der Begleiter des jungen Flavius einige Sesterzen , woraufhin sich das Antlitz des Mannes deutlich erhellte, und plötzlich eifrige Geschäftigkeit in die wulstigen Glieder fuhr. Mit kleinen, beinahe trippelnden Schritten und einer überraschenden Leichtigkeit, die man seinem doch beträchtlichen Körperumfang auf den ersten Blick kaum zugetraut hätte, bewegte sich der Mann durch den Raum, um einige junge Frauen, die sich am anderen Ende auf dem Boden niedergelassen hatten, und die Zeit mit kleinen Spielen und Plaudereien vertrieben mit unruhigen Gesten aufzuscheuchen. „Auf, auf Kinder, seht diese stattlichen Männer haben sich eine ausgiebige Massage verdient.“, ließ er seine fistelnde Stimme erklingen und brachte Bewegung in das Grüppchen. Flink waren die jungen Frauen auf den Beinen und hatten in einer lockeren Reihe Aufstellung genommen. Leise tuschelnd warfen sie sich vielsagende Blicke zu.


    Flaccus hatte die unterhaltsame Art des wohlbeleibten Mannes mit einem amüsierten Gesichtsausdruck verfolgt und warf Luca, der nun zum ersten Mal in den Genuss dieser Feinheit römischen Lebens kommen würde, ein vergnügtes Lächeln zu. Dann trat er auf eine der Liegen zu, ließ sich langsam auf den Bauch, legte den Kopf auf die verschränkten Arme machte es sich auf diese Art und Weise bequem.

    Die Frage des jungen Flavius, so umsichtig sie auch gestellt sein mochte, ließ den ehemaligen Kämpfer zunächst abwinken, als um die Befürchtungen seines Herren beinahe beiläufig aus dem Wege zu streichen. Dennoch fühlte Quintus, dass ihm die Sache verständlicherweise sehr nahe zu gehen schien, antwortete Luca doch nocht sofort, sondern ließ sich zunächst auf seine Liege nieder, stützte den Kopf in die Hand und sah mit ernstem Ausdruck zum Flavier, ohne diesen jedoch tatsächlich anzublicken. Dann allerdings antwortete Luca, und seine Stimme klang gefasst, die Erzählung zunächst knapp und nüchtern. Bevor er jedoch auf seine Familie zu sprechen kam, stieß der Sklave noch einen Seufzer aus, gefolgt von einer tiefen Pause, und begann schließlich - stets im Bemühen sich die Schwermut nicht anmerken zu lassen - von einem Leben zu erzählen, welches in seiner einfachen Art doch glücklich und durchaus erstrebenswert schien. Zweifellos hatte der Verlust seiner Frau und der Kinder tiefe Wunden in die Seele des Mannes geschlagen, umso bewunderswerter erschien jedoch die Tatsache, dass er nicht gänzlich in misanthropische Gefilde seinen Geist gleichsam eingekerkert, sondern seinen fröhlichen, gutmütigen und durchaus lebensfrohen Charakter bewahrt hatte. Jedenfalls erschien es Quintus so, der den Worten des Dalmaten aufmerksam lauschte, es jedoch vermied, ihn dabei direkt anzublicken, um ihn frei und ohne Drang erzählen zu lassen.


    Und so schloss Luca seine Erzählung schließlich ab, und wenngleich er es gefasst tat, trugen seine Worte für das Empfinden seines Herren doch jenen bitteren Hauch, den melancholische Erinnerungen an eine bessere Vergangenheit oftmals an sich zu tragen pflegten. So auch das Grinsen, welches Lucas Züge formten, als jener die entstandene Stille durchbrach, um das Spiel fortzusetzen, welches den Anschein trug, als hätten die Muskeln des Antlitzes es ohne willentliches Zutun des Geistes geformt und einer starren Maske gleich dem Krieger ins Gesicht gelegt. Die Frage allerdings, die dem Mund nun entwich, hatte Quintus nicht erwartet, kaum kommen gesehen, sodass nun er es war, der einen Moment lang schwieg, ehe er zur Antwort ansetzte. "Nun..." Doch bevor er den sonderbaren Umstand erklären, ja beinahe rechtzufertigen sich anschicken konnte, brach plötzlich eruptiv eine gänzlich andere Frage aus dem Sklaven heraus, die mit einem unerwartet offenen, aber doch so intensiven Blick einherging, dass Quintus einen Moment gefangen schien von der Ehrlichkeit Lucas. Langsam allerdings schlich sich ein zartes, seltsam versöhnliches Lächeln auf die feingeschwungenen Lippen des jungen Mannes, als dieser mit warmer Stimme und in einem Ton, in welchem unendliche Selbstverständlichkeit mitzuschwingen schien, antwortete: "Aber natürlich. Es liegt mir nichts daran, dich als Sklaven zu besitzen. Doch wirst du dich auch noch in meiner Nähe aufhalten, wirst du die Dinge tun, um die ich dich gebeten habe, als wir zum ersten Mal miteinander sprachen, wenn ich dir die Freiheit schenke? Kannst du mit dem Gedanken der Treue und Loyalität gegenüber mir und der ganzen gens Flavia über die Verpflichtung hinaus leben?", fragte der Flavier, dem viel daran lag, vollkommene Ehrlichkeit in der Beziehung zwischen sich und seinem Sklaven herrschen zu lassen, und der deshalb auch erfreut über die aufrichtige Frage war.

    Noch etwas tiefere Furchen zogen sich durch die flavische Stirn, als Flaccus erkannte, dass der Annaeer keinerlei Anstalten machte, die Sache konkret anzusprechen, sondern es sichtlich vorzog, im oberflächlich kultischen Kontext zu verweilen, was die Angelegenheit ungleich schwieriger gestalten würde. Langsam und bedächtig kam der junge Flavius zunächst also der Aufforderung des Legaten, Platz zu nehmen, nach, und überlegte angestrengt, wie man einen derart komplexen Plan in dieses verkehrte Gewand kleiden könnte, wenngleich der Annaeer ohnehin keinen Wert auf die Kenntnis der Umstände zu legen schien, zumal er sie aufgrund seines Verbleibs in Germanien als zweitrangig erachtete. "Deine Aufgabe in Germania mag dich zwar vom tatsächlichen Ort des Geschehens etwas entrücken...", begann er schließlich, "...doch das collegium möchte sich dennoch deiner vollsten Unterstützung in seinem Handeln gewiss sein. Den Namen des Auserwählten gedenken sie dieser unserer gegenwärtigen Unterhaltung sobald als möglich in schriftlicher Form nachfolgen zu lassen. Zuvor jedoch möchten sie sich deiner unbedingten Unterstützung in ihrem Vorgehen versichern, warst du schließlich selbst einst in ihren Reihen. Wirst du also die Entscheidungen, die das collegium in dieser Angelegenheit trifft, respektieren, und es in allen Punkten seines Vorgehens unterstützen?", ein eindringlicher Blick traf den Annaeer, ernst und voller gravitas.

    Flaccus lächelte ein wenig, als Luca seiner Faszination über das technische Meisterwerk am Weg ins frigidarium mit etwas verwackelten lateinischen Worten Ausdruck zu verleihen trachtete und verbesserte ihn geduldig. "Du meinst sicher faszinierend." Obwohl Luca außerordentlich schnell lernte und viele Dinge auf Anhieb begriff, hatte er mit der genauen Aussprache mancher lateinischer Wörter noch seine Schwierigkeiten. Die Tatsache, dass die überstürzte Reise nach Germanien den Unterricht in der lateinischen Sprache, den der Grieche Kleóbulos dem Dalmaten angedeihen zu lassen angewiesen worden war, abrupt unterbrochen hatte, machte die Dinge für Luca gewiss nicht einfacher. Dennoch verbesserte sich sein Latein ständig, und im Grunde war Flaccus durchaus zufrieden mit dem Fortschritt. Natürlich sollte der Sklave so bald als möglich makelloses Latein beherrschen, um sich selbst und auch seinem jungen Herren durch seine sprachlichen Stolpersteine nicht zur Schande zu gereichen. Hier in Germanien jedoch war das kein Problem, und bei der Rückkehr in die Stadt würde der Unterricht ohnehin sofort fortgesetzt werden.


    Die Kühle im frigidarium schien dem Dalmaten, dem aus seiner Heimat wohl lediglich das warme Wasser des adriatischen Meeres, nicht jedoch etwa die eiskalten Gebirgsbäche der Alpen vertraut waren, offensichtlich ungewohnt, wenngleich die erfrischende Wirkung ihm dennoch zuzusagen schien, da er es dem jungen Flavius gleichtat, und seinen Körper gänzlich in das kühle Nass tauchte. Das Strahlen seines Sklaven erwiderte Quintus mit einem etwas schiefen Grinsen, ehe er nochmals seine Hände untertauchte und sich einen Schwall des kalten Wassers ins Gesicht warf. Seine dunklen Augen funkelten munter, als er Luca dabei beobachtete, wie jener das kleine Becken mit wenigen Zügen durchschwamm und seinem Herren abermals mit fröhlichem Gesicht aufrichtig für den Besuch des Bades dankte. Dieser lächelte nur verschmitzt und meinte: "Ach weißt du, eigentlich hat es einen ganz simplen Grund, dass ich euch mitgenommen habe...", das Lächeln weitete sich zu einem breiten Grinsen, "... der Gestank war einfach schon unerträglich!"


    Bei diesem Scherz stimmten alle in ein befreites, herzhaftes Lachen ein, wenngleich er von den tatsächlichen Umständen nicht weit entfernt lag. Die langen Ritte im Sattel, die knappen Pausen, die schon zu wenig Zeit zum Schlafen, für die dürftigste Wäsche eigentlich gar keine Zeit geboten hatten, die Hitze besonders auf der Strecke durch Italia und der Staub und Schmutz von den Wegen hatten ihr Übriges getan, dem verdreckten Anblick der Männer auch noch einen schmuddeligen Geruch beizugeben.

    Zitat

    "Hat das Collegium sich bereits auf einen Nachfolger geeinigt?"


    Hinter dem eingetretenen Flavius wurde die Türe geschlossen und ein Mann postierte sich davor. Der Legat erwiderte den Gruß des Gesandten, wies ihn aber mit seinen nächsten Worten bereits zurecht. Ein etwas unguter Gesprächsbeginn. Die linke flavische Augenbraue wanderte ein wenig nach oben, als der Annaeer ihn über Anreden und Titel zu belehren versuchte. Dennoch war ihm nicht klar, worauf er damit hinaus wollte, denn natürlich bekleidete er die Position eines kaiserlichen Legaten, was auch sonst? - Beim nächsten Mal würde er es jedenfalls bei einem schlichten "Annaeus" belassen. Zu der emporgezogenen Augenbraue gesellte sich, als Modestus fortfuhr, noch ein ernstes Stirnrunzeln, da der Statthalter offensichtlich tatsächlich die Absicht hatte, die Unterhaltung hier und sofort durchzuführen, wenngleich Flaccus der Argumentation des Prätoriers nur bedingt folgen wollte. Den abschließenden eindringlichen Blick erwiderte der junge Mann mit einem etwas abgekühlten Gesichtsausdruck. "Nun, der pontifex pro magistro Tiberius Durus hat mich nicht hierher gesandt, um den Namen deines Nachfolgers bei den Quindecemviri zu verkünden, denn das collegium ist sich über die cooptatio noch uneins. Ich wurde vielmehr hierher gesandt, um dir die genauen Umstände deiner Nachfolge, so wie sie das collegium beschlossen hat, mitzuteilen. Es gilt lediglich zu klären, ob du die Vorgehensweise des collegiums zu unterstützen gewillt bist.", erklärte er knapp und blieb im Raum stehen, da der Annaeer das Gespräch offenbar kurz abhandeln wollte, da er seinem Gast nicht das Angebot sich niederzulassen unterbreitet hatte.

    Die Gabe, Gedanken fremder Menschen zu lesen, war dem jungen Flavius, so nützlich sie mitunter auch sein würde, in der Tat nicht gegeben. Und so war es wohl dem Zufall, oder dem unscheinbaren Wirken eines Gottes zuzuschreiben, dass Quintus just in diesem Moment seinem Drang nachgab, den ehemaligen Kämpfer, der nun in seinen Diensten zu stehen schien, näher kennenzulernen. Er hatte von Beginn an den seltsamen Eindruck gehabt, diesem Mann vertrauen zu können, es mochte vielleicht an dem aufrichtigen Ausdruck in seinen dunklen Augen liegen, und doch hatte sich durch den etwas überstürzten Aufbruch nach Germanien bisher keine geeignete Gelegenheit geboten, sich eingehender mit Luca zu beschäftigen. In den wenigen wachen Stunden, die sie nicht im Sattel verbracht hatten, war stets viel zu tun gewesen. Pläne für die Weiterreise und mögliche Unterkünfte waren zu entwerfen, nicht zuletzt auch Nahrung zu beschaffen und zuzubereiten. Nun jedoch mussten erstmals keine Gedanken an den nächsten Tag verschwendet werden, sodass man sich mit freiem Geist den gegenwärtigen Stunden widmen konnte.


    Etwas irritiert schien Luca zunächst jedoch ob des außergewöhnlichen Vorschlags Flaccus', räusperte sich und strich mit seiner Hand jene Teile seines schwarzen Haares, die über die Stirn ins Gesicht fielen, etwas verwirrt nach hinten. Offenbar mochte ihm so schnell keine Frage in den Sinn kommen, wenngleich gewiss unzählige hinter seiner Stirne kreisten, ja kreisen mussten. Dann jedoch erklärte er sich mit dem Vorschlag des jungen Mannes einverstanden und kleidete seine Gedanken in wohlklingende griechische Worte. Flaccus machte eine beiläufige Handbewegung. "Zum Schlafen bleibt noch genug Zeit. Mein Körper ist zäher als du vielleicht denkst ...", meinte er grinsend und kleine Falten erschienen an seinen Wangen. Tatsächlich vermochte der etwas schlacksige junge Mann mehr wegzustecken, als man einem Angehörigen des Patriziats mitunter zumuten mochte. Tatsächlich hatte der aufgeweckte Flavius wenig mit den dekadenten und schlichtweg fetten Angehörigen seines Standes gemein, die den Großteil ihres Tages damit zuzubringen pflegten, sich von ihren Sklaven bewirten zu lassen.


    Dann allerdings kam Luca auch schon die erste Frage über die Lippen, und Flaccus musterte etwas widerwillig das zuvor beiseite geschobene Stück papyrus am Tisch. Schon bald aber traf sein Blick wieder die dunklen Augen des Dalmaten und er begann zu sprechen. "Ich wollte einen Brief an Aurelia Prisca schreiben. Ich muss der Familie und meinem Patron unbedingt Nachricht vom guten Verlauf unserer Reise geben. Es wäre jedoch zu riskant, das Schreiben direkt an einen meiner Verwandten zu adressieren, denn, wie wir schon besprochen haben, ist der Grund unserer Reise ein überaus geheimer, und niemand darf erfahren, dass Mitglieder der Flavia darin verwickelt sind. Mir wollten aber einfach nicht die richtigen Worte einfallen, die dem Brief einen harmlosen Anschein gegeben, ihren Zweck aber dennoch erfüllt hätten ...", erklärte er das Dilemma. Dann strich er sich nachdenklich über das Kinn. "Jetzt bin wohl ich an der Reihe ...", meinte er zögernd, um dann langsam fortzufahren, "Bitte versteh' meine Frage nicht falsch, ich möchte dir keine Trauer oder Wehmut bereiten, doch es ist wichtig, dass ich über deine Vergangenheit Bescheid weiß. Bitte erzähl' mir ein wenig davon. Sicherlich hattest du eine Frau, etwa auch Kinder? Und womit hattest du deinen Lebensunterhalt verdient, bevor du die Führung der Rebellen übernommen hast?" Vielleicht etwas viele Fragen auf einmal, doch Flaccus wollte einfach wissen, welches Leben Luca geführt hatte, bevor er in Kollision mit den Interessen des römischen Staates gestoßen war.


    Lucas Nicken zeigte Quintus, dass der Sklave die kurze technische Ausführung verstanden hatte, und bestärkte ihn in seiner aufrichtigen Zuversichtlichkeit, dass der Dalmate die lateinische Sprache bald ebenso gut würde beherrschen wie etwa die griechische seiner Heimat. Bei den nächsten Worten seines Sklaven grinste Flaccus unvermutet. Zweifellos würde Luca eines Tages erneut ein eigenes Haus besitzen, schließlich war der Flavier gewillt, dem Sklaven nach einigen Jahren treuen Dienstes die Freiheit zu schenken. Die gelockerte Atmosphäre, in der jeder seinen eigenen kleinen Träumereien nachhing gefiel dem Flavier, und auch die Tatsache, dass Luca offenbar tatsächlich frei und ehrlich zu ihm sprach, ganz so, wie er ihn gebeten hatte, es zu tun. Die Vorstellung einer bevorstehenden Massage schien den einstigen Kämpfer dann allerdings doch nicht mehr loszulassen, sodass Quintus ihn fast schon mit einem enttschuldigenden Unterton nochmals vertrösten musste. "Hier gibt es dafür einen eigenen Raum, man nennt ihn unctorium. Zuerst müssen wir aber noch ins frigidarium, das ist das abschließende kalte Bad, das den entspannten Körper erfrischt und neue Kraft gibt.", erklärte er geduldig um sich schließlich aufzusetzen und von seiner Liege zu erheben. "Damit tatsächlich noch Zeit für die Massage bleibt, sollten wir uns eigentlich auch schon dorthin begeben.", meinte er und schlenderte als Erster des entspannten Grüppchens vom tepidarium hinüber in das um einiges kühlere frigidarium, wo er erneut ins Becken trat, um einmal gänzlich in das kühle Naß einzutauchen und dann mit einer ruppigen Bewegung die nassen Haare herumzuwirbeln. Eine längliche Schale mit seinen schlanken Fingern formend, benetzte er sein Antlitz und labte sich an der köstlichen Erfrischung des kühlen Wassers.

    Keineswegs mit dem Eindruck offensichtlicher Dummheit, die der annaeische Legat dem angekommenen Flavier unterstellen mochte, sondern vielmehr mit der selbstverständlichen kosmopolitischen Gewandtheit eines Staatsmannes, der es gewohnt war, in Roms höchsten Kreisen zu verkehren, betrat der Gesandte das officium. Den Statthalter traf ein respektvoller Blick aus den flink umherhuschenden dunklen Augen des Eintretenden, der zu seiner inneren Beruhigung keine Anzeichen für einen offensichtlichen Hinterhalt zu entdecken vermochte - noch waren die Männer ja in Rufweite - und schließlich eine knappe, beinahe militärisch anmutende Grußgeste. "Salve legatus. Hältst du diesen Ort für dem Gespräch angemessen? - Ich bringe Nachrichten von einiger Wichtigkeit aus der Stadt.", erklärte er frei heraus, und doch ohne konkrete Anhaltspunkte über die Art der Information zu geben, die er zu überbringen hatte. Noch blieb der junge Flavius im Raum stehen, und machte keine Anstalten etwa Platz zu nehmen. Zunächst musste geklärt werden, ob das Gespräch hier stattfinden sollte, oder ob ein anderer Ort geeigneter dafür wäre. Diese Entscheidung lag ganz bei dem Annaeer, der wohl selbst am besten wusste, was den Umständen der notwendigen strikten Geheimhaltung am angemessensten wäre.