Beiträge von Servius Obsidius Antias

    "Salve Präfectus." grüßte Antias. Er nutzte die Gelegenheit bei Präfecten zu klopfen, als der Cornicularius aus seinem Officium gestürzt war. Verwundert über seine Eile, wollte Antias warten, entschied sich dann anders.


    "Eques Servius Obsidius Antias, I.Turmae, Legio Prima. Ich habe meine Dienstzeit abgeleistet und bitte um Entlassung."



    Eine ganze Flut von Überlegungen war ihm durch den Kopf gegangen bis er sich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Er war einer der wenigen Veteranen, die immer noch beim Straßenbau eingesetzt wurden, bei der Reparatur und Instandhaltung der Palisaden, der Lagerhäuser und Unterkünfte. Schwere Arbeiten, die ihm mit den Jahren mehr an Kraft abverlangten. Nicht mal zum Imunes hatte er es gebracht. Weitere Jahre so in der Legion, das ging nicht. Ein Stück Land und das Geld, was er bekam reichten für ihn alleine, seinen Lebensabend ruhig und zufrieden zu verbringen.

    Servius hatte es sich reiflich überlegt. Seine Ausrüstung war sauber und ordentlich. Mit den Jahren hatte er seine eigene Routine beim Pflegen und Instandhalten entwickelt. Man sah ihm an, dass er zu den Veteranen der Eques gehörte.


    Antias klopfte an die Tür zum Officium des Präfectus castrorum. " Klopf, klopf. "

    Der Decurio reichte den Befehl des Präfectus castrorum an die Turmae weiter. In exaktem Schwenk verließen die Eques den Platz. Antias warf einen letzten Blick auf den herunter brennenden Scheiterhaufen. Ihm ging vieles durch den Kopf. Abschließen, mit allem was bisher war, alles hinter sich lassen. Das Feuer, ein symbolischer Neuanfang für ihn. Nur welchen Weg sollte er einschlagen?

    Die Flammen leckten am Holz, fraßen sich langsam durch den Stapel, erreichten den Leichnam. Antias starrte in den lichterloh brennenden Scheiterhaufen. Dieser Mann, hatte ihm eine Familie gegeben und der Krieg hatte sie ihm wieder genommen. Wie gewonnen , so zerronnen. Was kam als nächstes? Sollte er bei der Legion bleiben? Sie war sein zu Hause geworden. Aus dem Sklaven war ein erschlichener Römer geworden. Wohin einen Menschen, Notlagen und Annehmlichkeiten bringen konnten. Keinen Gedanken verschwendete er mehr an Thrakien. Er lebte hier. Die Flammen verrichteten, das ihnen zugedachte Werk in aller Gründlichkeit. Funken stoben in den Himmel, als der Stapel in sich zusammenfiel. Antias löste seinen Blick und sah zum Präfectus Castrorum. Er war sich nicht sicher, ob er diesen Weg einschlagen sollte.

    Im Schritttempo ging es zum Platz. Alle trugen Parma und Hasta. Ein kleiner Wald aus Speeren formierte sich. Die Reiter blieben auf ihren Pferden. Wie sie in den Kampf zogen, so wollten sie dem Lagaten das letzte Geleit geben. Antias stand in der Formation weiter hinten. Er hing seinen Erinnerungen nach. Kampf, Sklaverei,Liebe, Flucht, unter falschen Namen Eintritt in die Legion, Bürgerkrieg, glückliche Heimkehr...und plötzlich stand er alleine da. Seine Frau und seine Tochter nicht mehr unter den Lebenden.


    Der Praefectus Castrorum sprach. Antias nahm es zur Kenntnis. Er empfand es als seine Pflicht als Teil der I. Legion hier anwesend zu sein. Emotional ging ihm der Tod seiner kleinen Familie näher. Stille trat ein. Der feierliche Einzug der Totenbahre. Sein Hengst witterte den Tod und wurde unruhig. Das Tier hatte noch keine Bekanntschaft mit einem Schlachtfeld gemacht. Leise redete Antias auf den Hengst ein. Es half, er wurde ruhiger. Sein Pferd war nicht das einzige, was so reagierte. Nervöses Schnauben, Hufe scharren war zu hören.

    Sie waren mit Ochsenkarren hinaus gefahren, hatten Baum für Baum gefällt. An Ort und Stelle für den Scheiterhaufen vorbereitet. Äste und kleinere Stämme wurden für die Kochstellen mitgenommen. Nichts wurde liegengelassen.
    Das war für ihn der dritte Holzeinschlag für einen Scheiterhaufen. Alleine hatte er vor der Stadt zwei aufgeschichtet. Die Toten alleine aufgebahrt und alleine verbrannt.
    Hier bei seinem dritten Scheiterhaufen war er einer von vielen. Es dauerte nicht lang, allein durch die pure Masse an Helfern und alles war hergerichtet.
    In den Stallungen Geschäftigkeit wie vor dem Auszug in den Kampf. Sein Hengst trug das silberne Brustgeschirr, was Antias erbeutet hatte. Der vierte Hengst in seiner Zeit hier bei der Legion. Fertig gesattelt wartete er auf seinen Reiter. Antias trug seine Corona auf dem casis. Die Ausrüstung glänzte nicht mehr so wie zu Beginn seiner Zeit hier bei der Legion. Einige Teile hatte er austauschen müssen. Wieviel Hundert Schuhnägel er bis heute verbraucht hatte? Viele, sehr viele. Der Befehl zum Ausrücken kam. Mit Schwung nahm er im Sattel Platz. Decurio und Vexilarius, danach die jungen Reiter, hinten die Veteranen.

    In die Schlange eingereiht wartete der Antias, dass er nach vorn treten durfte. Beim überwiegenden Teil seiner Kameraden stand fest, was sie nach der Auszahlung unternahmen. Die Tabernae, Garküchen, Lupanare würden an den kommenden Tagen an Einkünften zulegen. Antias hatte nur einen Gedanken im Kopf, die nächst beste Taberna und sich voll laufen lassen. Gründe hatte er genug. " Kommst du mit?" fragte ein Kamerad. " Ja, habe sonst nichts vor." In den vergangenen Monaten gab es einige unschöne Ereignisse, die Ihn total aus der Bahn geworfen hatten. Zeit heilt bekanntlich Wunden. Ihm war es wie gestern. Selten ging er in das Wohnviertel. Die Casa hatte er zugesperrt. Die kleine Bäckerei im Haus war geschlossen. Um einen Pächter hatte er sich bis dato nicht bemüht.


    Es ging rasch vorwärts. Antias trat an den Tisch und sagte seinen Vers auf.


    " Eques Servius Obsidius Antias, Legio Prima, I. Turma." Seinen Lederbeutel hielt er in der Hand. Eine kleine Auszahlung wollte er heute haben.

    Müdigkeit, eine angenehme Schwere die ihn überfiel. Sie unterschied sich gravierend von der in der Schlacht, im Getümmel. Er entspannte sich, blieb in ihrer festen Umarmung. Das Schluchzen ließ ihn aufhorchen. Ein besorgter Blick zu ihr. Zärtlich ergriff er ihr Kinn, sah ihr in die Augen. „ Was ist? Ich bin bei dir.“ Ihre Finger in seinem Haar. Antias genoss es und lächelte. So langsam begriff er, dass Lucilla das war, was er die ganzen Tage vermisst, nach dem er sich gesehnt hatte. Antias bereute es zutiefst auch nur einen kleinen Moment daran gezweifelt zu haben. Seinerseits legte er seine Arme um sie. „ Du bis das Beste, was man auf der Welt haben kann.“ Flüsterte Antias ihr ins Ohr. Er zog die Decke über beide, schloss sie fester in seine Arme. Der Krieg war vorbei. Er musste zwar wieder zurück in die Castra. Der normale Dienst würde erlauben, dass Antias fast täglich zu Lucilla konnte. „ So lange werde ich dich nie mehr alleine lassen.“

    Wachdienst? Antias dachte er verhörte sich. Die Tabula wer für was eingeteilt war, wurde verlesen. Porta Praetoria lautete sein Standort. Das hieß sauber, in tadelloser Ausrüstung und nicht mit offenen Augen schlafen. Sie marschierten auf und lösten eine Centurie ab. Der Abend brach an. Zur Nachtwache war Antias eingeteilt. 2 Stunden Tor, 2 Stunden Patrouillie, 2 Stunden Ruhe und 2 Stunden auf der Mauer am Tor.
    Die erste Amtshandlung war das Verschließen der Porta. Nach Sonnenuntergang verriegelte und verrammelte man alles. Mit den ersten Sonnestrahlen öffnete man die Porta wieder. Der langweiligste Dienst den es gab. In der Nacht hinter dem verschlossenen Tor stehen. Heute kein Besuch bei Lucilla. Dienst war Dienst. " He, Servius. Mit dem Holz nachlegen wirds heute nichts." Grinsend sah sein Kamerad zu ihm rüber. " Gibts morgen kein frisches, mit Liebe gebackenes Brot bei dir." Antias winkte ab. Frisches Brot musste nicht jeden Tag sein. Allerdings konnte man sich daran gewöhnen. " Das mal heute nicht ein anderer das Nachlegen übernimmt." redete sein Kamerad weiter. " Der Calidus von der III. Turma, der hat heute Ausgang und wollte bei der Bäckerei vorbei schauen. Er scheint sich gut mit der Bäckerin zu verstehen." Was hatte er da gesagt? Er kam zwar nicht jeden Tag zu Lucilla, aber wäre da was am Laufen, das hätte er gemerkt. Hätte er das? So sicher war er sich da nicht mehr. 8 Stunden Dienst wurden jetzt nach dem Geschwätz länger und länger.

    „ Ich danke dir für das Angebot Präfectus.“ Seine Miene heiterte sich auf. Mit der Hilfe des Präfectus castrorum bestand die Chance, dass er zurück konnte. Ob allerdings Lucilla nach der Heirat einverstanden sein würde. Reichten die Einnahmen der Bäckerei nicht aus, gab es keinen anderen Weg. Ein Risiko ging er nicht ein, Antias glaubte nicht, dass es bald wieder einen Krieg gab. In Friedenszeiten erfüllten sie Aufgaben außerhalb der castra. „ Vale Präfectus.“ Grüßte er und ging zuversichtlicher aus dem Officium.

    Das gemeinsame Essen, ungewöhnlich ruhig. Antias aß bedächtig es war herrlich bei seinen beiden Frauen zu sitzen. Marei war gewachsen, Lucilla hingegen hatte sich in seinen Augen kaum verändert. Sie war für ihn genauso begehrenswert wie vor dem Bürgerkrieg. Der Wein schmeckte viel besser als der den sie ab und zu tranken. Antias setzte sich bequemer, innerlich war er angespannt. Die Packerei für Marei kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Jede Minute die er warten musste mehrte seine Anspannung. Der Becher war fast leer, da stand sie in der Tür. Marei war aus der Casa, der Laden, wer war im Laden? Wie egal das war im Augenblick war. Sie war hier und sie tat das was er schon lange vermisst hatte. Sie saß auf seinem Schoß und löste eine Reaktion aus die nicht heftiger sein konnte. Er schlang die Arme um sie, hielt sie fest. Keine andere Frau, nur Lucilla, zärtlich erwiderte er ihren Kuss …das lange Warten, Kuss auf Kuss folgte, erwidert, gefordert. Seine Hände glitten über die spürbaren Konturen ihres Körpers unter der Tunika. Lange vermisst, während seine Hände seine Erinnerungen auffrischten, erforschten seine Augen ihre Gesichtszüge, versuchten zu ergründen was in ihr vorging. Lag es nicht auf der Hand? Das was er verspürte und worum es ihm ging, hatte sie ganz bestimmt wahrgenommen. Es ließ sich nicht verbergen, warum auch. Wer wollte ihm das verübeln. Nach dem nächsten Kuss, hob er sie von seinem Schoß und stand auf. Da ließ sich nichts mehr verbergen. Sie an der Hand hinter sich her ziehend Richtung cubiculum. Unterwegs wurden zwei Zwischenstationen an den Säulen eingelegt. Der Knoten ihres cingulum war mit ein paar Handgriffen gelöst. Ihre Tunika fiel an der zweiten Säule. Einige schnelle Schritte bis ins cubiculum. Sein cingulum fiel klirrend auf den Fußboden, die Tunika ließ er achtlos fallen. Seine Hände griffen nach ihr, das lange vermisste Gefühl, sie in seinen Armen zu halten. Er zog sie aufs Bett, ihr warmer Körper, die zarte, samtweiche Haut, die er unter seinen Fingerspitzen fühlte. Sie flogen über ihren Körper, erkundeten ihn nach so langer Zeit, wie Neuland. Sein Verlangen steigerte sich, er konnte und wollte sich nicht mehr zurück halten. Alles was mit Denken zu tun hatte wurde abgestellt, der reine Instinkt, der ureigene Instinkt, der jeder Spezies anhaftete brach durch.

    Das an jeder Sache die er anfasste oder in Erwägung zog ein Haken war. Was wunderte ihn das. Ausgerechnet Rom spielte diesmal mit. Eine Heiratserlaubnis aus Rom. Wie sollte er sich die beschaffen? Nie wieder nach und in die Nähe Rom’s. Erkannte ihn jemand, war es sein Tod. Betreten sah er auf seine Stiefel. Das war zu gefährlich. Antias musste mit Lucilla darüber sprechen. „ Eine Heiratserlaubnis aus Rom.“ Antias nickte mit zusammengekniffenen Lippen. „ Danke für deine Zeit, die du dir für mich genommen hast, Präfectus.“ Musste es unbedingt Rom sein. Zeit blieb ihm darüber zu entscheiden, gemeinsam mit Lucilla. Rom, Rom Rom ! Überall war Rom, überall mischt es sich ein. Antias stand grübelnd da. Es gab nie alles gute zusammen.

    Entspannter zu stehen war ein Anfang. Antias konzentrierte sich.
    Wie fing man es an ohne den Präfectus auf die Palme zu schicken? Frei von der Leber weg.


    " Meine Dienstzeit ist fast um. Aber was ist, wenn es mir in meinem zukünftigen Leben nicht gefällt. Kann ich dann zur Legion zurück auch wenn ich verheiratet sein sollte?"


    Das sollte nicht heißen, dass er in Erwägung zog vor seiner Frau zu flüchten. So klang es, aber so war es nicht gemeint.

    Hektische Geschäftigkeit brach hinter der Palissade aus. Das Wachpersonal nahm in gesamter Stärke Aufstellung. " Ihr geht nachsehen und schwenkt die Fackel, wenn es stimmt." Während der Anweisung wurde das Tor einen Spaltbreit für Antias und seinen Kamerad geöffnet.
    Sie gingen auf die Reiter zu. Der Präfectus castrorum und Eskorte. Antias wusste wie er aussah. Die Fackel erhoben trat er an das Pferd und sah dem Reiter ins Gesicht. Die Angabe bestätigte sich. " Salve Präfectus, willkommen zurück." Er drehte sich zum Tor und schwenkte die Fackel. Die beiden Flügel des Tores wurden geöffnet. Antias blieb am Straßenrand stehen und liess die Männer passieren. Es dauerte bis der letzte Mann in die Castra eingezogen war. Just zu dieser Stunde war Antias Wachdienst beendet.

    Antias zog die Augenbrauen hoch und zögerte. Der Präfectus hatte schlechte Laune. Das war nicht zu überhören. Kehrt Marsch und sich verdünnisieren? Was konnte ihm bestenfalls passieren. Ein hochkantiger Rausschmiss. Seine Fragen waren aber wichtig. Antias räusperte sich, schluckte und betrat das Officium.


    Mit angemessenem Abstand blieb er vor dem Schreibtisch des Präfectus stehen und grüßte.


    "Salve Präfectus, Eques Servius Obsidius Antias, Legio Prima, I. Turma, bittet um eine kurze Unterredung."

    Die Wache zu übernehmen war eine blöde Idee. Betrachtete Antias es von der anderen Seite waren die 10 Sesterzen nicht zu verachten gewesen. Einen Abend nicht bei Lucilla war zu verschmerzen. Er hatte ja Morgen und Übermorgen und die folgenden Tage. Unter dem Deckmantel Hilfskraft in der Bäckerei ging er täglich bei Lucilla ein und aus. Die gedachte Abwechslung wurde nach der ersten Stunde öde. Bis Berittene vom Turm gemeldet wurden. Die Tore waren wie jeden Abend zum Sonnenuntergang verschlossen worden. Von oben rief ein Legionär die heranreitenden an. „ Wer da? Was wollt ihr?“ Bei den Lichtverhältnissen konnte er nicht ausmachen, wen er vor sich hatte. Hinter dem Tor hatten sich Antias und ein Kamerad mit einer Fackel bewaffnet und warteten ab. War heraus, was die Reiter wollten, musste sie vors Tor und überprüfen ob es der Wahrheit entsprach.

    In der Therme hatte er sich gesäubert und auf diesen Gang vorbereitet.
    Seine Ausrüstung war geputzt. Das Kettenhemd zeigte keine Spur von Rost. Selbstsicher ging er auf die Tür zu und klopfte an.


    Die Zeit war wie im Flug vergangen. Er zählte zu den Veteranen und war nicht mehr weit davon entfernt die Legion zu verlassen.