Eine wahre Flut an Worten strömte auf Macro ein. Er bemühte sich sehr, jeder Aussage zu folgen, aber es blieb nicht genug Zeit, sie alle zu durchdenken, weil schon die nächste anrückte. Die wichtigsten Brocken blieben haften, so glaubte er. Auf alle Fälle hatte er eines verstanden, nämlich dass er und Linos aus zwei völlig verschiedenen Welten stammten, obwohl sie inzwischen in ein und derselben lebten.
"Ja, das muss ganz anders sein, wenn man als freier Mann geboren wurde", antwortete Macro nachdenklich. "Du trägst eine Sehnsucht in dir, die ich nicht kenne. Deswegen vermisse ich auch viel weniger als du." Macro überlegte kurz, dann fügte er an: "Eigentlich vermisse ich gar nichts. Es ist für mich wie eine Anstellung hier. Ich bin sogar froh, so einen guten Arbeitgeber gefunden zu haben. Wir betrachten die Situation einfach unterschiedlich, aber das spielt jetzt keine Rolle. Es hilft dir nicht weiter." Macro dachte nach.
"Lass uns mal schrittweise vorgehen. Du kommst mit der Gefangenschaft nicht zurecht und möchtest wieder frei sein, richtig? Es gibt dafür definitiv nur zwei Wege: Du fliehst oder du wirst freigelassen." Macro drückte Linos an der Schulter. Er wollte damit entweder Zustimmung oder Widerrede provozieren. "Ganz ehrlich: Die Flucht hat deine Lage deutlich schlechter als vorher gemacht. Du wirst es nie schaffen, Menecrates erfolgreich zu entfliehen. In Germanien hat er viele Soldaten, wo anders hilft ihm sein Geld und gute Beziehungen." Macro schüttelte den Kopf. "Dir bleibt nach meiner Ansicht nur die Hoffnung, freigelassen zu werden." Macro hob die Schulter, weil ihm keine dritte Alternative einfiel.
"Tja, aber ob du bei Menecrates oder einem neuen Herrn größere Chancen für die Freilassung hast, das wissen nur die Götter. Eins weiß ich aber ganz genau: Andere Herren behandeln Sklaven mitunter deutlich schlechter als Menecrates." Macro analysierte eigentlich nie, heute schon, er musste für sich selbst sortieren. Dabei erinnerte er sich, dass Linos vorhin bereits erwähnte, er wolle gar nicht verkauft werden. Daraus ergaben sich für Macro zwei äußerst schwierige Vorhaben.
1. Er musste Linos beibringen, seine Hoffnung auf Freiheit mit dem Dienst bei Menecrates zu verbinden.
2. Er musste Menecrates von seinem Entschluss, Linos zu verkaufen, abbringen.
Macro wusste nicht zu sagen, welches Vorhaben schwieriger sein würde. Aber immer ein Schritt nach dem anderen.
"Als erstes werden wir genau das machen, was Menecrates will. Wir entwerfen zusammen das Plakat und hängen es in der Stadt auf. Dann suchen wir uns ein paar Kandidaten, die extra dumm oder ungebildet sind, und stellen sie Menecrates als Bewerber vor. Dann merkt er zunächst mal, wie gut du bist. Das zeigt natürlich nur dann Wirkung, wenn du dich korrekt wie früher verhältst, also keine frechen Worte, keine böse Miene, du weißt schon. Was sagst du?"