Seine Mutter nervte weiter, natürlich, aber immerhin: sie hielt sich dann doch zurück, so im Vergleich zu dem, was er sich sonst manchmal anhören durfte, wenn er sie besuchte. Es trudelten immer mehr Leute ein, das entgingen weder ihr noch ihm. Und sie schien es fast noch nervöser zu machen als ihm – Hadamar war zwar selbst zu unruhig, um wirklich viel Acht auf solche Anzeichen zu geben, aber das bemerkte er dann doch, und für einen Moment entlockte es ihm ein Grinsen. Prompt bekam er die Quittung dafür.
„Was grinst du denn so?“ fragte sie ihn, immer noch mit diesem kleinen Vorwurf in der Stimme. „Machst du dich lustig über mich?“
„Nein“, beeilte er sich zu versichern. Das konnte er gerade noch brauchen, dass sie heute wirklich sauer auf ihn wurde.
Und dann ging es irgendwie schon los. Vorhin noch hatte er sich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, und jetzt... jetzt ging es ihm plötzlich viel zu schnell. Thorger begann zu singen, und kaum hatte das Lied geendet, sprach er auch schon. Hadamar kam, als er gerufen wurde, viel zu schlaksig kam er sich dabei vor, und es wurde nicht besser durch das Wissen, dass aller Augen auf ihn gerichtet waren in diesem Moment. Bei allen Göttern, wie hielt der Gode so was nur immer aus? Wie machte Witjon das? Da musste es doch irgendeinen Trick geben... nur kannte Hadamar den nicht, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Bestes zu tun um niemanden merken zu lassen, wie wackelig sich keine Knie anfühlten.
Ein Schritt, noch ein Schritt, noch ein paar, dann stand er vor dem Goden, und, oh, der Kerl musste ihn nun natürlich umdrehen, damit er auch ja schön all die Leute sah, die ihn anstarrten. Na super.
„Eh. Hrm.“ Hadamar räusperte sich und sah die Menge an, was ganz eindeutig ein Fehler war, weil da... so viele... Leute waren. Nicht so viele, wenn man mitten darunter war, aber wenn man vor ihnen stand und sie ansehen musste? Reiß dich zusammen, dachte er, und genau das tat er dann auch. Blieb ihm ja nicht viel anderes übrig. „Witjon, Sohn des Evax“, nannte er den ersten Zeugen. „Thankred, Sohn des Nandrad.“ Und Vater des Nandrad, eines seiner Freunde. Und ganz nebenbei einer der erfolgreichsten Händler Mogontiacums inzwischen... als er jung war, war er von der anderen Seite des Rhenus hierher gekommen und hatte sich hochgearbeitet im Handel, wovon er nicht müde wurde seinen Kindern und deren Freunden zu erzählen. Und vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er sich das Bürgerrecht für sich und seine Familie erkauft, was Nandrad den Weg eröffnete, von dem seine Mutter auch wollte dass er ihn ging: in die Verwaltung. „Und Hiltawin, Sohn des Rodnand.“ Von einer verbündeten Sippe, einer der besten Freunde seines Vaters, früher, bevor er nach Mogontiacums gekommen und in den Dienst der römischen Legion getreten war. Hiltawin hatte nie Anstalten gemacht, seinem Vater zu folgen, hatte nie versucht, auf römischem Gebiet Fuß zu fassen, aber Kontakt gehalten hatten sie dennoch, und auch als sein Vater gestorben war, war hatte Hiltawin weiterhin die Witwe und die Kinder seines Freundes besucht von Zeit zu Zeit, ihnen Geschichten erzählt von früher... die Erinnerung an ihren Vater lebendig erhalten.