| Tasius
Der alte Rhodier zog die linke Augenbraue leicht nach oben.
"Verzeih, es war nie meine Absicht deine Familie zu verletzen. Allerdings... Dafür, dass ich mich danach erkundigt hatte, ob man den Namen deines Vaters hier in Roma kennen müsste, worauf du groß von 'Verdiensten für das Imperium' gesprochen hast, ist ein Centurio für mich eben nur ein... vergleichsweise einfacher Offizier. Ich wage stark zu bezweifeln, dass du auch nur einen ansatzweise respektablen Teil der Centurionen der Legionen kennst." Bei im vollbesetzten Zustand 59 Centurionen in dreißig Legionen im Imperium konnte sich schließlich jeder selbst leicht ausrechnen, dass man in Roma wohl kaum alle 1770 Namen oder auch nur einen Großteil davon kannte - sofern man vielleicht nicht entsprechend mit dem einen oder anderen Centurio verwandt war oder die Acta einen Namen mal erwähnt hatte oder ähnliches.
"Da mag man mir meine lockere Zunge in diesem Zusammenhang vielleicht ob der Enttäuschung nach dieser großen Ankündigung verzeihen.", erklärte sich Tasius ernst und ehrlich, aber deshalb keineswegs übermäßig reumütig. Wie er ausgeführt hatte, sah er hier schließlich eine größere Teilschuld auch bei seinem Gegenüber.
Und weiter ging es mit der Geschichte des Sergius Cat-I-lina, den sein Gesprächspartner, das war dem Sklaven bereits zuvor aufgefallen, etwas... anders aussprach. Dabei redete sich dieser Agrippa aus Sicht des Tasius immer mehr und mehr um Kopf und Kragen, denn außer Mutmaßungen, Verdächtigungen und jeder Menge heißer Luft, kam nicht viel Konkretes. Mit dem großen Pompeius fiel die erste Karte des Kartenhauses, als er zugeben musste, dass auch er nicht wusste, inwiefern der nun überhaupt irgendwie mitgewirkt hatte in dieser Sache. Aber Hauptsache war ja, dass man Magnus, der nicht umsonst dieses Cognomen trug, erstmal beschuldigte und bezichtigte. Typisch Jugend, wurde erst danach darüber nachgedacht, ob man seine Aussagen denn auch mit mehr als bloßer Spekulation und vermeintlicher Indizien stützen könnte. 'O tempora, o mores!', das konnte der alte Rhodier im Zusammenhang mit der Jugend sowieso nicht oft genug sagen! (Und gerade im Falle eines Catilina war dieser Ausspruch wohl durchaus recht treffen...)
Nachdem nun die erste Karte gefallen war, dauerte es naturgemäß auch nicht mehr lange, bis auch die nächsten beiden Karten dem äußeren Druck nachgaben. Dabei war es sogar Agrippa selbst, der den finalen Windzug schuf, indem er dem vergöttlichten Caesar und dem reichen Licinius Crassus nun auf einmal doch nicht mehr unterstellen wollte, dass diese überhaupt vollends Bescheid gewusst hätten. Damit war die Spitze des Kartenhauses nun endgültig zerstört und der Sergier versuchte scheinbar wenigstens das Fundament noch mit Pauschalaussagen zu halten. Ja, wohlmöglich hatte sich Catilina ein wenig zu viele Mitwisser geschaffen, vielleicht war der Großteil von denen leicht bestechlich und eventuell waren es unterm Strich damit einfach die falschen Leute. Ein überzeugendes Argumentationskonstrukt war all das aber nicht einmal mehr ansatzweise.
So also seufzte der Sklave leicht kopfschüttelnd und machte sich weitere Notizen.
"Ist es in diesem Sinne also richtig, wenn ich zusammenfasse, dass Sergius Cat-i-lina aus deiner Sicht der Dümmste deiner Gens war, weil er den falschen Männern vertraute?", fragte Tasius unschuldig und ignorierte vollkommen, dass sein Gegenüber jetzt ganz plötzlich auf das Pferd (den großen Coup Caesars) aufsprang, welches der Rhodier selbst überhaupt erst ins Spiel gebracht hatte in dieser Unterhaltung. Für einen kurzen Moment überlegte der Tabularius, ob er noch explizit erwähnen sollte, dass er eine solche Aussage für eine absolut schamlose Übertreibung hielt. Er entschied sich dagegen und hoffte stattdessen auf ein 'Ja' seines Gegenübers. Dann würde er bei geeigneter Gelegenheit mal ganz nonchalant zeigen, dass sicher auch ein Sergius Agrippa oder ein Sergius Fidenas schnell mal dem Falschen vertraute. Ob sie deshalb gleich dumm waren oder gar zu den Dümmsten ihrer Gens gehörten? Die Frage beantwortete sich der Sergier hier irgendwo gerade selbst...
"Ist man dumm, nur weil man nicht clever und geschickt genug ist?", brabbelte Tasius sich nachdenklich in seinen Bart. Das war aus seiner Sicht eine ziemlich interessante Frage, die sich neben Catilina auch mit unzähligen anderen Verlierern der Geschichte befassen könnte...
"Und was genau führt dich zu der Annahme, dass wir hier irgendwelche persönlichen Schreiben iulisch-claudischer Dynastiemitglieder haben würden?", legte der Sklave seine Stirn in Falten. Das leuchtete ihn ja noch weniger ein, als dass sie hier groß Geschichtsbücher oder ähnliches haben sollten. Was sollte man hier schließlich auch mit irgendwelchen persönlichen Schreiben oder Gedanken der Verblichenen anfangen? Es kam darauf an, dass dem richtigen iulisch-claudischen Dynastieangehörigen am richtigen Tag zum richtigen Anlass angemessen gedacht wurde. Dafür war es beispielsweise völlig irrelevant, dass der vergöttlichte Augustus kein großer Weintrinker war und unzählige Tuniken übereinander trug. Vorstellungen hatten die Leute...

TABULARIUS - SOCIETAS CLAUDIANA ET IULIANA
SCRIBA PERSONALIS - MARCUS IULIUS DIVES