Bevor er sich das mit der Böschung der verfallenen Mauer überlegte antwortet er noch auf die anderen Fragen:
Ja, das Messer war ihr unheimlich. Obwohl sie es gar nicht wirklich gesehen hat, niemand hat es gesehen, außer die, die durch es schon tot sind. Ich hab nur etwas geschildert. Es ist ja kein gewöhnlicher Messer. Eigentlich müsste ich sagen, es war. Es war recht lang, und hatte auf einer Seite spitze Zacken, wie die Zähne eines Säbelzahntigers. Und es war scharf wie eine Rasierklinge, doch treu wie eine Ehefrau!
Er musste die Situation, wo er sie zum Lachen gebracht hatte, nochmals genauer schildern, anscheinend interessierte Valerian sich dafür.
Ja, mein Gott, sie hat einmal gelacht. Ich müsste mich gerade entsinnen, wie das stattgefunden hat.
Er konnte glücklich sein, dass sich Rambosius Gespräche auf den genauen Wortlaut gut merken konnte, es war ja in seinem früheren Geschäft sehr wichtig:
Ich erzählte ihr eben so, dass ich gegen 10 oder 20 Männer problemlos kämpfen könnte, aber nicht, wenn mich hunderte angriffen. Ich glaub, für dich, Valerian, ist das auch kein Problem, gegen so eine kleine Gruppe zu kämpfen, denke ich. Danach hab ich sie anschließend eben gefragt, wo ich die Cohortes Urbanae finde und dass es sicher ein Versuch wert sein würde, dort einen Centurio zu fragen.
Darauf hin hatte sie erst mal große Augen gemacht, die feine Dame bis sie schließlich etwas zu lachen anfing!
Kurz entschloss stimmte er dem Vorschlag von Valerian zu. Denn nirgends war es so sicher, wie an einem Ort, der selbst so unsicher aussah:
Gut, gehen wir dort rauf. Wenn ich mir diesen heruntergekommen Schuppen so ansehe, fühle ich mich schon fast wieder wie zuhause. Es gibt keinen sichereren Ort als die Hölle selbst. und lachte dabei etwas ironisch auf. Also gingen sie gemeinsam die Böschung hinauf, was bei 70% Gefälle nicht gerade einfach war.
Sie mussten sich etwas durch Dornengestrüpp, wildem Rubus fruticosus durchwühlen. Und eine alte Rosa canina versperrte ihnen auch noch den Weg. Die wenige Mauer, die noch übrig war, sah karg aus, von Moosen und Flechten übersät. Dort setzten sie sich nieder, und zwar so, dass sie alles im Überblick hatten und sich doch mit dem Rücken zur Mauer anlehnen konnten.
Ein Duft von frisch aufesogenen Moosen und Farnen kam ihnen entgegen, als Rambosius anfing zu erzählen.
Hast du's auch bequem, Valerian? , flüsterte Rambosius.
Ok, fing er ganz gemütlich an, da ich ja nichts zu befürchten haben, erzähl ich einfach mal ganz von vorn. Aber sei nicht zu kritisch mit mir, ich bin kein großer Erzähler, es ist das erste Mal, dass ich jemandem DAS erzähle.
Er holte nochmals Atem und fing dann stimmungsvoll an, als ein warmer Ostwind ihm in die langen Haare blies.
Ich bin ja Germane, und war gern in Germanien, aber in Germanien habe ich die schlimmsten Dinge erlebt, die sich ein Mann je vorstellen kann. Von Räubern und Banditen wurde ich beauftragt, germanische Stammführer, Kriegshelden und Fürsten zu ermorden. Ich schlachtete mich durch hunderte von Soldaten durch ohne nur eine Emotion zu vergeuden. Natürlich insgesamt betrachtet durch Hunderte.
Ich kam einstweilen zu Fürsten, die wiederum mich beauftragten, Räuber und Banditen zu bezwingen - was mir eher gefiel, weil ich dafür ein hohes Kopfgeld kassieren konnte.
Nach einigen Jahren war ich dann des Tötens müde und wusste nicht Gutes von Bösem zu unterscheiden, ich wollte mich einfach nur noch zurückziehen, doch laut anderer Leute sollte ich weiter töten, und weiter ihre Aufträge erledigen. Aus dieser Meinungsverschiedenheit entwickelte sich schnell jeden und alles, was von mir verlangte, grundlos zu töten. Nun war halb Germanien gegen mich und sie verfolgten mich von überall her, so war ich gezwungen zu töten und tötete dadurch nur noch mehr und noch besser.....
Von meiner gebürtigen Heimat Brigantium musste ich endlich Abschied nehmen - ich floh erst richtung Osten. Meine Verfolger, die einst meine Freunde unter Anführungszeichen gewesen waren, verstreuten sich so weit als möglich, um einen großen Umkreis zu durchforsten. Ich sah mich unterdessen gezwungen, nur bei Nacht mich fort zu bewegen. Unter Tags versteckte ich mich in Höhlen oder bei anderen Leuten, doch kam es auch vor, dass ich tagelang ohne Essen und Trinken in Wäldern oder Steppen verbrachte.
Eines Tages sagte ich mir: "Ich kann mich nicht mehr verstecken - sie werden mich finden! Es herrsche erst wieder Frieden, wenn ich sterbe oder wenn sie sterben!"
Mein Verfolger kamen immer näher, es waren immer mehr und es wurde zusehends schwieriger sich zu verstecken. Ich hatte mir zwar geschworen, niemanden mehr grundlos zu töten - aber ich wusste, wenn sie mich bemerkten, wäre ich sicher schnell nicht mehr am leben. Deshalb musste ich ihnen zuvor kommen - ich musste es beenden, bevor sie es taten.
An den folgenden Tagen, schlug ich mich gegen Südwesten durch. Leise wie der Tod und schnell wie der Wind nahm ich das Leben jener Verfolger, die mir zu nahe kamen. So leicht wie eine Feder gleitet mein Messer durch dessen Fleisch und so kraftvoll wie die Wogen des Meeres kämpfte ich mit der Stärke meines Körpers Mann gegen Mann.
Am Fuße des Apennin jedoch fassten sie mich und brachten mich in ihr Lager. Ich hatte nichts dabei außer ein Messer und mein Gewand. Im Lager stürzten sich die Männer auf mich und entrissen mir alles, was ich hatte. Sie fesselten mich und grausam folterten sie mich. Doch ich hielt den Atem an, steckte die Schmerzen weg und blieb stumm. Doch mein Tod war ihnen nicht genug, ich sollte nicht mehr wissen, ob ich schon tot war oder noch lebendig - es war die Hölle auf Erden!
Nach einer Woche Höllenquallen und sommerlicher Hitze, kam ein Gewitter auf und es begann heftigst zu regnen. Es verwandelte die trockene Erde zu schlamm und die Berghänge zu reißenden Bächen und Wind kam über das Lager, wie die fließende Lawa eines Vulkans.
Das ganze Lager war aufgebracht und versuchte sich vor dem Unwetter zu schützen. Mich hatte man draußen an einen Pfahl fest gebunden. Durch den aufgeweichten Boden und der Unruhen im Lager, versuchte ich den Pfahl möglichst unauffällig aus dem Erdreich zu lösen, als plötzlich etwas aus dem Schlamm mir funkelnd entgegen schwomm. Ich ging in die Hocke, um zu sehen, was es war und wie durch ein Wunder war es mein eigenes Messer. Ich probierte mit angebundenen Händen von hinten in der Hocke aus an das Messer heranzukommen. Ich schaffte es gerade mit Mühe, das Messer zu ergreifen, bevor es ganz weggespült wurde. So schnell es ging, schnitt ich meine Fesseln durch.
Mein schwarzes Haar war vollkommen durchnässt und das Wasser floss mir über mein Gesicht.
Als ich mich befreit hatte, wusste ich nicht wo ich sicher war, ich hatte Angst, dass jemand der Männer kommen würde nach mir zu sehen. Der Schlamm war weich und nass. Mir blieb keine anderen Wahl. Ich legte mich nieder und überhäufte mich mit dem kalten nassen Schlamm bis nichts mehr von mir zu sehen war. Ich war quasi unter der Schlammdecke verschwunden. Ich hörte nur noch, als jemand kam und ganz verblüfft war, dass ich nicht mehr Pfahl hing. Er trampelte etwas vor mir hin und her, als würde er mich in der dunklen Nässe suchen wollen.
Als der richtige Zeitpunkt gekommen war, erhob ich mich blitzschnell aus der Deckung des Schlammes und warf mich auf den Mann, der da vor mir stand und mich suchte. Der Mann taumelte kurz, krachte dann aber zu Boden in den Schlamm. Ich drückte seinen Kopf solang in das durchwässerte Erdreich bis er daran erstickte. Die Leiche überhäufte ich gleich mit etwas Schlamm, damit sie versteckt bliebe.
Ich schlich weiter um die Lagerzelte herum, wo niemand mehr zu sehen war, aber ich wusste - wenn ich jetzt kein Ende setzte, würden es nur noch mehr werden, die die verfolgten und ich hätte niemals mehr die Ruhe.
Die Männer, die sich vor dem Unwetter zu schützen versuchten, gingen nun wieder zu ihren Zelten zurück, als sie plötzlich vor meiner Gestalt erschracken.
Der eine nahm gleich seinen Bogen und schoss auf mich, ich stürzte nach rechts und entwich, wo sogleich ein anderer mit der Axt auf mich wartete. Ich wich geschickt aus, glitt mit meinen Füßen, zwischen die des Mannes, warf ihn in den Dreck und steckte ihm mein Messer in die Brust. Am anderen Ende der Zeltseite pirschte ich mich wieder schnell an und machte mich bereit auf die nächste Attacke. Ich musste nicht lang warten, schon wollte einer mit seinem Schwert um die Ecke stechen, als ich seinen Arm erwischte und gekonnt mein Messer in seine Schläfe rammte. Ein zweiter Pfeil verfehlte mich nur knapp und ich sprang schnell auf die andere Seite, rollte mich dann geschickt auf die Hinterseite eines der Zelte.
Inzwischen hatten sich die Männer, nach dieser Schockerfahrung, gruppiert und zogen nun Seite an Seite durch das Lager, um mich aufzuspüren.
Eine Gruppe näherte sich gefährlich der Stelle, wo ich gestanden hatte.
Ich schlüpfte noch unter eine Zeltplane. Als die Gruppen direkt vor mir zu stehen kam, sprang ich auf und warf ihnen die Zeltplane über, stürzte mich sogleich auf sie, damit die Männer sich gegenseitig zu Boden stürzen würden und unter der Plane liegen blieben.
Ich stürzte mich also darauf und stocherte mit meinem Messer sooft ich konnte auf die Plane ein bis sich darunter nichts mehr regte, außer ein Bächlein Blut, dass daraus floss und dem Wasser folgte. Ein dritter Pfeil streifte meinen Oberarm, ich rollte mich dann in den Hang hinein, wohin das Wasser floss. Ich ließ mich von dem Schlamm mitschwemmen, während einige weitere Pfeile mich versuchten zu treffen. Ich glitt direkt auf einen zweite Gruppe von Kämpfern zu. Mein Messer schnitt die Achillessehne eines Mannes durch, ich schnappte mir anschließend einen Pfeil, der gerade daher geschwemmt kam, sprang auf und stach ihn dem Nächsten in sein Auge, kurz darauf ich mit meiner Faust erst einmal einen Weiteren zu Boden brachte. Der Vierte der Gruppe attackierte mit seinem Schwert, ich konnte seinen Hieben bei dem rutschigen Untergrund schwer ausweichen. Der Mann streifte meine Brust gefährlich und ich bemerkte gleichzeitig, dass sich die anderen Männer wieder aufrichten wollten. Also zog ich schnell mein Messer und jagte es dem Mann, mit dem schwingenden Schwert schnell durch die Kehle. Darauf ergriff ich sein Schwert und zog mein Messer wieder aus der Kehle heraus. Demjenigen, der wieder auf den Beinen war, schob ich das Schwert sogleich durch den Bauch, und plötzlich verfehlte mich ein Pfeil, der einen anderen der Männer direkt in die Stirn traf. Einer der Gruppe war noch übrig und ergriff mich von hinten, er versuchte mich mit seinen Armen zu erwürgen. Ich stammelte etwas, konnte Gott sei Dank aber mein Messer zücken und traf sein Gesicht schmerzlich. Nun konnte ich mich aus den Fängen des Mannes befreien und schnitt ihm den Hals durch. Die Bogenschützen waren nun postiert und ich versuchte ihren Pfeilen zu entweichen.
Die Bogenschützen ließen einen Schwall Pfeile auf die Zellte hageln bis auch der letzte Pfeil verschossen wurde!
Einer der Schützen war auf einem kleinen Felsvorsprung platziert und starrte auf das Lager.
Ich schlich mich an.
Da packte ich von unten seine Schienbeine und zerrte daran. Der Schütze versuchte sein Gleichgewicht zu halten, doch konnte sich nicht lang halten, sodass er stammelte und niederfiel.
Ich kroch schnell den Felsvorsprung hervor und beendete die Sache mit dem Schützen schnell, schnappte seinen Köcher und seinen Bogen.
Ich blieb in Deckung und erledigte einen nach dem anderen der Schützen, die jetzt mit ihren Schwertern und Messern mich vergebens im Lager suchten. Den einen nagelte ich mit drei Pfeilen an eine der Zeltplanen, dem anderen schoss ich einen Pfeil mitten durch den Kopf. Wiederum ein anderer wollte fliehen und mein Schuss wurde abgelenkt und der Pfeil traf den Schützen in die Wade. Als ich alle merklichen Schützen erledigt hatte, ging ich erschöpft in Richtung des Lagers.
In strömendem Regen sah ich den einen Schützen, den ich an der Wade verwundet hatte, mit Mühe zu fliehen. Er humpelte durch den Matsch, als ich zum letzten Mal den Bogen spannte. Mit einem schrillen Geräusch pfiff der Pfeil durch die Luft der herabkommenden Tropfen und schoss in den Rücken des Schützen, der dadurch auf die Knie fiel. Der Schütze zog seine Schleuder aus einer Tasche, dreht sich um und zielte damit aus voller Wut und Geschrei gegen mich. Ich zückte sofort einen Pfeil, spannte abermals meinen Bogen und schoss dem Schützen durch den offenen, schreienden Mund hindurch, sodass dieser einfach umkippte!
Ich blickte nach hinten und sah, wie sich der Hang langsam von den Wassermassen aufzulösen schien. Ich ließ den Bogen fallen und eilte den Hang hinauf, doch von der Folter entkräftet konnte ich mich oben angekommen nicht mehr auf den Beinen halten - bei der Nässe rutschte ich aus, die Wassermassen auf der anderen Seite des Hügels waren noch stärker und ich wurde von ihnen mitgerissen. Vergeblich versuchte ich mich festzuhalten, immer schneller glitt ich den Hang herunter und hinter mir das flüssige Erdreich. Es spülte mich schließlich an den Rand des unteren Hanges, wo ich dann liegen blieb.
Am nächsten Morgen ging die Sonne etwas später auf und erhellte die ganze weite Eben, die vor mir lag.
Ich erwachte und sah schließlich hinunter in das lang erstreckte Italien. Ich hatte es geschafft - zumindest für eine zeitlang - meine Verfolger abzuhängen!
Nach dieser langen Erzählung war Rambosius sichtlich erschöpft und sah mitgenommen aus. Diese Erinnerungen an Mord und Todschlag taten ihm einfach nicht gut.
Zum Schluss sagte er noch zu Valerian:
Du kannst es mir glauben oder nicht, aber jetzt bin ich hier und erzähl dir das. Da draußen vor der Stadtmauer, da warten meine Verfolger jedoch schon auf mich. Und sie warten sicher schon zu hunderten, ganze Armeen vielleicht schon. Sie werden Rom sicher nicht angreifen. Aber wenn ich da ganz normal hinausspaziere und sie sich sicher fühlen, werden sie mich angreifen und du kannst am nächsten Morgen meine Gliedmaßen zusammensuchen. Hier in Rom bin ich sicher!
Er blickte bei diesem Gedanken ins Leere. Er hatte Angst, er hatte immer Angst gehabt, bei jedem Kampf zitterte er am ganzen Körper und innerlich.
Und er konnte seine Angst nicht mehr verstecken. Sterben würde er sowieso, aber die Frage war nur wie. Starb er kämpfend gegen Hunderte, die ihn attackierten oder starb er friedlich im Beisein von Leuten, die er kannte und im ihm vertrauten.....