Beiträge von Rambosius

    Die Männer aus der Seitengasse kamen also wieder zum Vorschein und gesellten sich zu drei Männern. Rambosius verstand diese Situation nur wenig, offenbar kannten sich diese vielen Männer bereits und es sah so aus, als ob es ein geplanter Akt war, denjenigen in der Gasse zu verprügeln. Trotzdem ließ es Rambosius nicht locker, was hier los war und fragte nun in die Runde hinein:
    Entschuldigung, aber was ist da in der Seitengasse gerade passiert? Wurde auch niemand verletzt oder so?
    Gespannt blickte er die Männer an.

    Bei dem Satz, was Rambosius machen würde, wenn die Wahlen vorbei waren, musste er kurz ein eingestehendes Lachen von sich lassen:
    Ja, da hast du vollkommen recht, man! Er schaute ihm jetzt in die Augen, weil er irgendwie das Gefühl hatte, das Valerian ihn verstand.
    Ja, sagte er jetzt etwas wehmütig und nachdenklich, ich könnte wieder vor die "Haustür" gehen, und schauen, ob irgend ein Wild vor meinen Augen vorbeitanzt. Und lachte wieder ironisch dazu. Dann wurde er aber wieder ernst, also nicht mehr ironisch. Diesmal sagte er es ernst, und sollte auch so rüberkommen.
    Nein, ehrlich. Ich bin eigentlich ein geschickter Jäger. Ich musste ja irgendwie da draußen überleben. Aber so schwer ist das gar nicht. Wo ein Fluss ist, gibt es Fische. In den Wälder findet man immer irgendwas.
    So viele Gedanken über sein Leben, hatte sich Rambosius noch nie gemacht, erst Dank Valerian kam er da ins Grübeln. Er war bis jetzt immer seinem Instinkt gefolgt, und überlebte durch die einfache Kunst des Jagens und Fischens. Er war immer auf sich allein gestellt, immer eine Zielscheibe für bluthungrige Menschen.
    In der Stadt muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Ich brauch irgendein Einkommen.......
    Jetzt fehlten ihm langsam die Worte, denn in der Stadt hatte er keine Erfahrung. Er wendete sich dem Centurio zu.
    Was kann wohl ein Jemand wie ich, der stark ist, ein bisschen anders aussieht als die andern, machen?
    Er sah wieder zum Tiber hinunter und sagte dann:
    Kürzlich war ich im Mercatus Urbis in einer Schneiderei, um eine Tunika zu kaufen. Da war auch eine ziemlich vornehme Römerin. Ich hab sie gefragt, ob ich hier in der Stadt......wie ich hier Fuß fassen kann. Sie hat gemeint, kauf dir was sauberes zum anziehen und verkauf dein Messer. Naja, das hab ich dann auch gemacht
    Nach einer kurzen Pause stieg er weiter in das Thema ein.
    Ich hab zu ihr gesagt, ich brauch eine Hand voll Leute. Sie hat gemeint, ich soll ein paar Söldner anheuern. Sie hat mir dann erzählt, ihr Mann sei Centurio. Ich hab dann gesagt, ich geh mal hin und frag ihn, ob er ein paar Männer hat. Sie hat gesagt, dass das nicht ginge, die Begründung dafür hab ich vergessen.
    Vielleicht fällt mir ihr Name noch ein.............moment, irgendwas mit Cal-Calvena, ja genau und Germanica, so was in der Art.
    Rambosius wusste gar nicht, warum er das alles erzählte. Vermutlich sah er in Valerian eine Chance, sich hier zu integrieren, irgendjemanden zu finden, dem er sich anvertrauen konnte. Dieser Valerian war ihm von Anfang an schon sympathisch, hatte er ja auch ein vertrauenswürdiges Gesicht, selbst in der Dienstkleidung hatte man das Gefühl, er wollte lieber friedlich sein Land verteidigen, anstatt blutig.
    Rambosius hingegen war ein Mensch, den man als "Killer" bezeichnete. Wenn er den Mund aufmachte, kamen die Worte sehr direkt heraus, und vielleicht auch etwas proletenhaft. Seine Sprache war nicht rhetorisch begabt, sondern schlicht und einfach.
    Er musste bei diesem Gedanken etwas schmunzeln: Weißt du, vielleicht ist es Zufall, aber ich steh hier gerade vor einem Centurio! Vor zwei Tagen war es noch reine Utopie.


    Auf einmal kam ihm eine Idee, denn wenn es der Zufall schon wollte, dass er hier einen Centurio traf und gleichzeitig auch eine Person, mit der sich auch reden ließe, musste er den Gedanken gleich am Schopf packen:
    Weil du von arbeiten sprichst, vielleicht hast du ja eine Arbeit für mich. Ich glaube nicht an Zufälle. Alles ist Schicksal, auch das wir uns hier und jetzt begegnet sind.
    Das mit dem Brief würde er sicher machen und irgendeinen Händler würde er bestimmt finden. Doch dieses Vorhaben kam ihm jetzt plötzlich nebensächlich vor. Denn er konnte nun gehen und den Brief ausstellen und auf eine Antwort hoffen. Und danach stand er immer noch gleich wie vorher. Er konnte vielleicht seinen Neffen besuchen, aber auch der würde ihm nicht wirklich weiterhelfen können, weil er ja selber Peregrinus war. Und sich in diesen Zeiten aus der Stadt zu wagen, wäre sein Todesurteil gewesen. Er hatte zwar keine Angst umgebracht zu werden, aber ein paar Jahre noch zu leben, fände er auch nicht schlecht.

    Rambosius war zwar immer etwas kaltherzig gewesen, er war solche Freundlichkeit von einem Mann nicht gewöhnt. Die friedlichen Männer, mit denen er bis her hatte zu tun gehabt, waren seine Auftraggeber oder Geldgeber - machthungrige gallische oder germanischen Fürsten.
    Doch jetzt hatte er, den Göttern sei Dank, jemanden gefunden, der es wirklich ernst mit ihm meinte. Und er war nicht so verschlossen, wie die Leute hinter den portae. Auch Rambosius war ein offener Mensch, denn was hatte er noch zu verlieren, er hatte ja ständig das Gefühl, das Leben schon gelebt zu haben, obwohl er erst über 30 war.
    Bis jetzt waren meine Kontakte spärlich. Ich hatte zwar viele Kontakte, aber nur zweckgebunden. Wenn ich fragte, bekam ich immer ein Antwort. Die Dörfer und "Städte" jenseits des Apennins sind da sehr zuvorkommend.
    Als Valerian ihn fragte, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, griff er gleich nach seinem Geldbeutel, der ihm der Messerhändler für sein Messer gegeben hatte. Er fühlte sich immer noch recht voll an. Rambosius wollte Valerian nicht erzählen, wie er früher gelebt hatte, noch nicht, aber er erzählte ihm, wie er bis jetzt in Rom gelebt hatte.
    Bis jetzt habe ich mich hier und da durchgeschlagen. Viel Geld hatte ich nicht, als ich nach Rom kam. Da kam es schon vor, dass man einige Tage mit leerem Magen leben musste. Meine Waffe hab ich verkauft, hab mir eine blaue Tunika gekauft, die du hier siehst. Das letzte Mal hab ich richtig zugegriffen bei der Wahlkampagne von dem Helden aus Mantua Titus Duccius Vala!
    Wenn du wissen willst, wo ich wohne. Ich habe keine Wohnung. Ich kann überall schlafen!, grinste etwas.
    Ein Brief also, auf die Idee wäre Rambosius nicht gekommen. Er hatte nur vom Umlauf von Briefen gehört, aber nie eine selbst geschrieben. Schreiben hatte man ihm nie gelernt, wozu auch. Dort, wo er herkam und wo er geboren wurde, war es nur den Wohlhabenden sichergestellt, dass sie in die Schulen gehen durften. Bei seinem Vater und Großvater auf dem Land gab es andere Prioritäten.
    Bei seinen Aufträgen sollte sich das aber schlagartig ändern. Schließlich war nicht jeder Fürst bereit ihm persönlich sein Anliegen zu schildern, also gab er ihm ein Stück Stoff oder Pergament mit. Ab da an war er gezwungen zu lesen. Und wer lesen konnte, konnte auch schreiben, nur praktiziert hatte Rambosius das Schreiben noch nie. Um nicht ganz blöd dazustehen, sagte lächelnd:
    Ach, ich werde schon älter, das hätt ich fast vergessen, dass man ja heute vieles mit Schriftverkehrt löst.
    Das, was er jetzt sagen musste, war ihm etwas peinlich, aber er sagte es trotzdem:
    Nur, ich hab noch nie einen Brief geschrieben. Nicht das ich nicht schreiben kann, nein. Ich nenne so etwas Luxus!

    Zitat

    "Halunken gibt es leider viel zu viele. Wir tun unser Bestes, um sie unter Kontrolle zu bringen. Haben sie Dich etwa ausgeraubt?"


    Rambosius fühlte sich nun zum ersten Mal in der Stadt ernsthaft angehört und dann noch von solch einer Persönlichkeit. Doch er wollte nicht vor ihm angeben und erzählte es etwas abgemagert:
    Du wirst es kaum glauben, aber Rom's Stadtmauern waren in greifbarer Nähe, als ich in der aufkommenden Dunkelheit, eine Bande von Barbaren vorbeiziehen sah. Ich wollte ihre Aufmerksamkeit nicht erregen und ging etwas in Deckung. Drei Männer der Karawane schlugen plötzlich eine andere Richtung ein und entdeckten mich. Bevor sie mich attakierten, attakierte ich sie, das verstehst du sicher. Des Weiteren hab ich sie dadurch überrumpelt und.... naja, schließlich konnte ich dann noch friedlich bis zum nächsten Morgen schlafen, ehe ich beschloss durch die Stadtmauern zu gehen.

    Zitat

    Man, Du kannst doch nicht einfach an irgendwelchen Türen klopfen und nach diesen Leuten fragen! Rom ist riesig! Hier leben Millionen Menschen, da kann man nicht jeden kennen."


    Ich bin es von zuhause gewohnt, dass man fast jeden kennt...., und lächelte etwas.
    Rambosius hörte ihm gespannt zu, als der Centurio ihm plötzlich erzählte, dass es doch eine Möglichkeit gab, wie er seinen Neffen finden konnte
    Das hört sich nach einer Möglichkeit an, wie ich vielleicht doch meinen Neffen noch finde. Wie weit ist Mantua von Rom entfernt? Ich würde Servius Artorius Raetinus gerne einen Besuch abstatten!
    Rambosius strich sich durch sein Haar und sagte darauf:

    Zitat

    "Glaubst Du, es wäre hier friedlich, wenn wir uns hier nicht ab und an blicken lassen würden?"


    Du bist also nicht privat in dieser Gegend, nehme ich an? Bleibt bei so großem Eifer noch Zeit für diesen schönen Anblick und der reizvollen Atmosphäre?
    Er holte einen tiefen Atemzug, um seine Lungen mit der feuchten Luft zu füllen und die Alveolen zu befeuchten.

    Rambosius lachte natürlich mit, denn er wollte nicht so da stehen, als ob er keinen Spaß verstand.
    Er warf darauf gleich ein:
    Nun, das hoffe ich auch nicht, das wir mal aneinander stoßen. Aber draußen vor den Stadttoren kam es schon zu einer Auseinandersetzung zwischen mir und ein paar Harlunken!
    Bei der Frage, wie lang er schon in Rom sei, musste er kurz grübeln, noch nie jemand hatte ihn so direkt gefragt, wie lange er schon an einem Ort verweilte.
    Es dürften jetzt glaub ich 2 Wochen und ein paar Stunden sein!
    Er blickte sich um, ob ihnen ja keiner genauer zuhören würde.
    Ich würde das hier nicht jedem erzählen, aber du scheinst mir noch ein vernünftiger Mann zu sein. Zuerst wollte ich hier nicht Fuß fassen. Ich war auf der Suche nach meinem Neffen Pharmacus, einem Apothecarius, Herbalist und Medicus, Klient von Marcus Artorius Didianus Nero. Aber kein Mensch kannte ihn oder konnte mir sagen, wo ich ihn finde, von denjenigen, die ich gefragt habe. Ich habe an viele Türen geklopft, doch sehr gastfreundlich war man zu mir nicht. Unter anderem bei der Villa Claudia, der Villa Aurelia, der Casa Iunia.
    Er schaute kurz wieder hinunter an den Tiber:
    Was führt einen solch ehrenhaften Soldaten, wie einen Centurio zu einer solch friedlichen Gegend?

    Als Rambosius den Namen hörte, dachte er sich schon, er müsse sich jetzt verneigen oder ein Salve Centurio, morituri te salutant sagen, aber er sagte:
    Ich bin Rambosius, Sohn von Bernulf aus Germanien, genauer aus Brigantium! Ihr seid Centurio - das ist mir eine Ehre. Ich habe gehört, ihr seid sehr gute römische Kämpfer!
    Rambosius lächelte etwas, als er hörte, ob er Gladiator war, aber er fand es nicht so fehl am Platz und antwortete darauf:
    Gladiator? Nein, aber ich hätte sicher das Zeug dazu.
    Ich bin.....wie soll ich das sagen......Jetzt bin ich gar nichts mehr, früher war ich so etwas, wie man es hier als Attentäter oder Meuchelmörder bezeichnet im Dienste vieler germanischer Fürsten und Druiden!

    Rambosius war erstaunt. Dieser Titus Duccius Vala war wirklich allzu sehr beschäftigt!
    Der Mann, der hier rief, gefiel ihm irgendwie. Die Laute, die er bekannt gab, hatten etwas motivierendes, fand er.
    Er schnappte sich noch eine Pyrus communis, die satt goldgelb gereift war und ging weiter des Weges, immer noch die Stimme des Schreihalses zu vernehmen.

    Ganz in sich vertieft antwortete er, ohne zu wissen, woher die Stimme kam:
    Das mag wohl so sein.... als er da bemerkte, dass ihn wirklich jemand angesprochen hatte. Er suchte die Stimme und fand sie bei einem Mann in Rüstung gekleidet und seinem Gladius, der vor ihm stand.
    Einige Sekunden lang dachte Rambosius, er hätte etwas verbrochen und war ein wenig angespannt. Aber seine Spannung legte sich, in dem er nochmals seiner Worte gedachte. Rambosius sah den Soldaten an und schmunzelte etwas:
    Wär ich noch da draußen vor einigen Wochen am Fuße des Apennin gestanden, hätt ich dir geantwortet: Wer Schmerzen aushält, hält auch seinen Gegner in Schach!
    Aber heute sag ich dir, du hast vermutlich recht! Besser man kämpft, aber mit Bedacht und Reserven!
    Er musterte den Soldaten und fragte ihn:
    Mit wem habe ich die Freude? Bist du auch hier hinaus gekommen, um die frische Brise des Tiber zu genießen?

    Rambosius kam sich etwas komisch vor, da er das nicht wusste, aber er war ja mehr im Gebüsch unterwegs die letzten Jahre und hatte keine Ahnung von Ereignissen im römischen Reich.
    Doch diese Tat dieses Mannes ging im an Herz und er dachte sich: "Tu quoque filie me! In dem Fall gibt es doch noch Menschen, in diesem Reich, die für das Gute ihre Hand ins Feuer legen!"
    Er musste jetzt auch lauter werden, weil der Mann seine Lautstärke auch aufdrehte: Ein wahrer Held, dieser Titus Duccius Vala! Ich würde ihm gerne persönlich meine Glückwünsche überreichen! Und kostete die Johannesbrotbaumfrüchte!

    Ein Lächeln breitet sich auf Rambosius' Mund aus. Er griff großzügig nach dem Gemüse und dem Obst. Herrlich, dachte er sich - so viele frischen Obst- und Gemüsesorten. Und Alkohol gab es auch noch gratis. Sein Lieblingsgetränk war zwar Cervisia cum aqua, heute auch als saurer Radler bekannt, doch gegen einen süffigen Wein hatte er ausnahmsweise auch nichts dagegen.
    Eine rot-orange Marille ließ er sich gleich als erstes schmecken, angeschlossen von einer süßen Honigmelone. Danach ein Happen Brot, um den Saft in seinem Mund etwas aufzusaugen. Beim Gemüse machte er sich an Mangold heran, der ihn taugrün anlächelte, gefolgt von reifen Gurken und knallgelben Rüben.
    Der Wein durfte dabei nicht fehlen.
    Zum Mann, der da schrie sagte er aber:
    Dieser Titus Duccius Vala ist ein guter Mann! Ich hab zwar keinen Patron und auch keine Freunde, aber ich werd's jedem erzählen, dem ich begegne!
    Und lächelte ein wenig als er das sagte!

    Einige Leute sah man nun, die auch auf dem Weg entlang des Tiber waren, sogar einige ganz Hitzige, die sich wagten, in dem, noch kühlen, Fluss zu baden. Er wollte hier eigentlich nicht allein sein, aber er war es nun mal! Viele vertraute Gesichter kannte er ja noch nicht!
    Und doch war er vergnügt. Er näherte sich dem Tiber und streckte die Hand in den kühlen Fluss hinein, spürte die Strömung und wie sie versuchte seine Hand mitzureißen. Doch Rambosius steuerte dagegen und sagte sich vor:
    Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Etwas nachdenklich, doch dann fest entschlossen, etwas neues zu probieren, sagte er:
    Mein Großvater hatte immer schon recht. Ich lass mich nicht unterkriegen, denn solange ich noch Kraft habe, schwimme ich gegen den Strom, egal wie stark er ist!
    Er stand auf und ging!

    Rambosius war, wie sollte es auch anders sein, in den Straßen Roms unterwegs. Ganz in sich gekehrt, drang irgendwann ein Schallwelle, kaum vernehmen, über Hammer, Ambos, Steigbügel in seine Gehörschnecke. Als dort das Wasser zu vibrieren anfing und die Sinneshärchen reizte, erwachte er plötzlich aus seinen Gedanken.
    War das nicht eine rufenden Stimme irgendwo in der Nähe?
    Er folgte dem Geschrei und sah auch andere Leute der Stimme folgen. Nun da er näher gekommen war, verstand er auch die Worte!
    Ging es da um Essen?, dachte er sich. Und wenn es irgendwo etwas gratis zum essen gab, war Rambosius sofort mit von der Partie.
    Zwar wusste er, da er nicht Bürger dieser Stadt war, dass er nicht mitwählen konnte, aber vielleicht durfte er ja mitessen! Mhmmmm! :P
    Er ging zu dem Mann hin, der vor ihm wieder so laut schrie, das es einem fast das Trommelfell aus dem Ohr riss und fragte ihm höflichst:
    Exscusare! Darf ich mir hier auch was zum essen nehmen, auch wenn ich dich nicht wählen kann?

    Da kam ihm ein alter Spruch: "Nur tote Fisch schwimmen mit dem Strom!"
    War er schon tot? Es kam ihm eben so vor, als schwämme er mit dem Strom, als würde er von oben herab geleitet, was er als Hindernis, Störung empfand. Jedoch war er immer ein Mensch, der gegen den Strom schwimmen konnte, egal wie stark die Strömung gewesen war.
    Er erinnerte sich an eine Situation vor vielen Jahren, als er noch ein kleiner Bub war:
    Sein Großvater, im alemannisch-germanischen auch Däta genannt, nahm ihn eines Tages wieder zum Fischen mit. Es war bewölkt und man erwartete jeder Zeit einen Wolkenzusammenbruch, aber es blieb warm und schwül. Der laue Ostwind strich einem ins Gesicht und alle Ängste und Sorgen, die man hatte, waren im Nu vergessen.
    Sein Großvater legte eine Schnur aus geflochtenem Pflanzensklerenchym ins Wasser. Vorne an der Schnur hatte er einen Kupferhaken befestigt. Bevor er die Schnur ins Wasser geworfen hatte, suchte er am frischen Grasboden nach etwas - es war eine recht geschmeidige Assel, die er zwischen seine Finger klemmte und an den Kupferhaken steckte.
    Die Schnur mit der Assel dran glitt nun im Strom des Flusses hin und her, und er musste sie immer wieder zu sich herziehen, damit sie nicht ganz fortgetrieben wurde und auf dem gleichen Platz blieb. Das Wasser war zwar klar, sodass man jeden vorbeischwimmenden Fisch gleich hätte sehen können, doch dennoch musste man ruhig warten, ob überhaupt einer vorbeischwomm - und dann war es immer noch nicht sicher, ob er an den Köder anbiss.
    <Nun heißt es warten, mein Kleiner! So wie das Mahlen des Müller's Lust ist, ist das Warten des Fischer's Lust, könnte man sagen!>, und lächelte dabei etwas in sich hinein.
    <Wenn du willst, darfst du die Schnur auch mal halten, abe ruhig. Und halte sie gut fest, wenn du aus Versehen los lässt, schwimmt sie mit dem Strom und unser Fisch vielleicht gleich mit!>
    Wie wenn er nie etwas anderes in seinem Leben gemacht hätte, außer Fischen, hielt er dann die Schnur so fest er konnte. Rambosius starrte ins Wasser mit ruhigem Blick. Er war ganz in das Wasser vertieft und gebannt auf die eine Situation, in der ein Fisch anbeißen würde.
    Fast ganze zwanzig Minuten verharrte er so, als er zwischen seinen Fingern, die die Schnur festhielten, einen leichten Widerstand spürte. Doch weiterhin tat er so, als wäre nichts geschehen und blieb weiterhin still sitzen.
    Als plötzlich ein Ruck an dem Faden zu spüren war, fixierte er seinen Blick ins Wasser und sah eine dicke Forelle am Haken um die Assel kämpfend. Reflexartig zog er den Faden aus dem Wasser und katapultierte den Fisch durch die Luft bis er auf den grasigen Boden fiel.
    Rambosius strahlte seinen Großvater an, wie ein Held, der eine Stadt allein erobert hätte. Sein Großvater war entzückt über die fischerische Gabe seines Enkels und sprach darauf hin:
    <Oh ja, eine große Forelle hast du da am Haken. Ein prächtiger Fisch. Sehr gut gemacht, Rambosius, ich bin stolz auf dich. Ich hole noch schnell meinen Holzknüppel, damit der Fisch nicht mehr länger leiden muss. Warte hier auf mich, ja?!>
    Rambosius wusste, was jetzt kam. Großvater holte nämlich den Holzknüppel um den Fisch tot zu hauen. Und Rambosius dachte sich, bis Großvater wieder da ist, hatte der Fisch schon einen elenden Todeskampf hinter sich. Rambosius sah dem Fisch in die Augen und bemerkte, wie seine Kiemen hastig auf und zu gingen, um am leben zu bleiben. Er ballte seine Faust, spannte seine Oberarme an und fixierte den Kopf des Fisches an, dabei dachte er sich: Du musst nicht mehr länger leiden! Darauf preschte er mit seiner Faust hart gegen den Kopf des Fisch und noch ein zweites Mal mit voller Wucht. Der Fisch war tot, nichts regte sich, nichts bewegte sich mehr.
    Als der Großvater mit dem Knüppel kam und dem Fisch eins überziehen wollte, merkte er, dass der Fisch schon tot war.
    Rambosius bemerkte: Däta, ich hab den Fisch ganz allein umgebracht mit meinen bloßen Händen, das geht viel schneller, finde ich!
    Dem Großvater blieb ein Grinser im Gesicht stehen, er sagte: <Du hast wirklich Kraft, mein Junge. Ich glaube, du könntest Fische auch mit deinen bloßen Händen fangen!>


    Rambosius erwachte plötzlich aus seine Gedanken!

    Anscheinend nutzte das Warten auch nichts mehr. Eigentlich müsste er es jetzt schon gewohnt sein. Sein Name war nicht römisch, eine Tunika hatte schon fast jeder an, auch jeder Fremder und Sklave.
    Er brauchte vielleicht doch diese teure Toga, wie sie ihm in der Schneiderei vorgestellt wurde. Er lehnte den Kopf etwas an die Tür und blickte in die Sonne hinauf. Er griff in die Gegend, wo mal sein Messer saß, doch es war nicht hier! Sooft hatte er dort nach seinem Messer gegriffen und es hatte ihm sein Überleben gewährleistet!

    Irgendwie hatte Rambosius das Gefühl, als ob das den Männern egal war, was hier in der Seitengasse gerade passierte. Zu übersehen war er ja nicht, dachte sich Rambosius.
    Er ging in Richtung der Seitengasse und wartete, ob wohl einer der Männer ihm helfen würde, aber die standen nur da und unterhielten sich, als wär das Gang und Gebe!
    Er sah sich das Geplänkel etwas genauer an. Offensichtlich wollten die zwei Typen irgendwas von dem Mann in der Gasse. Vielleicht sollte er doch nicht einschreiten und nicht den Helden spielen, dachte er sich.
    Er musste ja nichts beweisen, er war hier ja sicher. Keiner kannte ihn und keiner wusste von seiner Vergangenheit.
    Aber instinktiv erwartete er etwas Aufklärung, weil im das ungeheuer vorkam!