Priscus ging an der Quadriga vorbei, die vor dem Tempel des Mars Ultor stand und Augustus darstellte. Tief beeindruckt ging er die Stufen hinauf, langsam und andächtig. Als er die letzte Stufe erklommen hatte, atmete er einen Moment durch und ließ den Lederbeutel von der Schulter gleiten. Ein Mann kam ihm entgegen, der scheinbar erleichtert aus dem dunklen Inneren kam. Vielleicht hatte Mars sein Gebet ja bereits erhört.
Als Priscus über die Schwelle trat und sich seine Augen an das halbdunkel gewöhnt hatten, legte er seinen Beutel neben das Wasserbecken, das gleich am Eingang stand. Mit bewussten Bewegungen tauchte er seine Hände ein das Becken und wusch seine Hände und Arme, nicht nur, um etwaigen Schmutz abzuwaschen, sondern auch, um sich symbolisch zu reinigen. Dann richtete er seine Toga, zupfte noch eine Falte gerade und bedeckte mit einem Zipfel sein Haupt. Aus dem Beutel nahm er eine kleine Amphore und ein leinenes Bündel. Dann drehte er sich der Statue zu, die man im Schein der Öllampen und Kerzen am Ende des Raumes sehen konnte. Entlang des kurzen Weges, den er ging, standen die Statuen der unsterblich gewordenen Feldherren, erbeutete Waffen und andere Dinge, denen Priscus jedoch keine große Achtung schenkte. Sein Blick war auf die große Statue gerichtet, die Mars Ultor darstellte.
Vor dem Altar machte Priscus halt. Er streckte die Hände in Richtung des Himmels, die Händflächen nach oben. Einen Moment lang besann er sich, suchte nach den richtigen Worten, um seiner Bitte Ausdruck zu verleihen. Der Wichtigkeit des Anlasses gemäß hatte er sich das Wesentliche schon zurechtgelegt. Mit kräftiger Stimme begann er. „Mars Pater, großer Krieger, Beschützer des Herdes und der Soldaten, unbezwingbarer Schlachtenlenker. Ich bin Titus Iunius Priscus, ich bin heute gekommen, um dir meine Gaben zu bringen und deinen Segen zu erbitten. In wenigen Tagen werde ich mich in einer deiner Legionen zum Dienst melden, auf dass meine Pflichterfüllung dir zum Gefallen gereiche.“ Mit diesen Worten streute er etwas Weihrauch, den er ebenfalls noch mitgebracht hatte, auf das Kohlebecken. Sogleich erfüllte der Wohlgeruch das Innere des Tempels und stieg zur Statue hinauf. „Nimm diesen Weihrauch als meine Gabe an, stärke dafür meinen Körper, damit meine Feinde nie über mich triumphieren mögen.“
Dann nahm er die kleine Amphore mit dem teuersten Wein, den er sich hatte leisten können, goss ihn in eine flache Patera und hielt diese in der Hand. „Nimm diesen Wein, ich opfere ihn dir als Gabe, möge er dir als Ersatz für mein Blut gereichen, bewahre mich vor Verletzung und Tod.“ Mit diesen Worten goss er langsam den roten Wein in die Vertiefung des Altars und sah zu, wie die Flüssigkeit leise gluckernd abfloss. Der Gott hatte die Gabe angenommen, wenn auch nur symbolisch.
Wieder blickte Priscus zur Statue. „Mars Pater, nimm diesen Kuchen von mir an, gib meinem Geist dafür die Nahrung, um nicht zu verzagen und jede Anstrengung und Entbehrung mit Vertrauen an dich zu ertragen. Lass Mut und Stärke meine Begleiter sein, wenn ich dem Adler folge!!“ Mit spitzen Fingern zog er die Zipfel des Bündels auseinander und legte die Stücke des süßen Kuchens vorsichtig in eine der dafür vorgesehenen Schalen. Zum Schluss legte er noch eine Handvoll Münzen dazu und richtete seinen Blick auf das Abbild des Gottes.
„Diese Münzen nun nimm für deinen Segen, den du mir zuteil werden mögest, schenke mir Kraft und Gesundheit für die nächsten zwanzig Jahre meines Dienstes. Nimm diese meine Gaben, die ich gerne gebe, mit Wohlwollen an. Ich gelobe, die Waffen meines ersten Feindes, den ich erschlage, dir zum Geschenk zu machen und dir am Ende meiner Dienstzeit einen Stier zu opfern, wie es sich geziemt.“
Damit war das Gebet beendet, Priscus drehte sich nach rechts und trat vom Standbild des Gottes zurück. Er hoffte, dass er nichts vergessen hatte und der Gott sein Gebet erhörte. Als er das Innere verließ, spürte er sich merklich erleichtert. Nun konnte er sich auf den Weg nach Mantua machen.