Es war wieder einer dieser vermaledeiten Tage des Wartens, die den Fabier von Zeit zu Zeit immer öfter in den Wahnsinn trieben. Weder hatte er eine Antwort von seinem Patron erhalten, noch wusste er welch durchaus förderliches Schauspiel sich hinter den Kulissen abspielte. Cnaeus hatte nicht nur das Gefühl, dass er nicht vorankam, sondern wurde darin auch regelmäßig bestätigt. Jede Handlung seinerseits war abhängig von der Reaktion eines Anderen, sodass er in Ketten gebunden war. Vor Monaten hatte er noch kein Problem damit, in den Tag hineinzuleben und seinen spärlichen Aufgaben im Hause Fabia nachzugehen, doch das hatte sich geändert. Nun, da sein Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit zum Vorschein gekommen waren, setzte jede Minute des Nichtstuns seiner ohnehin gereizten Stimmung zu. Aufgrund der Leere, die in der Casa Fabia die meiste Zeit über herrschte, konnte er auch keinen angemessenen Ausgleich finden. Selbst die Spielereien im Schlafzimmer, die den Fabier zuweilen beschäftigt hatten, verloren allmählich an Reiz. Immerhin konnte er sich nichts neues leisten! Die finanzielle Situation seinerseits war wirklich erbärmlich, was Cnaeus nicht zuletzt an seinem verschollenen Vater festmachte. Seit Monaten hatte er nichts mehr von ihm gehört, weshalb er auch keinerlei Unterstützung von ihm zu erwarten hatte. Die geldlichen Mittel, die ihm zu einer Erhebung in den Ritterstand fehlten, würde er vielleicht notfalls noch auf Leihbasis zusammenkratzen können. Jedoch war von einer Erhebung aktuell noch keine Rede! Stattdessen musste er sich nun für eine Stelle als Primicerius bei der Kanzlei anbiedern, die von seinem Patron abhängig war. Cnaeus' Situation war wirklich alles andere als rosig und er fragte sich, was er nun überhaupt noch selbstständig tun konnte.
Sein Gedankengang im Atrium wurde abrupt unterbrochen, als Lasthenes erschien. Das letzte Mal, dass der Sklave eine derart aussdrucksstarke Mimik zeigte, war mit dem Tod des Kaisers und der Überbringung der Nachricht verbunden. Cnaeus blickte etwas skeptisch drein und war äußerst gespannt, welche Nachricht den Sklaven nun in offensichtlich positiver Weise berührte. "Mein Herr, ich überbringe dir eine äußerst erfreuliche Nachricht! Deine Frau, Lucilia Calvia, ist hier in Rom! Sie wird in wenigen Minuten in der Casa eintreffen!" Bei dieser Nachricht entglitten dem Fabier beinahe die Gesichtszüge. Hörte er da richtig? Seine Frau war hier? Hier in Rom? Das war das letzte, was sich Cnaeus in dieser Situation wünschte. Ebenso schleierhaft war ihm, warum Lasthenes diese Überraschung so erheiternd fand. Calvia war eine launische, anhängliche Furie! Wenn sie Helene von Troja gewesen wäre, hätte Cnaeus ja darüber hinwegsehen können. Das war sie jedoch nicht! Stattdessen war sie eine bürgerliche Durchschnittsfrau, die weder über große Intelligenz, noch über besondere Attraktivität verfügte. Als einfacher Plebejer, der vor Jahren noch nichts vorzuweisen hatte, musste der Fabier jedoch nehmen, was er konnte. Lucilia Calvia stammte aus ritterlichem Hause und war etwas besser betucht als Cnaeus, sodass er wenigstens einen kleinen Vorteil daraus hatte schlagen können. Abgesehen davon hing sie sehr an ihrem Vater, sodass Cnaeus sich die meiste Zeit nicht mit ihr herumschlagen musste. Vor etwa einem Jahr hatte der Fabier seine Frau das letzte Mal besucht, da sie die letzten Monate - glücklicherweise - im Hause ihres Vaters in der Nähe von Cremona verbracht hatte. "Aha", entgegnete Cnaeus unbeeindruckt. Er wusste nicht so recht, wie er nun reagieren sollte. Aus dem Haus zu flüchten war sicherlich keine Alternative, da sie ohnehin warten würde, bis er zurückkam. Also musste er sich ihr stellen, hier und jetzt. Der Fabier nahm noch einen tiefen Schluck Wein und erhob sich dann von seiner Cline - wenn er sich nicht ewigen Fragereien seiner Frau aussetzen wollte, musste er zumindest so tun, als wäre alles in Ordnung. "Lasthenes, räum den Wein noch weg", befahl er seinem Sklaven, ehe er sich in seine Räumlichkeiten zurückzog und eine frische Tunika überzog. Die Flecken auf der Alten machten sich nicht so gut!
Wenige Minuten später positionierte sich Cnaeus am Eingang der Casa, um Calvia zu empfangen. Er setzte sich ein höfliches und zufriedenes Lächeln auf und verschränkte seine Arme hinter dem Rücken, als wäre er erwartungsvoll und erfreut über den Besuch. Dann stand sie auf einmal vor ihm und er musste sich zügeln, seine Haltung nicht instinktiv zu verändern. Weiterhin spielte er den zufriedenen Ehemann und grüßte seine Frau mit einem Handkuss. "Es freut mich außerordentlich, dich wiederzusehen, Calvia!" Die Intonation der Worte legte zwar offen, dass dem nicht so war, doch das würde seiner Frau sicher nicht auffallen. "Ich habe dich so vermisst, Cnaeus!", grüßte Calvia enthusiastisch zurück, was bei ihrer Art implizierte, dass sie es ehrlich meinte. Cnaeus nickte etwas unbeholfen und wollte seine Frau gerade in die Casa hineinführen, als ein Sklave hinter Calvia ein Kind auf den Händen trug. "Was macht dieses Balg hier?", hinterfragte der Fabier, wobei er seine gespielt-freudige Mimik nicht mehr beibehalten konnte. Hatte Calvias Vater Lucilius schon wieder ein Kind mit einer seiner Huren gezeugt? "Das...das ist dein Sohn, Cnaeus!", offenbarte Calvia ebenso freudig wie zuvor und blickte drein, als wäre es die schönste Überraschung der Welt. "Mein Sohn?" Dass Calvias Leib Kinder zeugen konnte, war tatsächlich eine Überraschung. Cnaeus hatte erwartet, er müsse irgendwann ein Kind adoptieren, um seine Linie zu erhalten. "Titus Fabius Torquatus...ich weiß ja, wie eigen du bist", scherzte Calvia, was bei Cnaeus allerdings nicht sonderlich gut ankam. Alles andere hätte er als Namen auch nicht akzeptiert, immerhin musste er das Balg auch offiziell anerkennen!
Nachdem der erste Schreck verflogen war, führte Cnaeus seine Frau, ihre Begleiter und das Kind in die Casa hinein. Um sich nicht unangenehmen Fragen stellen zu müssen, beschäftigte sich Cnaeus weiterhin mit dem Kind und nahm es letztendlich auch in den Arm. Er hoffte nur, dass Titus nach ihm kam!