Beiträge von Cnaeus Fabius Torquatus

    Dicht an meinem persönlichen Häppchenträger stehend verfolgte ich gespannt die Ankündigung des Kaisers bezüglich seiner großen Rede vor dem Senat. Sicher war es von Vorteil, wenn ich einige persönliche Anliegen oder Anliegen meiner Freunde in diese einbrachte - für den Moment wollte ich mich aber nicht damit beschäftigen, sondern ergötzte mich weiter am vollmundigen Wein und bediente mich gierig an den deliziösen Häppchen. Sodann begegnete mir aber der Blick des Princeps, der mich wie ein Wachhund aufschauen ließ. Ich legte ein angebissenes Häppchen zurück auf das Tablett des Sklaventrägers und wandte mich umgehend zum Aquilier.

    »Mein Kaiser.«

    Ich blickte etwas verblüfft drein, als der mir Unbekannte aber doch Geläufige meine Beförderung als Trinkanlass offenbarte. Um meine Beförderung zum a libellis, die ich so ersehnte, konnte es sich wohl kaum handeln, denn die würde mir sicher der Kaiser höchstselbst vortragen. Es musste sich also um einen Weggenossen aus alten Tagen handeln.

    »Die Classis...ja, das ist lange her.«

    Ich nahm einen Becher entgegen und grübelte ob der Identität des großzügigen Spenders. Offensichtlich war er ein Rückkehrer, denn wäre er die letzten Jahre bei der Administratio beschäftigt gewesen, hätte ich ihn bereits gründlich unter die Lupe genommen.

    »Sag mir, wie war noch gleich dein Name?«

    Bevor ich ihn in involvierte, wollte ich mir natürlich ein Bild über die Hintergründe dieses Überraschungsbesuches machen. Die Administratio war wie eine Schlangengrube und man konnte nie wissen, welche der Nattern giftig war. Zumindest war sie dies nach meiner Auffassung.

    Mir war es vor allem ein Anliegen gewesen, Senator Flavius Gracchus in den Kreis des Consiliums aufzunehmen, um meine neuerliche Verbindung zu stärken. Freilich gab es für sein Beisein schon seiner Stellung im Cultus Deorum wegen reichlich Gründe - dennoch, hätte ich mein Angebot zurückziehen müssen, wäre ich wohl außerordentlich dumm vor ihm dagestanden. Umso zufriedener erstrahlte ich, als der Kaiser mir eine ausgezeichnete Auswahl attestierte und auch von jeglichen Rückfragen zum Personenkreis absah.

    »Das werde ich«

    Als ich den Gast vor meiner Tür hereinbat, erwartete ich eher den tüchtigen Furius Saturninus mit neuen Informationen, erblickte dann aber einen älteren - oder anscheinsgemäß älteren - Herren. Ich blickte kurz etwas irritiert drein, denn der Mann kam mir bekannt vor. Im Gegensatz zu Namen, konnte ich mir Gesichter nämlich gut merken. Sodann fiel mein Blick unwillkürlich auf die Karaffe und ich versuchte dies alles gedanklich zusammenzubringen.

    »Salve. Gibt es einen Grund zu feiern?«

    Anlass zum Trinken gab es in meinen Augen ja eigentlich immer.

    Ich quittierte unser offensichtliches Einvernehmen in der Frage der Lösungsfindung mit einem zustimmenden Nicken und leerte sodann meinen Weinkelch, da sich das Gespräch meinem Empfinden nach allmählich dem Ende zuneigte. Natürlich gebaren es Anstand und Höflichkeit, dass der Hausherr und Senator dies bestimmte und dem fügte ich mich entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten gegenüber einem Flavius Gracchus auch bereitwillig. Gleichwohl ließ ich offenkundig werden, dass es von meiner Seite für heute nichts mehr zu besprechen gab, indem ich nichts mehr Neues hervorbrachte.

    »Ich werde dich über dieses Treffen in Kenntnis setzen, sobald es spruchreif ist.«

    Einige Tage später griff ich bei einer der morgendlichen Besprechungen die informellen Sitzungen wieder auf, mit deren Organisation mich der Kaiser beauftragt hatte. "Ich habe eine Liste potentieller Teilnehmer für eine Sitzung zur Kriminalität in den Straßen Roms zusammengestellt", begann ich und reichte dem Kaiser eine Tabula. Bevor ich zu den einzelnen Männern Stellung nahm, gab ich ihm aber einen kurzen Moment, um die Liste zu studieren. "Consilium Principis natürlich unter Vorbehalt. Womöglich wäre auch eine dezentere Bezeichnung angemessen, wenn die Zusammenkunft informellerer Natur sein soll."



    Consilium Principis zur Kriminalität in den Straßen Roms


    Teilnehmer:

    1. Gaius Octavius Victor, Praefectus Urbi, sowie Lucius Petronius Crispus, Tribunus Cohortis Urbanae, als Vertreter der Cohortes Urbanae.
    2. Caius Heius Vibulanus, Praefectus Praetorio, sowie Faustus Decimus Serapio, Tribunus Cohortis Praetoriae, als Vertreter der Cohortes Praetoriae.
    3. Iullus Curtilius Victor, Consul, sowie Quintus Ninnius Hasta, Consul, sowie Caius Siculus Publicola*, Tribunus Plebis, sowie Marcus Iulius Dives, Senator, als Vertreter des Senats und Volkes.
    4. Manius Flavius Gracchus, Senator und Pontifex, als Vertreter des Senats und des Cultus Deorum.



    Sim-Off:

    *Erfunden, da bisher kein NSC im Tabularium eingetragen.

    Gekleidet in einer schneeweißen Toga und mit einem dekadenten Grinsen auf meinen Lippen betrat ich die Aula Regia und stolzierte sodann über die Bühne, die ich als die meinige betrachtete. Hinter der Fassade verbarg sich allerdings mein wachsamer Blick, dem nichts entging. So erspähte ich zunächst den greisen Axier, den ich in der Öffentlichkeit natürlich mit einer angemessenen Begrüßung belegte, insgeheim aber am Liebsten zum Opfer eines Giftanschlags gemacht hätte. Leider schien mir dies aus zweierlei Gründen ineffizient: Zum einen verdiente der alte Narr nicht die Aufmerksamkeit, die ein qualvolles Ersticken in diesen heiligen Hallen ihm womöglich gewährte; zum anderen fiele der Verdacht eher früher als später auf mich, da ich nicht nur seit geraumer Zeit an seinem Stuhl rüttelte, sondern gar dem Kaiser meinen Nachfolgewunsch offengelegt hatte. Bedauerlicherweise musste ich mich also gedulden, bis der Axier auf natürlichem Wege aus seinem Dienst schied, obgleich die bloße Vorstellung eines Exitus Interruptus mir großes Wohlgefallen bereitete. Sodann trat ich an den pedantischen Cornelius Lentulus heran, dessen Absichten mir ob seiner recht kurzen Amtszeit gänzlich unbekannt waren, in die mir aber hoffentlich der umtriebige Furius Saturninus alsbald Einblick gewähren würde. Eben jenen entdeckte ich ebenso unter den Anwesenden, hielt es aber für zielführender, unsere nebulöse Verbindung vorerst bedeckt zu halten. In der Mitte des Raumes trat ich dann zielstrebig zum Kaiser, um ihn gebührend zu begrüßen. Er war immerhin der einzige Mann im Raum, dem ich mich auch sichtbar unterordnete. Nach dieser Begrüßung ließ ich mir Wein reichen und vergriff mich gierig an den Häppchen, während ich mich etwas abseits postierte. Glücklicherweise war ich als Procurator nicht mehr derjenige, der den Kaiser mit blumigen Worten umschmeicheln musste, um wenigstens für eine Sekunde sein Gehör zu bekommen, sondern derjenige, der die Bittsteller und Speichellecker zu sich kommen ließ!

    Ich nahm die Einschätzung des Furiers zur Kenntnis und verstand sehr wohl seinen Wunsch nach Aufklärung, den er geschickt aber dennoch für mich lesbar in seinen Worten zum Ausdruck brachte. Für den Moment entschied ich aber, meine Pläne und Gedanken für mich zu behalten - vorerst. Wenn der Knabe sich als nützlich und loyal erweisen würde, würde ich ihn bei Gelegenheit auch in diese einweihen. Noch aber war ich mir selbst über mein Vorgehen unschlüssig, sodass ich mich für die Informationen bedankte und den Informanten erst einmal wieder gehen ließ, ihn aber gleichsam anmahnte, mir weiterhin über jegliche Erkennt- und Vorkommnisse Bericht zu erstatten.


    Sim-Off:

    Ich beende das hier - leider - aufgrund des (vorübergehenden) Ausscheidens der betroffenen Mitspieler. Vielleicht können wir das zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufgreifen.

    Auch ich war im Officium Imperatoris eingetroffen und hatte zunächst den Kaiser und dann den Praefectus Praetorio, mit dem ich zuvor noch keine Berührungspunkte hatte, gebührend begrüßt. Ob und wann ich meine neuerlichen Erkenntnisse einbrachte, wollte ich vom Gesprächsverlauf abhängig machen. In jedem Fall war ich doch etwas verwundert, dass der Kaiser dieser Beerdigung ein offenkundig hohes Interesse entgegenbrachte.

    "Interessant", entgegnete ich, mir dabei nachdenklich über das Kinn streichelnd. "Interessant", wiederholte ich, einen Moment in Gedanken verweilend, bevor ich meinen Blick wieder zum Furier richtete. "Drei Tiberii also." Von diesem Ahala Tiberianus hatte ich schon einmal gehört. War er nicht der Adoptivsohn des berühmten Senators Durus, der sich in eine Klinge gestürzt hatte? Gleichwohl bezweifelte ich, dass er sich tatsächlich noch in Rom aufhielt, wenn ich ihn nicht in der Villa Tiberia angetroffen und auch Stella mir nichts über ihn berichtet hatte. Mein Augenmerk lag vielmehr auf Coriolanus, der also tatsächlich kein Hirngespinst des verwirrten Mädchens, sondern nur am Rande der zivilisierten Welt stationiert war. "Tiberius Coriolanus. Ein Patrizier, der an der Grenze als einfacher Soldat dient und augenscheinlich einer besonderen...Aufmerksamkeit unterliegt. Was sagt uns das?", fragte ich nun in Richtung meines furischen Handlangers, ohne selbst eine eindeutige Erkenntnis daraus ziehen zu können. Aber vielleicht konnte ja der wache Geist eines Unverfangenen etwas fruchtvolles beitragen.

    "Ausgezeichnet. Natürlich, mein Kaiser", entgegnete ich zufrieden grinsend. Obgleich Titus' Erhebung nun nicht mehr in meinen Händen lag, genügte mir diese Zusicherung allemal. Letztlich musste er auch den Weg in den Senat, den ich für ihn auserkoren hatte, alleine gehen und da war das Tirocinium bei meinem neuen flavischen Bekannten nur eine erste Bewährungsprobe. Wenn er diese Hürde nicht nahm, war er für meine Ambitionen ohnehin gänzlich ungeeignet. Mit einer Handbewegung deutete ich Titus, sich nun vom Kaiser zu verabschieden. Es galt noch das Tagesgeschäft zu besprechen und dabei verbat sich natürlich die Anwesenheit jedes Zivilisten, auch wenn es sich um meinen Sohn handelte. Sobald ich also mit dem Kaiser in trauter Zweisamkeit war, würde die Besprechung ihren üblichen Verlauf nehmen.

    "Die Administratio wird sich um einen Termin kümmern und ihn dir mitteilen", meinte ich beiläufig. Natürlich würde sich der Kaiser nicht höchstselbst mit diesen Nichtigkeiten befassen, wie die Tiberia offensichtlich annahm, jedoch war ich es leid das Mädchen zu belehren. Ich hatte mich bereits lange genug mit ihr beschäftigt und nun, da ich keinen Nutzen mehr darin sah, meine kostbare Zeit für sie aufzuwenden, auch bereit dieses einsame Nest hinter mir zu lassen. Als meine Gedanken sich bereits gen Ausgang richteten, nahm das Gespräch aber eine neuerliche, unvorhergesehene Wendung. Nun berichtete sie mir über einen Bruder, der genauso wie ihr Vater als verschollen galt. Die Inkongruenz der Aussagen der Tiberia bereitete mir allmählich Kopfschmerzen - nicht, weil ich um sie besorgt war, sondern vielmehr, weil sie mir mit ihrem wirren Gerede die Zeit raubte. Zuerst war da die Villa, die sie abtragen und nun wieder herstellen wollte. Und jetzt erzählte sie mir von einem verschollenen Bruder? "Aha", entgegnete ich in skeptischen Tonfall und suchte in ihren Augen angestrengt nach einer Antwort auf die einzige Frage, die mir noch ungeklärt schien: Hatte sich womöglich die Saat der geistigen Verwirrung in diesem Mädchen breit gemacht? Nach all den Widersprüchen konnte ich ihren Worten kaum vollends Glauben schenken. Dennoch, wenn dieser Bruder tatsächlich existierte, konnte ich ihn womöglich aufspüren. Nicht, um die Tiberia zu beglücken, denn von ihr hatte ich nichts zu erwarten, außer schwülstige Worte. Vielleicht aber war der Tiberius als vermeintlich einziger Sohn des Hauses daran interessiert zu erfahren, was seine Schwester hier in Rom trieb. Recht eng konnte das Verhältnis der beiden ja nicht sein, wenn er, so er denn lebte und tatsächlich existierte, nicht um ihr Wohl besorgt war. Vor Stella wollte ich meine Absichten aber nicht preisgeben, deshalb warf ich ihr einen abschätzigen Blick zu und winkte mit einer Handgeste ab. "Was schert mich dein verschollener Bruder?" Vielleicht mehr als sie denken würde. Aber das war mein Geheimnis. "Wenn du nichts von ihm gehört hast, ist er wohl tot", verlieh ich meiner gespielten Gleichgültigkeit nochmals Nachdruck, obwohl ich vor meinem geistigen Auge bereits die Möglichkeiten einer Verwertung dieser Information für mich auslotete. "Carpinatius, wir gehen", informierte ich meinen Schreiberling und wandte mich dann nur noch kurz zur Tiberia und auch nicht mehr mit jenem höfischen Anstand, den ich sonst allen anderen Damen von solch hoher Geburt und Abstammung entgegenbrachte. "Vale, Tiberia", verabschiedete ich mich und verließ die Villa genauso zielstrebig wie ich eingetreten war.

    "Salve Furius", grüßte ich den Furier, als er wie angekündigt zwei Tage später wieder in meinem Officium aufkreuzte und - hoffentlich - bereit war Ergebnisse zu präsentieren. Mit einer Handbewegung bot ich ihm einen Sitzplatz an und wartete gespannt auf seine Erkenntnisse.

    Ich war durchaus überrascht ob der Redegewandtheit und der Besonnenheit, die mein Jüngling im Dialog mit dem Kaiser an den Tag gelegt hatte. Viel wichtiger war aber, dass er damit offensichtlich auch den Princeps zufrieden gestimmt hatte. Kurzzeitig hatte ich mich darüber gegrämt, dass der Kaiser mein Urteil im Hinblick auf Minors Fähigkeiten in Zweifel gezogen und einer eigenhändigen Prüfung unterzogen hatte - was ich natürlich hinter einem verschmitzten Grinsen verbarg - jedoch war ich mit dem Ausgang mehr als zufrieden. Das Fortkommen meines Erbes war sogar mir wichtiger als persönliche Befindlichkeiten. "So ist es", griff ich wieder in das Gespräch ein, als der Kaiser noch einmal den Grund für die Zusammenkunft erfragte. Die Prüfung der persönlichen Eignung konnte ich für Titus natürlich nicht ablegen, die Fragen der Gestaltung seines Lebens oblagen aber noch immer meiner Verantwortung, solange er unter meiner patria potestas stand.

    Einen Tag nach der nach der Visite in der Villa Tiberia hatte ich den Entschluss gefasst, dass ich der ganzen Geschichte etwas auf den Zahn fühlen wollte. Dieses wirre Mädchen, ihr üppiges Erbe, ihre Absicht, nur verbrannte Erde in Rom zu hinterlassen - all das hatte mich stutzig gemacht. Vielleicht gab es irgendwo im Imperium ja noch jemanden, der sich für all das interessierte und für den diese Informationen von so viel Wert waren, um sich mit etwas fantasievolleren Dingen als bloßes Gold erkenntlich zu zeigen. Ich zitierte einen der im Kanzleigang umherhetzenden Notarii herbei und ordnete an: "Schaff mir Primicerius Furius ins Büro. Ich muss ihn sprechen." Als mein neuer höfischer Handlanger wenig später in meinen Räumlichkeiten eintraf, ersparte ich mir die üblichen Floskeln und kam direkt zum Punkt: "Furius, ich habe einen Auftrag für dich. Ich möchte, dass du alle patrizischen Tiberii ausfindig machst, die noch im Imperium verstreut sind. Natürlich samt relevanter Informationen wie Alter, Ehestand, Aufenthaltsort, Tätigkeit et cetera et cetera." Einen potentiellen Profiteur eines Erbes suchte man nämlich bekanntermaßen unter den Verwandten - und das, wie Stella behauptete, sie das letzte Überbleibsel der Gens Tiberia war, das konnte ich mir bei einer so weit verzweigten und vor wenigen Jahren noch hoch angesehenen Familie nicht vorstellen.

    Die Tiberia wirkte auf mich nun beinahe etwas konsterniert und wo vorher eine harte, kampfeslustige Fassade war, offenbarte sich mir nun ihre verletzliche, trauernde Seele. Mitleid war von mir trotz alledem nicht zu erwarten und so folgte ich mit unverändert eiserner Miene den kryptischen Worten der jungen Dame. Beinahe echauffierend wiederholte sie noch einmal den Namen ihres Vaters, als würde schon der bloße Klang gereichen, mich zu einem milderen Urteil zu bewegen. Doch dem war nicht so. Und daran konnte auch all das Gold nichts ändern, auf das mich Stella nun aufmerksam machte. Zu einem anderen Zeitpunkt meines Lebens wären mir just einige spitzfindige Ideen gekommen, wie ich mir all den Reichtum zu eigen machen würde, nunmehr jedoch konnte ich der bloßen Münze keine wirkliche Befriedigung mehr abgewinnen. Es war nicht der Reichtum, sondern die Macht und die Möglichkeiten, die mir Befriedigung verschafften. Und so wandte sich mein Blick auch zügig wieder von der Goldtruhe im Atrium hin zur Hausherrin, um sodann das Leidklagen der Tiberia über mich ergehen zu lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Carpinatius indes blickte im Hintergrund bedrückt und beschämt gen Boden ob der Verzweiflung, die sich im verwelkten Garten breit machte, was mir natürlich verborgen blieb. Ich ertrug den Moment der Stille, nachdem sie sich über ihr Schicksal ausgelassen hatte, und ebenso ihre Entschuldigung mit teilnahmsloser Zurückhaltung und griff erst ihre Zustimmung zu meinem Vorschlag wieder in sachlich-höfischer Manier auf. "Ausgezeichnet. Dann sind wir uns ja einig geworden", erklärte ich und goutierte meine Worte mit einem schelmischen Grinsen, als hätte ich gerade eine schöne Tunika günstig auf den Märkten ergaunert. "Ich werde alles in die Wege leiten und die zuständigen Stellen anweisen, hinsichtlich der Organisation der Beerdigung mit dir in Kontakt zu bleiben. Ich nehme an, du empfängst hier bis auf weiteres noch deine Post?" Beim Zustand der Villa und auch ihrer Hausherrin war es wohl ratsam, vorerst bei einem der vermeintlichen Freunde der Familie unterzukommen. Aber ich hatte genug Ratschläge für heute erteilt und wollte nicht länger als notwendig in dieser verwaisten Gedenkstätte verweilen. "Gibt es noch etwas, dass du mir bei dieser Gelegenheit mitteilen möchtest?", fragte ich sodann, der Tiberia offen lassend, was sie dieser höfischen Höflichkeit entgegenhielt. Für mich war die Causa geschlossen, hatte ich doch nicht nur meine Pflicht getan, sondern vor allem auch Erkenntnisse über die vermeintlich letzte Hoffnung der Gens Tiberia gesammelt.

    Diese Tiberia hatte zweifellos Schneid und schaffte es, mir in ihrer eigentümlichen, herausfordernden Art und ihrem bedeutungsschwangeren Gerede mehr Worte zu entlocken, als in dieser eindeutigen Angelegenheit eigentlich notwendig waren. "Ich glaube kaum, dass du Männer wie mich kennst", stellte ich mit eitlem Ton fest, ohne dass mir viel daran gelegen war, dass mir Stella Glauben schenkte. "Im Gegensatz zu dir mache ich mir weniger Gedanken um das Andenken, sondern mehr um das Hier und Jetzt. Ein Nachleben in Bedeutsamkeit erscheint mir weitaus weniger wertvoll als ein Leben in Bedeutsamkeit. Du stehst noch am Anfang deines Lebens und solltest der Vergangenheit nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken", empfahl ich der Tiberia nun, bevor diese ihre Planungen offenlegte. "Eine Stadtmauer?", hinterfragte ich sodann ungläubig und blickte kurz zu Carpinatius, der mir mit einem Kopfschütteln signalisierte, dass diese merkwürdige Idee bisher nicht bis zum Palatin vorgedrungen war. "Eine Stadtmauer, die den Namen deines Vaters tragen soll? Oder zumindest mit ihm in Verbindung gebracht werden soll?" Ich lächelte selbstgefällig und blickte drein, als erwartete ich die Pointe eines großen Scherzes, jedoch wartete ich vergeblich. Anscheinend war es der Tochter des Verus wirklich ernst. "Ich sehe nicht, dass sich dieses...Vorhaben realisieren lässt", entgegnete ich entschieden. Früher hätte ich diesen Größenwahn mit der Zugehörigkeit zum Patriziertum abgetan, meine neuerlichen Bekanntschaften innerhalb dieses Standes hatten meine prinzipielle Abneigung aber signifikant abgeschwächt. Der Größenwahn entsprang also wohl vielmehr dem Individuum, das sich wieder vor mir auf der Marmorbank niedergelassen hatte. "Ich muss wohl noch einmal meinen Standpunkt verdeutlichen: Dein Vater war ein Soldat - meinetwegen ein pflichtbewusster - aber nicht mehr und nicht weniger. Kein Triumphator, der über alle Zeiten den Männern Roms als Vorbild dienen soll", funkelte ich zurück. "Der Geist deines Vaters sollte es sich nun in den elysischen Gefilden gemütlich machen und nicht in irgendeiner Mauer. Und du solltest dein üppiges Erbe nehmen und dafür Sorge tragen, dass dein Name nicht ausstirbt. Das wäre dem Andenken deiner Vorfahren weitaus zuträglicher", gab ich meine Sicht der Dinge tadelnd zum Besten. "Der Kaiser gestattet dir und deiner Familie ein angemessenes Grabmal und wird als Zeichen seiner Anerkennung vor den Trauernden sprechen, so wie er es versprochen hat. Gegen eine großzügige Spende an die Staatskasse, um irgendein gemeinnütziges Straßenbauprojekt oder ähnliches voranzutreiben, ließe sich womöglich auch noch eine Statue errichten", trug ich beschlussartig vor und gab der Tiberia erst gar nicht die Möglichkeit, mich in eine fadenscheinige Debatte zu verwickeln. Daran konnten auch ihre vermeintlichen Geheimnisse nichts ändern, die mir nicht von Belang für den Kaiser schienen. Ohnehin war mir schleierhaft, was Stella mit diesem Pomp bewirken wollte - wohl auch, weil ich mich nur schwerlich in die Rolle der trauernden Tochter hineinversetzen wollte, geschweige denn konnte.

    Das schmale Lächeln des Consulars verdeutlichte mir hinreichend, dass er meiner Idee nicht abgeneigt war und die Einbindung in des Kaisers privater Runde ihm ermöglichte, seine Sorgen im Hinblick auf die Christianersekte in den Fokus staatlichen Handelns zu rücken. Ich schenkte dem Flavier ein zufriedenes Lächeln zurück, sah ich doch in der Annahme meines großzügigen Angebots bereits einen ersten Schritt der Verfestigung unserer Beziehung.

    Sodann richtete der Consular seinen Blick auf das Gemüt des Princeps, über das ich - wenn ich darüber im Bilde war - als Procurator a memoria natürlich zu schweigen hatte. Gleichwohl erschienen mir Anlass und Umgebung so sicher und die erfragte Information nicht derart prekär, dass ich zumindest oberflächlich einige Worte darüber verlieren konnte. Ich beabsichtigte nicht, eine Vertrauensperson zu gewinnen, indem ich das Vertrauen einer anderen Person brach - ein Zusammenbringen beider konnte aber meinem Unterfangen höchst zuträglich sein, sodass sich meine Worte nicht nur in einem bloßen Hinweis auf meine Verschwiegenheitspflicht erschöpfen sollten: "Unzufriedenheit wäre wohl zu hoch angesetzt. Dennoch, der Kaiser möchte die Probleme gerne beim Schopfe packen und etwas bewirken." Woran etliche seiner Vorgänger gescheitert waren. "Dazu muss er die Problematik aber auch allseitig erforschen und vollumfänglich verstehen. Es entspringt wohl mehr seinem Pragmatismus, dass er zunächst nach einer Lösung in vertraulicher Runde sucht, um diese selbstredend im Nachgang auch den zuständigen Institutionen vorzulegen und legitimieren zu lassen." Selbst wenn der Kaiser einen Alleingang machen könnte, setzte er - so wie ich ihn kannte - eher auf Einvernehmen und Eintracht. "Dies scheint mir aber ohnehin auch in Senatskreisen - bitte korrigiere mich - der übliche Vorgang der Lösungsfindung zu sein", fügte ich hinzu, fest in der Annahme, dass man sich auch im Senat nicht von Beginn an mit allen Positionen und Gedanken auseinandersetzen konnte und wollte, sondern erst zuletzt einen beschlusszugänglichen Vorschlag nach außen präsentierte.