Beiträge von Aulus Iunius Avianus

    Na wie schön, wenn die Soldaten das unter sich regelten. Er hatte ja nichts Besseres zu tun, als in den Thermen herumzustehen und denen beim Zanken und Jammern zuzusehen. Avianus wurde es zu blöd. Er nahm den Tiro grob am Arm und blickte ihn mit verengten Augen an. Sein Mitleid dem Octavius gegenüber hatte sich inzwischen verflüchtigt. Vielleicht hatte er sich in Frugi geirrt und er war als Zivilist doch besser aufgehoben.
    "Das hier, was wir hier machen, ist noch immer deine Ausbildung, Tiro, verstanden? Wenn du die nicht durchziehst, bist du draußen. Ganz schnell. Und das liegt dann nicht an mir. Und solange du noch hier drin bist, hast du zu tun, was ich sage. Ist das soweit klar?!"
    Hier bestand, neben Frugis Angst vor Wasser, eindeutig auch ein Vertrauensproblem. Warum sonst sollte sich der Tiro noch immer am Beckenrand festklammern, obwohl sein Centurio ihm mehrmals versichert hatte, dass das Wasser gar nicht tief genug war, um einen am stehen zu hindern? Nebenbei hätte er auch sehen müssen, dass auch der Iunier im Becken stand. Avianus konnte es sich nicht recht erklären. Hatte er jemals einen seiner Soldaten ins Messer laufen lassen? Einfach nur zum Spaß Strafen verteilt? Er konnte sich nicht daran erinnern.
    Jedenfalls ging er davon aus, dass seine Botschaft angekommen war, ließ den Jungen wieder los und nahm sich vor, mit dem Schwimmunterricht, wenn man den als solchen bezeichnen konnte, fortzusetzen. "Du wirst jetzt den Rand loslassen, Tiro. Du kannst die Beine auf den Boden stellen, versuchen, dich im Wasser treiben zu lassen ... Ich will, dass du verstehst, dass du hier nicht ertrinken kannst, solange du bei der Sache bist."

    "Dann sind wir hier soweit fertig", stellte Avianus mehr für sich selbst fest, "Du wirst mir bis morgen eine Liste der am Tatort gefundenen Hinweise zusammenstellen, Tiro." Eindeutig wäre auch das eine gute Übung für den Rekruten, und nebenbei würde er seinem Centurio noch etwas Arbeit abnehmen. Falls der Tiro des Schreibens gar nicht mächtig war, würde er sich sicher melden.
    So weit, so gut. Avianus hörte bereits die Stimmen seiner Männer, die er losgeschickt hatte, um den Karren aus der Castra zu holen.
    "Matinius, Octavius ... legt den Toten auf den Karren! Wir werden ihn in die Castra mitnehmen." Irgendeinen toten Penner hätte direkt wieder entsorgt, dieses Opfer hingegen würde definitiv mit ins Lager kommen, ebenso der Artorius. Damit wäre seine Arbeit für heute getan. Glücklicherweise. Diese Nacht dauerte ja schon lange genug.

    Trotz Axillas schlichter und recht eindeutiger Antwort blieb Avianus dennoch sitzen und blickte sie leicht zerknirscht an. Er kannte natürlich nicht die ganze Geschichte, lediglich das, was Axilla, Seiana und Seneca ihm darüber erzählt hatten, aber dass es hier nicht ausschließlich darum ging, dass die Ehe unrechtmäßig war, das konnte selbst er sich zusammenreimen. Dass die beiden Frauen schon vorher ihre Problemchen miteinander gehabt hatten, war bei weitem kein Geheimnis mehr.
    "Das kann eine unrechtmäßig Freie auch nicht", erwiderte er deshalb trocken, "Und trotzdem scheinst du damit kein Problem zu haben."
    Es war sicher nicht dieselbe Tragweite, immerhin ging es um eine Decima. Da es Axilla – zumindest ihrer eigenen Aussage nach – aber nur um die Rechtmäßigkeit der Ehe ging, überging er diesen Umstand einfach mal. Denn er durfte scheinbar machen, was er wollte, mit wem auch immer er wollte. Dass Sibel eine gestohlene Sklavin war, die er, um ihre Vergangenheit wissend, dem Helvetier abgekauft hatte, was ihr Geschäft im Grunde ungültig machte, interessierte anscheinend keinen. Ganz davon abgesehen, dass er jahrelang mit einer Sklavin geschlafen hatte, die nicht seine gewesen war, ohne das Wissen ihres Dominus. Und ein Geheimnis war alles zusammen ebenfalls nicht. Der Helvetier etwa wusste davon, vielleicht sogar Iulius Dives.
    "Ich will dir keine Vorwürfe machen und ich verstehe sogar, dass du ihre Ehe …" – Ob Axilla der Begriff passte oder nicht, war ihm an dieser Stelle gleichgültig. – "… nicht gutheißt. Du kannst von mir aus denken, was du willst, aber ich möchte, dass du diesen Streit ruhen lässt."

    Es dauerte gar nicht lange, da antwortete seine Cousine aus dem Inneren ihres Arbeitszimmers, und Avianus trat ein.
    "Axilla …", sagte er mit einem freundlichen Lächeln, solange er noch konnte, "Ich störe doch nicht …?" Da sie aber bereits dabei war, ihren Schreibtisch zu ordnen, war er einfach so frei, näher zu treten und sich einen freien Platz zu suchen. Dass seine Cousine ihn offenbar nicht erwartet hatte, verwunderte ihn dabei nicht im Geringsten. In letzter Zeit hatte er praktisch nur Augen für Sibel und sich selbst gehabt und es tat ihm nun sogar leid, Axilla nicht ein einziges Mal gefragt zu haben, wie es ihr zurzeit so ging. Doch selbst jetzt war er nicht deswegen hier sondern wegen Seneca und dessen Frau.
    "Dass Sibel ein Kind bekommt, war nicht die einzige wichtige Sache, die ich letztens mit dir besprechen wollte", begann er etwas ernster als zuvor, "Ich war bei Senecas und Seianas Hochzeit. Ich habe mit beiden gesprochen … über alles Mögliche. Und eben auch über dich." Lange um den heißen Brei herumzureden hätte wenig Sinn gemacht, also sprach er das Thema kurzerhand direkt an.
    "Ich frage mich seitdem, ob du deine Meinung inzwischen geändert hast, was die Ehe der beiden angeht. Und falls nicht ... ob wir wohl darüber reden können."

    Avianus fragte sich, was ihn wohl erwarten würde bei diesem absolut unumgänglichen Gespräch, auf welches er sich gleichzeitig alles andere als freute. Seitdem er Zeuge von Senecas Beichte geworden war, hatte er das Thema ganz bewusst nicht mehr angeschnitten. Er fühlte sich in einer Zwickmühle. Sehr wohl war ihm klar, dass er sich ganz einfach aus der Sache raushalten könnte, denn mit dem Konflikt zwischen Seneca und ihrer Cousine hatte er im Grunde nichts zu tun. Nur konnte er schlecht dabei zusehen, wie ein Familienmitglied das Leben eines anderen zu ruinieren drohte. Er hatte keine Ahnung, was Axilla konkret im Schilde führte und war nicht sicher, wie weit sie gehen würde, oder ob sie überhaupt etwas gegen die Decima unternehmen würde, die inzwischen ganz offiziell die Ehefrau seines Bruders im Geiste war. Vielleicht hatte er Glück und ihr Ärger war zumindest teilweise verraucht. Damit rechnete er definitiv nicht, aber hoffen konnte man es ja.
    Und er wusste nicht einmal, was er hier eigentlich vorhatte. Vermitteln ... irgendwie - zwischen zwei Parteien, von denen keine Nachgeben wollte und gleichzeitig jede sagte, sie wolle gar keinen Streit, sondern nur das Gegenüber. Aber gut, er würde einfach sein bestes versuchen. Was auch immer dabei rauskam, würde die Situation vermutlich nicht schlimmer machen, als sie es ohnehin schon war.
    Ursprünglich hatte er heute wegen Sibel der Domus einen Besuch abgestattet, aber wenn er schon einmal hier war und sich eventuell die Möglichkeit für ein Gespräch unter vier Augen bot, würde er diese nutzen. Leise seufzend klopfte er an der Tür zu ihrem Officium und so wie er auch hoffte, dass sie ihm nicht den Kopf dafür wusch, dass er Seneca und der Decima vertraute, hoffte er auch darauf, dass er sie in ihrem Arbeitszimmer antreffen würde.

    Als hätte sie gewartet, saß sie da - auf ihn, darauf das etwas passierte oder worauf auch immer - und schenkte ihm gleich ein Lächeln, als sie ihn erblickte. Dann stand ihrem offiziellen Einzug in die Domus eigentlich nichts mehr im Wege. Trotzdem würde das Kaninchen noch ein paar Minuten länger leben dürfen, denn eine klitzekleine Sache wollte der Iunius vorher noch abhaken.
    "Perfekt", sagte Avianus knapp, während sie auf ihn zukam, "Allerdings … bevor wir nach unten gehen, interessiert es dich doch bestimmt, was das hier ist?", fuhr er fort, und als sie vor ihm stand, griff er nach ihrer Hand und legte in diese das zusammengerollte Dokument, das er mitgebracht hatte. Ihre Freiheit zum Anfassen, nichts anderes war die Schriftrolle. Und selbst wenn sie bereits ganz offiziell Libertina war und niemand ihr diesen Status mehr nehmen konnte, war es doch etwas anderes, diese Veränderung schwarz auf weiß in der Hand zu halten. Es war ein Symbol. Dafür, dass dieses Etwas, was ihr immer so wichtig gewesen war, endlich ihr gehörte. Und sicherer war es auch. Sie hatte das Original und er selbst lagerte eine Abschrift davon in seiner Habitatio. Es war unwahrscheinlich, dass irgendwann wieder jemand sie entgegen der Gesetze zu einer Unfreien würde erklären wollen. Und wenn sie erst einmal die Frau eines Iunius wäre, würde es keiner mehr wagen sie auch nur anzufassen. Hoffte er zumindest. Aber wer sollte ihr überhaupt noch etwas anhaben wollen. Noch während er die Abschrift angefertigt hatte, war ihm aufgefallen, dass es gar keine Gegner mehr gab. Niemanden, der ihnen vielleicht einen Strich durch die Rechnung machen wollte. Klar, der Praefectus könnte es, nur ihr Feind war der ganz bestimmt nicht. Lediglich ein Vorgesetzter, von dem er zwangsläufig abhängig war. Und trotzdem hatte er zu Ende geschrieben. Aus Gewohnheit? Oder weil seine Devise schon lange lautete: Keine Risiken, wo keine nötig waren? Wahrscheinlich eine Mischung von beidem.
    Mit einem bedeutungsvollen Lächeln wartete er ab. Jetzt wo sie schon ein bisschen lesen konnte, würde es ihr sicher nicht allzu schwer fallen, die paar Sätze auf dem Papyrus zu entziffern.

    "Soweit gute Arbeit, Tiro", lobte Avianus den Octavius für seine erste Ermittlung. Er würde es sich dennoch nicht nehmen lassen, den Toten selbst noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. "Miles Matinius!", rief er deshalb auch den ehemaligen Legionarius zu sich, damit die zwei eventuell noch etwas nützliches lernten.
    "Also gut, sehen wir uns noch einmal um", murmelte er mehr zu sich selbst, nahm kurzerhand dem Tiro die Laterne aus der Hand und beugte sich zu der Leiche hinab. Das allerwichtigste würde er seit der Blamage damals während der Ermittlungen wegen des Toten Händlers nie mehr vergessen: Bei Null anfangen. Was sah er? Einen Toten mit Stichverletzungen, in einer Gasse der Subura.
    "Zuallererst: Ihr geht völlig neutral an die Sache ran. Ruft euch auch das offensichtliche ins Gedächtnis, denn es muss genauso wie die Einzelheiten in den Bericht. Ein Opfer, Stichverletzungen. Gefunden in einer dunklen Seitengasse der Subura. Als nächstes: Was können wir durch die Untersuchung über den Tathergang in Erfahrung bringen? Nur weil etwas auf den ersten Blick irgendwie aussieht oder weil ein Zeuge dieses oder jenes sagt, sollten wir nicht annehmen, dass es exakt so war … traumatisierte Zeugen erzählen oft die verrücktesten Dinge und vieles ist anders, als es auf den ersten Blick zu sein scheint. Wir müssen also auch kontrollieren, ob die Zeugenaussage des Artoriers der Wahrheit entspricht oder ob wir Widersprüche finden", erklärte er. Avianus deutete auf die Pfütze unter dem Toten. "Wir sehen eine große Blutlacke. Heißt: Hier ist er gestorben. Es kommt oft genug vor, dass Leichen eine ganze Weile nach ihrem Tod einfach in einer Gasse entsorgt werden, dann findest du meist keine so große Pfütze. Was haben wir noch?" Den Boden hatte er zuvor schon abgesucht und forderte nun den Tiro und den Legionarius auf: "Seht ihr sonst noch irgendwo Blut, außer hier um die Leiche? Nein. Er wurde hier also auch direkt hier angegriffen. Es ging schnell, er hatte keine Chance zu fliehen und war durch die Dolchstiche sofort tot."
    Nur ungern tippte er mit den Finger ins Blut, zerrieb es zwischen Daumen und Zeigefinger und untersuchte es im Schein der Laterne genauer. Noch nicht vollständig geronnen. Gleich darauf fasste er dem Toten am Halsausschnitt unter den Amictus. Der war dort noch immer lau. "Untersucht das Blut und die Körpertemperatur. So könnt ihr zumindest einschätzen, ob das Opfer gerade erst gestorben ist, oder schon ein paar Stunden tot ist. Wie's aussieht sind wir recht zügig hier aufgetaucht. Das kann auch wichtig sein, wenn sich eine Absperrung der umliegenden Straßen anbietet. Wenn das Opfer erst seit Kurzem tot ist, heißt das auch, dass der Täter vermutlich immer noch in der Nähe ist. Hier in der Subura hilft uns das leider kaum, aber bei einem anderen Fall könnte es nützlich sein."
    Merken sollten die beiden es sich trotzdem. Was auch immer sie heute lernten, konnte in Zukunft nur nützlich sein. Sowie er die Hand wieder von der Leiche weggezogen hatte, war ihm auch die Abschürfung aufgefallen, die der Tiro bereits bemerkt hatte.
    "Kommen wir also zur Frage nach dem Täter. Der hat seine Tat schnell vollbracht. Er hat zugestochen, mehrmals, dafür gesorgt, dass sein Opfer noch an Ort und Stelle, in einer dunklen Seitengasse zusammenbricht. Er muss gewusst haben, was er tat. Das war kein Ausrutscher oder eine simple Affekthandlung. Er hat außerdem sein Opfer nicht ausgeraubt. Weil er es gar nicht vorhatte? Oder weil er bei seinem Treiben beobachtet wurde und schnell verschwinden wollte? Wenn ersteres der Fall wäre, müssen wir uns fragen: Weshalb sonst hat er den Mann töten wollen?" Oder es hatte etwas mit der Abschürfung zu tun. Aber wegen einer Kette? Vielleicht hatte sich der Mann auch wo anders verletzt. Das war dann vermutlich eine Frage, die er an ihren Zeugen richten musste.
    "Was wissen wir über das Opfer? Er war definitiv nicht arm. Soviel können wir schon mal sagen. Was hat er getan, bevor er hier in der Gasse sein Ende gefunden hat?" Da stellte sich auch die Frage, was ein gut gestellter Bürger überhaupt mitten in der Nacht in der Subura trieb. Keine Toga. Also hatte, wo auch immer das Opfer zuvor gewesen war, nichts allzu Offizielles stattgefunden. Eine Feier? Er beugte sich zu dem Toten hinab. Wie alles andere in der Gasse stank auch die Leiche fürchterlich. Avianus biss die Zähne zusammen, da damit nichts an einer bestimmten Sache vorbeiführte. Er öffnete den Mund des Toten ein wenig und schnupperte leicht angeekelt, am nicht mehr vorhandenen Atem. Kein Wein, stellte er fest. Sackgasse. Angewiedert die Nase rümpfend wischte er sich diese am Arm ab, obwohl er den toten Mann damit gar nicht berührt hatte. Aber wer steckte seinen Zinken schon gerne einer Leiche in den Mund.
    "Kein Alkohol, er hat sich am letzten Abend seines Lebens wohl nicht sonderlich vergnügt ... armer Tropf. Ich vermute, er war wegen irgendeiner alltäglichen Angelegenheit unterwegs. Nichts besonderes."
    Das war es dann vorerst. "Seht ihr noch etwas?", wandte er sich an seine beiden Soldaten, denn Sechs Augen sahen mit sicherheit mehr als zwei. Die Sachen, die der Tote bei sich getragen hatte, würde er in der Castra in aller Ruhe noch einmal genauer untersuchen. Ebenso würde er dafür Sorge tragen, dass die Gasse bis zum nächsten Morgen abgesperrt blieb. Vielleicht hatten sie Glück und das Tageslicht bescherte ihnen den einen oder anderen Hinweis mehr.

    Avianus wusste ja, seine Truppe bestand aus Kindsköpfen, aber er hatte gehofft, dass sie ihren Mann stehen würden, wenn es darauf ankam. War wohl nicht bei allen so. Ganz im Gegenteil, der Octavier schlotterte immer noch voller Angst am Beckenrand vor sich hin. Wenn das so weiter ging, scheiterte es vielleicht tatsächlich noch an dem bisschen Schwimmen und sie mussten einen Tiro rausschmeißen, bloß weil der so wasserscheu war, wie eine Katze und sogar im schulterhohen Becken zu ertrinken drohte. Da alle Überredungsversuche bisher fehlschlugen, beschloss der Iunier, dass also doch rabiatere Methoden notwendig waren.
    "Na wenn das so ist …", bemerkte er seufzend und blickte zu Frugis Kamerad. Der würde sich nach der Zurechtweisung gerade eben sicher als besonders loyal beweisen wollen. Und dafür hoffentlich auch seinen Kollegen sprichwörtlich ins kalte Wasser schmeißen. "Wärst du so freundlich?", fragte er diesen und wies mit einem flüchtigen Winken, darauf hin, dass er den Tiro gerne ins Becken befördert sehen würde. Das würde der Hühne wohl auch ein zweites Mal hinkriegen. Ein knappes, bekräftigendes Nicken kam hinzu, als kleine Geste dafür, dass der Centurio alles im Griff hatte, denn natürlich würde er dafür Sorge tragen, dass der Octavier nicht absoff, falls er tatsächlich nochmal im Wasser landete.

    "Gut", stimmte Avianus knapp zu. Bisher konnte er ja immer noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass nicht das Nervenbündel neben ihm den Mann getötet hatte. Aber dass er erstens keine Waffe bei sich trug und zweitens freiwillig mit ihnen ging, machte es einfacher, der Aussage des Mannes Glauben zu schenken. Wenn der Artorius später noch solche Kleinigkeiten erklären konnte, weshalb er Blut an seinen Kleidern hatte, obwohl er den Mord nur beobachtet hatte, wäre alles in Butter. "Miles Visellius", rief er zum anderen Ende der Gasse hinüber, und gleich kam auch der Miles angetrabt. "Kümmere dich um unseren Zeugen, bis deine Kameraden mit dem Karren wieder da sind." Der Miles nickte knapp. "Verstanden Centurio."
    Gut, dann konnte man sich endlich um den Rest kümmern. Ein wenig verloren stand da immer noch der Tiro herum. Na hoffentlich hatte er in der Zwischenzeit ein paar gute Hinweise gesammelt.
    Von irgendwo dort, wo Carnulius und Triarius die Gasse sicherten, drangen immer noch aufgeregte, wütende Stimmen zu ihnen. Zwei - mit dem Matinius drei - gegen einen ... und die hatten den Kerl immer noch nicht im Griff? "Ruhe da hinten, verdammt nochmal! Wir arbeiten hier!" Dann sprach er auch endlich den Tiro an: "Was habt ihr herausgefunden, Tiro?", fragte der Centurio. Avianus erwartete sich nicht besonders viel, der Matinius war zuvor Legionarius gewesen und hatte vermutlich relativ wenig Ermittlungserfahrung und der Tiro untersuchte heute zum ersten Mal einen Mord. Er hatte nicht zufällig genau die beiden ausgewählt, um sich den Toten zu genauer anzusehen. Die zwei sollten lernen, und was war da besser als sich selbst einmal an der Untersuchung eines Tatorts zu versuchen?
    Selbst ließ er ebenfalls den Blick über den Toten und die nähere Umgebung gleiten, als er jetzt endlich die Zeit dazu fand. Möglichst neutral versuchte er zu beurteilen, was er sah, den Zeugenbericht des Artoriers vorerst ausblendend. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er die Pflastersteine ab, was im Licht der Laterne kein leichtes Unterfangen war, konnte aber keine nennenswerten Blutspuren finden, abgesehen natürlich von der Pfütze, in der der Toten lag. Die Tat hatte ziemlich sicher hier stattgefunden, der Täter hatte ihn hier verletzt und der Mann war noch an Ort und Stelle gestorben. Keine Flucht, kein langer Kampf. Alles musste schnell passiert sein. Was ließ sich daraus über den Täter herauslesen? Der hatte wohl gewusst was er tat und nicht lange gefackelt. Hatte sein Opfer aber wiederum nicht ausgeraubt, obwohl dieses einen vollen Geldbeutel unterm Amictus hatte ...
    Er riss sich wieder aus seinen Gedanken und sah abwartend zu dem Tiro auf. "Also?"


    ~~~


    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/2qx22i8.jpg]
    Manius Triarius Seianus
    MILES · COHORTES URBANAE


    Schon wieder! Das gab's doch gar nicht ... schon wieder! Der lernte es einfach nicht. Griff nicht einmal einen Urbaner an ... nein ... mehrmals! Seianus Schädel lief rot an und sein Blick durchbohrte den unverschämten Kerl förmlich, was der im trüben Schein der Laterne vermutlich ohnehin nicht sah.
    "Du verdammtes Arschloch, fass mich noch einmal an, und ich prügel dir den Verstand aus der Birne!", platzte es dann plötzlich aus ihm heraus und schlug dem Typen mitten ins Gesicht. Sein Kamerad Carnulius hielt ihn gerade noch fest, als er erneut zu einem Schlag ausholen wollte, der Gurox mit ziemlicher Sicherheit die Nase gebrochen hätte. Und als er die Stimme seines Centurios hörte, ließ er die Faust wieder sinken, schüttelte die schmerzende Hand ein wenig.
    "Du ...", knurrte Seianus zwischen den Zähnen hervor, "... du wirst noch was erleben, wenn wir erst einmal in der Castra sind."

    Die letzten Tage, Wochen … nein, Monate! … waren wie im Flug vergangen. Es fühlte sich an, als hätte er Sibel erst vor wenigen Tagen in seine Habitatio geholt, als hätte sie ihm erst gestern von dem Kind erzählt, das in ihr heranwuchs und als wären sie eben erst aus den Albaner Bergen zurückgekehrt. Und jetzt stand er da, hatte Sibel bereits am Morgen in die Domus gebracht, bevor er alles Nötige für ihre Freilassung veranlasst hatte, und hielt die Schriftrolle in der Hand, auf der geschrieben stand, dass sie wirklich frei war. Nach Jahren, die sich in der Hinsicht wiederum wie eine Ewigkeit anfühlten.
    Und nicht nur frei war sie, nein, sie zog als seine Verlobte in die Domus Iunia ein. Schon am Morgen hatten sie einen Teil ihrer Habe in die Domus mitgebracht, den Rest hatte nun ein Sklave zum Haus getragen und wartete im Atrium darauf, ins Zimmer hochgebracht zu werden. Zuerst aber würde das Opfer notwendig sein, welches seine Cousine tags zuvor vorgeschlagen hatte. Da sollte seine Liebste natürlich auch dabei sein. Er würde sie oben in seinem alten Zimmer finden, meinte ein Sklave, sodass er die Treppe hinaufging in sein ehemaliges Cubiculum, welches ja von jetzt an Sibels Zimmer war – oder ihr gemeinsames, wie auch immer man es eben sehen wollte. Erst öffnete er die Tür nur einen Spalt, spähte kurz ins Innere und trat schließlich doch ein.
    "Bereit für das Opfer, liebste Iunia?", stellte er mit einem breiten Lächeln eine Frage in den Raum, wie er es sonst schon manchmal getan hatte, um sie zu überraschen. Allerdings hatte er schon als er sie hierher gebracht hatte, davon geredet am selben Tag noch einmal vorbeizuschauen. Musste er ja, wenn sie den Laren noch opfern wollten, vielmehr wollte er aber auch, denn in Zukunft würden sie sich nicht mehr täglich sehen können. Da wollte er jede Möglichkeit nutzen. Und die Urkunde, die der Beweis für ihre Freiheit war, galt es ebenfalls zu übergeben.

    Na sowas. Wieder mal ein richtig tolles Theaterstück, das sich da vor seinen Augen abspielte. Na wenigstens soff der Octavier nicht ab. Nur blieb der Tiro leider nicht im Wasser. Zu schade. Denn spätestens wenn er ein paar Pedes unter der Wasseroberfläche den Boden gespürt hätte, hätte er vielleicht bemerkt, wie unnötig sein Gezappel war. Bevor er sich aber wieder seines wasserscheuen Rekruten annahm, wollte er sich erst noch den anderen Schlaukopf zur Brust nehmen. Wobei er sich aber nicht einmal die Mühe machte, aus dem Wasser zu steigen, sondern lediglich Frugis Kameraden, der ja auch unter seiner Fuchtel stand, vom Beckenrand aus anblaffte: "Wie grüßt man, wenn man seinem vorgesetzten Offizier über den Weg läuft, Soldat?!" Welcher Centurio wollte auch von seinen Leuten ignoriert werden. Soweit kam's noch. Jetzt war Avianus doch ein wenig genervt.
    Und dann war da der Octavius. Verdammt nochmal ... der Octavius. Hatte er nicht gesagt, dass er in dem Becken stehen konnte? War wohl irgendwie nicht bis zu Frugi durchgedrungen. Ebensowenig dass sein Centurio ihm schon die ganze Zeit klar machen wollte, dass sie eben dazu da waren: Damit der Tiro das Schwimmen lernte. Entweder hatte der Junge was auf den Ohren oder einfach derart Angst, dass er gar nichts hörte.
    "Und du, Octavius, hörst mir jetzt zu: Das Becken ist nicht tief. Du kannst hier gar nicht ertrinken, wenn dich niemand bewusstlos schlägt. Du kommst also rein, wir machen ein paar Übungen, ich werde dir dabei helfen und dann war es das für heute." Oder er musste das Nervenbündel wirklich packen und sprichtwörtlich ins kalte Wasser werfen. "Oder ich werde dafür sorgen, dass du reinkommst."

    Avianus hatte nicht den blassesten Schimmer, was sein Rekrut da vor sich hin redete. Dementsprechend verständnislos blickte er Frugi auch an. Der Tiro hatte Angst, soviel war auch ihm klar. Aber was für ein Trauma auch immer das war, mit dem der Octavius zu kämpfen hatte, da musste er jetzt eben durch.
    "Sieh mal, Octavius, du kannst hier drin stehen. Du wirst nicht untergehen. Und hier ist auch keiner der dich unters Wasser drücken wird", erklärte er, "Und falls doch irgendein Kindskopf glaubt, einen meiner Tirones bei den Schwimmübungen runter drücken zu müssen, sorge ich dafür, dass der so viel Wasser schluckt, dass er das bei keinem mehr macht." Der Iunius wollte seinem Tiro gegenüber vorerst locker bleiben und hoffte einfach es würde Früchte tragen. Er konnte den schlotternden, kreidebleichen Jungen ja schlecht ins Becken prügeln. Davon würde die Angst sicher nicht besser werden.
    "Oder häng' wenigstens mal die Füße ins Wasser und gewöhn dich dran." ... aber beweg einfach mal deinen Hintern zum Becken, bei den Göttern.

    Gleich nachdem er mit seinen anderen Milites vom Tiber zurückgekehrt war, die damit ihre Grundausbildung beendet hatten, machte er sich auf in die Lagerthermen und dort, nachdem er den gröbsten Schmutz und Staub losgeworden war, gleich zum vergleichsweise großen Kaltwasserbecken. Denn ein Tiro fehlte ja noch. Und besser sie brachten die Schwimmübungen jetzt hinter sich als später, hatte er sich gedacht. Noch war es mitten am Tag. Gegen Dienstschluss, wenn die halben Castra in den Thermen eintrudelten, konnten sie sich irgendwelche Schwimmübungen schenken.
    "Alles klar soweit, Octavius?", fragte er Frugi und ging dabei Richtung Becken, "Mach dir einfach keinen Kopf, an den Schwimmübungen ist noch keiner meiner Tirones gescheitert. Am besten gehen wir einfach ins Becken und sehen mal, wie's läuft. Bist du denn schon einmal geschwommen? Oder fangen wir bei Null an?" , plauderte er und hakte noch ein wenig nach. Derweil ließ er sich langsam ins Wasser gleiten.

    Nur einer meldete sich. Der Octavius. Und dem war das sichtlich peinlich. Dabei gab es in Rom massenhaft Leute, die nicht schwimmen konnten, und der Iunius war nicht einmal überrascht, so jemanden in den Reihen seiner Rekruten wiederzufinden. Er wollte auch gar nicht viel Wind darum machen, der Tiro sah schon jetzt verlegen genug aus, sondern machte gleich weiter mit seinem Programm:
    "Gut ... alle anderen: In agmen venite! Wir statten dem Tiber einen Besuch ab!", befahl er dem Rest und anschließend dem einen Tiro, der dafür (noch) nicht bereit war: "Tiro Octavius, wir sehen uns gleich anschließend in den Thermen. Der Optio findet solange sicher eine Beschäftigung für dich. Abi."
    Gemeinsam mit den restlichen Tirones marschierte er los, Richtung Tiberufer, nördlich der Stadt, wo das Wasser noch nicht ganz so stinkend und verdreckt war, dass man gleich anschließend noch ein Bad brauchte. Als er zurück war, machte er sich auf in die Lagerthermen, denn um den Octavius musste er sich ja auch noch kümmern.

    Gekränkt? Absolut. Zuvor noch ganz entspannt, schenkte Avianus seinem Gegenüber nun ärgerliche Blicke. Als hätte er in seinem Leben nie gekämpft, nie seinen Kopf hingehalten für die Bürger Roms, als hätte er seinen Dienst nur mit Wachestehen und Paraden verbracht ... Doch was war Ruhm überhaupt? Ruhm galt doch ohnehin eher einer Einheit als dem kleinen Soldaten ... aber das alles war doch ohnehin nebensächlich. Denn ganz abgesehen davon war das Wort Ruhm aus seinem Mund gar nicht erst gekommen.
    "Ich habe auch nichts von Ruhm gesagt ... allerdings: Auch wir von den Cohortes Urbanae kämpfen und riskieren regelmäßig unser Leben. Wir sind nicht weniger Soldaten als die, die an den Grenzen stehen." Erst vor nicht allzu langer Zeit war ja sein eigener Optio völlig unverhofft im Dienst gefallen, genau der Mann, der schon einmal als Tiro nur knapp davongekommen war, als ein Verrückter kurz davor gewesen war, ihn mit einem Messer abzustechen, und sogar auf dem Feld hatten die Cohortes Urbanae schon gestanden. Aber sollte der Fabius denken, was er wollte. "Wie auch immer ... Vale."

    [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/2qx22i8.jpg]
    Manius Triarius Seianus
    MILES · COHORTES URBANAE


    Der Triarius blickte seinen gerade eben zu ihnen getretenen Kameraden leicht angesäuert an. Was hier los war? Sah man das nicht? Irgend so ein Schwachkopf verstand die Definition von Straßensperre nicht. Das was los. "Blöde Fra …" Der Mistkerl unterbrach Seianus, oder besser, der Schmerz, der in seinem Fuß aufflammte, als der Schaft seiner Hasta in selbigen gerammt wurde. "Aaaargh! Du Scheißkerl, du verdammter!!!" Seianus wich hinkend mit schmerzverzerrtem Gesicht zwei Schritte zurück, während sich der Matinius um den Penner kümmerte und der Capriarius verdutzt daneben stand, bevor er sich daran machte, die Anweisungen seines Kameraden zu befolgen. Denn der machte sich ja schon wieder auf die Socken …
    Nur wollte der Unruhestifter immer noch keine Ruhe geben. Seianus schenkte ihm abschätzige Blicke. "Du hast echt einen an der Klatsche, oder? Besser du machst Fresse von jetzt an nicht mehr ungefragt auf, sonst stecken wir dich so tief in den Carcer, dass dich selbst deine mächtigsten Freunde nicht mehr finden."
    Der Capriarius trat unterdessen vor, und hielt den Mann fest, damit das Gezappel endlich ein Ende fand. Die Fesseln waren sicherlich fest genug, aber man brauchte ja kein unnötiges Risiko einzugehen.


    ~~~


    Avianus hörte zu, wie der At … Artorius? … erklärte. Domus Artoria, hatte er eben gesagt. Gut, dann Artorius … oder was auch immer.
    "Du hast alles beobachtet?", fragte er ein wenig überrascht. Wenn in der Subura jemand abgestochen wurde, sah man für gewöhnlich höchstens den Toten, und selbst den erst am nächsten Morgen. Das hier war gut. Sehr gut. Für die Ermittler jedenfalls.
    Da unterbrach ihn einmal mehr der Matinius. Seufzend sah er sich nach dem Soldat um.
    "Bei den Göttern, Miles." Gab er sich dem Artorius gegenüber noch Mühe, ein gewisses Maß an Freundlichkeit zu bewahren, war aus diesen paar Wörtern deutlich herauszuhören, dass er gerade etwas genervt war, hatte er doch schon dem Tiro klar gemacht, dass er gerade beschäftigt war. "Gut gemacht …", rang er sich ein Lob ab, "Hat ihn schon jemand danach gefragt, wer er ist? Was er hier will?"
    Dann wandte er sich wieder an den Zeugen und fragte sich gleichzeitig, was am besten zu tun war. Sicherlich waren da noch mehr Einzelheiten, die er ihnen berichten könnte, versteckt hinter all der Panik und Angst, die den armen Tropf gerade heimsuchten. Er müsste nur irgendwie an die Informationen rankommen.
    "Sieh, Artorius, es ist niemand da, außer dir und uns Urbanern ...", redete er gezwungenermaßen auf den traumatisierten Mann ein, "Und wir brauchen deine Hilfe, um herauszufinden, wer das getan hat. Dann finden wir den Kerl und sorgen dafür, dass er so schnell kein Tageslicht mehr sieht. Also, frage ich noch einmal: Was hast du gesehen? Weißt du, was der Mann wollte? Oder wie er aussah? Wo ist er hin? Du könntest uns zu den Castra begleiten und dort in Ruhe erklären, was du gesehen hast", machte der Centurio Rufinus schlussendlich einen Vorschlag.

    [Blockierte Grafik: http://oi62.tinypic.com/2w3xquo.jpg]
    Caius Rubrius Pennus


    "Wenn du jede Arbeit so machst ..." Mit einem flüchtigen Nicken deutete er hinab zu dem Lappen. " ... wundert mich das gar nicht. Da würde ich an deiner Stelle auch bis zum Hals in Arbeit versinken." So motiviert, wie der Tiro hier den Boden putzte, würde Pennus es sich sowieso zweimal überlegen, ob er den Kleinen an seine Füße lassen würde. Wenn, dann würde er dem Rekruten dabei auf jeden Fall ganz genau auf die Finger schauen. Seufzend griff er nach dem am Stock befestigten Schwamm, der bereitstand, schrubbte sich damit flüchtig den Allerwertesten ab und erhob sich schließlich. "Na wie auch immer, überleg's dir und melde dich." Bevor er die Latrinen verließ, verabschiedete er sich lächelnd: "Und viel Spaß noch ... vale!"



    Der letzte Abschnitt der Ausbildung stand bevor: Das Schwimmen. Dementsprechend gut war auch die Laune des Centurios. Eine Gruppe ehemals blutiger Anfänger mehr würde ihre Ausbildung abschließen, würde sich den Milites der Cohortes Urbanae anschließen und sich hoffentlich als brauchbar erweisen. Er hätte dafür zumindest sein Möglichstes getan. Und am heutigen Tag sollte es ebenfalls nicht scheitern. Ein bisschen Schwimmen ... das wäre sicherlich für jeden zu schaffen, und die, die es nicht konnten, würden es eben lernen müssen.
    "Tirones! Ihr steht vor der letzten kleinen Hürde, die euch begegnen wird, bevor ihr bald eure Plätze in den Reihen der Soldaten der Cohortes Urbanae einnehmen werdet! Bevor es ans Eingemachte geht, stellt sich aber eine wichtige Frage: Kann irgendjemand von euch nicht schwimmen?!"

    [Blockierte Grafik: http://oi62.tinypic.com/2w3xquo.jpg]
    Caius Rubrius Pennus


    "Na wenn du so fragst ..." Der Optio lehnte sich mit den Armen auf die Oberschenkel und beugte sich so ein wenig zu dem den Boden schrubbenden Tiro hinab. "Eigentlich lautet die Frage eher, worauf du Lust hast." Er setzte sich wieder auf und pulte sich mit dem Fingernagel irgendeinen Essensrest zwischen den Zähnen hervor und betrachtete anschließend angeekelt seinen eigenen Finger.
    "Also die Sache ist die, mein Lieber. Ich bin ja jetzt Optio, wie du weißt ...", begann er endlich, mit nicht unerheblichem Stolz. Noch immer auf der Latrine sitzend. "Und als Optio hat man viel zu tun." - Der kleine Tiro hatte sicherlich keine Ahnung wie viel! - "Jedenfalls habe ich keine Zeit für gewisse Arbeiten, weil der Centurio ja meint, sich jede Woche frei nehmen zu müssen." Ganz bestimmt wegen dem Weibsstück ... der Centurio vergnügte sich mit seinem Mädchen, während der arme Optio für zwei schuftete.
    "Der Abwasch macht sich nicht von selbst, der Boden in meinem Scriptorium wurde ewig nicht mehr gefegt, meine Rüstung sollte poliert werden ... aus den offenen Blasen an meinen Füßen kann ich auch selbst den Sand kratzen, aber wenn du das gerne übernehmen würdest, lässt sich das auch einrichten. Was hältst du davon?"