Die Bühne bestand aus zwei gegenüberliegenden Gebäuden. Links das Haus des Demipho, rechts das des Lysimachus. Beide waren ältere Männer und angesehene Händler.
Plötzlich erklingen Pfeifen, die eine Liebesmelodie spielen. Langsam trat Charinus auf, in der einfachen, aber etwas abgerissenen Kleidung eines Händlers. Schweigend ging er so weit nach vorne, dass er von überall gut gesehen werden konnte. Als er stehenblieb, verstummte die Musik. Charinus seufzte einmal laut auf, bevor er zu sprechen beginnt.
Zwei Dinge soll ich nun zugleich verrichten:
Ich soll euch sagen, was in diesem Stück geschieht,
dazu will ich von meinen Liebesangelegenheiten reden.
Doch nichts dergleichen tu' ich, was in den Komödien
ich andere im Bann der Liebe tun sah:
Die erzählen ihre Leiden stets der Nacht, dem Tag,
dem Mond, der Sonne. Aber die, glaub' ich,
die machen sich aus unsern menschlichen Beschwerden,
was wir wollen, was uns gegen unsern Willen widerfährt,
nicht einmal so viel, nicht das geringste!
Besser, ich erzähl' nun meine Leiden euch.
Charinus Blick wanderte durch die die Reihen der Zuschauern, jedes Gesicht das ihm dabei begnete kurz musternd.
Im Griechischen heißt die Komödie »Emporos«,
»Der Kaufmann« und sie wird Philemon zugeschrieben.
Lateinisch heißt sie nun »Mercator«,
und sie ist von Maccius Titus.
Kurz hält Charinus inne. Er macht Anstalten die Bühne zu verlassen, bleibt aber doch da. Nach kurzen Gängen nach links und nach rechts fuhr er dann fort, jedoch mit leicht eingesunkenem Körper.
Mein Vater schickte mich nach Rhodos
auf den Handelsmarkt. Zwei Jahre sind vergangen,
seit ich aufbrach von zuhause.
Dort in Rhodos aber hab' ich mich verliebt
in ein ganz ungewöhnlich schönes Mädchen.
Und von ihr und wie ich mich verwickelte
in diese Sache, will ich euch berichten,
wenn ihr nun so freundlich seid,
mir dafür euer Ohr und euer Interesse zuzuwenden.
Nun mit etwas mehr Mut richtete sich Charinus auf. Er strecht den Kopf nach oben.
Ich bin nun wenig nach der Art Verliebter vorgegangen:
Am Anfang schon hab' ich hinausposaunt,
um was es geht.
Nun, alles Schlimme pflegt die Liebe zu begleiten:
Sorge, Gram, aufwendig übertriebener Geschmack;
der straft mit großem, schwerem Unheil nicht nur den,
der liebt, nein, jeden, der davon gepackt wird.
Wer auch immer solchen Luxus trieb:
Er tat es niemals, ohne schlimmes Übel zu erleiden,
wenn er mehr ausgab dafür, als sein Vermögen zuließ.
Vieles kommt hinzu zur Liebe, was ich nicht erwähnt:
Schlaflosigkeit und Mühsal, Irren, Wirren, Schrecken,
wilde Flucht. Wie albern, dumm und unbesonnen,
kopflos unbedacht, wie unbescheiden, frech, begehrlich,
neidisch macht uns doch die Liebe. Faules Schwelgen,
Trägheit, Gier, vergebliches Verlangen, Schmach
und Schaden bringt sie uns – und viel Geschwätzigkeit.
Soviel auch der Verliebte redet:
Er sagt zu wenig, denn zur falschen Zeit sagt er,
was gar nicht nötig ist, zur Sache nicht gehört.
Nichtssagend nenn' ich die Geschwätzigkeit,
weil der Verliebte nie die Sprache zu gebrauchen weiß,
etwas zu sagen, was ihm nützlich wäre.
Doch ihr sollt wegen meiner eigenen Geschwätzigkeit
mir nun nicht böse werden: Venus selbst war es,
die mir Geschwätzigkeit am gleichen Tage auferlegt,
an dem sie zum Verliebten mich gemacht.
Ich bin entschlossen, auf die Sache selbst zu kommen,
will die Geschichte nun erzählen, die ich angefangen.
Immer mehr verschwand der noch soeben aaufkeimende Mut aus seinem Körper. Zuletzt trat Charinus wieder einige Schritte zurück und machte immer längere Pausen. Während der folgenden Worte erschien eine junge Frau im hinteren Teil der Bühne, ging mit verführerischem Hüftschwung hinter Charinus her und verschwand dann wieder nach rechts.
Kaum daß ich das erste Jünglingsalter hinter mir
gelassen, den Sinn von Knabendingen abgewandt,
verliebt' ich mich schon heftig hier am Ort
in eine liebliche Hetäre, und sogleich ging auch
des Vaters Geld ganz heimlich hin zu ihr,
in die Verbannung sozusagen.
Der rücksichtslose, unverschämte Kuppler,
der des Mädchens Herr war, riß, was er nur konnte,
in sein Haus hinüber.
Nun erschien Demipho aus dem Hintergrund. Deutlich gereizt wanderte er im hinteren Teil von rechts nach links und wieder zurück. Immer wieder nahm er eine Tabula zur Hand und schrieb Zahlenkolonnen auf.
Mein Vater schalt mich deshalb Tag und Nacht;
er legte dar, wie falsch, wie hinterlistig
diese Kuppler seien. Bös verschleudert werde
sein Vermögen, das des Kupplers wachse.
So ertönte das mit heftigem Geschrei.
Bisweilen aber brummte er auch anderes:
Er wolle nichts mit mir zu schaffen haben,
als seinen Sohn mich nicht mehr anerkennen.
In der ganzen Stadt schrie er herum und warnte jeden,
mir weiter Geld zu leihen. Liebeswahnsinn habe
zur Verschwendung mich verlockt. Zur Zügellosigkeit,
zur Unbesonnenheit, zu allem Frevel führ' er mich.
Was ich nur könne, schlepp' ich aus dem Haus.
Durch meine Unvernünftigkeit verschleud're ich,
was er mit Sparsamkeit und harter Arbeit sich erworben.
Für meine Liebelei verderbe und verschwend' ich alles.
Eine Schande sei's, daß er schon viele Jahre mich
auf seine Kosten füttere. Schämt' ich mich nicht,
verdient' ich nicht zu leben.
Demipho verschwand wieder und Charinus verblieb alleine auf der Bühne. Einmal tief durchatmend fuhr er dann mit seinem Bericht fort.
Er, mein Vater, aus dem Knabenalter grad herausgewachsen,
er habe nicht wie ich der Liebe und dem Müßiggang
sich hingegeben, hab' die Möglichkeit gar nicht gehabt;
sehr streng hab' ihn sein Vater stets gehalten:
Bei Feldarbeit in Schmutz und Dreck hab' er sich
abgemüht. Die Stadt, die hab' er einmal nur gesehen,
zu Athenes großem Fest, um das Gewand der Göttin,
den zur Schau gestellten Peplos anzusehen.
Doch sein Vater hab' ihm nach gewohnter Weise
befohlen, gleich aufs Land zurückzukehren.
Dort hab' er geschuftet mehr als alle andern.
Sein Vater hab' ihm stets gesagt: Du pflügst, du eggst,
du säst für dich, für dich wirst du auch ernten,
schließlich wird dir deine Müh'
Befriedigung und Freude noch bereiten.
Als nun seines Vaters Leben aus dem Leib entwichen,
hab' er Land verkauft, für den Erlös ein Schiff erworben
– dreihundert Faß groß sei der Laderaum gewesen –
und von überall hab' er sich Waren kommen lassen,
bis er das Vermögen, das er jetzt besitze,
sich erworben habe.
Wieder legte Charinus eine längere Pause ein. Kopfschüttelnd zurückdenkend an die Geschichte seines Vaters. Dann reißt er die Arme auseinander.
Es nun ebenso zu machen, das sei meine Pflicht,
wenn ich so wäre, wie es sich gehöre.
Wie ich merke, daß ich meinem Vater ganz verhaßt war,
ihm Ärger nur bereitete, – ihm,
dem ich doch zur Freude leben sollte –
wie ich merke, daß ich sinnlos meinen Sinnen lebte,
reiß ich mich mit aller Kraft zusammen, schlag' ihm vor,
ich wolle gleich auf eine Handelsreise gehen,
wenn er einverstanden sei: Mein Liebesabenteuer
woll' ich so beenden, ihm zu Willen sein.
Er dankte mir und lobte meinen Einfall,
unterließ es aber nicht, dem, was ich ihm versprochen,
selbst noch kräftig nachzuhelfen.
Charinus trat nun ganz weit nach vorne. Seine Stimme wurde lauter und bestimmter. Im Hintergrund erschien ein mittelgroßes Boot. Es hatte für das Publikum nicht sichtbare Räder eingebaut und wurde von zwei Männern, einer stand ganz hinten, einer ganz vorne, bewegt.
Er ließ für mich ein großes Segelschiff erbauen,
kaufte Waren ein, womit das Schiff beladen wurde.
Eigenhändig gab er mir dazu noch ein Talent von Silber.
Mit mir schickte er den Sklaven auf die Reise,
welcher einst, als ich ein kleiner Knabe war,
als Pädagoge mich erzogen hatte, noch jetzt
gewissermaßen als mein Hüter. Derart ausgerüstet
lösten wir das Schiff vom Ufer, brachen auf
auf unsre Reise.
Acanthio erschien nun im Hintergrund und trug Waren, vom Schiff, die er hinter das linke Gebäude trug. Mehrere Kisten und Amphoren transportierte er auf diese Weise, während Charinus mit seiner Erzählung fortfuhr.
Nach Rhodos kamen wir, und ich verkaufte alle Waren,
die ich zu diesem Zweck hierher gebracht.
Und der Gewinn war außerordentlich;
er übertraf bei weitem das, womit mein Vater,
der die Waren eingeschätzt, gerechnet hatte.
Auf diese Weise bracht' ich es ganz groß
zu einem eigenen Vermögen.
Wie ich dort einmal am Hafen auf und ab spaziere,
trifft ein Freund mich, lädt mich ein zum Essen.
Ich geh' hin, begebe mich zu Tisch und werde
freundlich aufgenommen, reichlich auch bewirtet.
Das Schiff wurde hinter das rechts Gebäude gerollt, während Acanthio nach links abging. Von rechts trat nun Pasicompsa auf, ging direkten Weges zu Charinus und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie blieb neben Charinus stehen.
Wie wir nachts dann schlafen gehen,
kommt zu mir ein Mädchen, wunderschön,
wie es sonst keines gibt.
Und wie mein Gastfreund ihr befohlen,
verbrachte sie die ganze Nacht bei mir.
Wie sehr sie mir gefiel, könnt ihr aus folgendem
ersehen: Schon am nächsten Tag geh' ich
zu meinem Freund und bitte ihn, das Mädchen –
mir zu verkaufen. Sag' ihm, wie ich dankbar wäre,
wie er in Zukunft ganz mit meiner Dienstbereitschaft
rechnen könne. Wozu viele Worte: Ja, ich kaufte sie,
und gestern bracht' ich sie mit mir hierher.
Doch daß mein Vater nicht erfährt,
was ich mir mitgebracht von meiner Reise,
ließ ich sie mit meinem Sklaven auf dem Schiff zurück.
Pasicompsa verschwand nach rechts während Charinus sich nun umblickte. Er war wieder alleine auf der Bühne, wo nun, von links Acanthio erschien. Langsam, schon trödelnd ging er auf Charinus zu.