Das Wort hat der Kläger. Das Wort hat der Kläger. Das Wort hat der Kläger. Dieser kurze Satz des Iudex hallte in Caius' Gedanken wider und blockierte für einen Augenblick alle Funktionen. Wie vom Donner gerührt stand er da, einer Salzsäule gleich, und starrte ein dickes Loch in die Luft.
"Verdammte Axt, Caius! Du bist dran!", fluchte Crassus leise neben ihm. Ein kräftiger Stoß in die Seite holte den Duccier zurück in die Wirklichkeit.
"Wodan steh' mir bei", flüsterte er gequält. Warum hatte er sich nur darauf eingelassen diese Klage vorzubringen? Auf einmal wollte er wieder nur noch weglaufen. Aber hinter ihm stand Crassus mit verschränkten Armen und räusperte sich auffordernd.
Nungut. Mochten die Nornen ihm beistehen, denn jetzt gab es kein Zurück mehr, ohne dass Caius sich völlig blamierte. Er trat einen Schritt vor, räusperte sich und richtete sein Wort schließlich an den Iudex Purgitius:
"Hohes Gericht. Ich... hrrm." Die ersten Worte klagen wie von einer Käsereibe gehobel. Caius räusperte sich erneut. Dann ging es besser. "Iudex Purgitius, §4 Absatz 5 der Lex Mercatus schreibt Senatoren und Angehörigen des Ordo Senatorius vor, welche Art von Betrieben sie führen beziehungsweise nicht führen dürfen. Maßgebliches Kriterium soll hierbei sein die Zuordnung des Betriebes zur 'Produktion landwirtschaftlicher Güter und deren Weiterverarbeitung'."
Kunstpause. Caius schluckte. Ein hastiger Blick zur Wasseruhr. Los, jetzt kommt die Ankündigung:
"Ich werde heute darlegen, dass Bäckereien dem Tatbestand des §4 Absatz 5 der Lex Mercatus zuzurechnen sind."
Nochmal eine kurze Pause. Sacken lassen. Caius' Finger waren schon ganz feucht. Er wischte sie verstohlen an seiner Toga ab.
"Der ehrenwerte Eques Tiberius Caecilius Metellus definierte Landwirtschaft einst als 'die zielgerichtete Erzeugung von pflanzlichen oder tierischen Produkten auf einer bewirtschafteten Fläche.' Dass eine Bäckerei pflanzliche oder tierische Produkte nicht erzeugt, ist, äh, allgemein bekannt.
Richten wir vielmehr unseren Blick auf das Merkmal der Weiterverarbeitung. Auch hierfür entwickelte Caecilius einst, eine sachdienliche Definition. Ähm. Sie lautet: 'Unter (Weiter)Verarbeitung versteht man den Prozess in dem aus einem Rohmaterial ein Produkt geschaffen wird. Das Rohmaterial eines Verarbeitungsprozesses kann dabei selbst das Produkt einer vorhergegangenen Verarbeitung sein.'
Hier pausierte Caius nochmal, atmete tief durch. Langsam kam er zur Ruhe, fühlte sich sicherer.
"Wollte man also gestatten, dass Senatoren eine Bäckerei betreiben dürfen, so müsste man die Feststellung treffen, dass die Bäckerei ein landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitender Betrieb sei.
Im Urteil des Iudicium Minor" - ein kurzer Blick auf eine Tabula, die Crassus ihm reichte, bevor er weitersprach - "ANTE DIEM XIII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (20.10.2007/104 n.Chr.) konstatierten die Praetoren hierzu:" Erneut sah Caius auf die Tabula, denn diesen Teil musste er einfach ablesen.
"'Eine Bäckerei kann kein Brot herstellen ohne Mehl, das seinerseits aus Getreide hergestellt werden muss. Getreide ist ein landwirtschaftliches Produkt, Mehl ist daher ein weiterverarbeitetes Produkt, da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne. Da eine Bäckerei jedoch auf dieses weiterverarbeitende Produkt Mehl angewiesen ist, kann es schon per se kein landwirtschaftlicher Betrieb sein.'
Dieser Urteilsspruch mag damals korrekt gewesen sein. Heute dagegen müssen wir ihn vor den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten beleuchten. Werfen wir dazu einen genaueren Blick auf den Prozess, der vom Getreide bis zum Laib Brot führt:
Der Bauer pflanzt also sein Getreide, erntet es, verkauft es. Dies ist der Schritt, der gemäß der Lex Mercatus als 'die zielgerichtete Erzeugung von pflanzlichen oder tierischen Produkten auf einer bewirtschafteten Fläche' einzustufen ist.
An wen verkauft der Bauer?, gilt es nun zu fragen. Früher, zu Zeiten des vorgenannten Urteils, veräußerte der Bauer sein Getreide meist an einen Müller. Dieser mahlte das Korn zu Mehl. Hierin ist - wie auch im zitierten Urteil geschehen - der Schritt der Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Sinne des §4 Absatz 5 der Lex Mercatus zu sehen."
Hier machte Caius noch einmal eine kurze Kunstpause. Er ließ die Worte wirken. Bisher hatte er nur Fakten und Meinungen gesammelt, die gegen seinen Antrag sprachen. Das wollte er nun umkehren. Caius holte Atem, rüstete sich für den entscheidenden Abschnitt seiner Gerichtsrede.
"Heutzutage jedoch liegen die Tatsachen anders. Niemand geht mehr zu einem Müller. Statt dessen ist es dem Bäcker zugebilligt worden, das benötigte Getreide gleich beim Bauer einzukaufen und daraus selbst Mehl zu mahlen, mit dem er schließlich seine Backwaren erzeugt.
Was können wir aus diesem Umstand folgern? Beim Mahlen des Getreides und der Verarbeitung des Mehls zu Brot und Gebäck handelt es sich um einen einzigen Arbeitsschritt, der im Haus des Bäckers vorgenommen wird. Es ist kein Zwischenschritt von Nöten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Bäcker einer anderen Beurteilung im Sinne des § 4 Absatz 5 der Lex Mercatus zu unterziehen als bisher geschehen."
Jetzt kam die Conclusio: "Hoher Iudex Purgitius, gemäß meinem Antrag bitte ich festzustellen, dass ein Bäcker gemäß § 4 Absatz 5 der Lex Mercatus nunmehr als Betrieb einzustufen ist, der landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitet. Meine Argumente legen dar, dass es in einem einzigen Produktionsschritt zur Weiterverarbeitung von Getreide zu Backwaren kommt. Damit muss es Senatoren und Mitgliedern des Ordo Senatorius nunmehr gestattet sein, Eigner einer Bäckerei zu sein."
Nach diesen Worten signalisierte er mit einem "Vielen Dank", dass er mit seinem Sachvortrag fertig war. Crassus nickte beeindruckt. Caius wischte sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß von der Stirn. Jetzt musste nur noch der Iudex mitspielen...