Beiträge von Tiberia Lucia

    Es gefiel Sergia offensichtlich nicht, dass ihre Neugierde nicht befriedigt wurde. Aber genau das freute wiederum Lucia. Sie hatte ja schon häufig genug am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlte einen Happen hingeworfen, aber dann das Mahl vorenthalten zu bekommen. Sie selbst wollte das möglichst nie wieder erleben, auch wenn es sich wohl kaum vermeiden ließ. Aber zu wissen oder zumindest zu glauben, wie sich Sergia grade fühlen musste, das war köstlich. Da machte die kleine Unverfrorenheit Sergias, nunja, jetzt wohl vielmehr Faustas auch kaum etwas. Es zeigte Lucia nur, dass ihre Gegenüber einfach keine Manieren besaß. „Aber nur wenn du mich Lucia nennst.“, erwiderte Lucia die übliche Formel. Demnächst würden sie sich noch gegenseitig die Haare flechten und tatsächlich über Jungs quatschen, dachte Lucia amüsiert. Bei dem üblichen Klatsch und Tratsch schienen sie zumindest schon angekommen zu sein. Zugegeben neugierig lehnte sich Lucia nach vorne und musste nun ihrerseits einen kleinen Dämpfer für ihre Neugierde einstecken. Blödes Timing!


    Erstaunt lauschte Lucia der Beschreibung von Sergias, äh, Faustas Essensunarten. So eine Schwangerschaft hörte sich extrem seltsam an. So viele Verbote und dann schien einen noch der eigene Körper ein Schnippchen schlagen zu wollen. „Das klingt ja äußerst unangenehm! Ist das normal?“, musste sie einfach verwundert nachfragen. Sie wusste ja selbst, dass dies eher unhöflich war, aber momentan erschien die Möglichkeit einer eigenen Schwangerschaft für Lucia nicht mehr so weit entfernt wie noch vor einem halben Jahr. Leider gefiel ihr, was sie bis jetzt davon erfahren hatte nicht wirklich… sie musste einfach mehr davon erfahren! Lucia nahm sich auch fest vor Manlia zu einem anderen Zeitpunkt mit Fragen zu löchern. „Was hat der Arzt denn nicht verboten?“ Eine gemeine Eigenschaft der Neugierde war es, dass sie sich nur ungern aufschieben ließ und wenn man nicht auf seine Zunge aufpasste, stellte die einfach immer weiter Fragen.

    [SIM-OFF]Macht nix, bin ja momentan selbst nicht so schnell ^^[/SIM-OFF]


    Er war also doch im Garten! Hatte Iulia sie mit Absicht missinformiert? In ihrer momentanen Stimmung würde Lucia es dem Mädchen durchaus zutrauen. Grade wollte sie nur zu gerne jemandem dafür die Augen auskratzen. Doch Dives Besorgnis legte sich wie Balsam auf Lucias aufgewühlte Stimmung.


    Allein dass er um ihretwillen fürsorglich nachfragte war wundervoll. Sie wusste zunächst nicht, was sie antworten sollte und widersprach dann rasch seiner Vermutung: „Nein, keine Sorge, diesmal nicht…“ Nur zu gerne ließ sie sich so halb umarmen und zur Kline führen. Warum konnte nicht ihr Bruder so sein? Der warme Körper neben ihr strahlte für sie so eine Ruhe und Ausgeglichenheit aus, dass sich auch Lucia gleich wohler fühlte. Er hätte garantiert nicht so wie ihr Bruder gehandelt! Nein, sicher nicht. Er hätte ihr zugehört, mindestens! Er hätte nicht… Lucia bemühte sich sich nicht wieder dahinein zu steigern und konzentrierte sich auf die aufkeimende Geborgenheit, die sie fühlte.


    Müde setzte sie sich auf den Rand der Kline und lächelte beinahe verlegen, ob der vielen Freundlichkeit. „Ja, danke, das wäre wundervoll.“, stimmte sie einfach mal allem Vorgeschlagenen zu. „Ich bin froh, dass du schon hier bist. Ich fürchtete ein wenig zu früh zu sein. Aber ich hab es daheim einfach nicht mehr ausgehalten!“, gab sie ungewöhnlich offen zu. Schon im nächsten Moment war sie sich nicht mehr so sicher, ob das so schlau gewesen war. Familienangelegenheiten trug man nicht nach außen… Aber bei so einer Familie… Lucia biss sich auf die Lippe. Trotzdem. „Entschuldige mein Aussehen, ich hatte spontan Lust herzulaufen. War nicht eine meiner besten Ideen.“, versuchte sie also rasch von dem eben Gesagtem mit etwas anderem seltsamen abzulenken und versuchte ein wenig Staub aus dem Saum ihres Kleides zu schütteln.

    [SIM-OFF] Macht nix :) [/SIM-OFF]
    „Ach weißt du…“, begann Lucia. Sie fühlte noch immer den starken Drang sich irgendjemandem mitzuteilen, irgendwem… Aber wem sollte sie es schon erzählen? Jeder weitere Mitwisser war eine zusätzliche Wahrscheinlichkeit, dass die Geschichte an Ohren drang, für die sie absolut nicht bestimmt war. Im Grunde saß Lucia hier genauso ein Paar Ohren gegenüber. Sergia war nun wirklich nicht eine der Personen, die Lucia als ihre Geheimniswahrerin wollte. Die Geschichte würde unter Garantie nur so lange eine vertrauliche Sache zwischen ihnen bleiben, wie sie und Sergia sich irgendwie vertrugen. Wie so häufig in letzter Zeit, wenn Lucia nicht genau wusste wie sie sich ausdrücken sollte, flüchtete sie sich in eine Nachahmung der Redeweise ihrer Freundin Manlia: „Gerade über diesen Teil des Abends hat sich so ein Schleier gelegt. Ich fürchte, meine Liebe, ich weiß dir nichts über diesen Iullus oder irgendjemand anderen zu berichten.“ Das zufriedene Grinsen von eben wollte aber noch nicht so ganz von Lucias Zügen weichen. Es war zu dem Schmunzeln einer Katze, die Sahne geschleckt hatte, geworden.


    Die Speisen waren aufgetragen und plötzlich sah Sergia nicht mehr ganz so rosig und fidel aus, wie eben noch. Das Brot? Lucia blinzelte verwirrt – hatte sie doch noch nicht wirklich viel mit Schwangeren zu tun gehabt. Dennoch winkte sie sogleich Arsinoe wieder an den Tisch, damit sie das Rosmarin Brot wegschaffte. Sie konnte es sich dann aber doch nicht verkneifen nachzufragen: „Was ist denn mit dem Brot, magst du kein Rosmarin? Oder hat der Arzt auch dagegen etwas?“ Das zweite würde zwar nicht erklären, warum Sergia plötzlich so blass um die Nase wirkte, aber es war in Lucias Augen eine Möglichkeit.

    Wieder entstand dieses schwere Schweigen zwischen ihnen, in dem Lucia gespannt wartete. Dann schlich sich doch tatsächlich so etwas wie der Ansatz eines Lächelns auf ihre Lippen, als Myrsini nachfragte. „Der Empfänger ist Aulus Iunius Avianus. Er ist ein Soldat der Cohortes Praetoria.“ Das Lächeln wurde breiter, diesmal aber weil sie sich die Reaktion von Avianus auf diesen Brief vorstellte. „Ich möchte, dass du diesen Brief nicht am Tor abgibst und auch nicht in der Poststelle. Du musst ihn Avianus…“ Dass Lucia den Soldaten nun beim Cognomen nannte, anstatt wie bis her einfach Iunius, hatte sie sich nicht vorher überlegt. Sie hatte sich spontan dazu entschieden. Wenn Myrsini das ganze hier Vala berichtete, konnte sie ihn gleich auch ein wenig zum Nachdenken bringen, was genau das jetzt zu bedeuten hatten. „… persönlich überreichen. Hast du mich verstanden? Du gibst den Brief… und die Kette natürlich… niemanden sonst!“ Eindringlich blickte Lucia Myrsini in die Augen und verlangte dann nochmal, ehe sie sie endgültig losschicken würde: „Wiederhole deinen Auftrag!“

    Eigentlich hätte sie wohl erwarten sollen, dass ein Mann wie Durus sehr viel zu regeln haben mochte und somit ein entsprechend langes Testament verfassen würde. Doch der vorgelesene Text war wirklich schrecklich lang! Mehrmals merkte Lucia, wie ihre Aufmerksamkeit schwand und sie hatte Mühe mit den Gedanken nicht abzuschweifen. Dann kam das Ende, in dem die weiblichen Verwandten ermahnt wurden… ‚Das hatte doch Lepidus irgendwie einfügen lassen!‘ Dieser abstruse Gedanke scherte sich nicht darum, wie unmöglich er war und wie viel Aufwand für welches Ergebnis dafür nötig gewesen wäre. Lucia konnte im ersten Moment nicht anders als glauben, dass ihr Bruder ihr mit den Worten eines Verstorbenen noch eine reindrücken wollte. Erst als Lepidus wieder das Wort ergriff wurde ihr bewusst, dass er – wenn er das Testament irgendwie hätte ändern können - doch garantiert eher irgendeine Floskel eingefügt hätte die auch ihm ein Stück des Kuchens verspricht. Lucia Zog die Nase kraus und tat etwas unerlaubtes: Sie dachte schlecht von einem Verstorbenen.

    Erschrocken zuckte Lucia zusammen. Der Ansatz eines Lächelns, das sich eben noch auf ihren Lippen versucht hatte, verschwand völlig. Aus dem ersten Impuls heraus presste sie ein „Nichts!“ hervor. Das war wohl die typische Reaktion eines ertappten Kindes, denn so kam sich Lucia seltsamerweise vor. Ihr schlug genauso plötzlich das Herz in der Kehle und sie musste gegen den Impuls ankämpfen einen Schritt zurück zu machen. Genauso hatte sie sich gefühlt, als ihr die Lieblingsvase *ihrer Mutter* runtergefallen war und diese *in* dem Moment ins Zimmer kam. Nein, so ganz vergleichbar war das doch nicht. Vor ihrer Mutter hatte sie sich eher geschämt, sie hatte sich ein wenig vor der Strafe gefürchtet. Doch sie fürchtete sich eindeutig vor Vala.
    Ihr wurde klar, dass der Duccier wohl mehr erwartete, immerhin hatte sie eben eindeutig zugegeben, etwas erzählt zu haben. Also lieber rasch die Wahrheit: „Nur, dass wir uns verlobt haben. Und dass ich eigentlich nicht will. Dass ich aber muss.“ Ganze Sätze erschienen Lucia für die Situation einfach zu lang. „Er hat mir nach dem ersten aber nicht mal mehr richtig zugehört!“, versuchte sie die ganze Sache dann noch irgendwie abzumildern. ‚Ja, die Vase hat einen Sprung, aber man kann die Seite doch zur Wand drehen.‘

    Lucia musterte ihre Sklavin, nachdem diese ihre Antwort gegeben hatte, lange mit skeptischem Blick und ohne ein Wort zu sagen. Es wurde Lucia fast sogar selbst unangenehm so lange zu schweigen, aber sie wollte nur zu gerne ergründen was hinter diesen Worten lag. Doch sie konnte weder in den dunklen Augen ihrer Sklavin noch in deren Gesicht etwas lesen, außer unterordnender Höflichkeit. Das war frustrierend!
    „Gut…“, sprach Lucia dann endlich, wenn auch zögernd. „Nimm diesen Brief und diese Kette und überbringe sie.“ Sie reichte der neben ihr stehenden Arsinoe eine zusammengerollte aber nicht versiegelte Schriftrolle und eine recht schlichte goldene Kette mit einem einzigen kleinen, tiefblauen Edelstein als Anhänger. Die junge Sklavin, die eigentlich noch kein Wort mit Myrsini gewechselt hatte, gab die beiden Dinge an sie weiter und lächelte dabei sogar leicht. Fast als wollte sie das deutliche Zeichen der Ablehnung, weil Lucia die beiden Gegenstände nicht direkt übergeben hatte, etwas abmildern.
    Mit Interesse wartete Lucia ab, was ihre Sklavin nun tun würde. Nachfragen? Die Rolle öffnen um den Empfänger zu lesen? Konnte sie überhaupt lesen? Würde sie einfach losgehen und außerhalb des Zimmers den Brief öffnen? Würde sie Vala hiervon erzählen, wenn ihr bewusst wurde an wen ihre Herrin schrieb? Was würde mit dem Goldkettchen geschehen? Lucia kam der Gedanke Myrsini vielleicht jemanden hinterher zu schicken, der sie beobachtete.


    Roma, ANTE DIEM III KAL SEP DCCCLXIV A.U.C.


    Ad
    Aulus Iunius Avianus
    Cohortes Praetoria
    Castra Praetoria
    Roma, Italia


    Salve Iunius


    Da wir immer so erfrischend ehrlich zueinander sind, gebe ich offen zu: Mir ist langweilig. Ich sitze in meinem Zimmer und stelle mir die Frage: „Was tut eine gute, römische Frau, wenn sie grade nichts zu tun hat?“ Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach, aber irgendwann kam mir die Idee: Eine gute, römische Frau würde einem römischen Soldaten eine kleine Freude machen! Da du, neben einem Verwandten, der einzige Soldat bist den ich mit vollem Namen kenne, kommst du nun in den Genuss einer meiner Briefe. Immerhin hast du mal behauptet, dass du dich über ein Schreiben freuen würdest.


    Wenn ich an dich denke, kommt mir auch sogleich ein anderer Name ins Gedächtnis: Dein Kollege Cato. Er war mir recht sympathisch und ich möchte auch ihm eine Freude machen. Richte ihm also bitte meine besten Grüße aus und überreiche ihm die mit diesem Brief überbrachte Kette. Sie ist als Geschenk für seine Schwester gedacht, die ihm immer so treu schreibt.


    Ich weiß in einem guten Brief sollte man eigentlich viele Fragen stellen, um es dem Empfänger einfacher zu machen eine Antwort zu verfassen. Da ich jedoch nicht weiß, ob du mir überhaupt antworten möchtest, beschränke ich mich auf ein „Wie geht es dir?“


    Vale bene
    Tiberia Lucia


    Er war interessiert. Lucias Herz schlug vorfreudig schneller. Jetzt musste sie Flaminina möglichst gut verkaufen. „Wo fange ich da am besten an? Sie ist ein sehr offener Mensch. Ich habe noch kaum jemanden so schnell neue Kontakte knüpfen sehen, wie sie. Wir waren mal in der Therme und leider war die Massageliege neben mir belegt. Sie hat sich ohne zu zögern eine andere neben einer mir unbekannten Frau gesucht und danach waren wir zu dritt unterwegs.“ Lucia grinste und zuckte mit den Schultern. „Am gleichen Tag hat sie sich schon wegen der neuen Freundin mit einer anderen Frau in die Haare bekommen. Ich muss aber zugeben, dass ich an der Situation nicht so ganz unschuldig war. Vielleicht war das ganze ja auch eher meinetwegen…“ Am liebsten wollte Lucia da nicht genauer drauf eingehen, sie hoffte einfach dass Silanus nicht nachfragen würde. „So oder so, sie steht zu ihren Freunden.“ Loyalität war ja eines der Dinge, die sich Silanus gewünscht hatte, oder? Da müsste ihm das ja schon ganz gut gefallen. „Und ich meine das wirklich ernst!“, fuhr Lucia fort und bezog sich auf die andere Gelegenheit, wo Flaminina wahre Freundschaft und auch einiges an Mut und vielleicht auch ein wenig Dummheit gezeigt hatte. „Wir waren mal gemeinsam auf dem Markt unterwegs und wurden an einem Stand überfallen. Ich konnte mich vor Angst nicht rühren. Flaminina hat vorlaut versucht sich mit den Räubern anzulegen, um Zeit zu gewinnen bis jemand die Cohortes Urbanae geholt hatte.“, zumindest glaubte Lucia das, nie im Leben wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass sie als eine Frau es tatsächlich mit den Räubern hatte aufnehmen wollen. War Flaminina eigentlich auch mit einem Messer bedroht worden? Der ganze Vorfall war für Lucia ziemlich verschwommen und sie mochte auch nicht so genau daran denken. Sie dachte nur, es wäre ein wundervolles Beispiel um von Flaminina zu erzählen.

    Lucia war sich alles andere als sicher, ob ihr Brief in irgendeiner Weise funktionieren würde. Beinahe tat es ihr schon wieder Leid ihn geschrieben zu haben, schob sie doch eine ihrer liebsten Freundinnen vor und diese wusste noch nicht mal was davon. Doch Lucia musste einfach ein wenig mehr erfahren. Sie hatte mal gelernt, dass Wissen Macht war und so wenig Macht wie sie momentan hatte, konnte sie alles Wissen gebrauchen, was sie nur irgendwie bekommen konnte.


    Wegen ihrer Nervosität war Lucia viel zu früh im Hortus und machte es sich auf einer Bank unter einer in einen Bogen geflochtenen und dadurch Schatten spendenden Weinrebe gemütlich. Sie hatte nur Arsinoe mit zum Treffpunkt kommen lassen, Sekunda wartete bei der Sänfte und de andere Sklaven an einem der Eingänge. Um sich die Zeit zu vertreiben veranstaltete Lucia mit ihrer jungen Sklavin ein kleines Picknick. Arsinoe packte den großen Weidenkorb aus. Zuerst ein kleines Tuch, auf dem dann verschiedene Käse und Weintrauben platziert wurden. Sie hatten auch einen Weinschlauch dabei, doch noch verspürte Lucia keinen Durst. Sie ging viel mehr immer wieder im Kopf durch, was sie sagen wollte… sofern der Duccier überhaupt auftauchte.


    Sie glaubte schon ewig gewartet zu haben, die Traube Weintrauben war schon sichtlich geschrumpft und auch vom Käse fehlte einiges. Doch da kam der Duccier endlich um die Ecke. Erleichtert atmete Lucia auf und schenkte dem jungen Mann zur Begrüßung ein breites Lächeln. „Salve Duccius.“, erwiderte sie seinen Gruß. „Es freut mich, dass du es einrichten konntest. Setz dich doch bitte.“ Natürlich wies Lucia ihm keinen Platz direkt neben ihr. Das wäre zum einen unschicklich… weil sie sich ja darüber noch so große Gedanken machen musste… aber alte Gewohnheiten sterben wohl schwer, zum andere lag dort noch ihr kleines Picknick. Nein, Lucia wies auf die Bank ihr gegenüber, ebenfalls unter dem Bogen, aber auf der anderen Seite des Ganges. Eine angenehme Entfernung, um sich zu unterhalten, vermutlich hatte sich der Architekt tatsächlich etwas dabei gedacht gehabt. „Ich hoffe, du wirst jetzt meinetwegen keinen Ärger bekommen?“, fragte sie vorsichtig nach. Es interessierte sie, aber sie wollte sich auch bewusst mitfühlend zeigen, um besser rüberzukommen.

    Jetzt war es geschehen. Es konnte wohl nicht mehr rückgängig gemacht werden… Jede einzelne Befürchtung bestätigt, straffte sich die alte Sklavin. Sie war bereit es mit Myrsini aufzunehmen! Sie würde die junge Arsinoe fördern wo es nur ging, damit diese auch später der Griechin ohne Probleme Paroli bieten konnte. Das wäre ja noch schöner, wenn dieser Duccius Sekundas Nachfolgerin wählen würde! Die alte Frau hatte vor noch lange für ihre Herrin zu sorgen und sie hatte vor zu entscheiden, wer ihr nachfolgen würde. Wieder musterte sie die unterwürfige Haltung des ‚Geschenks‘ und zog abfällig die Nase kraus.


    Eine weitere Niederlage, die Lucia einstecken musste. Sie mochte im Vergleich zu den anderen klein sein, doch sie fühlte sich trotzdem nicht gut an. Vorallem schien Vala tatschlich erleichtert, dass sie annahm. Hätte sie die Sklavin mit ein wenig mehr Mut denn tatsächlich ablehnen können? Dieser Gedanke machte das unangenehme Schweigen nicht besser.
    Irgendwie hatte sich Lucia schon gefragt, wann es so weit war. Es war dennoch ein kleiner Schock das nochmal so gesagt zu bekommen. Sie sollte was tun? Dafür war es wohl ein wenig zu spät, immerhin hatte Lucia schon eine recht verheulte Beichte im Cubiclum ihres Bruders hinter sich. „Ich habe es ihm schon… erzählt.“ Dass sie Lepidus nicht dazu gebracht hatte direkt bei Vala aufzukreuzen, sagte schon einen Teil über den Erfolg dieser Beichte aus. „Er denkt ich spinne und er ist dagegen… natürlich.“ Lucias Mundwinkel zuckten im Anflug von unangebrachtem Galgenhumor.

    Seit ihrem Hausarrest war Lucia nicht mehr besonders gerne in der Villa Tiberia. Die letzten Tage war sie bei verschiedenen Freundinnen, nur um nicht daheim sein zu müssen. Leider ging das heute nicht. Keine ihrer Freundinnen hatte Zeit und das Wetter war eindeutig nicht gut genug, um sich irgendwo draußen herumzutreiben. Was sollte man an so einem Tag machen, wenn man mal wieder quasi in seinem Zimmer gefangen war?


    Es dauerte nicht lange und Lucia hatte eine wunderbare Idee, wie sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Sie ließ also nach Myrsini rufen, die sich bisher in der Küche hatte nützlich machen „dürfen“. Da war sie schön weit weg und konnte sich irgendwie nützlich machen. Vermutlich hatte sie trotzdem den ganzen Heckmeck um den Hausarrest mitbekommen, wer hatte das in der Villa nicht? Lucia seufzte und versuchte die ganze Affäre abzuschütteln.


    Lucia setzte sich an ihren Tisch und begann zu schreiben. Sie war sich bewusst, dass Myrsini bald kommen würde und ignorierte sie so lange, wie es nötig war um den Brief zu beenden. Erst als auch das letzte Wort getrocknet war, sah Lucia auf und musterte ihre ungewollte Sklavin.


    „Wenn ich dir einen Auftrag erteile, wie sicher kann ich mir sein?“

    Nach wie vor mit einer leicht unangebrachten Heiterkeit kämpfend, griff Lucia nach ihrem Wein. Sie hoffte sich nach einem oder zwei Schlucken genug Zeit verschafft zu haben, um zumindest wieder etwas ernster zu dem Gespräch zurückzukehren. Während sie trank sprach Silanus und seine Worte zeigten Lucia nochmal zusätzlich, dass sie wohl tatsächlich ernsthaft nach einer Freundin forschen sollte. Das schmeichelte Lucia nicht wenig und sie wollte Silanus nur ungern enttäuschen. Aber woher so eine perfekte Fusion von Minerva, Iustitia und Venus nehmen? Immer noch breit grinsend stellte Lucia ihren Wein ab und überlegte. Ihr war vorallem der Begriff unternehmungslustig im Kopf geblieben und da fiel ihr sofort der Name Flaminina ein. Kurz zögerte Lucia, dann dachte sie sich ‚mehr als schieflaufen kann es nicht‘ und nickte sich selbst bestätigend zu.
    „Ich möchte nichts versprechen… aber wüsste vielleicht jemanden.“ Absichtlich legte Lucia eine kleine Pause ein, um es spannender zu machen. „Sie ist eine sehr gute Freundin von mir… ouh, wir haben schon so einiges erlebt!“, erinnerte sich Lucia laut und ihr Lächeln wurde ein wenig blasser. Das konnte gut und gerne ein wenig seltsam wirken, wenn man nicht wusste was genau die beiden schon erlebt hatten. „Wenn du magst, kann ich dir ein wenig von ihr erzählen.“ Lucia war festentschlossen den Namen erst zu enthüllen, wenn Silanus noch einmal bestätigt hatte, dass sie das wirklich tun sollte.

    … und ließ die Tür viel zu laut hinter sich zuknallen. Böse starrte Lucia auf das Holz, als könnte sie noch die nervige Iulia sehen. In dem Glauben noch ganz allein im Hortus zu sein – immerhin hatte Torquata ihr da nichts Anderweitiges gesagt – rieb sich Lucia die pochende Stirn und fluchte: „Stultissima! Turpissima! Foedissima!“ Sie hatte besondere Freude daran die gleichartigen Endungen der Schimpfwörter richtig schön zu zischen, mit jedem schien ihr Kopf wieder ein bisschen freier zu werden. Sie glaubte schon ihr würde nichts Ähnliches mehr einfallen, da kam ihr noch eine letzte, schön herabsetzende Bezeichnung: „Nequissima!“ Mit dieser triumphierend ausgestoßener Beleidigung, drehte sich Lucia um, nur um zu sehen dass sie doch nicht alleine im Garten war. Sie lief purpurrot an, was sich besonders gut mit ihren Augenringen machte. Wenn ein Betrachter seine Aufmerksamkeit nun nicht nur direkt auf ihr Gesicht richten mochte, konnten ihm auch ihr staubiger Saum und die schmutzigen Schühchen ins Auge springen.

    In die falsche Richtung war sie also gelaufen? Lucia hätte Iulia gerne angefaucht, dass doch sie selbst ihren Gast in diese Richtung geführt hatte. Doch so hauchdünn auch momentan ihre Selbstbeherrschung war, dafür reichte es dann doch noch. Mit zusammengebissenen Zähnen blieb Lucia also stehen, drehte sich zur besagten Tür und wollte sie möglichst rasch zwischen sich und dem Mädchen schließen. Doch das hatte noch etwas zu sagen. Lucia fasste sich mit zwei Fingern an die Nasenwurzel und atmete gezwungen tief durch. „Immer noch mein Problem und nicht deines“, flüsterte sie gepresst, sie war sich nicht sicher, ob Iulia sie überhaupt gehört haben konnte. Diese verabschiede sich dann auch gleich viel zu süß, worauf sich Lucia eine Antwort ersparte. Entnervt öffnete sie die ihr eben gewiesene Tür zum Hortus

    Silanus lehnte sich ihr entgegen und auch Lucia senkte ihren Kopf in seine Richtung. Sie hatte einen langen Abend erwartet, bei dem sie hauptsächlich kleine, amüsante Einwürfe in das Gespräch der Männer machen konnte. Das hier war so viel besser! Sie lächelte verschwörerisch, während Silanus anfing die Eigenschaften aufzuzählen. Die erste Hälfte war gut nachvollziehbar, eigentlich fast genau das was Lucia erwartet hatte. Naja, doch irgendwie ganz anders, keine junge Kindergebärende Frau, wie es ihr erster Gedanke war… War aber auch logisch: Jemand in Silanus Position brauchte natürlich keinen Klotz am Bein, sondern eine gute Gesellschafterin, die ihm einen Teil der Last abnahm und diese nicht auch noch vermehrte! Lucia wollte schon zu einer Antwort a la ‚nichts einfacher als das‘ ansetzen, da fuhr Silanus fort.


    Lucias Verschwörerlächeln veränderte sich langsam aber merklich und ihre Augen blitzen amüsiert. Je länger sie über Silanus Worte nachdachte, umso mehr Probleme fielen ihr auf. Es dauerte nicht lange, da kam sogar von Silanus, was Lucia bis jetzt noch heimlich dachte. Sie lachte leise. „Deine Wünsche grenzen die Auswahl schon ein wenig ein, ja.“, gab sie mit einem Schmunzeln zu und schüttelte dann den Kopf. „Aber zu hoch gesteckt? Nein, eigentlich nicht. Ich kann jeden deiner Wünsche nachvollziehen und fühle mich als Frau von keinem davon beleidigt oder so… nur ziemlich unter Druck gesetzt.“ Sie grinste. „Du wünschst dir da doch recht viel Gegensätzliches. Je intelligenter ein Mensch, umso humorloser ist er doch oft. Je unternehmungsfreudiger sie sein wird, umso weniger verständnisvoll wird sie sein, wenn du sie alleine lässt.“ Lucia kicherte und vergrub ihr Gesicht kurz in der Hand, auf die sie die ganze Zeit ihr Kinn gestützt hatte. Als sie wieder aufblickte strahlte sie vor Erheiterung. „Ich fürchte ich hab noch nie so eine Frau getroffen.“ Hilflos breitete sie die Hände aus und versuchte vergeblich verlegen zu gucken.

    So langsam aber sicher ging Lucia das Mädchen an ihrer Seite auf die Nerven! Hatte die noch nie etwas von vornehmer Zurückhaltung gehört? Vielleicht war Lucia ja auch nur aufgrund ihrer Müdigkeit ungeduldiger als sonst… Aber alleine dass Iulia so offensichtlich auf eine Seltsamkeit hinwies zeigte Lucia, dass sie nicht viel von den feineren Wegen an Informationen zu gelangen wissen konnte. Dem konnte man eigentlich leicht ausweichen, Lucia hatte jedoch keine Lust sich irgendwelche eleganten Worte als Antwort einfallen zu lassen. Sie packte also ihren bisher kaum merklichen patrizischen Hochmut aus. Sie blieb stehen. Ihre Haltung wurde grader aber auch ablehnender, ihr Kinn hob sich und ihre Mine wurde weitgehend ausdruckslos. Dann zog sie eine Augenbraue hoch und blickte auf Iulia hinab, während sie leise aber bestimmt sagte: „Die Art und Weise meiner Ankunft, ist für dich wohl kaum von Belang.“ Anschließend ging sie einfach in die Richtung weiter, die sie eben eingeschlagen hatten.

    Lucia war keine wirkliche Weinkennerin. Die Sklaven bei ihr daheim wussten was ihr schmeckte, da musste sie nicht eine bestimmte Sorte nennen. So direkt gefragt tendierte sie zuerst zu dem ihr bekannten: Unter Falerner konnte sie sich etwas vorstellen. Doch warum sollte man immer bei bekanntem bleiben? Sie wusste ja nun aus erster Hand, dass einem das wohl nicht viel bringt… „Na, wenn der Chios so ausgezeichnet ist, muss ich ihn probieren!“, entschied sie sich spontan und hoffte das nicht noch bereuen zu müssen.


    Arsinoe ließ ihre Herrin nur äußerst ungern aus den Augen, doch es war einfach nicht üblich… Widerwillig ließ sie sich also von der Sklavin fortführen. Vielleicht ergab sich ja später eine Möglichkeit ein Auge auf Lucia zu haben, ohne dass es jemand mitbekam.


    Das junge Ding war ziemlich vorwitzig! Naja, junges Ding war wohl relativ, Lucia glaubte, wenn übrhaupt dann nur wenige Jahre älter zu sein. Aber so eine direkte Neugierde weckte in Lucia sogar in ihrem übermüdeten Zustand Misstrauen. Warum wollte Iulia das wissen? „Dein… Vater“, schaffte es Lucia noch immer nicht diese Bezeichnung für Dives ohne zu zögern auszusprechen. „und ich sind Freunde, keine Geschäftspartner. Warum sollte ich zu ihm ins Officium gehen?“, stellte sie deshalb eine verwunderte Gegenfrage.

    Arsinoe musterte ihre Herrin verstohlen. Die junge Sklavin war ja schon froh gewesen, dass Lucia es zumindest ihr erlaubte mitzukommen. Doch wäre es der jungen Frau tausendmal lieber gewesen, wenn Sekunda ihre Herrin zur Vernunft gebracht hätte. Doch selbst die alte Frau hatte nicht zu Lucia durchdringen können. Sie verhielt sich wirklich seltsam!
    „Ich würde gerne im Garten auf deinen…“, Lucia zögerte kurz verwirrt, fuhr dann aber in dem Versuch fort sich nichts anmerken zu lassen. „… Vater warten. Eine Erfrischung wäre aber auch dort nicht schlecht.“ Lucia folgte der Iulia mit sichtlich müderen Schritten in das Haus, das sie bisher nur beim Brautzug von außen gesehen hatte.

    Noch nie war Lucia bei der Verlesung eines Testaments dabei gewesen. Da machte es überhaupt nichts, dass sie nichts von dem Erbe abbekommen würde. Es war schon so spannend genug einfach zu erfahren was und wie viel jemand wie Tiberius Durus zu vererben hatte. Gespannt wartete Lucia zusammen mit den anderen drauf, dass es endlich losgehen würde. Sie spielte ungeduldig mit einer Locke ihrer Haare und wippte unruhig mit dem Fuß, während sie die anderen musterte. Waren diese auch so neugierig wie sie? Oder hofften sie gar etwas abzubekommen? Lucia ging davon aus, dass der leibliche und der adoptierte Sohn sich das Erbe teilen würden, aber ob das so einfach war?