Vielleicht sollte es so enden. Und wenn dem so war, dann wehrte ich mich auch gar nicht mehr dagegen. Der Mosaikboden, auf dem ich lag, wurde zwar durch den darunter verborgenen Hypokaust gewärmt. Vielleicht zögerte dieser Umstand das Ganze auch ein wenig hinaus. Am Ende jedoch war die Konsequenz meines Zustands unausweichlich. Mein Atem hatte sich bereits verlangsamt. Bald war der letzte Rest ausgehaucht. Ich spürte auch kaum noch die Schmerzen meiner Verletzung. Nur noch wenig trennte mich von ihr. Schon bald konnten wir wieder zusammen sein. Dann würde ich sie, so wie damals, wieder bei der Hand nehmen und mit ihr über die saftig grünen Wiesen…
Irgendetwas schien mich plötzlich zurückreißen zu wollen. Die aufgebrachten Stimmen und das Vibrieren aufgescheuchter Schritte um mich herum waren mir nicht sofort bewusst geworden. Wahrscheinlich erst, als man versuchte, mich vom Boden aufzuheben und sich der brennende Schmerz meine Wunde wieder einstellte, begriff ich, dass ich nicht mehr allein war. Mehrere Hände zerrten an mir herum und schienen sich alle Mühe zu geben, mich hier im Diesseits zu behalten. Doch eine seltsame Gleichgültigkeit überkam mich. Wollte ich überhaupt noch hier bleiben? Wesentlich einfacher war es doch, sich einfach dahintreiben zu lassen…
Cosmas, der flavische Medicus hatte sich die größte Mühe gegeben und tat auch weiterhin alles, um mein Leben zu retten. Tagelang hatte es auf der Kippe gestanden, ob ich dies überhaupt überleben sollte. Denn meine Wunde hatte sich entzündet und dem geschwächten Körper zusätzlich noch mit Fieber zugesetzt. Als ob sein eigenes Leben davon abhing, war er mir all die Tage nicht von der Seite gewichen. Später erfuhr ich dann, dass man tatsächlich sein Leben von meinem Überleben abhängig gemacht hatte. Mehrmals täglich hatte er bis zur Erschöpfung die Verbände gewechselt, die Wunde gereinigt, sie mit Tinkturen und Salben behandelt und versucht, das Fieber zu senken. Nach langen Tagen des Bangens fruchteten schließlich diese Mühen. Das Fieber sank und die Wunde, begann wieder zu verheilen. Wie es allerdings in mir drinnen aussah, wusste niemand.
Der Medicus, dem die Strapazen der letzten Tage anzusehen waren, saß neben mir an meinem Lager, als ich erwachte. Mir war anfangs nicht bewusst gewesen, wie lange ich geschlafen hatte, doch ich ahnte bereits, dass die Zeit, die Sciurus mir zugedacht hatte, längst verstrichen sein musste. Cosmas aber schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Sofort ließ er mir eine kräftigende Suppe zubereiten und meinte, bald sei ich wieder der Alte. Aber was wusste Cosmas schon!
Die Suppe musste man mir einflößen. Ich hatte kein Verlangen nach Essen. Warum sollte ich diesen Körper noch am Leben erhalten, wenn mir doch nichts mehr am Leben lag? Außerdem nervte es mich, dass ständig jemand nach mir sah. Noch ahnte ich nicht, warum sich alle so eindringlich um mich kümmerten. Doch dies änderte sich einige Tage später, als ich das Gespräch zwischen dem Medicus und einen anderen Sklaven belauschte. Die beiden wähnten mich schlafend, daher gaben sie sich so ungewohnt offen.:
„Eigentlich ist es doch völlig sinnlos, dass wir ihn erst gesund pflegen, wenn er dann doch wieder…“, begann der Sklave.
„Was, wenn er doch wieder?! Was redest du da?“ Cosmas war kein Freund solcher Reflexionen. Er hatte einen Auftrag von Dominus Scato erhalten und den gedachte er auch auszuführen, ohne wenn und aber.
„Na, wenn er dann doch bestraft werden soll. Du glaubst doch nicht, dass..“
„Was glaube ich nicht?“, fiel der Medicus dem Sklaven ins Wort.
„Du weißt genau, dass die Flavier mit ihren Sklaven nicht zimperlich sind, wenn es ums ‚Bestrafen‘ geht.“ Natürlich hatte man sich unter der Sklavenschaft bereits so seine Gedanken gemacht. Schließlich hatten die Ereignisse um die Rückkehr des Sklaven Angus hatte im Sklaventrakt blitzschnell die Runde gemacht.
„An deiner Stelle, würde ich mir darüber keine Gedanken machen. Das ist alleine die Sache seines Domnius. Wenn er der Meinung ist, dass sein Sklave versagt hat, dann hat er allen Grund, ihn zu bestrafen.“ Damit war für Cosmas das Thema erledigt und ich war um eine Erkenntnis schlauer. Das war es also, warum alle so nett und fürsorglich zu mir waren, obwohl ich doch versagt hatte...
Tage später nutzte ich einen unbeobachteten Moment und verließ mein Lager. Ich hatte immer noch Schmerzen. Sehr schwerfällig zog ich mir eine frische Tunika über. Dann schlurfte ich langsam hinaus aus dem Schlafraum. Hin und wieder blieb ich stehen, um mich auszuruhen. Es bedurfte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich das Balneum erreicht hatte. Ich wusch und rasierte mich. Ein kleiner schaler Spiegel ließ dennoch erahnen, wie erschreckend noch immer mein Aussehen war. Die Verletzung und das Fieber hatten ihre Spuren hinterlassen. Mein Gesicht wirkte eingefallen und grau und auch der Glanz in meinen Augen war verschwunden.
Schließlich setzte ich meinen Weg fort und fand mich wieder dort ein, wo ich bereits vor ich weiß nicht wie vielen Tagen gestanden hatte. Nach einigem Zögern klopfte ich endlich an und trat ein.