Beiträge von Angus

    Während die meisten meiner Standesgenossen sich bereits zu Ruhe gebettet hatten und sich die Stille über der Villa legte, hielt mich nichts mehr in meinem Lager. Die Schlaflosigkeit war ein steter Begleiter geworden, statt meinem Körper Ruhe zu gönnen, wandelte ich Nacht für Nacht durch die Gänge der Villa, auf der Suche nach Wein. Wenn ich erfolgreich geworden war verlor ich mich zumeist in ihrem Garten bis die ersten Sonnenstrahlen den neuen Tag ankündigten. Dies war meine Art, jenen schrecklichen Bildern in meinem Kopf zu entfliehen und meinen Geist mit Alkohol zu betäuben.


    An diesem Abend war allerdings alles anders. Als ich mich bereits alleine wog, hörte ich plötzlich Stimmen. Scheinbar war noch zu später Stunden ein Fremder eingetroffen, der in Begleitung seiner Sklaven ins Atrium geführt worden war. Zwei flavische Custodes hatte man ihm zur Bewachung zur Seite gestellt. Offenbar traute man ihm nicht besonders.
    Ich hatte mich gerade noch einen der Seitengänge retten können, um nicht erwischt zu werden. Einen Moment verharrte ich dort, um zu sehen, was weiter geschah. Von meinem Versteck aus konnte ich den Fremdling gut beobachten. Ein junger Mann, recht gut gekleidet, wenn auch in sehr verdreckten Kleidern, die schon weitaus bessere Tage gesehen hatten. Er und seine Begleiter ließen sich auf einer Kline nieder und nickten kurz darauf ein, während der Sklave, der ihn ins Atrium begleitet hatte sich wieder entfernte. Was hatte er soeben gesagt? Herr Scato wird gleich kommen? Nun, zu dieser späten Stunde würde der Fremde wohl lange warten müssen. Scato, wie ich aus besseren Tagen wusste, hatte einen besonders tiefen Schlaf. Es würde schwierig werden, ihn zum aufstehen zu bewegen. Doch darin sah ich meine Chance. Um vielleicht wieder an Ansehen bei Scato zu gewinnen oder auf einfache Art und Weise zu einer Kanne besten flavischen Weines zu kommen.
    Ich trat aus meinem Versteck hervor, nickte den beiden Custodes zu und näherte mich den Fremden. „Dominus,“ flüsterte ich leise, um die Schlafenden nicht zu sehr zu verschrecken. „Dominus, ich bedaure, leider schläft mein Herr Scato, doch vielleicht kann ich, sein Sklave…“ der in Ungnade gefallen war… „weiterhelfen.“

    Am nächsten Morgen


    Nach einer schier nicht enden wollenden schlaflosen Nacht verließ ich kurz vor Morgengrauen mein Lager, wusch mich und bekleidete mich, wie jeden Tag. Heute jedoch war kein Tag wie jeder andere. Keinen Moment lang verschwendete ich einen Gedanken daran, wie absurd es eigentlich war, sauber und gut gekleidet zur eigenen Bestrafung zu gehen. Letztlich würde es der Peitsche egal sein, ob die Haut zuvor direkten Kontakt zu Wasser und Seife gehabt hatte.


    Im Servitriciuum herrschte schon ein reges Treiben. Ich jedoch nahm direkt den Weg nach draußen zu dem hintersten Hof. Dort erwartete man mich bereits. Rhascus, ein grobschlächtiger Thraker, der unter normalen Umständen als Hufschmied in der Villa diente, und zwei seiner Gehilfen, die auch nicht gerade den Eindruck machten, zart besaitet zu sein, hatten bereits mit den Vorbereitungen begonnen. Während der Thraker sein Folterinstrument testete, brachten seine beiden Gehilfen links und rechts jeweils ein Seil an den beiden Balken an, an dem man mich schon in Kürze nach oben ziehen sollte. Auch die ersten „Schaulustigen“ fanden sich ein. Wobei diese Art von Unterhaltung für die Sklaven eigentlich als Abschreckung dienen sollte. Seht her, was euch blüht, wenn ihr euren Herrn nicht gehorcht! Was mit euch geschieht, wenn ihr nachlässig seid und zu einer Enttäuschung für euren Dominus werdet!


    Der Anblick der beiden gekreuzten Balken ließ mich erschauern, als ich den Hof erreicht hatte. Rhascus schien dies bemerkt zu haben und ließ noch einmal die Peitsche mit voller Wucht laut knallen und grinste mir erwartungsvoll ins Gesicht. Ich jedoch wendete meinen Blick ab und besah mir das inzwischen schon zahlreich angewachsene Publikum. Auch die süße Irmhilta war unter ihnen, die kaum ihre Tränen zurückhalten konnte. Doch mein Blick hielt weiter Ausschau nach Scato. Am Abend zuvor hatte er noch ganz offen gelassen, ob er zu so früher Stunde diesem Spektakel hier beiwohnen wollte. Meine Augen jedoch konnten ihn nicht finden. Er war nicht da. Es interessierte ihn nicht. Seine Absenz und Ignoranz waren nur ein weiteres Mittel, um mir klarzumachen, wie sehr ich in seiner Wertschätzung gesunken war. In seinen Augen war ich nur noch ein Nichts! In gewisser Weise traf mich dies wohl härter, als jeder Peitschen hieb, der noch folgen sollte.


    Rhascus packte mich bei meiner Tunika und zog mich von meinen Gedanken noch näher an sich heran. „Zieh dich aus!“, bellte er. Ich zögerte nicht lange und legte die Tunika ab. Die noch nicht ganz verheilte Narbe an meiner Seite kam zum Vorschein. Ebenso die Tätowierungen an meiner Brust und den Oberarmen, die wie Relikte aus einer anderen Zeit an meinem Körper hafteten, die einst Zeichen eines wertgeschätzten Mannes waren. Doch diese Zeiten lagen bereits lange zurück und es gab niemand mehr außer mir, der sich ihrer erinnerte.
    „Alles ausziehen! Na los, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, bellte er weiter, weil ihn mein Anblick nicht zufriedengestellt hatte und er mir auch den letzten Rest an Demütigung nicht ersparen wollte. Schließlich legte ich auch noch den Lendenschurz und meine Sandalen ab. Erst jetzt schien er zufrieden zu sein und gab seinen beiden Gehilfen ein Zeichen. Die beiden packten mich bei meinen Armen und zerrten mich zu den Balken hin. Sie banden meine Handgelenke mit den Seilen und zogen mich ruckartig nach oben. Stöhnend gab mein Körper nach als er straff nach oben gezogen wurde, so dass lediglich meine Fußspitzen noch einen Halt auf dem Boden fanden. Ich fand mich nun in einer sehr unbequemen Stellung wieder, die es mir kaum erlaubte, mich noch irgendwie zu bewegen, geschweige denn entspannt atmen zu können. So verharrte ich vorerst und erwartete den ersten Schlag, der aber einfach nicht kommen wollte. Es schien, als wartete Rhascus noch auf etwas. Oder war dies nur Teil seines grausamen Plans, mich noch länger buchstäblich auf die Folter spannen zu wollen?

    Ich verstand ihn voll und ganz. Hier war ein Stück Heimat für ihn, wo er sich für eine kurze begrenzte Zeit frei fühlen konnte. Hier wurden wenigstens einige seiner Erinnerungen lebendig und greifbar. Auch wenn es mir bei den Flaviern relativ gut ging, wünschte ich mir manchmal auch einen solchen Platz, an dem ich inne halten konnte und die schönen Dinge meines alten Lebens für einen Moment wieder lebendig werden konnten. Für kurze Zeit hatte ich dies erleben dürfen, als ich für den Flavier nach Ravenna geritten war. Auch wenn die Reise anstrengend gewesen war, hatte ich es genossen, aus der Stadt herauszukommen und wieder einmal reiten zu können.


    „Das kann ich gut verstehen,“ antwortete ich lachend und leerte mit einem Zug den Rest des Mets. „Herrlich! Das schmeckt nach mehr!“ Ich stand dem Germanen in nichts nach. Auch er hatte seinen ersten Becher recht schnell geleert und da man ihn hier bereits kannte, mussten wir nicht lange auf Nachschub warten. Langsam fing ich an, mich mit dem Gedanken anzufreunden, mich hier öfter mit ihm zu treffen und über vergangene Zeiten zu plaudern. Alleine schon wegen des hervorragenden Mets war dies eine Überlegung wert. „Von mir aus gerne!“, antwortete ich grinsend und hob meinen Becher, um mit ihm auf diese glänzende Idee anzustoßen. Dann ließ ich den goldenen Honigwein meine Kehle hinunterrinnen. Bei den Göttern, wie hatte ich diesen Geschmack nu vermisst! Die Römer wussten gar nicht, was ihnen entging.
    Der Germane schlug mir freundschaftlich auf die Schulter, gerade so als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kannten. Und tatsächlich erinnerte er mich an den einen oder anderen Mann aus meinem Dorf, mit dem ich freundschaftlich verbunden gewesen war. Die meisten von ihnen waren tot oder mussten in den Zinnminen unten im Süden schuften, bis sie tot umfielen. Als er mich fragte, ob ich einige gute Lieder aus meiner Heimat kannte, winkte ich nur ab. Meinen Gesang wollte er garantiert nicht hören! Außerdem hatte ich dafür noch viel zu wenig Met intus. „Wenn ich singe, dann jaulen die Hunde! Das behauptet zumindest meine Frau,“ meinte ich lachend. Doch dann verging mir das Lachen. „Sie hat behauptet...“

    Diese eine Frage hatte all die Arroganz und Anmaßung des Römers wieder offen hervortreten lassen. Als ob er Herr über Leben und Tod sein konnte! Allein der Kunst des Medicus war es doch letztlich geschuldet, dass ich immer noch lebte. Aber ich verstand, dies alles sollte mir noch einmal seine Allmacht vor Augen führen, die er über mich, mein Leben und meinen Geist besaß. Jedoch irrte er, wenn er glaubte, auch über meinen Geist bestimmen zu können. Mein Körper und mein Leben mochten ihm gehören. Doch nicht mein Geist! Darüber würde er niemals herrschen können. So glaubte ich jedenfalls. Im Grunde aber war dies im Augenblick sowieso nebensächlich. Alles womit sich meine Gedanken im Moment beschäftigten, war die Frage nach dem Warum. Warum hatte ich sie nicht retten können? Warum hatte mich mein Hass soweit getrieben? Warum war ich so schwach gewesen? Immer wieder gelangte ich nur zu der einen Antwort, dass ich nichts anderes hätte tun können. Und ich war mir bewusst, dass ich immer wieder so handeln würde. Auch wenn Scato mir dafür die schlimmste aller Strafen aufbürden würde. Doch, ich würde es immer wieder tun, wenn sich die Möglichkeit bot, eine der Meinen zu retten. Doch mit Aislins Tod war der letzte Rest meines alten Lebens für immer ausgelöscht. So als hätte es meine Vergangenheit nie gegeben. Nun gab es nichts mehr, wofür es sich lohnte, etwas zu wagen oder die Aufmerksamkeit seines Dominus zu gewinnen. Mehr Energie in eine Sache zu stecken, als tatsächlich notwendig war. Allein aus diesem Grund tat sich der Flavier keinen Gefallen damit, mich länger am Leben zu halten.


    Ich sah kurz auf, als er damit begann, sich zu überlegen, womit er mich am ehesten treffen könnte. Da er mir den Tod verweigerte, weil ihm diese Option wohl zu gnädig in seinen Augen erschien, verdammte er mich zum Weiterleben. Die Aussicht, in den Minen oder unter den Gladiatoren zu landen, sprach er als Drohung aus. Für mich allerdings klang dies eher als Hoffnung auf einen zwar schmerzvollen aber dafür absehbaren Tod.
    Schließlich war es dann die Peitsche, die mich erwarten sollte. Bei Morgengrauen im Hof. Schon oft war mir das hölzerne Kreuz im hintersten Teil des Hofes, dort, wo selten nur einer der Flavier einen Fuß hinsetzte, aufgefallen. Zwei grobschlächtige, sich x-förmig kreuzende Balken, an deren beiden oberen Enden jeweils ein eiserner Ring befestigt war, an denen für gewöhnlich die Hände des zu Geißelnden befestigt wurden, so dass jener mehr hing als stand wenn die Peitsche auf seinen Rücken hernieder sauste. Wenn man etwas genauer schaute, so konnte man die Spuren früherer Bestrafungen erkennen. Wie zur Mahnung stand das Kreuz dort, auf das jedem Sklaven, dem es ins Auge fiel, sofort klar sein musste, was ihm blühte, wenn er den Zorn seines Herrn auf sich zog.
    Un dennoch, dieses Urteil erfüllte mich nicht mit Schrecken. Ganz gleich wie viele Hiebe mich morgen erwarten sollten. Vielleicht betäubten sie den Schmerz, der mein Herz umgab und der mich so bedrückte. Mit unveränderter Miene nickte ich Scato zu. „So viel Großmut habe ich nicht verdient, Dominus! Ich danke dir für dein mildes Urteil. Morgenfrüh werde ich mich pünktlich im Hof einfinden.“

    Lediglich ein gequältes Lächeln konnte ich auf seine Bemerkung hin aufbringen. Ich strahlte also eine gewisse barbarische Robustheit aus… aha. Wahrscheinlich hatte sein netter Verwandter das gleiche im Sinn gehabt. Das lag wohl in der Familie. Scato jedenfalls schien sich nicht allzu sehr daran zu stören, was mir widerfahren war. Für ihn war es wichtiger, dass seine Pläne aufzugehen schienen, was auch immer er ausgeheckt hatte. Aber so waren eben die Römer. Für sie zählten nur Macht und Geld und noch mehr Macht und noch mehr Geld. Auf diese Art und Weise würde er es sicher noch weit bringen.
    Ich beobachtete ihn, als er so sprach und Überlegungen anstellte, wie seine weitere Karriere verlaufen sollte. Nun ja, solange ich bei ihm war, konnte es mir nur Recht sein, wenn er erfolgreich war, mit dem was er tat. Also konnte ich mich auch mit ihm freuen. Zumindest ließ ich ihn in diesem Glauben. „Auf dass deine Götter für dich eine glänzende Zukunft bereit halten mögen, Dominus!“ Ich hob meinen Becher und trank auf ihn. Schließlich stellte ich ihm die Fragen die ich mir selbst auch schon gestellt hatte, auf meinem langen Weg zurück nach Rom. „Dominus, darf ich fragen, weshalb du dich so engagiert um Domina Domitillas Verheiratung kümmerst… Ich meine, sie ist doch nicht deine Schwester, sondern "nur" deine Tante.“

    Nur ein, zwei Schritte trat ich näher und verharrte dann vorerst mit gesenktem Blick. Ich wartete darauf bis Scato mich ansprach. Doch das tat er nicht. Er ignorierte mich ganz einfach. Nach einer Weile blickte ich kurz auf und sah ihn, wie er sich krampfhaft mit einigen Papieren beschäftigte. Natürlich konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass er nicht gerade gut auf mich zu sprechen war. Ich hatte ihn in Gefahr gebracht und ihn allein gelassen. Aber was noch schlimmer war, ich hatte ihn gedemütigt, als er ohne Begleiter und auch ohne Leibwächter eingeschüchtert durch die Stadt irren musste,nur weil ich von meinem Verlangen nach Rache so geblendet worden war.


    Lediglich zwei Worte richtete er endlich an mich, ohne dabei mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Meine Antwort darauf fiel auch recht spärlich aus. „Ja.“ Ich lebte. Mein Herz schlug und meine Lungen atmeten. Mein Blut floss durch meine Adern und mein Körper konnte Schmerz verspüren. Doch ansonsten herrschte in mir eine tiefe leblose Leere.


    „Ich verstehe deine Verärgerung sehr gut, Dominus,“ begann ich nach einer Weile endlich das Schweigen zu brechen. Meine Stimme klang müde und resigniert. „Was ich getan habe, ist unentschuldbar. Ich habe dich der Gefahr ausgesetzt und dich im Stich gelassen – für nichts.“ Mein blinder Eifer nach Vergeltung hatte letztendlich alles zerstört, was mir wichtig gewesen war.
    „Warum hast du mich nicht einfach sterben lassen?“ Das wäre das Beste gewesen, für ihn und für mich. Nun musste er sich mit einem nutzlosen Sklaven herumschlagen und ich war dazu verdammt, mir für den Rest meines beschissenen Lebens Vorwürfe zu machen.

    Vielleicht sollte es so enden. Und wenn dem so war, dann wehrte ich mich auch gar nicht mehr dagegen. Der Mosaikboden, auf dem ich lag, wurde zwar durch den darunter verborgenen Hypokaust gewärmt. Vielleicht zögerte dieser Umstand das Ganze auch ein wenig hinaus. Am Ende jedoch war die Konsequenz meines Zustands unausweichlich. Mein Atem hatte sich bereits verlangsamt. Bald war der letzte Rest ausgehaucht. Ich spürte auch kaum noch die Schmerzen meiner Verletzung. Nur noch wenig trennte mich von ihr. Schon bald konnten wir wieder zusammen sein. Dann würde ich sie, so wie damals, wieder bei der Hand nehmen und mit ihr über die saftig grünen Wiesen…


    Irgendetwas schien mich plötzlich zurückreißen zu wollen. Die aufgebrachten Stimmen und das Vibrieren aufgescheuchter Schritte um mich herum waren mir nicht sofort bewusst geworden. Wahrscheinlich erst, als man versuchte, mich vom Boden aufzuheben und sich der brennende Schmerz meine Wunde wieder einstellte, begriff ich, dass ich nicht mehr allein war. Mehrere Hände zerrten an mir herum und schienen sich alle Mühe zu geben, mich hier im Diesseits zu behalten. Doch eine seltsame Gleichgültigkeit überkam mich. Wollte ich überhaupt noch hier bleiben? Wesentlich einfacher war es doch, sich einfach dahintreiben zu lassen…


    ~


    Cosmas, der flavische Medicus hatte sich die größte Mühe gegeben und tat auch weiterhin alles, um mein Leben zu retten. Tagelang hatte es auf der Kippe gestanden, ob ich dies überhaupt überleben sollte. Denn meine Wunde hatte sich entzündet und dem geschwächten Körper zusätzlich noch mit Fieber zugesetzt. Als ob sein eigenes Leben davon abhing, war er mir all die Tage nicht von der Seite gewichen. Später erfuhr ich dann, dass man tatsächlich sein Leben von meinem Überleben abhängig gemacht hatte. Mehrmals täglich hatte er bis zur Erschöpfung die Verbände gewechselt, die Wunde gereinigt, sie mit Tinkturen und Salben behandelt und versucht, das Fieber zu senken. Nach langen Tagen des Bangens fruchteten schließlich diese Mühen. Das Fieber sank und die Wunde, begann wieder zu verheilen. Wie es allerdings in mir drinnen aussah, wusste niemand.
    Der Medicus, dem die Strapazen der letzten Tage anzusehen waren, saß neben mir an meinem Lager, als ich erwachte. Mir war anfangs nicht bewusst gewesen, wie lange ich geschlafen hatte, doch ich ahnte bereits, dass die Zeit, die Sciurus mir zugedacht hatte, längst verstrichen sein musste. Cosmas aber schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Sofort ließ er mir eine kräftigende Suppe zubereiten und meinte, bald sei ich wieder der Alte. Aber was wusste Cosmas schon!
    Die Suppe musste man mir einflößen. Ich hatte kein Verlangen nach Essen. Warum sollte ich diesen Körper noch am Leben erhalten, wenn mir doch nichts mehr am Leben lag? Außerdem nervte es mich, dass ständig jemand nach mir sah. Noch ahnte ich nicht, warum sich alle so eindringlich um mich kümmerten. Doch dies änderte sich einige Tage später, als ich das Gespräch zwischen dem Medicus und einen anderen Sklaven belauschte. Die beiden wähnten mich schlafend, daher gaben sie sich so ungewohnt offen.:
    „Eigentlich ist es doch völlig sinnlos, dass wir ihn erst gesund pflegen, wenn er dann doch wieder…“, begann der Sklave.
    „Was, wenn er doch wieder?! Was redest du da?“ Cosmas war kein Freund solcher Reflexionen. Er hatte einen Auftrag von Dominus Scato erhalten und den gedachte er auch auszuführen, ohne wenn und aber.
    „Na, wenn er dann doch bestraft werden soll. Du glaubst doch nicht, dass..“
    „Was glaube ich nicht?“, fiel der Medicus dem Sklaven ins Wort.
    „Du weißt genau, dass die Flavier mit ihren Sklaven nicht zimperlich sind, wenn es ums ‚Bestrafen‘ geht.“ Natürlich hatte man sich unter der Sklavenschaft bereits so seine Gedanken gemacht. Schließlich hatten die Ereignisse um die Rückkehr des Sklaven Angus hatte im Sklaventrakt blitzschnell die Runde gemacht.
    „An deiner Stelle, würde ich mir darüber keine Gedanken machen. Das ist alleine die Sache seines Domnius. Wenn er der Meinung ist, dass sein Sklave versagt hat, dann hat er allen Grund, ihn zu bestrafen.“ Damit war für Cosmas das Thema erledigt und ich war um eine Erkenntnis schlauer. Das war es also, warum alle so nett und fürsorglich zu mir waren, obwohl ich doch versagt hatte...


    ~


    Tage später nutzte ich einen unbeobachteten Moment und verließ mein Lager. Ich hatte immer noch Schmerzen. Sehr schwerfällig zog ich mir eine frische Tunika über. Dann schlurfte ich langsam hinaus aus dem Schlafraum. Hin und wieder blieb ich stehen, um mich auszuruhen. Es bedurfte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich das Balneum erreicht hatte. Ich wusch und rasierte mich. Ein kleiner schaler Spiegel ließ dennoch erahnen, wie erschreckend noch immer mein Aussehen war. Die Verletzung und das Fieber hatten ihre Spuren hinterlassen. Mein Gesicht wirkte eingefallen und grau und auch der Glanz in meinen Augen war verschwunden.
    Schließlich setzte ich meinen Weg fort und fand mich wieder dort ein, wo ich bereits vor ich weiß nicht wie vielen Tagen gestanden hatte. Nach einigem Zögern klopfte ich endlich an und trat ein.

    Statt dem erwarteten Schimmer einer Öllampe traf ich auf völlige Dunkelheit. Scatos Cubiculum war leer. Er war irgendwo, nur nicht hier, wo ich gehofft hatte, ihn zu finden. Waren ihm die Ereignisse des heutigen Tages doch so sehr auf den Magen gestoßen, dass er von hier fliehen musste? Ich wusste ja inzwischen, dass er in manchen Dingen recht zart besaitet war und dass mit ihm nach nervenaufreibenden Ereignissen, die ihn selbst betrafen, kaum noch etwas anzufangen war.
    Doch nun merkte ich, wie mir die Zeit zwischen den Fingern davon rann. Du hast Zeit bis morgen Mittag… morgen Mittag… bis morgen Mittag! Danach werde ich sie entsorgen… Sciurus Worte hämmerten nun mit all ihrer Wucht in meinem Hirn und ich begriff, dass ich nichts mehr tun konnte. Mein Puls ging schneller und sorgte dafür, dass meine Wunde nun wieder stärker zu bluten begann. Die Stofftasche, die mit der Villicus überlassen hatte, war inzwischen schon vollgesogen. Mir wurde schwindelig. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Ich sah, wie sich meine letzte Hoffnung direkt vor meinen Augen in Luft auflöste. Nun verlor ich Aisling noch ein letzte Mal. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich sacke zusammen. So blieb ich am Boden liegen und wartete darauf, bis endlich auch noch der letzte Rest Leben aus mir entwich. Dabei fühlte ich eine besondere Stille, die in gewisser Weise auch tröstlich war.

    „Oh äh!“ Das war vorerst alles, was mir entfuhr, als ich mir eingestehen musste, ihren Namen falsch wiedergegeben zu haben. Evridiki- also mal ehrlich! Wer denkt sich so schwierige Namen aus? Nun gut, in den anderen Winkeln des Imperiums konnte Evridiki vielleicht ein gängiger und vor allen Dingen eingängiger Name sein – aber nicht dort, wo ich herkam!
    „Also Evridiki.“ Ich versuchte es gleich nochmal und gab mir dabei viel Mühe, damit ich mir ja keinen weiteren Fehler mit diesem Namen erlaubte. Offenbar lag ihr sehr viel daran. Vielleicht, weil ihr Name alles war, was ihr geblieben war. Wenn dem so war, dann verband uns eine Gemeinsamkeit.


    Sogleich klärte sie mich auch über ihre Herkunft auf. Ihre Heimat war Athen – sehr beeindruckend! Eine kleine Griechin also – wie niedlich! Griechische Frauen hatte ich bisher nur aus der Ferne begutachten dürfen. Einer wie ich hatte keine großen Chancen bei ihnen, jedenfalls sobald meine Herkunft zur Sprache kam. Und ich hatte die starke Vermutung, bei ihr würde es nicht anders laufen.


    Derweil ließ sie mich wissen, wo der Ursprung ihres Namens zu finden war. Aus der Welt der Sagen! Natürlich kannte ich mich mit solchen Dingen nicht besonders gut aus. Gelinde gesagt hatte ich keinen blassen Schimmer von griechischen Sagen. Dennoch war dies die Möglichkeit, unser kleines Gespräch fortzusetzen. Und noch mehr, dies war die Chance, weiter ihr Interesse auf mich zu ziehen. Ich war schon ganz gespannt, ob mir das gelingen sollte. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!
    „Ach wirklich? Das ist ja interessant! Weißt du, mein Name stammt auch aus der Welt der Sagen. Unserer Sagen. Also… Sagen aus meiner Heimat.“ Wie niedlich, als sie errötete. So langsam gelangte ich zu der Überzeugung, dass Evridiki vielleicht doch anders sein könnte, als all die anderen. „Und? Wer ist diese Evridiki aus deinen Sagen?“

    Es ist mir ja sehr peinlich, das zu sagen, aber mach mal deinen Sklaven Beinen! :D


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    Meinen Ärger hatte ich mit einem großzügigen Schluck Wein hinuntergespült. Es fiel mir zwar nicht leicht, es zuzugeben, doch die Tage in Ravenna hatten mir aufgezeigt, wie gut es mir hier ging und welch ein Glück ich doch hatte, hier gelandet zu sein und nicht bei einem Schinder, wie Aetius. Was mir aber, kaum dass ich geendet hatte, wieder Kopfzerbrechen bereitete, war Scatos Nachhaken. Natürlich hatte ihn meine Warnung hellhörig werden lassen. Nun saß ich echt in der Bredouille. Sicher kam es nicht besonders gut, wenn ich mich bei dem Flavier darüber beschwerte, dass mich ein anderer Flavier zur Feldarbeit verdonnert hatte. Doch bevor ich mir noch mehr das Hirn über meinen inneren Konflikt zerbrach, ermutigte er mich, ihm alles zu erzählen. Ich hätte nichts zu befürchten. Aber was, wenn Scato in dieser Hinsicht keinen Deut besser war, als sein "netter" Verwandter in Ravenna?


    „Nun ja, wie ich schon andeutete, er meint zumeist das Gegenteil von dem, was er sagt,“ begann ich vorsichtig. Wenn er jetzt noch immer nicht begriff, worauf ich hinaus wollte, dann wusste ich auch nicht weiter. Einen Moment zögerte ich noch, bevor ich weitersprach. Na ja, eigentlich konnte ich inzwischen ja behaupten, Scato zu kennen. Daher redete ich mir ein, dass er nicht so war, wie sein Verwandter in Ravenna. Schließlich ließ ich mich dazu hinreißen, tatsächlich über meinen Aufenthalt in Ravenna zu berichten.


    „Da Dominus Aetius mir die „flavische Gastfreundschaft“ zuteilwerden ließ, brachte mich sein Villicus in einem schäbigen Schuppen unter, in dem die Feldsklaven des Latifundiums hausen. Beim ersten Sonnenstrahl des nächsten Morgens, trieb man mich mit Stockschlägen hinaus zu den anderen Sklaven auf die Obstplantage. Dort verbrachte ich arbeitend auch die nächsten Tage meines Aufenthalts, bis man mich endlich wieder zurückschickte.“ Ich versuchte die ganze Zeit, sachlich zu bleiben und meine Emotionen außen vor zu lassen, falls der Flavier sich doch noch dazu entschließen sollte, es mir übel zu nehmen, weil ich mich über seine Verwandten beschwerte.

    Indem ich ein wenig Zeit für den knorrigen Germanen erübrigte und mich von ihm einladen ließ, machte ich ihm wohl eine riesige Freude. Wahrscheinlich waren solche Momente auch für ihn selten. Die Momente, in denen man die Realität vergaß und einem Hauch von Freiheit nachjagte. Dann war es wieder für einen Herzschlag lang wie früher, bevor das Schicksal zugeschlagen hatte und einem den Boden unter den Füßen weggerissen hatte.


    Alsbald erreichten wir eine Art Taberna, in der scheinbar auch mit allerlei Waren aus dem Norden gehandelt wurde. Unter anderem versuchte man hier auch Met an den Mann zu bringen, was sicher nicht das Schlechteste war. Met, das war ein Stück Heimat. Genauso sah es wohl auch der Germane, der scheinbar nicht zum ersten Mal hier einkehrte und freundlich begrüßt wurde. Baldemar entgegnete diese Freundlichkeit mit einem kleinen Geschenk, welches er scheinbar wie aus Zauberhand hervorkramte und es dem kleinen Jungen der Wirtsleute schenkte. Wie alle Kinder freute er sich über sein neues Spielzeug und bedankte sich auf herzzerreißende Art. Für einen Moment musste ich an mein kleines Söhnchen denken, welches allzu früh sein Leben hatte lassen müssen.
    Baldemar rettete mich vor meinen schmerzlichen Erinnerungen und geleitete mich mit einer schelmischen Vorfreude zu einem Tisch, der in einer Nische des Raumes stand, dort wo wir für uns waren. Nicht lange darauf brachte uns die Wirtin bereits zwei Becher mit Met. Alleine schon der Duft des leckeren Getränkes vertrieb auch die letzten dunklen Wolken und ich stimmte Baldemar ein wenig wehmütig zu: „Auf die Heimat!“
    Der erste Schluck war der Beste! Der lang vermisste Geschmack des Mets breitete sich in meinem Mund aus und verzückte alle meine Geschmacksknospen. Einfach nur herrlich!
    „Du kommst wohl öfter hier hier“, meinte ich, um unsere Unterhaltung fortzusetzen.

    Mit meinem Auftauchen hatte sie anscheinend am wenigsten gerechnet. Wieso war sie sonst so erschrocken, als ich sie ansprach? Ob sie nun in geheimer Mission unterwegs war oder einfach nur schnüffeln wollte (warum auch immer), war mir eigentlich einerlei. Amüsant fand ich lediglich ihr Erröten. Sie sah dabei noch kindlicher aus, als es bereits ihr Erscheinungsbild vermuten ließ. Schwer abzuschätzen, wie alt sie tatsächlich war. Doch scheinbar alt genug, um hier in diesem Teil des Servitriciuums herumzuschleichen.
    „Ein Problem?“ echote ich. „Nicht direkt, aber…“ Wichtigtuend vergewisserte ich mich, ob wir tatsächlich allein waren, was in diesem Teil der Villa eigentlich einer ungewohnten Abweichung des Alltäglichen gleichkam. Vom frühen Morgen an bis spät in die Nacht herrschte hier ein geschäftiges Treiben. Lediglich in den sechs, sieben Stunden, die man den Sklaven zur Nachtruhe gewährte, kehrte Stille ein.
    „Naja, manch einer unserer männlichen Standesgenossen könnte dein Hiersein falsch interpretieren,“ meinte ich schließlich, zur Vorsicht mahnend, als ich mich mit ihr allein wähnte. „Aber jetzt bin ich ja da!“, gab ich, zugegebenermaßen etwas großmäulig, aber dennoch beschwichtigend zu bedenken. Angus – der Retter hilfloser kleiner Sklavinnen. Was Irmhilta wohl dazu sagen mochte? Ach Irmhilta! Ihre Strähne, die in meiner Faust verschwunden war, war längst zur Nebensächlichkeit degradiert worden. Dafür hatte ich ja nun die kleine Sklavin mit dem seltsamen Namen ins Visier genommen.


    „Efideki, was ist das eigentlich für ein Name? Woher kommst du?“, fragte ich sie, nicht nur, um der delikaten Situation etwas die Spannung zu nehmen. Bereits bei der ersten Erwähnung ihres Namens hatte ich darüber nachgedacht, wie man zu einer solchen Anrede kam. Gut vorstellbar, dass es sich hierbei um die Launen eines degenerierten Römers handelte, von denen es hier nur so wimmelte. In diesem Fall, das war für mich selbstverständlich, würde ich sie bemitleiden und ihr Trost spenden.

    Ich hatte eben erst das balneum verlassen und schlenderte nun gut gelaunt und ein Liedchen pfeifend durch die Gänge des Sklaventraktes. Nun war ich frisch gewaschen und trug endlich wieder saubere Kleidung. So fühlte ich mich gleich viel besser. Außerdem hatte ich bis eben noch Irmhiltas süße Lippen kosten dürfen. Die kleine Germanin war ja ganz verrückt nach mir gewesen und hatte für mich, wohl als Ausdruck ihrer Zuneigung, eine Strähne von ihrem blonden Haar abgeschnitten. Mit einem Faden hatte sie sie zusammengebunden und mir geschenkt. Bevor ich mich nun wieder bei Scato blicken ließ, wollte ich das Geschenk schnell noch in meiner Truhe verstauen. Nicht dass der Flavier noch auf dumme Gedanken kam!


    Meine Finger spielten mit der blonden Strähne, als ich immer noch ganz in Gedanken bei meiner süßen Germanin in jenen Gang einbog, der mich direkt zu den Schlafsälen der männlichen Sklaven führte. Noch einmal sog ich ihren Duft ein, der noch immer daran haftete. „Ach Irmhilta“, seufzte ich leise. Ich wollte jede Strapaze auf mich nehmen, wenn ich mich zur Belohnung am Ende von ihr waschen lassen durfte. Dumm nur, dass ich scheinbar für meine nächste Umgebung kaum einen Sinn hatte. Denn beinahe wäre ich mit einer jungen Frau zusammengestoßen, die mit dem Rücken zu mir stand. Als ich gerade noch rechtzeitig die endgültige Kollision verhindern konnte, erkannte ich sie wieder. Das war doch die kleine Griechin von Domina Domitillas Tür! Sie schien neu hier zu sein. Wahrscheinlich war sie hier angekommen, als ich auf meiner Reise nach Ravenna unterwegs gewesen war. Wie hieß sie noch gleich? Efideki oder Erideki? Oder vielleicht hieß sie doch ganz anders? Aber was mich im Augenblick noch viel mehr interessierte, war die Frage, was sie hier suchte? Hier war sie doch völlig fehl am Platz und musste damit rechnen, von ein paar rüpelhaften Sklaven belästigt zu werden.
    „Salve Efideki. Was machst du hier? Hast du dich etwa verlaufen?“ Immer noch ganz offensichtlich bewegte sich die Strähne zwischen meinen Fingern, bis ich sie endlich in meiner Faust verschwinden ließ. Stattdessen setzte ich ein ziemlich treudoofes Grinsen auf, nur um die Tatsche zu übermalen, von ihr erwischt worden zu sein, wie ich mich mit einer meiner Trophäen verlustiert hatte.

    Eigentlich hatte ich nicht vor, lange an der Tür der Flavia zu verweilen. Einfach nur anklopfen, warten bis Candace öffnete, den Brief bei ihr abgeben und dann tschüss. Scato wartete ja noch auf mich!
    Aber der schwarze Haarschopf, der sich zu mir herausstreckte, nachdem ich geklopft hatte, hatte nur wenig bis gar nichts mit der Leibsklavin der Flavia zu tun. Sie schien einige Jahre jünger zu sein, dann das zarte mädchenhafte Gesicht, das errötete, als es mich sah. Und dann ihr Lächeln, als habe sie einzig auf mich gewartet. Ihre Lippen formten ein Salve, welches sie natürlich nicht laut aussprechen konnte.“Salve,“ raunte ich und hätte mich am liebsten noch viel länger mit ihr verlustiert. Ihr schwarzes Haar erinnerte mich an Morrigan, jedoch ihr Teint war einen Tick heller, als der der Perserin. Und auch ihr Wesen, so kam es mir vor, war ein ganz Anderes.
    Schließlich wurde sie sich ihres kühnen Verhaltens, mir gegenüber, bewusst und starrte plötzlich nur noch auf den Boden, statt mir in die Augen zu schauen. Ob ich sie nach ihrem Namen fragen sollte? Doch dann musste sie sprechen und dies konnte sie eventuell in Schwierigkeiten bringen. Doch mein Blick sollte hoffentlich Bände sprechen: Ich musste sie unbedingt wiedersehen!
    "Angus," wisperte ich fast lautlos und deutete dabei auf mich. Wenn ich wenigstens ihren Namen wusste...

    Sim-Off:

    *hüstel* der Tiverius war eigentlich ein Tippfehler. Aber trotzdem brillant verwandelt! :D :dafuer:


    Ich hatte es mir gut gehen lassen!? Aha! Na klar, die Reise mach Ravenna war eine nette Studienreise mit anschließendem ganztägigen Animationsprogramm in der Gruppe, an der frischen Luft. Und damit die Motivation nicht flöten ging, hatte sich der Veranstalter einige sehr überzeugende und schlagfertige Argumente ausgedacht. Ja, danke auch! Mir wäre beinahe der Kragen geplatzt, hatte ich einen solchen überhaupt besessen. Stattdessen sah ich ihn nur etwas irritiert an. Offenbar hatte Scato keine Ahnung, wie sein Verwandter in Ravenna tickte.
    „Als er deinen Brief las, hatte sich sein Blick verfinstert. Zwischendurch protestierte er auch lautstark. Ich dachte schon, ich könnte mich auf etwas gefasst machen, doch dann, als er zu Ende gelesen hatte, grinste er wieder und meinte, mein Dominus sei ein cleveres Kerlchen. Na ja, was kann ich sonst noch über ihn sagen? Er ist ein älterer Mann so um die sechzig, würde ich sagen. und ich glaube, er ist ein Genussmensch, der sich gerne mit viel jüngeren Frauen umgibt.“ Was er damit wohl kompensieren wollte? „Und, nun ja, verzeih mir, wenn ich es sage, aber man sollte vorsichtig sein, mit dem was er sagt und dem, was er meint.“ Das durfte ich ja am eigenen Leibe erleben. Und ich war mir sicher, dass alles, was mir widerfahren war, auf sein Geheiß geschehen war. Elender Mistkerl!

    Ich nahm einen Becher, füllte ihn mit dem Falerner und reichte ihn an Scato. Stirnrunzelnd ging mein Blick zu jenem Korbsessel, den er mir soeben angeboten hatte. Doch, wie es schien, war dem Flavier noch im rechten Moment eingefallen, dass auch ich ein wenig Wein vertragen könnte. Wenigstens so viel, um mit mir anstoßen zu können. Natürlich hatte ich noch immer keinen Schimmer, was denn eigentlich der Anlass zu dieser kleinen Feier war. Und noch mehr wunderte es mich, wieso er ausgerechnet mit mir, seinem Leibwächter, anstoßen wollte und dabei seine Familie ganz außen vor ließ. Nun ja, unter den Sklaven wurde ja so einiges gemunkelt. Etwa, dass Scatos Tante im Augenblick nicht gut auf ihn zu sprechen war. Die Gerüchte besagten, er habe sie an irgendeinen reichen Patrizier verscherbelt. Natürlich wusste ich nicht, wie viel Wahrheit in diesem Gerede steckte. Es ging mich ja auch nichts an. Allerdings hätte ich es Scatos Naturell durchaus zugetraut. So wie ich ihn bisher kennen lernen durfte, war er bei all den Göttern nicht besonders feinfühlig in Gefühlsdingen.


    Nachdem ich also auch einen Becher für mich gefüllt hatte, nahm ich vorsichtig Platz. Der Korbsessel war ungewohnt für mich. Außerdem schmerzte mich mein Allerwertester, was nach all den Strapazen, die meine Reise mit sich gebracht hatte, nichts Ungewöhnliches war. Als ich endlich saß, wollte er anstoßen und prostete mir zu. Auf die Verbindung von Flavia Domitilla und Lucius Tiberius Lepidus. Es stimmte also wirklich! Er hatte es wirklich getan! Wie schändlich, die eigene Tante! Natürlich ließ ich mir nichts von dem, was mir gerade durch den Kopf ging, anmerken. Stattdessen erhob auch ich meinen Becher und stieß mit ihm an. „Auf die Verbindung von Domina Domitilla und Tiverius Lepidus!“ Dann trank ich einen großen Schluck. Der Wein war verdammt gut! Besser aber ich vermied jetzt jegliche Nachfrage zu der von ihm geschmiedeten Verbindung.


    „Ja, also die Hinreise verlief gut! Ich kam überall zügig voran und brauchte nur drei Tage, bis ich Ravenna erreichte. Natürlich musste ich hin und wieder pausieren, um das Pferd nicht zu überlasten. Dabei hatte ich auch Gelegenheit, die wunderbare Landschaft zu genießen. Stell dir vor, auf der Strecke über den Apennin gab es eine Stelle, an dem der Weg durch den Berg verlief!“ Ja, ja, der Tunnel am Furlo-Pass hatte mich tief beeindruckt! „Am Abend des dritten Tages erreichte ich dann Ravenna. Natürlich überbrachte ich sofort deine Nachricht, Dominus. Dein Verwandter zeigte sich sehr überrascht, von dir zu hören. Er lud mich daraufhin ein, für ein paar Tage die „flavische Gastfreundschaft“ zu genießen.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm davon erzählen sollte, wie tatsächlich diese Gastfreundschaft ausgefallen war. Scato konnte ja recht eigen reagieren, wenn ich mich über einen seiner Verwandten pikierte. So überließ ich es ihm, sich seine ganz eigene Vorstellung von dieser „flavischen Gastfreundschaft“ zu machen.

    Sciurus‘ Worte pochten heftig in meinem Kopf. Du hast Zeit bis morgen Mittag… morgen Mittag… bis morgen Mittag! Danach werde ich sie entsorgen… Mir wurde schwindlig bei dem Gedanken. Ich konnte jetzt nicht einfach zu Sothos gehen, um mich verarzten zu lassen und mich dann schlafen legen, wo mich dann womöglich das Fieber heimsuchte und mich vielleicht dann für Tage außer Gefecht setzte.
    „Ich werde mich darum kümmern,“ gab ich recht angebunden zurück und begab mich sofort, mehr taumelnd als gehend, ins Innere der Villa.


    Immer wieder musste ich mich an den Wänden der Gänge abstützen. Längst hatte ich schon den Sklaventrakt hinter mir gelassen, doch der Weg zu Scatos Räumen schien mir endlos zu sein.
    Gewiss, mein äußeres Auftreten hatte etwas Beängstigendes an sich. Mein nasses Haar wirkte zerzaust und hing in tropfenden Strähnen herab und in meinem Gesicht hielt langsam eine ungesunde Blässe Einzug. Morrigan, du kannst mich gerne haben, doch zuvor gewähre mir noch etwas Zeit!
    Auch die durchnässte Tunika, die ganz mit Blut verschmiert war und an der Seite einen Einstich aufwies, aus dem immer noch mehr Blut austrat, trug nicht unbedingt zur Beruhigung eines unbedarften römischen Gemütes bei. Zwar versuchte ich den weiteren Austritt des Blutes mittels des Stoffbeutels, den Sciurus mir zugeworfen hatte, zu verhindern, die Blutung selbst aber konnte ich so nicht stoppen.
    Endlich hatte ich nun die richtige Tür gefunden. Bevor ich anklopfte, verharrte ich kurz, um meine letzten Kräfte zu mobilisieren. Dann trat ich ein.

    Konnte ich da etwa einen minimalen Hauch von Freude bei ihm erkennen? Der Flavier war fürwahr kein Mensch, der nur so mit Nettigkeiten und Komplimenten um sich warf, jedenfalls mir gegenüber nicht. Doch ich hatte den Eindruck, dass er wirklich froh war, mich wieder zu sehen. Vielleicht hatte er ja geglaubt, ich könne die Gelegenheit zu einer Flucht nutzen. Wer mich aber richtig kannte, der wusste, dass es für mich im Leben noch ein großes Ziel gab, welches ich unbedingt erreichen wollte und für das ich gerne jede Strapaze auf mich nahm.* Wenn ich aber ehrlich war, dann lag die Freude auch ganz auf meiner Seite. Doch das würde ich ihn natürlich niemals wissen lassen. Am Ende kam er noch auf dumme Gedanken.


    Gespannt beobachtete ich ihn dabei, wie er den Brief seines Verwandten aus Ravenna las. Dabei versuchte ich zu ergründen, ob ich ihm positive oder aber eher negative Nachrichten überbracht hatte. Aber auch das war sehr schwierig zu ermitteln, da seine geschlossene Miene anfangs keine Spekulation zuließ. Erst als er den Brief zu Ende gelesen hatte, gewann ich langsam die Gewissheit, dass es eine gute Nachricht gewesen sein musste.
    Dann erhob er sich plötzlich aus seinem Sessel und wandte sich wieder an mich. In seiner Stimme konnte ich nun einen leicht dezenten "Freudentaumel" spüren. Warum sonst hätte er auf einmal so freundlich zu mir sein sollen? Ich sei ausgelaugt, meinte er. Oh ja, und wie ich ausgelaugt war! Und ich solle mich waschen lassen. Das ließ ich mir kein zweites Mal sagen! Ich würde mich waschen lassen und ich wusste auch schon, von wem. 8) Selbst seine Warnung, die er so ganz nebenbei aussprach, konnte mich absolut nicht schrecken. Ich hatte ja im Grunde nichts zu befürchten, denn wenn hier einer das Opfer heimtückischer Machenschaften war, dann wohl ich! Naja, das mit der doppelten Ration Essen ließ ich vielleicht doch lieber bleiben. Ich wollte mir ja nicht den Magen verderben. Aber trotzdem schätzte ich die gutgemeinte Geste. Natürlich überhörte ich auch nicht, dass ich später noch einmal zurückkommen sollte… und das es etwas zu feiern gab. Aha… ja, ja.


    „Danke Dominus!“, sagte ich ganz lieb und verkrümelte mich. Zielstrebig steuerte ich das Servitriciuum an und tat geschäftig. Nicht dass ich am Ende noch irgendeine Aufgabe aufgebrunmt bekam! Dabei hielt ich meine Augen nach der kleinen germanischen Waldfee auf, der ich seit einiger Zeit verfallen war. Die süße Irmhilta hatte mich mit spätestens seit Scatos ominöser Wahlsiegfeier mit ihrem entzückenden germanischen Akzent ganz in ihren Bann gezogen. Glücklicherweise musste ich nicht lange nach meinem Juwel suchen, denn auch sie hatte schon von meiner Rückkehr gehört und konnte es kaum erwarten, mich wieder zu sehen. Mit einem vielsagenden Blick folgte sie mir ins balneum. Nachdem ein großer Bottich mit angenehm warmem Wasser gefüllt war, ließ ich meine Hüllen fallen und stieg in das erholsame Nass. Irmhilta ging nun ganz gewissenhaft ihrer Pflicht nach und wusch mich mit einem Schwamm, der ein sanftes Reiben auf meiner Haut verursachte. „Ach Irmhila, wie schön, dass ich endlich wieder zu Hause bin!“ Äh,hallo?! Was hatte ich da gerade von mir geben? Hatte ich "Zu Hause" gesagt? Unglaublich nur ein paar Tage in der Fremde und schon hatte mein Hirn einen Aussetzter. Allerdings wenn ich ehrlich war, war dies hier der blanke Luxus, gegenüber dem, was ich in Ravenna erlebt hatte.


    Nach dem Bad hatte Irmhilta auch noch für die Befriedigung eines anderen Bedürfnisses gesorgt, so dass ich mich fast wie im Himmel fühlen konnte. Ja, genau das war das viel beschworene Dolce vital der Römer. Nun kleidete sie mich noch in eine saubere Tunika, so dass ich mich nun rundum wie neu geboren fühlte.
    Bevor ich zu Scato zurückkehrte, machte ich noch einen Schlenker zur culina hin. Dort ließ ich mir einen kleinen Imbiss zusammenstellen. Ein paar Oliven, Datteln im Speckmantel und ein Schälchen Moretum, dazu etwas frisch gebackenes Brot und natürlich eine Kanne Wein! Allerdings nicht irgendein billiger Fusel. Wenn es was zu feiern gab, dann konnte es auch Falerner sein! Vermessen wie ich gelegentlich nun mal war, ließ ich mir zwei Becher geben. Vielleicht wollte der Flavier ja mit jemandem anstoßen, dachte völlig uneigennützig. Na und wenn er alleine feiern wollte, konnte schließlich auch ein Becher zu Bruch gehen…
    Voll beladen mit meinem Tablett in der Hand, kehrte ich also wieder zu „meinem“ Flavier zurück und stellte es auf einem Tisch ab. Dann warf ich einen abschätzenden Blick auf ihn und hoffte, dass ihm immer noch zum Feiern zumute war.
    „Ich habe mir erlaubt, etwas Wein mitzubringen, Dominus,“ sagte ich, mit dem dezenten Hinweis auf das Tablett und all dem, was sich darauf befand.


    Sim-Off:

    *=Wohlgemerkt, dies hier spielt alles noch vor dem großen "Big Bang"!

    „Eher etwas im Nordwesten,“ korrigierte ich ihn freundlich. Wahrscheinlich hatte der Germane gar keinen Dunst von dem, was ich ihm von meiner Herkunft erzählt hatte. Und wenn schon, im Prinzip war das ja Schnee von gestern. Es interessierte doch niemand wirklich, woher ein Sklave ursprünglich kam und welchen Status er einst besessen hatte. Vielleicht sah das ja Baldemar ähnlich, wobei ich bei ihm den Eindruck hatte, dass er noch immer mächtig stolz darauf war, Germane zu sein. Andererseits standen germanische Sklaven bei manchen Römern hoch im Kurs. Vielleicht gerade eben wegen dieses Stolzes. Und wenn nicht, war´s mir auch egal.


    Ich folgte Baldemar, der sich richtig zu freuen schien, endlich jemand umgerempelt zu haben, um mit ihm etwas trinken gehen zu können. Ob er das wohl öfters machte? Zu einem gut gekühlten Met konnte man an einem solch heißen Tag aber auch nun wirklich nicht nein sagen! Und was machte es schon, wenn ich ein klein wenig später zurückkam? Scato würde das nie im Leben mitkriegen!
    Also klopfte auch ich meinem neugewonnenen germanischen Freund freundschaftlich auf die Schulter und ließ mich überraschen, wohin er mich führte.
    „Ja, sicher… ein bisschen,“ antwortete ich ihm grinsend. Eine passende Ausrede, warum ich zu spät zurückkam, konnte ich mir auch noch auf dem Nachhauseweg überlegen.


    Es dauerte nicht lange, bis sich ein Laden in meinen Augenwinkel schob, den Baldemar zielstrebig ansteuerte. Eigentlich hatte ich ja mit einer Taberna gerechnet, wo man sich hinsetzen konnte und es ein bisschen gemütlich war. Aber wenn der Met dafür gut war, nahm ich das gerne in Kauf.