Beiträge von Angus

    Am Abend des neunten Tages nach meiner Abreise hatte ich endlich wieder Rom erreicht. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages begleiteten mich, als ich die Villa Flavia ansteuerte und schließlich durch den Hintereingang in den Hof gelangte. Dem Stallburschen überließ ich mein Pferd - den braven Sirius, der mir so viele gute Dienste geleistet hatte. Dann eilte ich in die Villa, um die drei Briefe, die ich in Ravenna entgegengenommen hatte, auszuliefern.
    Den Brief für Flavius Gracchus wollte ich als erstes abgeben. Also eilte ich zu dessen Tablinum, klopfte und wollte, nachdem mir Sciurus geöffnet hatte, den Brief für seinen Herrn abgeben.
    Nachdem das erledigt war, nahm ich mich der Nachricht an, die an Flavia Domitilla gerichtet war. Ich klopfte auch an ihrer Tür und wartete, bis eine ihrer Sklavinnen mir öffnete und übergab ihr die kleine Wachstafel.
    Danach gab es nur noch eins zu tun. Ich eilte zum Cubiculum „meines“ Flaviers, klopfte und trat ein.
    „Salve Dominus. Hier bin ich wieder.“ Der ganze Schmutz der Landstraße haftete noch an mir. Außerdem waren die Strapazen der letzten Tage nicht spurlos an mir vorüber gegangen.
    „Ich habe eine Nachricht für dich. Aus Ravenna.“ Ich kramte den Brief aus meiner Tasche und reichte ihn ihm:

    Ad Caius Flavius Scato
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Caius Scato,


    ich muss sagen dass ich schon ein wenig überrascht war dass du deinen Schoßhund mit deiner fein-säuberlich geschriebenen Nachricht zu mir gesandt hast. Ihr Flavii in Rom, unter Gracchus Fuchtel, seid doch alle gleich.


    Ich bin sicher, dem heuchlerischen Stil in welchem du mir schriebst zufolge, liegt dem Ganzen Theater eine Intrige zugrunde. Dem sei dir deshalb gleich versichert: Verkaufst du meine Tochter an den nächstbesten, so wirst du es auch alsbald bereuen mein junger Verwandter.


    Dennoch, auch wenn ich deine Intentionen hinterfrage, so klingt der Bursche doch ganz brauchbar.


    Wenn Gracchus, ich finde gerade keine schmeichelnden Worte, der Hochzeit bezüglich noch einmal nachfragt, so sage ihm, dass ich mit der Vermählung einverstanden bin.


    Ich verbleibe mit wärmsten Grüßen aus Ravenna Caius Flavius Scato, du solltest es einmal besuchen, es könnte dir tatsächlich gefallen.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius

    Am Abend des neunten Tages nach meiner Abreise hatte ich endlich wieder Rom erreicht. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages begleiteten mich, als ich die Villa Flavia ansteuerte und schließlich durch den Hintereingang in den Hof gelangte. Dem Stallburschen überließ ich mein Pferd - den braven Sirius, der mir so viele gute Dienste geleistet hatte. Dann eilte ich in die Villa, um die drei Briefe, die ich in Ravenna entgegengenommen hatte, auszuliefern.
    Den Brief für Flavius Gracchus wollte ich als erstes abgeben. Also eilte ich zu dessen Tablinum, klopfte und wollte, nachdem mir Sciurus geöffnet hatte, den Brief für seinen Herrn abgeben.
    Nachdem das erledigt war, nahm ich mich der Nachricht an, die an Flavia Domitilla gerichtet war. Ich klopfte auch an ihrer Tür und wartete, bis eine ihrer Sklavinnen mir öffnete und übergab ihr die kleine Wachstafel:


    Salve Schätzchen!


    Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deinen Brief gefreut habe. Danke, mir geht es auch prächtig!
    Liebes, du solltest dir wirklich keine Sorgen machen. Dein Neffe hat mir versichert, der Tiberius sei ein aufrichtiger und ehrhafter Mann, der einer Flavia absolut würdig ist. Daher ist mein Entschluss unabänderlich. Du wirst diesen Mann heiraten! Ganz gleich welche Grillen dir dein Vetter Gracchus in den Kopf gesetzt hat.
    Mögen die Unsterblichen über dich wachen!


    Dein Vater

    Am Abend des neunten Tages nach meiner Abreise hatte ich endlich wieder Rom erreicht. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages begleiteten mich, als ich die Villa Flavia ansteuerte und schließlich durch den Hintereingang in den Hof gelangte. Dem Stallburschen überließ ich mein Pferd - den braven Sirius, der mir so viele gute Dienste geleistet hatte. Dann eilte ich in die Villa, um die drei Briefe, die ich in Ravenna entgegengenommen hatte, auszuliefern.
    Den Brief für Flavius Gracchus wollte ich als erstes abgeben. Also eilte ich zu dessen Officium, klopfte und wollte, nachdem mir Sciurus geöffnet hatte, den Brief für seinen Herrn abgeben:


    Ad Manius Flavius Gracchus
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Manius Gracchus,


    du magst protestieren soviel du willst, die Ehe zwischen Domitilla und Tiberius Lepidus ist beschlossene Sache.


    Ich erwarte von dir, dass du dich um die Formalitäten mit dem Tiberier kümmerst. Falls du wie für die Suche nach einem passenden Ehemann für meine Tochter dafür keine Zeit findest, kann ich auch Caius Scato damit beauftragen. Dessen Urteilsvermögen vertraue ich übrigens voll und ganz, er scheint viel von Felix geerbt zu haben.


    Bezüglich des Namens der Flavia muss ich dich sicherlich nicht darauf hinweisen, dass der einzige, der jemals eine meiner Töchter in Verruf gebracht hat, kein geringerer als du selbst bist. Was hätte aus meiner geliebten Leontia nicht alles werden können!


    Solltest du vorhaben, nun auch noch das Wohl Domitillas und ihr Ansehen in Rom zu gefährden, garantiere ich dir, dass es das letzte Leben ist, das du ruinieren wirst.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius

    Gut? Hatte ihn diese Geschichte wirklich so kalt gelassen? Nun, wenn er das so sah, dann eben Gut! Ich hatte ja gehört, dass man von Sciurus keine Anteilnahme erwarten konnte und dass er gegenüber allen Sklaven, die nicht als solche geboren worden waren, eine natürliche Abneigung hegte. Daher wunderte es mich auch nicht im Geringsten, mit welcher Gefühlsarmut er einfach wieder zur Tagesordnung überging.
    Meine Nachlässigkeit zu bestrafen, das ich nicht lache! Scato konnte froh sein, dass er noch lebte! Und wenn schon, wenn der Flavier glaubte, er müsse mich für irgendetwas bestrafen, dann sollte er doch! Von mir aus konnte er mich auch töten lassen, denn mein Herz war bereits tot.


    Dann fiel mir auf, wie sein Blick zu meiner Frau ging, wie er sie begutachtete und darüber nachdachte, was mit ihr zu geschehen hatte. Noch konnte ich mich zurückhalten und blieb ruhig. Doch wenn er sie einfach verschwinden lassen wollte, so wie es manch anderen toten Sklaven geschah, die gestorben waren, dann konnte ich für nichts garantieren. Sie sollte eine ordentliche Bestattung bekommen!
    Ihm war aber auch aufgefallen, dass meine Wunde wieder zu bluten begonnen hatte. Kein Wunder, das Blut, das an meinen Händen klebte, war noch frisch und nicht eingetrocknet, wie das auf meiner Tunika.
    Auf jeden Fall musste ich versuchen, wieder auf die Füße zu kommen. Dann konnte ich auch zu Sothos gehen, der sich meiner annehmen konnte. In dem ich mich an der Wand festfielt, schaffte ich es auch. Allerdings fühlte ich mich ziemlich wacklig auf meinen Füßen. Sciurus reichte mir großzügig seinen Beutel, damit ich ja nichts vollblutete. Ich fing ihn auf und drückte ihn fest auf die Wunde. Dann wollte ich schon gehen, zögerte aber bei seiner letzten Bemerkung. „Wohin bringst du sie? Sie soll ordentlich bestattet werden. Ich werde Scato darum bitten.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm trauen konnte. Jedoch da ich Scato ins Spiel gebracht hatte, hoffte ich er würde sie nicht irgendwo verschwinden lassen.

    Scatos Schoßhündchen hatte die Schnauze gestrichen voll! Von wegen, flavische Gastfreundschaft! Pah, dass ich nicht lache! Nachdem ich Aetius den Brief übergeben hatte und mich dieser fette Grieche anschließend in die Untiefen der Villa verschleppt hatte, dachte ich noch einen Moment lang, die nächsten Tage könnten doch ganz passabel werden. Die ravennische Villa stand der in Rom in nichts nach. Sie war ebenso mit einem solchen Prunk ausgestattet und mit vielem nützlichen und noch mehr unnützem Zeug vollgestellt. Und auch das Servitriciium war mindestens genauso miserabel ausgestattet, wie das in Rom. Lediglich der Koch, der für die Verpflegung der Sklaven zuständig war, toppte seinen römischen Kollegen bei weitem. Unter nahrhafter Mahlzeit verstand man hier Hiersepampe mit einem Hauch verkochter Gemüseabfälle. Aber was isst man nicht alles, wenn man Kohldampf schiebt?!


    Da der Abend ja schon voran geschritten war, freute ich mich nach diesem „fürstlichen Mahl“ nur noch auf eine bequeme, mit Stroh gefüllte Matratze, auf die ich meinen Alabasterkörper betten konnte. Allerdings machte mir Philon auch hierbei einen Strich durch die Rechnung. Als er mir mit seinem süffisanten Blick mitteilte, im Haupthaus sei kein Platz mehr für mich frei und ich müsse draußen, im Sklavenquartier der Feldsklaven übernachten, hätte ich den Griechen eigentlich erwürgen können, doch weil ich so ein netter Kerl war, ich fügte mich eben.
    Irgendwie hatte es etwas, mit knapp zwanzig anderen Männern und deren Ausdünstungen die Nacht zu verbringen. Die Nacht allerdings hatte recht früh ein jähes Ende gefunden. Noch vor Sonnenaufgang wurde es unruhig unter meinen Mitbewohnern. Kurze Zeit später wurden die Sklaven hinaus aufs Feld getrieben, wo sie bei Sonnenaufgang zu arbeiten beginnen sollten. Irgendein Schwachkopf hatte vergessen, dem Aufseher zu verraten, dass meine Wenigkeit lediglich zu Gast auf diesem Latifundium war. Deshalb hatte es ihm eine besondere Freude bereitet, mich mit Stockschlägen aus meinem Bett zu treiben. Auf diese Weise konnte ich hautnah erleben, was es hieß, als Feldsklave sein Dasein fristen zu müssen.
    Nach einem Tag harter Arbeit und miserabler Verpflegung auf der Obstplantage, spürte ich am Abend meine Glieder nicht mehr. Ich wollte einfach nur noch schlafen und am nächsten Tag so schnell wie möglich wieder zurück nach Rom. Aber auch das blieb nur Wunschdenken.


    Ganze drei Tage hatte man mich hier festgehalten und mich als Feldsklave missbraucht. Erst am Abend des dritten Tages informierte man mich, dass ich am nächsten Morgen in aller Frühe aufbrechen sollte. Wenn das mal keine freudige Nachricht war! Mit einem Gefühl der Erleichterung legte ich mich schlafen. Mein ganzes Mitgefühl aber galt all jenen, die hier für den Rest ihres kurzen Lebens verbringen mussten. Das hier war kein Leben! Diese Sklaven behandelte man schlimmer als Vieh!
    Am Tag meiner Abreise war ich besonders gut gelaunt. Ich konnte es kaum erwarten, endlich von hier weg zu kommen. Zum Glück hatte man wenigstens ordentlich für mein Pferd gesorgt. Bevor es aber losgehen konnte, musste ich noch einmal den fetten Griechen treffen. Er musste mir noch das Antwortschreiben seines Herrn aushändigen. Vielleicht konnte ich mir auch noch etwas Reiseproviant erbeten.
    Philon hatte mich bereits schon im Tablinum erwartet. Zu meiner Überraschung hatte er nicht nur einen Brief, sondern gleich drei. „Tja, du warst nicht der einzige Bote, der uns in den letzten Tagen aus Rom erreicht hat,“ meinte er trocken. „Diesen Brief gibst du bei deinem Herrn ab, dieser hier ist für Flavius Gracchus und dieser hier ist für die Tochter meines Herrn, für Flavia Domitilla.“
    Naja, das konnte ich mir gerade noch merken. Ich packte die Briefe in meine Tasche, stattete der Küche noch einen Besuch ab und schaffte es tatsächlich, dem Küchenmädchen zwei Lukanische Würste und ein Laib Brot abzuluchsen. Danach hielt mich hier nichts mehr und ich brach auf.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Während der Flavier las, war es mucksmäuschenstill. Nicht einmal der Hauch eines Geräusches war zu hören. Mir schien, als hielte sogar der Sklave neben mir den Atem an, was angesichts der Länge des Briefes übel ausgehen konnte. Wie erstarrt war sein Blick auf seinen Dominus fixiert. Derweil kam ich mir in meiner Haut etwas fehl am Platz vor. Aber natürlich konnte ich mich nicht einfach davonstehlen. Also wartete ich ab, was noch weiter geschah.


    Langsam schien sich das Antlitz des Flaviers, welches bislang einen recht desinteressierten Eindruck gemacht hatte, zu verfinstern. Aber dabei blieb es nicht! „Das ist ja ungeheuerlich!“, schnaubte er plötzlich wütend, so dass der Sklave und meine Wenigkeit überrascht zusammenzuckten. „Dieser miese kleine… Wie kann er es wagen?!“ Langsam machte ich mir echt Sorgen. Verdammt Sacto, was hast du nur geschrieben? Ich hatte es von Anfang an geahnt, Scato würde irgendwann mein Untergang sein. Warum musste ich immer Recht behalten, wenn es um solche Dinge ging?


    Als der Flavier zu Ende gelesen hatte, sah er zu mir auf. Nein, er visierte mich an, mit seinem verfinsterten Gesicht und hielt diesen Blick einen scheinbar nicht enden wollenden Moment. Ich war geliefert, und zwar so was von geliefert! Scato hatte mich direkt in eine Schlangenhöhle geschickt! Aber dann, ganz unerwartet veränderte sich sein Gesichtsausdruck in ein überschwängliches Grinsen, was im Abgang ein recht zweifelhaftes Gefühl in mir hinterließ. Nun verstand ich gar nichts mehr. Versteh einer die Römer!


    „Dein Dominus scheint mir ein ganz cleveres Kerlchen zu sein,“ meinte er nur, als wäre nichts gewesen und legte den Brief beiseite. Da ich mir nicht sicher war, wie ich auf diese plötzliche Veränderung reagieren sollte, ließ ich mich nur zu einem leichten Verziehen der Gesichtsmuskulatur hinreisen. Damit war ich garantiert auf der sicheren Seite.
    „Philon!“ Der Sklave neben mir schreckte auf. „Ein Brief! Schnell!“ Sofort setzte sich das Schwergewicht in Bewegung und verschwand, während ich weiter ganz perplex an meinem Platz verblieb. Kurze Zeit Später kam Philon mit einigen Schreibutensilien zurück und nahm an einem Tisch Platz. Daraufhin begann der Flavier zu diktieren:


    Ad Caius Flavius Scato
    Villa Flavia Felix
    Roma


    Salve Caius Scato,


    ich muss sagen dass ich schon ein wenig überrascht war dass du deinen Schoßhund mit deiner fein-säuberlich geschriebenen Nachricht zu mir gesandt hast. Ihr Flavii in Rom, unter Gracchus Fuchtel, seid doch alle gleich.


    Ich bin sicher, dem heuchlerischen Stil in welchem du mir schriebst zufolge, liegt dem Ganzen Theater eine Intrige zugrunde. Dem sei dir deshalb gleich versichert: Verkaufst du meine Tochter an den nächstbesten, so wirst du es auch alsbald bereuen mein junger Verwandter.


    Dennoch, auch wenn ich deine Intentionen hinterfrage, so klingt der Bursche doch ganz brauchbar.


    Wenn Gracchus, ich finde gerade keine schmeichelnden Worte, der Hochzeit bezüglich noch einmal nachfragt, so sage ihm, dass ich mit der Vermählung einverstanden bin.


    Ich verbleibe mit wärmsten Grüßen aus Ravenna Caius Flavius Scato, du solltest es einmal besuchen, es könnte dir tatsächlich gefallen.



    Gezeichnet Cnaeus Flavius Aetius


    Philon hatte eifrig mitgeschrieben. Nur das Kratzen der Feder hörte man aus seiner Richtung. Sogar ich fand Erwähnung in Aetius´ Antwortschreiben. Zu meiner Schande muss ich gestehen, errötete ich, als er mich als Scato´s Schoßhündchen titulierte. Aber langsam kapierte ich, worum es bei dieser ganzen Aktion ging. Die Gerüchte, die in der römischen Villa die Runde gemacht hatten, stimmten also tatsächlich. Scato hatte sich als Heiratsvermittler versucht, um irgendwelche Vorteile für sich daraus zu ziehen und bevor der Schuss nach hinten losging, rückversicherte er sich beim Vater der Braut in spe. Wirklich clever!
    Inzwischen war die Anspannung weitgehend von mir abgefallen, da ich ja wohl nichts mehr zu befürchten hatte. Eigentlich hatte ich nur noch Hunger und eine Mütze Schlaf hätte mir ganz sicher auch nicht geschadet.


    Als der Flavier seinen Brief beendet hatte, wandte er sich wieder an mich. „Den Brief bringst du deinem Dominus. Aber bevor du wieder zurückreist, sollst du wenigstens noch ein oder zwei Tage die flavische Gastfreundschaft genießen dürfen.“ Ich versuchte freundlich zu lächeln, obwohl mir das ziemlich schwer fiel, weil ich mir nicht sicher war, ob das eine Drohung sein sollte.
    „Philon versorge unseren Gast mit einer nahrhaften Mahlzeit und weise ihm einen Schlafplatz zu. Damit er wieder zu Kräften kommt.“ Wieder setzte der Flavier dieses fiese Grinsen auf und ich ahnte bereits, was mich erwarten sollte. Doch ehe ich ich etwas dagegen einwenden konnte, packte mich Philon auch schon an meinem Arm und zog mich mit sich fort.

    Durch eine ungeschickte Bewegung und wahrscheinlich auch wegen des vielen Sprechens, begann meine Wunde wie Feuer zu brennen. Cedrecs Klinge hatte mich seitlich rechts unterhalb der letzten Rippe gestreift.
    Ich verzerrte vor Schmerzen mein Gesicht und stöhnte. Das hielt Sciurus allerdings nicht weiter davon ab, sein Frage- und Antwortspiel fortzusetzen. Anscheinend hatte ich ihn damit beeindruckt, als ich ihm verriet, Aislin sei meine Frau gewesen. Für gewöhnlich hatten römische Sklaven ja keine Ehefrauen. Er würde also niemals die Gelegenheit haben, zu erfahren, wie erfüllend eine solche Beziehung sein konnte. Zumal wir aus Liebe geheiratet hatten und nicht um einen Pakt zwischen zwei Familien zu schmieden, wie es die Römer für gewöhnlich taten. Wahrscheinlich würde er auch nicht verstehen, warum ich handelte, wie ich gehandelt hatte.


    „Nein, sie war keine Sklavin. Sie war meine Frau - meine Ehefrau,“ krächzte ich. „Ich wusste nicht, dass sie noch lebte. Sie fing an mich zu suchen, nichtsahnend, dass diese Kerle sie verfolgten und ihre Spur sie direkt zu mir und Scato führte. Der Anführer dieser Männer stammte aus meinem Dorf. Er hat uns damals alle verraten. Allein wegen seiner falschen Zunge bin ich hier! Cedrec, dieser elende Mistkerl, er glaubte tatsächlich, er könnte sich meine Frau nehmen... Nachdem ich versklavt wurde, hatte ich nur noch ein Ziel im Leben: noch einmal Cedrec gegenübertreten zu können, um mit ihm abzurechnen. Dass ausgerechnet Scato zwischen die Fronten gerät, habe ich nicht gewollt.“ Ungeachtet dessen, dass ich weiter erzählte, tastete sich meine Hand zu meiner Wunde vor, um zu überprüfen, ob wieder Blut aus ihr austrat. Als meine Finger den Rand der Wunde erreicht hatten, tat es noch mehr weh. Ich bekam ein feuchtes klebriges Etwas zu spüren. Daraufhin zog ich meine Hand zurück und stellte fest, dass dieses Etwas Blut war.
    „Und ja, sie sind jetzt alle tot,“ antwortete ich auch auf seine letzte Frage.

    Die Mine des Villicus schien versteinert zu sein. Jegliche Regung konnte er geschickt unterdrücken. Lediglich seiner Abscheu und Verachtung ließ er freien Lauf. Doch wenigstens konnte ich mich damit trösten, dass es Scato bis nach Hause geschafft hatte. Er ist seit Stunden in seinem Cubiculum und damit wohl in Sicherheit. Aber er hatte es nicht für nötig erachtet, mir zur Hilfe zu kommen. Diese Erkenntnis traf mich bis ins Mark. Vielleicht stand er einfach noch zu sehr unter Schock, wollte ich mir einreden. Aber eigentlich wusste ich es doch besser.


    Sciurus Ton verschärfte sich, was ich ihm durchaus auch nicht übel nehmen konnte. Eine Tote vor dem Hintereingang liegen zu haben, entsprach eben ganz und gar nicht den Gepflogenheiten der Villa Flavia. Er war schließlich dafür verantwortlich, was im Haus und mit den darin lebenden Sklaven geschah.
    „Das ist Aislin… meine Frau,“ begann ich und versuchte, mich zu konzentrieren, um nicht wieder in die Lethargie abzudriften. Wahrscheinlich würde ihn das Gehörte ganz und gar fremdartig erscheinen und ihne keinesfalls dazu verleiten, seine Meinung über mich zu revidieren.
    „Sie war auf der Suche nach mir. Scato und ich… wir gerieten in einen Hinterhalt. Ich konnte ihn aber befreien, so dass er fliehen konnte. Aber ich ging nicht mit ihm zurück. Ich wollte diese Kerle noch töten, die uns angegriffen hatten. Außerdem war ja noch Aislin in ihrer Gewalt… Sie haben sie umgebracht.“ Meine Stimme drohte zu versagen. Ich war an allem Schuld. Durch mein Unvermögen war alles so gekommen.


    Endlich fing ich mich wieder und konnte nun auch seine letzte Frage beantworten, was ihn aber wohl kaum beschwichtigen konnte . „Ich weiß nicht, ob mich jemand beobachtet hat.“ Darauf hatte ich nun wirklich nicht geachtet. Außerdem hatte es Hunde und Katzen geregnet. Bei einem solchen Wetter ging niemand freiwillig vor die Tür.

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    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Gelangweilt hörte Aetius der kleinen Lyraspielerin zu. Es gab Dinge, die sie wesentlich besser konnte. Davon hatte er sich selbst erst letzte Nacht überzeugt. Die Kleine hatte sich als wahre Akrobatin erwiesen, was einem in die Jahre gekommenen Frauenhelden sehr zupass kam. Aetius liebte eben das Leben und da er es sich leisten konnte, wollte er jeden Atemzug davon genießen. Doch mit diesem sentimentalen Mist, den die Kleine nun auf ihrer Lyra fabrizierte, konnte er nichts im Geringsten anfangen. Entspannt lag er auf einer Kline, auf der er es sich schon vor einer ganzen Weile bequem gemacht hatte und gähnte. Sein Betthäschen aber jetzt einfach wegzuschicken, wäre aber zumindest zu dieser vorgerückten Stunde unklug gewesen. Also sah er ihr andächtig zu und lächelte angetan, wenn sie ihre Augen zu ihm aufschlug.


    Aetius Erlösung kam in Form eines nicht mehr ganz so frischen Sklaven. Den Namen des Mannes hatte er selbstverständlich vergessen. Man kann sich ja nicht um alles kümmern. Der Sklave, der aufgrund leichten Übergewichts daher gewatschelt kam, wirkte recht gehetzt, als er sich der Exedra näherte. Ein Grund mehr für Aetius, sein Augenmerk auf ihn zu richten.
    „Dominus, Dominus!“, rief er ganz außer Atem. „Ein Bote mit einer Nachricht aus Rom!“ Die Lyra verstummte prompt ob der fehlenden Aufmerksamkeit ihres Zuhörers. „Ein Bote aus Rom? Von meiner Tochter, nehme ich an.“ Es war lange her, seit er von ihr gehört hatte. Ihre Beziehung zueinander war leider nicht die Beste. Daran war natürlich nur ihre Mutter schuld, die sie nach Aetius Meinung, immer noch gegen ihn aufhetzte. Er bereute es immer noch, dass er sie damals nicht einfach hatte beseitigen lassen, so wie die meisten seiner überdrüssig gewordenen Frauen. Aber ihre Familie war zu diesem Zeitpunkt ziemlich mächtig gewesen, was nur zu unschönen Keilereien geführt hätte.
    „Nein, nicht von deiner Tochter, Dominus. Von einem gewissen Flavius Scato, “ antwortete der Sklave, der mit diesem Namen nichts verbinden konnte.
    „Flavius Scato? Kenne ich nicht!“, brummte Aetius nachdenklich. Scato… Scato. Wer konnte das den sein? Einer von Gracchus´ Blagen? Ach nein, die hießen ja anders. „Aber gut, der Bote soll seine Nachricht überbringen!“ Schließlich obsiegte Aetius´ Neugier und so ersparte er sich einige weitere Stunden quälender Lyramusik. Genau die wollte in dem Moment wieder einsetzen, als der Sklave sich umdrehte, um den Boten hereinzubitten.
    „Schätzchen, sei mir nicht böse. Verschwinde mal eben. Ich komme dann später wieder auf dich zurück. Ganz bestimmt!“ Mit seinem Haifischgrinsen komplimentierte er die Kleine hinaus, um sich nun voll und ganz der Nachricht von diesem, ihm unbekannten Flavier zu kümmern.


    Bei meiner Ankunft hatte man mich erst ein wenig kritisch beäugt. Erst dann war man so freundlich gewesen, mir Eintritt zu verschaffen. Der hiesige Ianitor stand dem römischen in nichts nach. Er war mindestens genauso griesgrämig. Entweder lag das am Beruf oder an der Familie.
    Statt mir erst etwas zu Essen anzubieten, ließ mich der Sklave, der mich dann in Empfang nahm, sozusagen hinter der Haustür stehen. Dort wartete ich erst eine Weile, bis er dann schließlich wieder zurückkam und mich zu seinem Herrn führte. Ich folgte ihm und sah mir im Vorbeigehen die Inneneinrichtung an. Gar nicht schlecht, vielleicht ein wenig zu protzig, war mein Urteil, das aber niemanden interessierte.
    Der Empfänger von Scatos Brief erwies sich als gepflegter älterer Mann, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Er hatte so gar nichts mit Scato gemein, fand ich. Aber noch hatte ich nicht mit ihm gesprochen. Also begann ich, meinen Text herunterzuleiern.
    „Salve Dominus. Mein Dominus Flavius Scato schickt mich und sendet dir seine besten Grüße. Er hat eine wichtige Botschaft für dich.“ Ich hielt dem Flavier den Brief entgegen, den ich auf meiner Reise hierher wie einen Augapfel gehütet hatte.
    Aetius nahm den Brief, brach das Siegel und begann zu lesen.


    Ad Cnaeus Flavius Aetius
    Villa Flavia
    Ravenna


    Salve werter Aetius,


    sicherlich hast du bislang wenig bis nichts von mir gehört, mein Name ist Caius Flavius Scato, Sohn des Titus Milo, und Enkel des großen Felix.
    Seit der Ankunft deiner Tochter in Roma habe ich mich um sie gekümmert und sie in die feine Gesellschaft der Hauptstadt eingeführt um sie zu einer wahren flavischen Dame gedeihen zu lassen.


    Wie es die Gepflogenheiten verlangen, sollte deine Tochter in ihrem Alter nunmehr einem passenden Gemahl zugeführt werden, und ich habe einen äußerst aufregenden und mehr als passenden Kandidaten ausfindig gemacht, und auch er ist höchstinteressiert an dieser Verbindung.
    Er entstammt dem Haus der Tiberier, sicher, eine Familie welche nicht annähernd die edle Herkunft der Flavia teilt, jedoch, und ich denke da wirst du mir zustimmen, käme niemand in Frage, schon gar nicht unter den aufstrebenden jungen Männern Roms.
    Der Mann der Wahl heißt Lucius Tiberius Lepidus, und er bekleidet derzeit das Amt des Quästors, vielleicht hast du ja bereits von ihm gehört, wenn nicht, wird dies sicherlich bald der Fall sein.


    Kein anderer Kandidat ist aussichtsreicher und wäre besser geeignet für deine geliebte Tochter. Solltest du dir Sorgen um ihr Befinden machen, so sei dir versichert, dass der Tiberier ein äußerst aufrichtiger und ehrhafter Mann ist, von welchem ich nur gutes zu berichten weiß.


    Nun kommen wir zum eigentlich Grund meines Schreibens und einer eindringlichen Warnung: Manius Flavius Gracchus ist dieser Beziehung nicht wohlgesonnen!


    Mehr noch, er drohte deiner Tochter gar mit der Verbannung aus der Villa Flavia!


    Es ist offensichtlich dass Gracchus nur einen Groll gegen dich hebt Aetius, weshalb ich dir auch schreibe, um dir zu versichern dass du einen Verbündeten in Rom hast, und dich von Manius Gracchus nicht bevormunden lassen solltest, denn ein Vater weiß noch selbst was für seine Tochter das beste ist.


    In Hochachtung verneige ich mich vor einem welcher den Flaviern in Rom solch eine schöne Blume schenkte. Ich bin mir sicher dass auch du weißt was zutun ist, und erwarte alsbald eine Anweisung wie ich zu verfahren habe.


    Mögen die Götter stets über dich und die deinen Wachen,


    [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus100.png] Gezeichnet, Caius Flavius Scato

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    http://s14.directupload.net/images/141030/kt46lzaw.gifMit den ersten morgendlichen Sonnenstrahlen hatte ich die Villa hinter mir gelassen. Hoch zu Ross ritt ich durch die Straßen der Stadt, von denen einige zu dieser allzu frühen Stunde noch recht verwaist wirkten. Auf den Straßen jedoch, die zu den Märkten führten, ging es jedoch schon etwas mehr geschäftiger zu. Händler, Sklaven und Urbaniciani begegneten mir auf meinem Weg zur Via Flaminia.


    Die Via Flaminia, so hatte mir einer der flavischen Sklaven erklärt, führte mich von Rom, über den Apennin nach Ariminum. Von dort aus sollte ich immer nach Norden reiten, entlang der Küste des Mare Adriaticum, bis ich Ravenna erreichte. Ich hatte mir ausgerechnet, dass ich etwa drei Tage für diese Strecke brauchte, vorausgesetzt ich kam gut voran. Schließlich hatte ich keine Ahnung, was mich unterwegs erwartete. Natürlich hatte ich meine ganz eigenen Vorstellungen von meiner bevorstehenden Reise. Ich hielt die Via Flaminia für einen schmalen Gebirgspfad, der mich durch eine menschenleere und unberührte Landschaft führte, so wie ich es von zu Hause gewohnt war. Eine Landschaft mit fischreichen Gebirgsbächen und dichte Wälder, in denen es nur so von Wild wimmelte. Ich sah mich bereits, wie ich mir mein eigenes Abendessen erjagte und im Schein des Mondes mein Lager aufschlug. Ich freute mich schon darauf, am Morgen im kühlen Wasser eines Bergsees zu schwimmen, bevor ich wieder weiter, gen Ravenna ritt.


    Verständlicherweise hatte ich in der Nacht vor meiner Abreise nur wenig Schlaf gefunden. Dementsprechend fühlte ich mich, als ich zu sehr früher Stunde mein Lager im Schlafraum der Sklaven verließ. Doch ein Guss kalten Wassers über den Kopf sorgte dafür, dass ich richtig wach wurde.
    Endlich nun, nachdem ich den Tiber über die Pons Mulvius überquert hatte, warf ich noch einmal einen letzten Blick auf Rom. Mich überfiel ein Gefühl, welches ich lange nicht mehr empfunden hatte. Das Gefühl, frei zu sein, auch wenn dies nur ein einziger Trug war. Denn schließlich gab es einen Auftrag, den ich zu erfüllen hatte und dieser war es auch dann, der mich wieder band und mir meine Sklavenketten wieder vor Augen hielt. Doch wenigstens gönnte ich es mir, den Moment der scheinbaren Freiheit zu genießen.
    Ich sog die frische Luft ein und erfreute mich an dem würzigen Duft wilder Kräuter, die am Wegesrand wuchsen. So lange war ich in dieser Stadt gefangen gewesen und hatte täglich ihren stinkigen Atem einatmen müssen. Genau so roch die Freiheit! Was hätte der Flavier denn schon groß unternehmen können, wenn ich jetzt einfach davongelaufen wäre und seinen Auftrag Auftrag hätte sein lassen? Aber ich hatte ihm mein Wort gegeben und offenbar vertraute er mir.


    Der Morgen war bereits voran geschritten, als ich, was meine Vorstellungen von der Via Flaminia betraf, eines besseren belehrt wurde. Der vermeintliche Gebirgspfad entpuppte sich sehr schnell als viel befahrene Verkehrsstraße, auf der mir bereits etliche vollbeladene Ochsenkarren entgegen kamen, die auf dem Weg nach Rom waren. Auch mit der dichten Bewaldung lag ich völlig falsch, zumindest was die ersten dreißig, vierzig Meilen der Straße betraf. Zypressen und Pinienbäume, gelegentlich ein Olivenhain. Allerdings fand ich auch später keine wirklich großen Wälder vor. Aber wenigstens säumte ab und an der Tiberis meinen Weg.


    Noch kam ich gut voran und trieb mein Pferd an, noch schneller zu laufen. Bis zum Abend wollte ich Carsulae erreicht haben. Dort, so hatte man mir gesagt, gab es eine Mansio, eine Raststätte für Reisende, wo ich auch mein Pferd versorgen konnte. Bis dahin lag aber noch ein langer Weg vor mir. Und ehrlich gesagt, war mir eine Übernachtung im Freien lieber. Noch waren die Nächte nicht zu kalt dafür. Vorrangig aber wollte ich auf die Bedürfnisse meines Pferdes achten, das unmöglich stundenlang dieses Tempo beibehalten konnte. Ich musste also für ausreichend viele Pausen sorgen, wenn ich das Tier auch wieder lebend zurückbringen wollte. Doch noch schien Sirius gut bei Kräften zu sein und das wollte ich für mich nutzen.


    Ich war wohl schon einige Stunden unterwegs, als ich zum ersten Mal stoppte. Das Pferd ließ ich grasen, während ich mir ein Stück der lukanischen Wurst abschnitt, die ich in meinem Proviant dabei hatte. Vorbeiziehende Reisende glotzten mich verwundert an. Wahrscheinlich hatten sie vorher noch nie einen Mann gesehen, der im Gras saß und Wurst kaute und dazu gelegentlich aus einen Schluck Posca aus einem Trinkschlauch trank.


    http://s14.directupload.net/images/141030/6kpm5uw5.gif Ein weiteres Mal querte ich den Tiber bis ich dann Ocriculum erreicht hatte. Die Sonne hatte längst ihren Zenit überschritten. Es war bereits Nachmittag. Bisher hatte ich Glück gehabt mit meiner Reise. Dem Pferd, das zwar schon etwas müde wirkte, ging es noch verhältnismäßig gut. Die Landschaft gefiel mir gut. Sie war ganz anders, als ich es bisher gewohnt war. Die Stadt, auf einem Hügel erbaut, war ein weiterer Handelsposten auf der Via Flaminia. Aber ich hielt mich nicht lange auf, sondern ritt weiter nach Narni, überquerte dort den Nera, einen Zufluss des Tibers und erreichte ein paar Stunden später, gerade noch rechtzeitig bevor die Sonne unterging, Carsulae. Hier nun suchte ich jenes Mansio auf, denn mir erschien es doch sinnvoller dort an einem sicheren Platz für die Nacht unterzukommen und mein Pferd versorgen zu lassen. Carsulae verfügte wie jede größere Stadt über ein Bad, ein Amphitheater, Tempel und sogar ein Theater. Allerdings war ich viel zu müde, um mir die Stadt am Abend noch anzuschauen.


    Der nächste Morgen begann wieder sehr früh. Sobald es hell wurde, verließ ich Carsulae. Auf mich und mein Pferd wartete wohl der anstrengendste Teil meiner Reise - die Überquerung des Apenninen Hauptgrades. Stetig bergauf ging es über Mevania und Forum Flaminii bis Nuceria. Dort gönnte ich mir und meinem Pferd eine weitere Pause. Ich hatte nur wenig Zeit, mich an der herrlichen Landschaft zu erfreuen. Mein Weg ging weiter auf der vielbereisten Strecke. Selbst auf der Passhöhe, wo sich ein Heiligtum des Iupiter Apenninus befand, traf ich geschäftiges Leben an.

    http://s14.directupload.net/images/141030/q495cnc4.gif Von hier aus ging die Straße wieder hinunter nach Cales, weiter über den Intercisa-Pass und den Furlo-Pass. Sehr beeindruckend fand ich den Tunnel, den ich dort vorfand und durch den ich natürlich auch hindurch ritt. Vor wenigen Jahrzehnten hatte ausgerechnet ein flavischer Kaiser hier diesen Tunnel durch den Berg treiben lassen. Am Abend erreichte ich endlich Forum Sempronii. Ich war dankbar dafür, dort noch eine Unterkunft gefunden zu haben. Ein warmes Essen und ein Bett. Mehr brauchte ich nicht.


    Am dritten Tag fiel es mir schon erheblich schwerer, am frühen Morgen aufzustehen. Ein Bad im kalten Wasser aber sorgte dafür, dass ich blitzschnell wach wurde. Ich tröstete mich damit, am Abend in Ravenna zu sein. Auch wenn ich müde war, so beflügelte mich doch die Erwartung, bald das Meer zu sehen.
    Zwei, drei Stunden später war es dann endlich soweit. In Fanum Fortunae erreichte ich endlich das Mare Adriaticum. Nun war ich mir gewiss, das Schlimmste überstanden zu haben. Von dort aus führte mich mein Weg nach Pisaurum und Ariminum bis ich endlich am frühen Abend die Gegend um Ravenna erreichte. Von einem flavischen Sklaven wusste ich, dass sich das Anwesen des Flavius Aetius außerhalb der Stadt auf einem Hügel befand. Eine weiße pompöse Villa rustica, hatte er gesagt, umgeben von weitläufigen Ländereien.
    Ich musste mich einfach nur durchfragen, sagte ich mir. Doch es erwies sich als recht schwierig. Das Gebiet um Ravenna war recht weitläufig. Als ich fast schon aufgeben wollte, traf ich einen Bauer, der mir schließlich den Weg beschreiben konnte.
    Vorbei an üppigen Obstgarten und riesigen Olivenhainen, in denen um diese Zeit noch immer Sklaven schufteten, erreichte ich endlich die Villa.

    Der Flavier starrte mich erst so komisch an, so dass ich schon dachte, ich könne mir das mit dem Botengang in die Haare schmieren. Wahrscheinlich traute er mir noch immer nicht wirklich über den Weg. Oder hatte er Angst, ich würde abhauen? Aber anscheinend war ihm die Sache mit dem Brief so wichtig, dass er doch auf meinen Vorschlag einging.
    Nach Ravenna sollte ich. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wo Ravenna überhaupt lag. Aber das sagte ich ihm lieber nicht, sonst überlegte er es sich noch anders. Einen Geldbeutel für Unterkunft und Verpflegung sollte ich auch noch erhalten. Das hörte sich doch mal gut an. Vielleicht konnte ich ein wenig von dem Geld sparen, indem ich einfach nachts unter freiem Himmel kampierte und mir mein Essen selbst jagte.


    Bevor er mir endlich den Brief übergab, redete er noch einmal ganz eindringlich auf mich ein und machte noch einmal deutlich, wie wichtig es war, dass dieser Brief schnell und sicher bei diesem anderen Flavier, und nur bei diesem Flavier ankam. Und na klar, ohne Drohungen kam er nicht aus. Wenn ich versagte, dann war ich fällig. Aber das wusste ich auch schon vorher.
    „Ich werde dich bestimmt nicht enttäuschen, Dominus,“ antwortete ich brav mit einem ernsten Ausdruck auf meinem Gesicht.
    Das Beste aber kam zum Schluss! Lupus hatte tatenlos mit ansehen müssen, wie ich diese „Runde“ für mich entschied. Und als Krönung des Ganzen wurde er dazu verdonnert, mir beim Packen zu helfen.


    Da keine Zeit zu verlieren war, machte ich mich gleich auf. Lupus konnte ja schon mal meine Sachen packen. Ich jedoch begab mich in die Stallung und suchte mir das beste und schnellste Pferd aus – ein schwarzer Hengst namens Sirius. Außerdem informierte ich mich mal bei meinen Standesgenossen, wo Ravenna denn nun lag und wie man an Schnellsten dort hin kam.


    Voll bepackt mit einer Tasche Wechselkleidung, etwas Proviant, einer skizzierten Karte und vieler (hoffentlich nützlicher) Informationen verließ ich am frühen Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen die Villa Flavia.

    Gelegentlich hatte ich bei Lupus den Eindruck, er nahm mich inzwischen als einen Konkurrenten wahr, der mit mir um das Wohlwollen unseres Dominus buhlte. Vielleicht ging ihm ja langsam der Ar…llerwerteste auf Grundeis, wie man schön bei uns zu Hause sagte, denn der Flavier gab immer öfter mir den Vorzug, wenn es etwas zu erledigen gab. Na schön, wenn Lupus das brauchte und auf einen Wettkampf scharf war, dann sollte er ihn auch haben!


    Als nun unser Dominus nach uns rief, eilten wir beide sofort herbei. Kurz bevor ich durch die Tür schreiten wollte, schlüpfte er noch in letzter Minute an mir vorbei, so dass er als erster bei dem Flavier war. Ich warf dem Angeber nur einen unwirschen Blick zu, als der Flavier bereits damit herausrückte, was wir für ihn tun sollten.
    Ein Bote sollte her, der Schnellste, der irgendwie aufzutreiben war. Dann begann er auch schon, hastig zu schreiben.


    Sofort lief Lupus auch schon davon, ohne auf mich zu warten. Natürlich wollte ich das nicht auf mich sitzen lassen und eilte ihm hinterher. Auf halbem Wege jedoch blieb ich stehen, und benutzte zur Abwechslung mal meinen Kopf. Ich kannte einen schnellen Boten, der reiten konnte, als wäre morgen seine Hinrichtung – sogar persönlich!
    Schnell eilte ich zu Scato zurück. Just in diesem Moment hatte er seinen Brief beendet, rollte ihn zusammen und drückte sein Siegel darauf.
    „Ähm, wenn du erlaubst, Dominus. Ich könnte doch den Brief… Also ich kann gut und schnell reiten und du kannst mir vertrauen. Außerdem sparst du dir noch eine Menge Geld dazu.“ … und ich bekam endlich einmal wieder die Gelegenheit, reiten zu können, so etwas wie Freiheit zu spüren und ich lernte Land und Leute besser kennen. Man konnte ja nie wissen, wozu sowas noch gut war!
    Kaum hatte ich meinen letzten Satz beendet, erschien auch schon Lupus auf der Bildfläche.

    Je länger ich so da lag, umso weniger konnte mir die Nässe und die Kälte noch anhaben. Ich glaubte, allmählich hinab zu gleiten auf den Grund eines tiefen unbekannten Ozeans. Nicht mehr lange und ich war wieder bei ihr. So mochten die Götter doch gnädig mit mir und meinem Schicksal sein und mich nicht länger in dieser hässlichen Welt alleine zurücklassen. Dieser Gedanke fühlte sich gut an. Auf keinen Fall wollte ich mehr zurück. Ich hatte bereits mit dem lästigen Leben abgeschlossen. Der Tod war allemal besser.
    Doch aus irgendeinem Grund verspürte ich plötzlich einen Tritt, der mein weiteres Absinken scheinbar verzögerte und mir einen Seufzer entlockte. Plötzlich befiel mich die Angst, selbst jetzt noch, in diesen letzten Atemzügen, könnte alles aus den Fugen geraten und dass alles, worauf ich noch gehofft hatte, von einer mir unbekannten Macht zermalmt würde. Gleich darauf merkte ich, dass meine Ängste keinesfalls unbegründet waren! Etwas zog mich wieder nach oben. Und noch schlimmer, Aislin drohte mir nun endgültig aus meinen Armen zu entgleiten. Flehentlich hauchte ich ihren Namen, als ob ich ihr Entgleiten auf diese Weise irgendwie aufhalten konnte. Wie einfältig ich doch nur war! Ich Schwächling hatte sie nicht im Leben beschützen können. Ich hatte sie kaltblütig ihren Mördern überlassen, statt mit ihr diese verfluchte Stadt zu verlassen. Heute hatte ich es in der Hand, ihre und meine Ketten zu sprengen, um mit ihr neu anzufangen. Irgendwo, nur wir zwei für den Rest unseres Lebens. Doch diese Chance hatte ich ungenutzt verstreichen lassen, wegen meines blasierten Ehrgefühls und dem Glauben, dem Flavier etwas schuldig zu sein. Und selbst jetzt im Tod schaffte ich es nicht, sie bei mir zu halten. Was für ein erbärmlicher armer Wicht ich doch war!


    Irrte ich mich oder rief da tatsächlich jemand meinen Namen? Sollte am Ende Morrigan doch noch Mitleid mit mir verspürt haben? Wenn dem so war, wollte ich keine Minute zögern. Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung! Einen Spalt weit öffnete ich meine Augen. Alles war verschwommen. Schemenhaft fing ich ein Bild ein. Nein, das war nicht Morrigan! Langsam begann sich mein Blick zu schärfen. Graue Augen, blondes kurzes Haar und die streng anmutenden Konturen eines Gesichts erkannte ich. Hinzu kam ein missbilligender Blick, der laut Verachtung schrie. Dies war weder Morrigan noch Dagda oder irgendein anderer Gott. Es war ein Mensch aus Fleisch und Blut, der mich gerufen hatte. Ein Sklave, so wie ich. Scuirus, der Villicus… Der, dessen Name in mir stets einen Mix aus Neugier und Schauder hervorgerufen hatte. Der, vor dem mich Vulpes, die rote Füchsin, einst gewarnt hatte.
    „Scato … er ist..“, stammelte ich heiser, noch immer halb benebelt. „In Sicherheit.. Ist er in Sicherheit?“

    Sim-Off:

    * Hierbei handelt es sich um die letzte Zeile der letzten Strophe des "Funeral Blues" von W. H. Auden.


    -->


    Mit letzter Kraft schaffte ich es noch bis zum Hintereingang der Villa, der vor allem für die Sklaven und Lieferanten bestimmt war. Durch den starken Regen war ich nass bis auf die Haut. Ich fror und hatte kaum noch genug Kraft, mich auf den Beinen zu halten. Da noch immer den Leichnam meiner Frau in meinen Armen lag und ich deshalb keine Hand frei hatte, trat ich zwei- dreimal gegen die Tür, in der Hoffnung, man würde mir noch so spät am Abend Einlass gewähren. Lange geschah nichts. aber ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Doch irgendwann sank ich hinunter auf den Boden, weil ich nicht mehr konnte. Das Gesicht meiner Frau war inzwischen ganz bleich geworden. Noch im Tod war sie wunderschön.

    Der Flavier verließ verängstigt das Zimmer, welches bis eben noch unser Gefängnis gewesen war und machte sich, einem Nager gleich, der ins Visier der Katze geraten war, aus dem Staub. Von ihm war also keine Hilfe zu erwarten. Natürlich nicht! Wieso hatte ich eigentlich nur eine Sekunde darauf hoffen können? Einen Moment lang fragte ich mich, ob es überhaupt klug gewesen war, ihn allein gehen zu lassen. Mit der ganzen Situation war er sowieso völlig überfordert gewesen.
    Ich war also auf mich allein gestellt! Das bedeutete: Ich gegen drei bewaffnete Männer, die nichts Gutes im Schilde führten und unberechenbar waren. Außerdem hatten sie noch meine Frau in ihrer Gewalt.


    Während ich mich ganz still verhielt und versuchte, an der anderen Tür zu horchen, hinter der sich die anderen drei Männer und meine Frau befanden, musste ich mir auf die Schnelle eine Strategie überleben, wie ich nun am besten vorgehen sollte, damit Aislin und ich hier lebend herauskamen. Aber ganz egal, was ich mir überlegte, kam ich jedes Mal zu dem Ergebnis, dass meine Chancen verdammt schlecht standen und mein Vorhaben geradezu selbstmörderisch war. Immer noch ratlos darüber, wie ich wenigstens einen der Kerle aus dem Zimmer locken konnte, erstarrte ich plötzlich, als ich das Schreien meiner Frau hörte. Das konnte nur Aislin sein! Ich muss sofort zu ihr! Das war mein erster Gedanke gewesen. Doch im gleichen Moment riss ich mich selbst am Riemen. Wenn ich jetzt kopflos in dieses Zimmer stürzte, dann waren wir beide tot, sie und ich.
    Aislins Schreien ebbte langsam zu einem flehenden wimmern ab. Außerdem drangen Männerstimmen an mein Ohr und so etwas, wie ein heimtückisches dreckiges Lachen. So eine dämliche fiese Lache hatte nur einer: Maddox! Meine Fantasie wollte in diesem Augenblick mit mir durchgehen. Ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus, was sie da drinnen mit ihr anstellten. Für mich war es das Unerträglichste, dies tatenlos mit anhören zu müssen. Dann plötzlich hörte ich Cedrecs Stimme, der einem seiner Männer eine Anweisung gab. „Geh rüber und hol unsere beiden Gäste. Aber rühre diesen parfümierten Schwachkopf nicht an! Unser guter Angus soll doch auch noch seinen Spaß haben, bevor er ins Gras beißt.“ Kurz darauf hörte ich eine brummige Stimme, die seinen Befehl widerwillig bejahte. Dann näherten sich Schritte.


    Das war meine Chance! Schnell stellte mich hinter der Tür auf, so dass derjenige, der gleich aus dem Zimmer hinaus schreiten würde, mich nicht sofort sehen konnte. Mein Messer, an dem noch Noalans Blut klebte, hielt ich fest in meiner Hand, bereit dazu zuzuschlagen. Mein Herz schlug wie verrückt. Wenn ich das jetzt verbockte, dann war ich sofort geliefert. Der Angstschweiß stand mir auf der Stirn. Ich musste einfach nur die Nerven behalten. Aber das war leichter gesagt, als getan.


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    Krächzend öffnete sich schließlich die Tür. Es war ausgerechnet Donall, dieser riesige Bursche, der locker einen Kopf größer war, als ich. Aber der Vorteil der Überraschung war auf meiner Seite. Und diesen Vorteil wollte ich auch unbedingt ausnutzen. Also machte ich mich von hinten an ihn heran. Mit der einen Hand versuchte ich, ihm den Mund zuzuhalten, die andere Hand, die den Knauf des Messers umschloss, führte dessen Klinge zu seiner Kehle. Noch ehe er wusste, was mit ihm geschah, klaffte eine lange waagerechte Schnittwunde an seiner Kehle, aus der das warme Blut durch die allerletzten Herzschläge heraus pulsierten. Donall starb, ohne noch einen Mucks von sich gegeben zu haben.
    Nun sah das Kräfteverhältnis schon ein wenig besser aus: Zwei gegen zwei! Doch ich wollte mir nicht ausmalen, was sie bisher schon alles mit meiner Frau angestellt hatten.


    ***


    Währenddessen im Zimmer


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    Das Innere des zweiten Zimmers, in dem sich Cedrec, seine beiden noch lebenden Männer und ihre Gefangene aufhielten, war wie die übrige Wohnung recht dürftig eingerichtet und wirkte genauso heruntergekommen. In einer Ecke lagen ein paar löchrige Decken die zu einem provisorischen Lager umfunktioniert worden waren. Neben drei Stühlen, von dem aber einer kaputt war, gab es nur einen Tisch auf dessen Tischplatte nun die junge Frau lag. Einer der Männer hielt ihre Arme fest, da sie sich sonst erbittert gewehrt hätte, während der Andere sich über sie beugte. Sie konnte seinen faulen Atem riechen und wehrte sich dagegen, als er ihr seine Zunge in ihren Mund stecken wollte. Doch dann hielt er ihr drohend sein Messer vors Gesicht, so dass sie von ihrer Gegenwehr abließ.
    Schließlich begann er mit seinem Messer den Stoff ihrer Tunika von oben nach unten aufzuschlitzen, bis sie schließlich mit halbnacktem Oberkörper vor ihm lag. Stöhnend fuhren seine Hände gierig über ihre zarte Haut. Jede seiner Berührungen ließ sie zusammenzucken. „Verdammt, wo bleibt denn nur Donall!“, schnaufte Cedrec ungeduldig, der die Sache nicht noch weiter hinauszögern wollte und seinem Intimfeind Angus auch noch die allerletzte Schmach zuzufügen wollte, bevor er erst den Römer und dann ihn tötete. Die Frau unter ihm wimmerte leise und hoffte darauf, ihr Martyrium mochte bald ein Ende haben.
    „Ich könnte nachsehen, Chef“, säuselte Maddox in seiner übertrieben schmeichlerischen Art. „Du müsstest dann nur die Kleine alleine in Schach halten.“ Natürlich hätte Maddox mehr Spaß daran gehabt, wenn Cedrec ihn mit der Frau allein gelassen hätte. Andererseits hatte er ihm auch versprochen, Angus töten zu dürfen, wenn die Zeit dafür reif war. Also war ihm viel daran gelegen, dass der Sklave zwischenzeitlich nicht schon das Weite gesucht hatte.


    Cedrecs Hände ließen von Aislin ab. Ihm war schon klar, dass er sich wohl besser selbst um diese Sache kümmern musste. Er kannte schließlich Maddox und wusste, wie schnell er durchdrehen konnte. „Hier, pass auf sie auf, damit unser kleines Vögelchen nicht davonfliegt!“ Damit entfernte er sich von dem Tisch und ging zur Tür. Maddox nahm sofort Cedrecs Platz ein und schüchterte Aislin grinsend mit seinem Messer ein.


    ***


    Die Tür öffnete sich wieder. Ich hatte bereits Donalls Leiche zur Seite geschleift, damit nicht sofort Verdacht geschöpft wurde, wenn die Tür sich öffnete. Nun stand ich wieder bereit, mir den nächsten dieser Dreckskerle zu schnappen. Wenn das so weiterging, dann hatte ich leichtes Spiel, dachte ich mir. Diesmal war ich meiner Sache wesentlich sicherer. Zu meiner Freude, stellte ich fest, dass es Cedrec selbst war, der aus dem Zimmer kam. Das bedeutete, Maddox musste bei meiner Frau sein. Kein angenehmer Gedanke! Wieder stürzte ich mich von hinten auf mein Opfer. Doch diesmal schnitt ich ihm nicht gleich die Kehle durch.
    „Mach keinen Blödsinn und lass dein Messer fallen!“, raunte ich ihm ins Ohr, während ich meine Klinge ganz dicht an seine Kehle hielt, so dass die Haut leicht davon eingeritzt wurde. Cedrec, dieses Großmaul, wusste wenigstens, wann das Spiel zu Ende war. Er ließ sein Messer fallen und war zahm, wie ein Hündchen.
    Ich schob ihn wieder zur Tür hinund befahl ihm, sie zu öffnen, was er dann auch tat. Als ich endlich einen Blick in das Zimmer werfen konnte und sah, was die beiden meiner Frau angetan hatten, hätte ich dieses Schwein am liebsten gleich abgestochen. Aber Maddox, dieser Irre stand zu dicht bei Aislin. Er hätte sie sofort getötet, wenn meine Klinge Cedrecs Hals durchtrennt hätte.
    „Lass sofort meine Frau gehen, oder ich mache ihn hier kalt!“, rief ich dem Irren zu, der allerdings keinerlei Anstalten machte, sein Messer einzupacken und von Aislin abzulassen. „Tu was er sagt, du Idiot!“, krächzte Cedrec, weil ihm sein dreckiges Leben lieb war. Was ich allerdings in diesem Moment nicht mitbekam, war Cedrecs Blinzeln, mit dem er dem anderen wohl zu signalisieren versuchte, dass doch noch nicht alles verloren war.
    Endlich lenkte Maddox ein. Er trat einige Schritte zurück und ließ sein Messer vor seine Füße fallen. Als sie sich in Sicherheit wähnte, setzte sich Aislin auf und verbarg notdürftig ihren Körper unter den Fetzen, die zuvor ihre Tunika gewesen war. Trotz ihrer verheulten Augen sah ich, wie froh sie war, mich wieder zu sehen. Ihr jämmerlicher Anblick schürte meine Wut weiter an. Mit einer Hand wischte sie sich ihre Tränen fort. Dann wollte sie nach dem Messer auf dem Boden greifen.


    Offenbar war genau das der Moment, auf den die beiden gewartet hatten. Blitzschnell versuchte Maddox das Messer selbst zu erwischen. Doch meine Aislin war schneller und sie zögerte keine Sekunde! Sie hatte allen Grund ihm das Messer so tief wie möglich in seine stinkenden Eingeweide zu rammen, so dass er wehklagend zusammenbrach.
    Zur gleichen Zeit aber griff Cedrec nach einem zweiten Messer, das er die ganze Zeit über in seiner Hose verborgen gehalten hatte. Urplötzlich rammte er mir seinen Ellenbogen in die Seite, so dass mir mein Messer aus der Hand fiel. Wie ein rasender Eber wandte er sich zu mir um und versuchte mich mit seinem Messer zu treffen. Wenigsten konnte ich verhindern, dass der Stich, der mich traf, nicht tödlich war. Er hatte mich etwas oberhalb meiner Hüfte getroffen. Für einen kleinen Moment nur war ich außer Gefecht gesetzt. Doch genau diesen Moment nutzte er dazu, um sich von mir zu entfernen und hinüber zu Aislin zu springen. Irgendwie hatte sie ihn wohl zu spät bemerkt oder gar nicht damit gerechnet, dass von ihm noch eine Gefahr ausgehen könnte. Schließlich gelang es Cedrec, sie an den Haaren zu packen. Sie wehrte sich noch, doch er ließ ihr keine Chance und tötete sie vor meinen Augen. Noch einmal musste ich mit ansehen, wie das Leben aus ihr entwich. Doch ich schwor mir, dass Cedrec, dieser miese Verräter, nicht noch einmal davonkommen würde! Deshalb suchte ich mein Messer, griff nach ihm und stürzte mich, trotz meiner Verletzung auf ihn... Ich weiß nicht, wie oft ich zugestochen habe.


    ***


    Dies war also der Tag, an dem ich meine Rache bekam. Doch der Preis dafür war zu hoch gewesen! Fühlte ich mich nun besser? War ich befreiter, weil eine schwere Last von mir abgefallen war, die ich seit der Zerstörung meines Dorfes mit mir getragen hatte? Nein, es herrschte eine Totenstille um mich herum. Meine Rache hatte ein tiefes Loch in meiner Brust hinterlassen. Was war nun? War ich jetzt frei? Konnte ich gehen, wohin ich wollte? Nein, für mich gab es nichts mehr, wofür es sich lohnte, auch nur einen Tag frei zu sein. Genauso wenig wie es keinen Ort mehr gab, an den ich zurückkehren konnte. Das einzige, was mir vielleicht noch geblieben war, war die Ehre. Die Ehre eines Sklaven, was an sich schon paradox genug war.


    Meine Wunde hatte ich notdürftig versorgt und mit einem Stück Stoff verbunden. Dann nahm ich den leblosen Körper meiner Frau und vergrub mein Gesicht an ihrer Brust. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Immer wieder sah ich zu ihr auf, in der Hoffnung, sie könne auch diesmal aus dem Todesreich zurückgekehrt sein. Doch Aislin war tot.


    Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen hatte. Zwischendurch waren mir die Augen zugefallen. Ein verstörender Traum riss mich allerding wieder aus dem Schlaf. Eine schöne dunkle Frau, die sich im nächsten Moment in einen Raben verwandelte. Die Morrigan – warum hatte sie mich verschont und nahm nun meine Frau mit sich mit?


    Draußen wurde es bereits schon dunkel. Ich konnte und wollte nicht hier unter den Toten bleiben. Aber auch Aislin konnte ich nicht hier zurücklassen! Schon bald würde ihr Leichnam von Ratten oder herumstreunenden Hunden angefressen werden. Das hatte sie nicht verdient! Ich hob sie auf und trug sie hinaus auf die Gasse. Zu allem übel hatte es auch noch zu regnen begonnen. Die Götter weinten um sie und ich am liebsten mit ihnen.


    „Morrigan! Komm und hol mich!“, schrie ich vor Gram in die Dunkelheit hinaus. In der Ferne begann ein Hund zu bellen. Doch das hielt mich nicht davon ab, wieder und wider in die Dunkelheit hinauszuschreien. Die Regentropfen prasselten unerbittlich auf mich herunter. Aber das machte mir nichts aus.
    „Halts Maul da unten, sonst komm ich dich holen, du Idiot!“, brüllte ein Mann aus dem Fenster.


    Ich trug Aislin den ganzen Weg bis hinauf zum Quirinal. Meine Wunde musste wieder zu bluten begonnen haben. Der Regen hatte längst meine Kleidung aufgeweicht und vermischte sich nun mit dem Blut, das daran haftete. Ich spürte, wie mich langsam meine Kräfte verließen und mir kalt wurde. Nur noch ein paar Schritte waren es, doch es waren die schwersten an diesem verfluchten Tag gewesen.

    Zu meinem Leidwesen musste ich allerdings feststellen, dass der Flavier alles andere dazu beitrug, um uns aus dieser beschissenen Lage zu befreien. Vielleicht war es ja sein blankes Entsetzen, darüber was gerade mit ihm geschah, was ihn so lähmte. Nichts, absolut gar nichts tat er! Das konnte doch nicht sein! Er, der sich selbst als erhaften Römer bezeichnete, saß einfach nur da und machte sich auch noch ins Hemd. Dieser Anblick entfachte in mir die Wut, die mir die Röte ins Gesicht trieb. Wie von Sinnen riss ich nun an meinen Fesseln, um mich selbst zu befreien. Wenn es mir wenigstens gelang, die Fesseln etwas zu lockern, bevor unsere Wache wieder zurückkam.
    „Scato, verdammt!“, zischte ich. Die Fesseln schnitten sich in meine Handgelenke. Aber diese Schmerzen kielt ich aus. Sie verflogen, so schnell wie sie kamen. Ich wollte einfach hier weg und die noch offene Rechnung mit diesem dreckigen Verräter Cedrec begleichen. Allein das trieb mich an, mich noch mehr zu winden. Und irgendwie, ich kann mir immer noch nicht erklären wieso, gelang es mir, die Fesseln soweit zu lockern, so dass ich meine auf den Rücken gefesselten Hände über meine Beine hinweg nach vorne ziehen konnte.
    Überglücklich, dass mir das gelungen war, fingerte ich hektisch unter meiner Tunika nach dem Messer. Genau in diesem Moment hörte ich dann die Schritte, die näher kamen und dann das Knacken der Tür. Gerade noch rechtzeitig hatte ich mein Messer zu fassen bekommen.
    Um mich nicht zu verletzen, hatte ich es in ein Tuch gewickelt. Jetzt hatte ich meine liebe Not, es aus diesem Schutz zu befreien.


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    Noalan, unsere Wache trat durch die Tür. Er hatte sich einen Krug verdünnten Wein und einen Becher mitgebracht. Nachdem die Tür wieder krächzend zugefallen war, setzte er sich wieder auf seinen Schemel. Anfangs beachtete er seine Schnitzerei, die er zuvor am Boden abgelegt hatte nicht, sondern schenkte sich etwas Wein ein. Genüsslich schlürfte er das Getränk und ließ seinen Blick über uns schweifen. Hoffentlich war ihm nicht aufgefallen, was ich mit meinen Armen geschafft hatte.
    „Na, ihr zwei Pisser, ihr könnt wohl nicht voneinander lassen, was?“ , meinte er grinsend. Ihm musste aufgefallen sein, dass ich nun wesentlich dichter an dem Flavier lag, als es zuvor der Fall gewesen war.
    Während Noalan sich nun mit seinem Wein beschäftigte, versuchte ich weiterhin unauffällig, das Tuch um mein Messer zu entfernen. Mit gebundenen Händen war das gar nicht so einfach. Aber ich schaffte es dennoch. Die erste Hürde war geschafft. Nun musste ich nur noch meine Fesseln losschneiden. Auch das bedurfte viel Geduld und Vorsicht, so dass Noalan nicht misstrauisch wurde.
    Nachdem unsere Wache den zweiten Becher geleert hatte, nahm er sich seine Schnitzerei wieder vor. Umso besser, dachte ich. so konnte ich den letzten Rest der Fessel unbeobachtet durchtrennen.


    „He, kann ich bitte was zu trinken haben? Ich verdurste gleich.“ Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wie lange ich dazu gebraucht hatte, die Fesseln zu durchtrennen. Noalan hatte jedenfalls nichts davon mitbekommen. Er saß, vertieft in seine Schnitzerei, auf dem Schemel und sah nun auf und musterte mich. Offenbar wog er ab, ob er seinen Wein an mich verschwenden sollte. Schließlich war ich in ein paar Stunden tot, zumindest wenn es nach Cedrec ging.


    „Na schön, aber nur einen Schluck!“ Nolan ließ sein Schnitzmesser uns das Stück Holz sinken, schenkte noch etwas Wein in den Becher nach und erhob sich dann von seinem Schemel. Er kam auf mich zu und beugte sich über mich. Dann führte er den Becher an meinen Mund, damit ich trinken konnte. Ich trank einen Schluck. Gleichzeitig aber verstärkte sich auch mein Griff um das Messer, welches ich ihm blitzschnell in sein Herz rammte. Noalans überraschter Blick traf mich. Der Becher fiel ihm aus der Hand und ging scheppernd zu Boden. Die Beine unseres Bewachers knickten ein und mit dem immer noch überraschten Blick sackte er zusammen. Ausgerechnet auf meinen Beinen blieb er liegen. Schnell versuchte ich ihn mit meinen befreiten Händen von mir weg zu schieben, damit ich auch die Fesseln an meinen Fußgelenken durchtrennen konnte.
    Endlich befreit, durchsuchte ich noch den Toten nach Waffen. Allerdings hatte er nur sein Schnitzmesser bei sich. Ich nahm es an mich und wandte mich dann zu dem Flavier um. Eigentlich hatte ich große Lust, ihm einfach seinem Schicksal zu überlassen. Aber ich wusste auch, dass sie ihn töten würden, wenn ich mit meinem Plan scheitern würde. Also durchtrennte ich auch seine Fesseln und überließ ihm Noalans Messer. „Hier! Sieh zu, dass du hier weg kommst.“ Ich wartete nicht auf ihn. Ganz egal, ob er mich zurückhalten oder ob er mir helfen wollte. Für mich gab es jetzt nur noch eines – Rache! Auch wenn ich das hier wohl nicht überleben würde.

    Als das Wort ‚Met‘ in Verbindung mit ‚kühl‘ fiel, horchte ich auf. Alleine die Vorstellung, eine solche Köstlichkeit trinken zu können, die zu allem Überfluss auch noch schön heruntergekühlt war, bescherte mir einen verklärten Blick, der voller Sehnsucht war und der mein Heimweh aufs Neue zu entfachen drohte. Es war schon eine gefühlte Ewigkeit her, seit ich zum letzten Mal Met kosten durfte. Dieses wunderbare Getränk, welches die Eigenschaft besaß, im Winter zu wärmen, wenn man es vorher auf dem Herdfeuer erhitzt hatte und im Sommer erfrischen konnte, wenn man es zuvor entsprechend gelagert hatte, war unglücklicherweise bei den Römern nicht ganz so beliebt. Zwar konnte die römische Trinkkultur auf ähnliche Getränke, wie etwa das Mulsum oder das Conditum Paradoxum zurückgreifen, jedoch konnten diese Getränke es bei weitem nicht mit einem echten Tropfen Met aufnehmen. Außerdem war es als Sklave verdammt schwer an einen Becher Mulsum oder geschweige denn an Conditum Paradoxum heranzukommen.
    Mit einem Mal erschien mir der hünenhafte Rüpel wesentlich sympathischer. Mein Groll gegen ihn gehörte nun endgültig der Vergangenheit an, sofern er hier nicht nur über leckere Dinge sprach, sondern auch Taten folgen ließ und gewillt war, mindestens einen Becher Met für mich springen zu lassen.


    Er stellte sich mir schließlich als Baldemar vor. Für mich klang dieser Name zwar auch irgendwie fremd, doch konnte ich ihn wenigstens einigermaßen einordnen. In seinem Fall tippte ich einfach auf einen Germanen, was auch zu seinem Äußeren gut passte und indirekt sah ich mich darin auch bestätigt, als er sagte, er käme aus dem ‚sehr weiten Norden‘. Natürlich hatte ich keinen blassen Schimmer, wo der ‚sehr weite Norden‘ genau lag und von seinem Gaufürst hatte ich auch noch nichts gehört.
    „Aha, sehr erfreut, Baldemar von den Marsern. Bedaure, ich muss gestehen, deinen Gaufürst kenne ich leider nicht und von deinem Stamm ist mir auch noch nichts zu Ohren gekommen, was einfach nur daran liegen muss, dass ich aus einer anderen Ecke des Imperiums stamme. Mein Name ist Angus, Sohn des Donall. I bin… ich war ein Krieger der Carvetii. Dies ist ein Stamm im Norden Albions, das die Römer Britannia nennen.“ Schon lange hatte ich mich nicht mehr auf diese Weise einem anderen Mann vorgestellt. Hier interessierte es niemanden, woher ich kam und was ich war. Es war nur noch wichtig, wessen Eigentum ich war. Umso stolzer war ich nun, mich mit dem Schmuck vergangener Tage zieren zu können.

    Noch jede Menge wüste Beschimpfungen lagen mir auf der Zunge, die ich am liebsten noch losgeworden wäre. Doch als ich mich endlich wieder aufgerafft und mir den Staub von der Tunika weggestrichen hatte, wurde mir vollends die Größe dieses hünenhaften Zeitgenossen bewusst, der sich inzwischen wie eine Mauer aus Muskeln aufgebaut hatte. Da schien es mir doch viel besser, einfach mal die Klappe zu halten, um noch größerem Ärger aus dem Weg zu gehen. Denn mal ehrlich, in meiner Situation konnte ich nicht noch mehr Scherereien gebrauchen. Wenigstens ließ mein Gesichtsausdruck noch vermuten, wie wenig ich über den Rempler erfreut gewesen war.


    Erstaunlicherweise schien sich der Riese seiner Schuld bewusst zu sein. Zumindest lief er nicht einfach weiter. Allerdings eine Entschuldigung blieb er mir weiterhin schuldig. Oder sollte das 'Du scheinst nicht verletzt' so etwas, wie eine Entschuldigung gewesen sein? Dann grinste er auch noch. Seltsamer Kautz. Vielleicht steckte ja in diesem Mordskerl doch ein freundliches Gemüt. Ich überlegte noch einen kurzen Moment, bevor ich meinen Mund aufmachte.


    „Nein, verletzt bin ich nicht.“ Höchstens mein Stolz war verletzt, denn unter anderen Bedingungen hätte ich es sicher nicht dabei beruhen lassen. So langsam wich der Groll aus meinem Gesicht. „Aber bei dieser Affenhitze ist alles zu viel!“, meinte ich dann noch fast entschuldigend. Moment mal, weshalb sollte ich mich entschuldigen, wenn der Kerl mich schuppste? Hätte ich ihm etwa aus dem Weg gehen sollen? Wer war er denn überhaupt? Was war er? Keine Frage, seiner Statur nach schien er kein Einheimischer zu sein. Die wenigsten Römer waren so riesig und auch noch dunkelblond dazu. Außerdem trugen sie keine Hosen unter der Tunika. Da der Stoff nicht der Schlechteste war, schätzte ich mal, dass ich es mit einem neureichen Peregrinen oder einem Sklaven zu tun hatte.

    Nun ja, meine Aufmachung war auch nicht von schlechten Eltern. Der Flavier legte immer großen Wert darauf, dass seine Leute anständig gekleidet waren und nicht in billigen, zerlumpten Fetzen auf die Straße mussten. Allerdings hätte mir eine solche Hose auch gut gefallen, denn nur in der Tunika fühlte ich mich immer noch ein wenig unwohl. Selbst bei der Hitze wären mir Hosen viel lieber gewesen. „Du bist nicht von hier? Stimmt’s?“, brummte ich dann versöhnlich.

    Meine Güte, was für ein Aufzug hier veranstaltet wurde! Nun ja, mir konnte es ja egal sein. Ich trottete brav diesem aufgeblasenen Wicht Philemon hinterher, den man ausgerechnet als Schiedsrichter auserkoren hatte. Gelegentlich schielt ich zu meinem Gegner hinüber, der neben mir her trabte. Der Glatzkopf genoss es sichtlich, als ihn Philemon in den höchsten Tönen zu loben begann. Wie er seine Muskeln spielen ließ um die Leute zu beeindrucken. Lächerlicher Angeber! Dracon – der Schlächter von Londinoium! Das ich nicht lache!


    Natürlich kam ich bei Philemon nicht so gut weg, was einzig und alleine an unserer interpersonellen Inkompatibilität lag, um es mal kompliziert auszudrücken. Kurzum, bei unserer ersten Begegnung hatte ich dem jungen Sklaven klipp und klar ins Gesicht gesagt, das er ein elender Schleimbeutel sei und sich verpissen sollte. Naja, bis zum heutigen Tage war er ja meiner Bitte nachgekommen. Aber nun hatte er einen Freibrief von der Flavia erhalten, mir wieder auf die Ei… äh Nerven zu gehen.
    Allerdings spielte ich diesmal mit. Denn was der dämliche Glatzkopf konnte, konnte ich doch schon längst. Also ließ auch meine Muskeln spielen und verzog dazu mein Gesicht zu einer wilden barbarischen Maske. Natürlich brüllte ich dazu, wie ein hirnamputierter Irrer. Wenn das den Leuten nicht gefiel …
    Dann brachte auch ich mich in Position und wartete, bis Philemon, die elende Kröte endlich den Kampf eröffnete. Obwohl mich Dracons provokativer Blick dazu einlud, ihm sofort eins überzubrezeln.

    Als ich die Augen wieder öffnete, schlug mir ein herber, stechender Schmerz entgegen. Ich glaubte, mein Kopf müsste zerspringen. Außerdem fühlte ich mich sehr eingeengt, was aber, wie ich feststellen musste, an den Fesseln lag, die ich um meine Hand- und Fußgelenke spürte. Verschwommen nahm ich ein paar Gestalten vor mir war, große mächtige Kerle, die nicht unbedingt dem römischen Schönheitsideal entsprachen. Der eine der beiden hatte sich doch tatsächlich Scatos Toga übergezogen, tänzelte nun feixend herum und lachte sich fast schlapp. Der andere der beiden, ein bulliger Kerl mit rotblonden Haaren spornte seinen Kumpanen dabei noch an. Langsam hob ich meinen Kopf, um nachzusehen, ob ich mit den beiden alleine war. Doch recht schnell erkannte ich zu meiner Linken einen ziemlich düster dreinblickenden Flavier, der den zwei Vollidioten mit mutigen Worten drohte. Allerdings schienen die davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein, sondern kicherten nur noch mehr. Zu meiner Rechten fand ich Aislin vor. Auch ihr hatte man die Hände auf den Rücken gebunden und sie zusätzlich noch geknebelt. Der Schrecken saß tief in ihren Augen und an ihren Wangen liefen unablässig Tränen herab.
    Das lustige Treiben nahm allerdings ein jähes Ende, als sich unvermittelt die Tür öffnete und Cedrec mit einem weiteren Mann, dessen Gesicht mir irgendwie bekannt vorkam, eintrat. „Hört auf mit dem Quatsch, ihr beiden!“, bellte er und sofort verstummte ihr dämliches Kichern und das dumme Herumgehopse.
    „Wie ich sehe, ist unser Freund wieder wach. Das trifft sich gut. Aber bevor du an der Reihe bist Angus, werde ich mich noch ein wenig mit meinem Eigentum beschäftigen.“ Auf ein Zeichen Cedrecs hin, trat der Mann, der mit ihm ins Zimmer gekommen war und der Noalan hieß, auf meine Frau zu, zerrte sie hoch und schuppste sie seinem Anführer entgegen. Aislin versuchte sich mit allen Kräften zu wehren und zu schreien, was aber so gut wie unmöglich war. Natürlich ließ mich das nicht kalt. Auch ich begann an meinen Fesseln zu zerren und wieder auf die Beine zu kommen. Mir fiel wieder das Messer ein, das ich sorgfältig in einem Tuch verpackt direkt auf der Haut unter meiner Tunika versteckt hielt. Es war immer noch da. Sie hatten es mir nicht abgenommen. „Lass sie in Ruhe, du Schwein!“, zischte ich. Doch dafür erntete ich nur einen derben Fußtritt des rotblonden Hünen, der mich wieder zurück zu Boden fallen ließ. Cedrec, Aislin und die beiden anderen Kerle verließen darauf wieder das Zimmer. Lediglich Noalan blieb zurück. Sein düsterer Blick musterte uns, dann ließ er sich vor uns nieder und begann sich mit seinem Messer und einem kleinen Stück Holz, welches er scheinbar aus dem Nichts hervorgeholt hatte, zu beschäftigen. So saß er eine ganze Weile vor uns. Hin und wieder fiel sein Blick auf mich oder den Flavier.


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    „Ich muss mal schiffen!“, brummte er plötzlich, erhob sich und verschwand aus dem Zimmer. Genau das war unsere Chance, uns doch noch aus dieser mehr als bescheidenen Lage zu befreien!
    „He Scato!“, wisperte ich. „Ich hab ein Messer unter meiner Tunika versteckt.“ So gut es ging, robbte ich zu ihm hin. „Du musst versuchen, ob du es dir greifen kannst! Los schnell! Beeil dich, bevor dieser Kerl wieder zurückkommt!“ Jetzt lag unser ganzes verdammtes Glück in der Feinmotorik des Flaviers. Ich betete zu meinen Göttern, dass er es schaffte.